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    Artikel des Monats
April 09 Teil II

    Die Viren, mit denen wir leben

    Von Suzanne Vernon, PhD, wissenschaftliche Leiterin der CFIDS Association *

    Das Original dieses Artikels ist in The CFIDS Chronicle Winter 2009, dem Mitgliedermagazin der CFIDS Association of America,  erschienen.

    Übersetzung und Reproduktion mit freundlicher Genehmigung

    Übersetzung von Regina Clos

    Text hier als pdf-Datei

     

    Die Wissenschaft deckt immer mehr auf, wie Viren wie etwa das Epstein-Barr-Virus (EBV) die Zellen manipulieren können, die sie in unserem Körper nutzen, um ihr Überleben zu sichern. Diese Erkenntnisse können die Rolle, die das EBV-Virus bei CFS eventuell spielt, weiter erhellen.

    Als ich an meiner Promotion an der Universität von Wisconsin, Madison, arbeitete, habe ich ein Seminar des Nobelpreisträgers Howard Temin über Virologie besucht. Er erinnerte uns häufig daran, dass die meisten der Virusinfektionen beim Menschen ohne klinische Erscheinungen ablaufen, da es nicht im besten Interesse des Virus' wäre, die Zellen abzutöten, von denen sein Überleben abhängt. Die Wissenschaftler beginnen jetzt erst zu verstehen, was für ein natürliches Reservoir der Mensch für vielfältige Organismen ist. Ende 2007 haben die NIH (National Institutes of Health, die Gesundheitsbehörden der USA) ein internationales Projekt mit dem Namen Human Microbiome Project gestartet, um Anzahl und Art der mikrobiellen Zellen zu katalogisieren, die in unserem Körper leben. Erste Schätzungen lassen darauf schließen, dass die Zahl der mikrobiellen Zellen die der humanen Zellen um den Faktor 10 zu 1 übertreffen.

    Die Gemeinde der Wissenschaftler und der Mediziner versteht noch nicht genau, wie diese mikrobiellen Gemeinschaften mit unseren menschlichen Zellen koexistieren und wie dieses Zusammenleben Gesundheit und Krankheit beeinflussen kann Diese Forschung hat erst die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs erfasst und noch keine Bestandsaufnahme der Arten von Viren gemacht, für die der Mensch das natürliche Reservoir sein könnte. Auch wenn ich nicht über den möglichen Nutzen oder Schaden der Erreger spekulieren kann, die in unserem Körper existieren, möchte ich doch einige der Belege dafür beleuchten, die eines der am weitesten verbreiteten humanen Viren, das Epstein-Barr-Virus (EBV) mit CFS in Verbindung bringen.

    Das EBV-Virus – eine Kurzdarstellung

    EBV gehört zur Familie der Herpesviren. Dieses Virus tritt weltweit auf, und die Centers for Disease Control and Prevention der USA (CDC) schätzen, dass die meisten Menschen irgendwann mit diesem Virus infiziert werden. Laut CDC sind im Alter von 40 Jahren bereits 95% der Bevölkerung der Vereinigten Staaten mit dem EBV infiziert worden. Das Virus wird mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht. Dazu gehören auch zwei Krebsarten, die in den USA selten vorkommen: das Burkitt'sches Lymphosarkom und nasopharyngeale Karzinom.

    Eine durch das EBV ausgelöste Krankheit, die in diesem Land häufig auftritt, ist die infektiöse Mononukleose (IM), die 30-50% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bekommen, die mit EBV infiziert sind. Die Symptome der infektiösen Mononukleose (auch als Pfeiffer’sches Drüsenfieber bekannt) verschwinden gewöhnlich innerhalb von ein oder zwei Monaten, aber das Virus bleibt danach lebenslang im Körper.

