Mitglied bei

 

  • Startseite

  • ME/CFS - was ist das?

  • Artikel des Monats

  • Kommentare des Monats 

  • Medienberichte

  • News

  • Broschüren zu Diagnose und Behandlung 

  • Häufig gestellte Fragen zu ME/CFS

  • Humor und Kreatives

  • Weiterführende Links

  • Impressum/Disclaimer

  • Spendenkonto

  •       

    Suche auf cfs-aktuell:

     

    Eine weitere Suchmöglichkeit besteht darin, z.B. bei www.google.de das Suchwort einzugeben und dann nach einem Leerzeichen den Zusatz site:www.cfs-aktuell.de

    Sie erhalten dann alle Seiten auf cfs-aktuell.de, auf denen der gesuchte Begriff vorkommt.

    Artikel des Monats
August 06 Teil I

    CFS bei Kindern und Jugendlichen

    Über CFS bei Kindern und Jugendlichen wissen wir immer noch recht wenig. Die Forschung auf diesem Gebiet ist begrenzt, und nur wenige Ärzte spezialisieren sich auf die klinische Praxis des CFS bei Kindern. In diesem Artikel stellen zwei der bekanntesten Experten aus den USA ihre Sichtweisen dar.

    Von

    Pamela Young

    Chefredakteurin der CFIDS Association of America

    Übersetzung aus dem Englischen von Regina Clos 

    hier als pdf-Datei

    Auch wenn das Bewusstsein über CFS bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren zugenommen hat, glauben immer noch zu viele Forscher, Ärzte und medizinisches Personal, dass CFS beinahe ausschließlich bei Erwachsenen auftritt. Wenn die Symptome des CFS bei Kindern auftreten, dann nimmt die Mehrzahl der Ärzte noch immer an, es handele sich um Schulverweigerung, eine Angsterkrankung, eine Depression oder eine andere, noch nicht diagnostizierte Erkrankung. „Die Forschung hat gezeigt, dass CFS bei Kindern und Jugendlichen tatsächlich vorkommt, und dass es sich weder um ein psychiatrisches Problem noch um eine harmlose Erkrankung handelt, so wie man bislang angenommen hatte,“ sagt David Bell, MD, der Kinder aus den gesamten USA und Kanada behandelt. „Trotz dieser Forschungsergebnisse gibt es hier immer noch enorme Missverständnisse und Differenzen in der Medizin.“

    Peter Rowe, Arzt und Forscher an der Johns Hopkins Universität, stimmt zu, dass wir immer noch viel zu wenig über CFS bei Kindern und Jugendlichen wissen: „Es gibt nur eine Handvoll Studien, die über CFS bei Kindern veröffentlicht wurden. Das liegt hauptsächlich daran, dass es keine angemessenen Finanzierungsmöglichkeiten für die Forscher auf diesem Gebiet gibt.“

    "Wenn die Familie, die Schulbehörden, Ärzte und anderes medizinisches Personal sowie die Schul- und Spielkameraden der Kinder zusammenarbeiten und das an CFS erkrankte Kind gemeinsam unterstützen, dann kann es besser mit seiner Erkrankung fertig werden. Das ist keine Lösung für alle Probleme, die auftauchen, aber es hilft.”

    DR. PETER ROWE, JOHNS HOPKINS CHILDREN'S CENTER

    Was unterscheidet CFS bei Kindern von CFS bei Erwachsenen?

    Auch wenn die Auswirkungen des CFS auf Kinder und Jugendliche in vielerlei Hinsicht ähnlich wie bei Erwachsenen sind, gibt es dennoch einige bedeutsame Unterschiede. Aus klinischer Sicht ist einer der Hauptunterschiede der Beginn der Erkrankung. Bei 75% der betroffenen Erwachsenen beginnt die Erkrankung allmählich. Bei Kindern mit CFS, von denen die meisten bereits Jugendliche sind, ist es genau umgekehrt: bei 75% beginnt die Krankheit plötzlich. (Bei kleineren Kindern ist jedoch ein allmählicher Beginn häufiger.)

    Die Symptome der Erkrankung schwanken und neigen dazu, zu wandern. So kann ein Kind zum Beispiel am einen Tag unter Hals- und Kopfschmerzen leiden und am nächsten Tag schmerzhafte Lymphknoten haben. Außerdem gibt es beachtliche Schwankungen in der Schwere der Symptome. Bei Erwachsenen treten häufig ein paar Symptome auf, die stärker sind als andere. Bei Kindern können bestimmte Symptome am einen Tag schlimmer sein, nur um ein paar Tage oder Wochen später von anderen schweren Symptomen abgelöst zu werden. Diese Dynamik kann noch erschwert werden dadurch, dass Kinder größere Schwierigkeiten haben, ihre Symptome zu erkennen und zu beschreiben.

