Auszug aus David Bells Hunter-Hopkins
Newsletter vom
März 2011
von David Bell
Gensequenzierung bei Menschen mit CFS
Wendy Fallick, unsere Forschungskoordinatorin und ich sind
gerade von der 9. Forschertagung zurückgekommen, die von Hemispherx Biopharma,
den Produzenten von Ampligen und Alferon gesponsert wurde. Dies war vielleicht
das aufregendste dieser Treffen, bei dem ich war, und ich vermute, dass die
Informationen, die uns in der vergangenen Woche mitgeteilt wurden, das Feld der
Medizin für immer verändern werden. Ich möchte Ihnen diese Informationen
weitergeben.
Erinnern Sie sich daran, dass Lombardi, Mikovits et al. im
Science Magazin vom Oktober 2009 einen Artikel veröffentlicht haben, in dem ein
neues Retrovirus bei 67% von 101 CFS-Patienten beschrieben wurde, ermittelt mit
einem PCR (Polymerase-Kettenreaktions-) Test. Nachdem sie diese Kohorte (später
noch) auf Antikörper, Virusproteine und mit Hilfe von direkter Viruskultur
untersucht haben, konnten sie zeigen, dass dieses Virus bei 95-98% der
CFS-Patienten vorlag.
Dieses Virus wurde aufgrund seiner besonderen Merkmale als
XMRV (Xenotropic Murine Leukemia Virus-related Virus) bezeichnet: Xenotropic
weil es sich zunächst in einer anderen Tierart entwickelt hatte, jetzt aber nur
noch Menschen infiziert; Murine weil es sich zuerst in Mäusen entwickelt hatte
und RetroVirus weil es sich anders als die meisten anderen Viren rückwärts
repliziert. Tatsächlich ist das XMRV mit einer Familie von Mäuseleukämieviren,
den sogenannten MLVs, verwandt.
Nach dem Artikel in Science folgten mehrere andere
Berichte, nach denen das Virus in anderen Kohorten nicht gefunden wurde, und das
Vertrauen in den Bericht von Lombardi/Mikovits schwand. Dann haben Dr. Lo und
Dr. Alter im Jahr 2010 einen Artikel veröffentlicht, nach dem sie mit Hilfe von
PCR ein ähnliches Retrovirus bei 86,5% der Menschen mit CFS identifiziert
hatten. Die von ihnen gefundenen Viren waren MLVs, die sich nur mit 2-3
Basenpaaren (0,00025%) von Lombardis XMRV unterschieden.
Dieser Unterschied wurde mit einer „Veränderung” im Genom
erklärt, die auf zeitliche und räumliche Unterschiede zurückgeführt wurde. Das
bedeutet: Viren neigen dazu, im Laufe der Zeit etwas zu mutieren, und es ist
nicht ungewöhnlich, dass sich Viren aus der einen geographischen Region (Lombardi/Mikovits
an der Westküste der USA) leicht von denen in einer anderen geographischen
Region (Lo/Alter an der Ostküste) unterscheiden. Das hat man beispielsweise auch
bei der Schweinegrippe-Epidemie von 2009 gesehen, bei der mehr als 50
verschiedene Stränge des H1N1 aus Hong Kong, Singapur, Malaysia usw.
identifiziert wurden.
Es gibt zwei Retroviren, die für den Menschen pathogen
(krankmachend) sind:
-
HTLV – Human T-Lymphotropes Virus (Vier Stränge, aber
nur einer ist für den Menschen schädlich)
-
HIV – Humanes Immundefizienz Virus (zwei Stränge, aber
nur einer davon verursacht AIDS)
Und jetzt müssen wir zu dieser Liste auch noch die MRVs
oder MLVs (Murine Retroviruses oder Murine Leukemia Viruses) hinzufügen. Es gibt
mehrere Stränge von MLVs, und ein Strang davon ist XMRV. Welche Stränge für den
Menschen pathogen sind, ist noch nicht geklärt, auch wenn XMRV zumindest mit
familiär gehäuft auftretendem Prostatakrebs in Verbindung gebracht wurde.
Schauen wir uns kurz eine schematische Darstellung von DNA
und XMRV an. Die DNA ist aus zwei verdrehten Strängen von Nukleinsäuren
aufgebaut, die wie eine Perlenschnur zusammengeschnürt sind. Es gibt dabei nur
vier Nukleinsäuren: Adenin, Cytosin, Guanin, and Thymin – oder A,C.G und T –,
und das Muster entlang eines einzelnen Strangs von DNA kann dann beispielsweise
so aussehen:
ACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGTACGT
XMRV ist ein RNA-Virus, d.h. der Strang von
Nukleotid-Sequenzen ist ähnlich wie ein einzelner DNA-Strang. Die Abschnitte
jedes Stranges werden nach ihrer spezifischen Funktion benannt. Ein Strang von
XMRV kann deshalb wie folgt dargestellt werden: 5’ LTR-US-gag-pol-env-U3-LTR
3’
Man beachte, dass es einen Kopf (5’) und einen Schwanz (3’)
gibt, und beide Enden sind gekennzeichnet durch einen Abschnitt, der als “long
terminal repeat” oder LTR bezeichnet wird.