    Von besonderem Interesse für die CFS-Gemeinde ist, dass nicht weniger als 20% der Menschen, die an infektiöser Mononukleose erkranken, nach Beginn der Infektion ein CFS entwickeln und dass 5% dieser Menschen länger als ein Jahr krank bleiben. Ein gemeinsamer Nenner bei denjenigen, die im Anschluss an die Infektion ein CFS entwickeln, scheint die Schwere der anfänglichen EBV-Infektion zu sein. Die Patienten mit schwererer akuter Infektion bekommen mit größerer Wahrscheinlichkeit CFS.

    Der Mensch scheint für das EBV-Virus ein natürliches Reservoir zu sein, da das Virus in ein paar Immunzellen lebenslang fortbesteht. Aber warum scheint das Virus dann in dem Prozentsatz der Unglücklichen, die sich von der anfänglichen Infektion nicht erholen, dann CFS zu verursachen? Die Wissenschaft gewinnt langsam ein Verständnis dafür, wie Viren wie beispielsweise das EBV-Virus ihr Überleben sichern, indem sie die Zellen in unserem Körper manipulieren, die sie für ihr Überleben nutzen. Und was für das Überleben des EBV-Virus optimal ist, kann für den Gesundheitszustand des menschlichen Wirts schädlich sein.

    Wie das EBV-Virus arbeitet

    Unser Blut dient als Transportsystem für die roten und die weißen Blutzellen. Die roten Blutzellen transportieren den Sauerstoff überall in den Körper, und die weißen Blutzellen sind das Fundament des Immunsystems. Bei den weißen Blutzellen gibt es verschiedene Untergruppen – T-Zellen, natürliche Killerzellen, B-Zellen und so weiter. Jede dieser Zelltypen hat eine spezifische Aufgabe, um den Körper vor eindringenden Erregern zu schützen.

    Bei einer Infektion schütten die B-Zellen Antikörper aus, die fremde Organismen wie Bakterien und Viren in unserem Körper aufspüren und neutralisieren. Seltsamerweise infiziert das EBV-Virus bei einer akuten Mononukleose genau diese B-Zellen, wo es sich dann in einigen niederlässt und für den Rest unseres Lebens bleibt. Diese B-Zellen bezeichnet man als B-Gedächtniszellen. Sie sind in der Lage, der ständigen Überwachung durch das Immunsystem zu entkommen. Dies ist möglicherweise der Weg, auf dem das EBV-Virus unserer Immunabwehr entkommt. Gelegentlich kehren EBV-infizierte B-Zellen in das Lymphgewebe der Speicheldrüsen zurück und das EBV-Virus vermehrt sich dort. Dann kann es über den Speichel übertragen werden. Auch wenn diese Vermehrung eine neue Runde von Antikörpern gegen das Virus auslöst, bleibt das EBV-Virus in diesen B-Gedächtniszellen versteckt, die vor Angriffen des Immunsystems geschützt zu sein scheinen.

    Die Rolle des EBV-Virus für die Gesundheit und bei CFS

    Unser Immunsystem ist dafür geschaffen, uns gegen Infektionen und Krankheiten zu schützen. Es ist darüber hinaus – zusammen mit der HPA-Achse (der Hyphotalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse) – entscheidend für die Aufrecherhaltung einer Homöostase, d.h. eines Gleichgewichts im Körper, das diesen funktionsfähig hält. Die chemischen Substanzen, die von der HPA-Achse produziert werden, dienen für den Rest des Körpers als wichtige Signale und helfen auch bei der Abstimmung des Immunsystems. Das Immunsystem produziert zahlreiche chemische Substanzen, die für die Kommunikation zwischen verschiedenen Zellen und Systemen zuständig sind. Dazu gehören Zytokine, die nicht nur die Funktion der HPA-Achse beeinflussen, sondern auch dem Immunsystem sagen, was es tun soll. Tatsächlich kann man sich die Kommunikation zwischen der HPA-Achse und dem Immunsystem als eine Art komplizierten Tanz vorstellen, bei dem die Immunzellen die Tänzer und die chemischen Substanzen die Musik sind.

