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    Artikel des Monats
April 09 Teil IV

    Leben mit CFS

    Schritt für Schritt zur Besserung

     von Dianne Timbers 

    Das Original dieses Artikels ist in The CFIDS Chronicle Winter 2009, dem Mitgliedermagazin der CFIDS Association of America,  erschienen.

    Übersetzung und Reproduktion mit freundlicher Genehmigung

    Übersetzung von Regina Clos

    Text hier als pdf-Datei

     

    Am 26. Dezember 2007 bin ich das erste Mal seit 1988 wieder ins Badezimmer gelaufen.

    Mein Kampf gegen das CFS begann im Jahr 1984 mit einer fünf Wochen dauernden Atemwegserkrankung, die meine Zimmergenossin und ich zur gleichen Zeit hatten. Nachdem wir uns von dieser Krankheit erholt hatten, blieb meine Zimmergenossin gesund. Im Januar 1985 wurde ich wieder krank und bin nie wieder gesund geworden. Zwei Monate später konnte ich nicht mehr arbeiten.

    Bis 1988 konnte ich laufen, Auto fahren und ein oder zwei Mahlzeiten am Tag zubereiten. Aber dann wurde ich extrem krank. Die nächsten vier Jahre lag ich 24 Stunden am Tag flach auf dem Rücken und stand nur auf, um den Nachtstuhl neben dem Bett zu benutzen. Ich konnte nicht mehr normal sprechen, sondern nur noch flüstern. Unterhaltungen, die über ein paar wenige Sätze hinausgingen, führten zu einem Rückfall.

    Diane Timbers

    Ich konnte nicht lesen, nicht schreiben, nicht laufen, kein Radio hören oder fernsehen oder auf der Seite oder auf dem Bauch schlafen. Wenn ich alle zwei Wochen in den Rollstuhl gesetzt und aus meinem Zimmer gebracht wurde, damit es gereinigt werden konnte, verursachte das einen Rückfall, der etwa eine Woche dauerte.

    Im Jahr 1992 ebbte die Verschlechterung, die ich seit Beginn meiner Erkrankung erlebt hatte, endlich ab. An einem „guten Tag” konnte ich ein klein wenig mehr tun und ungestraft davonkommen. Aber es ging nur langsam voran, und es erschien mir unmöglich, meine Beine zu kräftigen. Aber immer noch war mein Ziel die Unabhängigkeit, und ich wollte wieder laufen.

    Ich glaubte zu wissen, wie ich vorgehen müsste, weil ich bereits etwas Kraft fürs Essen gewonnen hatte, indem ich einer Schritt-für-Schritt-Strategie gefolgt war. Seit 1988 hatte ich nur passierte Kost zu mir nehmen können. Eines Tages fand ich dann in meinem Essen eine ganze Erbse, und ich aß sie, ohne dadurch einen Rückfall zu bekommen. Innerhalb von drei Monaten aß ich dann fast nur noch normale, unzerkleinerte Kost.

    Jetzt suchte ich nach einem Äquivalent für die „eine Erbse", um wieder laufen zu lernen. Ich versuchte, an meinem Bett entlang drei Schritte zu machen, aber der dadurch ausgelöste Rückfall war schwer und dauerte lang. Ob ich vielleicht meine Hände am Bett abstützen und dann mit einem Fuß einen Schritt seitwärts machen könnte? Ja, das ging, aber ich bezahlte dafür. Dann wartete ich auf den richtigen Zeitpunkt, um es wieder zu versuchen – aber ein solcher kam nur selten, und mir wurde klar, dass dies nicht der Weg war, um wieder laufen zu lernen. Physiotherapie schien nicht zu helfen, und ich probierte acht Jahre lang die verschiedensten Übungen und Strategien aus. Aber nichts funktionierte.