Die meisten Viren replizieren (vervielfältigen) sich, indem
sie am 5’-Ende beginnen und am 3’-Ende aufhören. Retroviren benutzen jedoch die
Reverse Transkriptase (RT), um sich innerhalb einer Wirtszelle rückwärts (retro)
zu replizieren und dann einen DNA-Strang zu bilden. Dieser Strang integriert
sich dann in die DNA des Wirts, also dessen eigenes Genom, und zwar mit Hilfe
eines Enzyms namens Integrase.
So sieht die humane DNA mit dem integrierten XMRV
schließlich so aus:
ACGTACGTACGTACGT-LTR-US-gag-pol-env-U3-LTR-CGTACGTACGTACGTACGT
Diese neu zusammengesetzte DNA wird als „Chimäre“
bezeichnet. Die humane DNA enthält Millionen von Nukleotiden, und XMRV enthält
nur etwa 8000 Nukleotide, so dass diese Chimäre nicht so einfach zu finden ist,
wie es hier erscheint.
Wenn das Virus auf diese Weise in unser Genom eingebaut
ist, dann kann es die Kontrolle über die Zelle übernehmen, anormale Proteine
produzieren und – wie im Fall des XMRV – die Zelle abtöten. Das Absterben der
Zelle nennt man „Apoptose“.
Und schließlich – anders als das Retrovirus HIV, das sich
sehr schnell vermehrt und von dem Millionen Kopien in einem einzigen
Blutstropfen gefunden werden können, reproduziert sich das XMRV langsam und ist
nur in sehr geringer Anzahl im peripheren Blut vorhanden.
Diese Eigenschaften des XMRV können verschiedene
Beobachtungen erklären:
-
Nur sehr wenige XMRV-Partikel werden in einer Blutprobe
gefunden, und es kann sein, dass man mehrere Proben braucht, um sie zu
finden.
-
Innerhalb der Zelle und/oder der Chimäre ist das XMRV
relativ gut geschützt gegenüber einer Entdeckung durch das Immunsystem und
auch durch viele der Bluttests.
-
Wenn Menschen mit ME/CFS sehr krank sind, dann sinkt
die Gesamtzahl der weißen Blutzellen (aufgrund von Apoptose).
-
Die XMRV-Partikel sind so klein, dass sie praktisch in
alle Teile und Systeme des Körpers eindringen können.
-
Und sie können erklären, warum die Forscher anormale
Proteine im Blut und in der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit von Menschen
mit ME/CFS finden (mit Hilfe der Proteomik).
Und jetzt kommt der faszinierendste Teil unseres
Hemispherx-Treffens. Um die 3 Millionen Nukleotide des normalen Humangenoms zu
kartieren, waren Hunderte von Wissenschaftlern an mehreren Standorten und zehn
Jahre Forschung nötig. Dr. Carter stellte uns Howard Urnovitz, den Firmenchef
von Chronix Biomedical vor. Urnovitz verriet uns, dass sein Forscherteam in der
Lage ist, Genome in großer Geschwindigkeit zu kartieren. Er erwartet, dass
Chronix in der nächsten Zukunft in der Lage sein wird, unser gesamtes Genom in
weniger als sechs Stunden und für wahrscheinlich weniger als 100 Dollar zu
kartieren. Das ist wahre Star Trek-Medizin!
Dann erklärte Urnovits, dass beim Auftreten von Apoptose
die Chimären in die Blutbahn ausgeschüttet werden und von seinem Labor leicht
extrahiert werden können. Als sein Labor die Genome von Menschen mit CFS
untersuchte, fanden sie Chimären, die aus XMRV-Genen bestanden, denen aber
merkwürdigerweise die LTR-Regionen fehlten.
Diese Technologie ist eine großartige Neuigkeit für
Menschen mit CFS, denn wenn XMRV oder MLV eindeutig als Ursache des CFS bewiesen
werden kann, dann werden wir einen preiswerten und eindeutigen Marker für die
Krankheit haben!
Der Chronix-Test steht derzeit noch nicht kommerziell zur
Verfügung, aber Hemispherx plant, die Anwendbarkeit dieser Technologie in
zukünftigen Studien zu untersuchen.
(Einen
weiteren deutschsprachigen Bericht zu dieser Konferenz finden Sie z.B.
hier, d.Ü.)
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