    Wir wissen, das diese Choreographie der chemischen Substanzen bei Menschen mit CFS im Vergleich zu gesunden Personen verändert ist (siehe Abbildung), aber wir wissen noch nicht, was die Ursache dafür ist, dass dieser "Tanz" sich von dem bei Gesunden unterscheidet. Es ist biologisch plausibel und durchaus begründet, anzunehmen, dass hinter diesem veränderten Tanz das EBV-Virus steckt.

    Wie bereits erwähnt, neigen Viren dazu, Zellen nicht abzutöten, weil sie sie zum Überleben brauchen. Aus diesem Grund haben Viren wie das EBV eine Reihe von verschiedenen Mechanismen entwickelt, um die Zellen so auszutricksen, dass sie sich in ihrem Sinne ordentlich benehmen. Genauso wie das humane Genom kann auch das virale Genom variieren, d.h. die DNA oder RNA weist geringfügige Unterschiede auf, die die Eigenschaften des Virus’ so verändern können, dass es von einem relativ gutartigen zu einem Epidemien auslösenden wird. (Diesen Trick nutzt das Grippevirus regelmäßig.) Das EBV hat ein Genom, das zur Produktion einer Reihe verschiedener Proteine führen kann, zu denen auch solche gehören, die die Proteine und chemischen Verbindungen einer menschlichen Zelle nachahmen. Diese viralen Proteine “ersetzen” die Zellproteine und ermöglichen so dem Virus, die Zelle sozusagen zu beschlagnahmen. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie EBV sich der komplizierten Choreographie der Immunreaktion und des Gleichgewichts im Körper bemächtigen kann.

    Um zu beweisen, dass EBV CFS verursacht, muss die Wissenschaft erklären, warum das so ist, wo doch beinahe jeder mit EBV infiziert ist und das Virus nur bei einem Bruchteil der Menschen CFS auslöst. Eine mögliche Erklärung umfasst Unterschiede in den Genen, die für die Steuerung des Immunsystems und der HPA-Achse wichtig sind. Diese Unterschiede könnten manche Individuen genetisch anfälliger für eine schwere akute EBV-Infektion machen. Und dass die Schwere der Infektion ein prognostischer Faktor für die Entwicklung eines CFS ist, wurde bereits bewiesen. Variationen in der DNA des EBV-Genoms könnten auch zur Erklärung beitragen, warum das EBV in den USA mit CFS verbunden ist und in anderen Ländern eher mit Krebs.

    Ein Blick auf das große Ganze

    Ähnlich wie beim Microbiom-Projekt der NIH, das Licht in die Bedeutung von Bakterien für Gesundheit und Krankheit des Menschen bringen soll, wird man nur durch die Untersuchung und Integration der oben beschriebenen Wissensbruchstücke verstehen können, wie die Kombination von humanem und viralem Genom das Gleichgewicht der Körperfunktionen bestimmt und/oder zu den verschiedensten Krankheiten, u.a. CFS, führt.

    Es gibt reichlich Belege dafür, dass EBV zu Krankheiten führt, und wir sind auf dem Weg, die Hinweise zu entschlüsseln, die EBV mit CFS in Verbindung bringen. Sowohl die NIH als auch die CFIDS Association of America fördern Forschungsprojekte, erhellen sollen, ob EBV ursächlich mit CFS in Verbindung gebracht werden kann. Diese Art der krankheitsassoziierten Forschung könnte die Argumente für die Entwicklung von Impfstoffen unterstützen (die zur Verhinderung von Krankheit bestimmt sind) und für gezielte Interventionsstrategien, die darauf abzielen, an die Wurzel der CFS-Symptome zu gelangen.

     

    * Suzanne Vernon, PhD, ist Mikrobiologin mit mehr als 17 Jahren Erfahrung in der Erforschung von Infektionskrankheiten, darunter einem Jahrzehnt der Erforschung des CFS. Im November 2007 wurde sie – mit voller Stelle – die wissenschaftliche Leiterin der CFIDS Association.