    Im Nachhinein sehe ich meinen Fehler: Ich dachte, dass die Übungen erheblich sein müssten und dass dies dann zu einer deutlichen Steigerung meiner Kraft führen würde. Stattdessen ging jeder bescheidene Versuch nach hinten los und machte mich kränker und schwächer. Deshalb suchte ich nach einer wirksamen Übung, die ich ohne Rückfall immer wieder durchführen konnte. Vielleicht würde ich nie wieder laufen können, aber dann hätte ich es zumindest versucht, ohne Furcht vor dadurch ausgelösten Rückfällen.

    Ich begann diese Strategie mit zwei neuen Leitsätzen zu verfolgen:

    1.   Finde eine Übung, die geringfügig genug ist, so dass ich aus einem Rückfall wieder herauskommen kann, obwohl ich sie durchführe. Mit einer Übung, die auf einem solchen Niveau war, konnte ich fortfahren, weil ich dann wusste, dass ein Rückfall, den ich unter Umständen bekam, nicht auf diese Übung zurückzuführen war.

    2.    Steigere die Übung oder fange mit einer neuen nur dann an, wenn mein Körper signalisiert, dass dies ohne Probleme geht. Verfange Dich nicht in vorab festgelegten Plänen zur Steigerung der Übungen.

    Dann, als Monate und Jahre vergingen, dehnte ich die zwei ursprünglichen Leitsätze aus:

    3.   Mach Dir Notizen und beschreibe die Übungen genau. Messe und notiere Steigerungen von Zeitdauer oder Häufigkeit der Übungen. Das ermöglichte mir, die verausgabte Energie genauer zu verfolgen und zu vermeiden, dass ich mich zu viel anstrengte. Außerdem konnte ich so den Rhythmus meiner Rückfälle in Erfahrung bringen. Wann beginnt ein Rückfall durch Überanstrengung? Was sind die Frühwarnzeichen, wie lange dauert er und was sind die Zeichen von Besserung? Die Antworten auf diese Fragen veränderten sich in dem Maße, wie ich mehr Kraft gewann. Das genaue Verfolgen meines Zustands half mir also, die Lage immer wieder richtig einzuschätzen.

    Zudem halfen sorgfältige Aufzeichnungen, meine Gedächtnislücken zu vermindern. Indem ich alle wichtigen Ereignisse aufzeichnete, konnte ich die Auswirkungen von Übungen auf die Symptome von anderen Einflüssen unterscheiden – wie etwa einem Besucher, einem Termin außerhalb des Hauses oder die Exposition gegenüber Giftstoffen. Ich entdeckte, dass mir diese Aufzeichnungen Mut machten, wenn es nur langsam voranging. Dann konnte ich zurückblicken und sehen, dass ich wirklich an Kraft hinzugewonnen hatte.

    4.   Steigere die Zahl der Wiederholungen von Übungen, bevor Du deren Intensität steigerst. (Diesen Rat habe ich im CFIDS Chronicle gelesen.)

    5.   Versuche es mit einer neuen Übung nur dann, wenn Du relativ sicher sein kannst, dass Deine Umwelt in sozialer wie äußerer Hinsicht den nächsten Tagen unverändert bleibt.

    6.   Mit einer neuen Übung solltest Du morgens beginnen. In dem Maße, wie Du die Anzahl der Wiederholungen erhöhst, kannst Du sie über den Tag verteilen. Führe die Übung nur dann auch in der Nacht durch, wenn sie am Tag bereits leicht durchzuführen ist. Mit dieser Regel gelang es mir, den Einfluss einer neuen Übung auf meinen empfindlichen Schlaf so gering wie möglich zu halten.

    7.   Wenn eine Übung zu anstrengend ist, teile sie in ihre verschiedenen Bestandteile auf und versuche jeweils nur einen Teil auf einmal durchzuführen. Wenn Du keinen der einzelnen Bestandteile schaffst, dann versuche etwas, das diesem am nächsten kommt.

    8.   Mache wenn möglich solche Übungen, die irgendeine Aktivität begleiten, die Du sowieso machen musst. Mit diesem Programm fing ich Anfang 2001 an, indem ich einmal am Tag mein Knie zur Brust gleiten ließ, wenn ich im Bett saß und ein Knie zur Brust hochhob und meinen Fuß ausstreckte, während ich auf dem Nachtstuhl saß. Nach zweieinhalb Jahren konnte ich jede dieser Aktivitäten sechsmal am Tag durchführen. Im Verlauf der nächsten zwei Jahre fügte ich noch isometrische Übungen mit den Beinen hinzu sowie Stärkungsübungen für die Arme und den Rumpf.

    Ende 2005 begann ich dann mit dem Stehen, wobei ich mich ans Bett lehnte. Nach neun Monaten dieser Übung konnte ich achtmal am Tag für drei Minuten stehen. Ich versuchte auch die Seitwärtsschritte, die ich ohne Erfolg bereits in den 1990er Jahren ausprobiert hatte. Aber nach ein paar weiteren Monaten konnte ich achtmal am Tag zwei Seitwärtsschritte machen, wobei ich mich immer noch ans Bett lehnte.

    Dann fing ich an, ohne Abstützen zu stehen, und vier Monate später konnte ich achtmal am Tag für drei Minuten frei stehen. Dann verlagerte ich immer mehr das Gewicht von einem Bein auf das andere. Nach fast drei Monaten konnte ich achtmal am Tag für jeweils drei Sekunden auf einem Bein stehen. Jetzt war ich so weit, dass ich mit dem Laufen beginnen konnte. Ich fing damit Ende Mai 2007 an. Am 1. Juni 2007 konnte ich durchgängig zwei Schritte am Tag machen. Dann fing ich an, durchzustarten: Die Anzahl der Schritte, die ich in den dann folgenden Monaten machen konnte, betrug jeweils 6, 21, 48, 101, 185, 301!

    Ich bin natürlich immer noch krank. Alle die alten Symptome können jederzeit wieder ausbrechen. Ich nehme noch immer meine früheren Medikamente und ein paar neue sind auch noch hinzugekommen. Wenn ich Chemikalien oder Allergenen ausgesetzt bin, dann kann das meinen Fortschritt zum Erliegen bringen. Ich verbringe immer noch den größten Teil des Tages im Bett, mit geschlossenen Augen und abgestelltem Radio. Aber ungeachtet der jeweiligen Umstände mache ich immer weiter mit meinen Übungen. Wenn ich weiß, dass ich eine Übung im Verlauf eines Rückfalls machen konnte, ist klar, dass ich sie sogar dann machen kann, wenn ich mich entsetzlich fühle ohne schlimme Folgen befürchten zu müssen.

    Wie auch immer, mein Leben hat sich enorm verändert. Um einen Rückfall auszulösen, bedarf es einiges mehr an Aktivität. Die Erholungszeit ist kürzer. Ich kann mehr alleine machen, und obwohl ich vielleicht nie in der Lage sein werde, das Haus zu staubsaugen oder auf einen Berg zu klettern, scheint jetzt eine relative Unabhängigkeit möglich – mit Hilfe eines Elektrorollstuhls.

    Es sind aber nicht allein die Übungen, die für meinen Fortschritt verantwortlich sind. Zusätzlich zu den Medikamenten brauchte ich Ruhe, eine Umgebung ohne Allergene und Giftstoffe und die Möglichkeit, etwas zu tun, das ich vorher nicht alleine konnte. Ich brauchte auch die Möglichkeit, mein Aktivitätsniveau selbst zu bestimmen und sagen zu können, „das hilft“ oder „das schadet mir“. Es ist auch der Sieg derjenigen, die mir die Versorgung, die Hilfe und das Vertrauen geschenkt haben, die ich brauchte: meine Familie, mein Lebenspartner, meine Krankenschwester, mein Arzt, meine Freunde und alle anderen, die mir geholfen haben.

    Und jetzt auf in die Küche.

    Dianne Timbers ist promovierte Soziologin. Sie hat an der UCLA-Universität in Los Angeles an einem Forschungsprojekt gearbeitet, als sie an CFS erkrankte. Im Jahr 1985 ist sie nach Tucson, ihrem jetzigen Wohnort, zurückgezogen.