    Bell sagt: „Das auffallendste Merkmal an CFS bei Kindern ist ihre Fähigkeit, sich an ihre Symptome anzupassen. Jedoch macht es diese Anpassungsfähigkeit noch schwieriger, das Problem zu erkennen und anzugehen.” Ein Teenager kommt vielleicht jeden Tag nach der Schule heim und schläft drei Stunden, aber er klagt möglicherweise gar nicht über Erschöpfung, weil das für ihn das Normale geworden ist. In ähnlicher Weise „haben sich kleinere Kinder, die mit CFS bereits großgeworden sind, an ihre Symptome gewöhnt und können trotz der andauernden und manchmal starken Beschwerden irgendwie funktionieren.“

    Ein anderer wichtiger Unterschied des CFS bei Kindern sind die psychosozialen Aspekte der Erkrankung. Rowe sagt: „Eine der größten Herausforderungen bei jungen CFS-Patienten resultiert aus der Tatsache, dass die Erkrankung sie beeinträchtigt, bevor sie wirklich die Gelegenheit hatten, ihre Neigungen und Stärken im Leben herauszufinden und bevor sie eine starke emotionale Bindung an einen Lebensgefährten entwickeln konnten. Eine Steuerberaterin, beispielsweise, die als Erwachsene CFS entwickelt, weiß, dass sie als fähiger, voll funktionsfähiger Mensch ihren Beitrag zur Gesellschaft geleistet hat und dass es nicht die Erkrankung ist, die sie als Person ausmacht.“

    Was sagt uns die Forschung?

    Trotz des Mangels an Forschung haben entsprechende Studien ein Licht auf die verschiedenen Aspekte des CFS bei Kindern und Jugendlichen geworfen. Die wichtigsten Studien haben auf Folgendes hingewiesen:

    4                CFS tritt auch bei Kindern und Jugendlichen auf, wenn auch weniger häufig bei Kindern unter 10 Jahren. Der Beginn der Erkrankung lag bei Bells jugendlichen Patienten zwischen 11 und 18 Jahren, bei Rowes Patienten zwischen 10 und 21, wobei das Durchschnittsalter bei Ausbruch der Erkrankung 15 Jahre ist. Beide haben auch schon jüngere Kinder mit CFS gesehen, aber nicht sehr häufig. Die Vermutung liegt nahe, dass das Ausbruchsalter mit den hormonellen Veränderungen zusammenhängt, die beim Übergang in die Pubertät auftreten, aber diese Vermutung ist bislang nicht bestätigt.

    4                Die Dauer der Erkrankung bei kindlichem CFS ist sehr unterschiedlich und liegt zwischen einigen Monaten und vielen Jahren. Obwohl es vielen Kindern mit der Zeit besser geht, kann die Erkrankung doch sehr viel mehr chronisch werden, als wir zunächst angenommen hatten. So deutet zum Beispiel eine Follow-up-Studie über 13 Jahre mit 35 Fällen von CFS bei Kindern und Jugendlichen darauf hin, dass immerhin 20% sich nicht erholen und dass von den 80%, die wieder einen recht guten funktionellen Status erreicht hatten, nur 37% sich selbst als vollständig geheilt betrachteten.

    4                Komorbide psychiatrische Erkrankungen wie Angsterkrankungen und Depressionen sind nicht ungewöhnlich, aber sie treten, wenn überhaupt, nur in leichter Form auf und sind eine Sekundärreaktion auf die Auswirkungen des Krankseins. Viele Kinder mit CFS haben weder Ängste noch Depressionen – ganz im Gegensatz zu früheren Ansichten, nach denen CFS eine Form der generalisierten Angststörung oder eine atypische Depression sei.

    4                Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen jugendlichem CFS und Kreislaufstörungen, deren Charakteristikum die Intoleranz gegenüber einer länger andauernden aufrechten Position des Körpers ist. Rowe berichtet, dass bei 90% der unbehandelten CFS-Patienten im Kindesalter diese Verstärkung der CFS-Symptomatik beim Stehen mit Anomalien in der Regulation der Herzschlagfrequenz und des Blutdrucks zusammenhängt. Das häufigste Problem ist hier der neural vermittelte niedrige Blutdruck (NMH - neurally mediated hypotension), aber häufig findet man auch das lagebedingte orthostatische Tachykardie-Syndrom (POTS - Herzjagen). Diese Erkrankungen sind behandelbar, wodurch sich neue Wege für die Rehabilitation von Patienten mit CFS eröffnet haben.

    4                Eine körperliche Untersuchung der Kinder mit CFS kann – im Gegensatz zu früheren Behauptungen – durchaus Anomalien ergeben. Zusätzlich zu der eben erwähnten orthostatischen Intoleranz tritt bei Jugendlichen mit CFS mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Überbeweglichkeit der Gelenke auf, ein körperliches Merkmal, das sie bereits vor Ausbruch der Erkrankung hatten. Kinder mit CFS zeigen häufiger Bewegungseinschränkungen, wie etwa eine eingeschränkte Fähigkeit, das Knie zu beugen, eine Dorsalflexion (Rückwärtsbeugung) des Sprunggelenks und bei der körperlichen Untersuchung einen positiven Lasègue-Test. [Anm.d.Ü.: hier wird das gestreckte Bein beim liegenden Patienten angehoben und der Winkel angegeben, bei dem der Patient Schmerzen empfindet und gegenspannt.]

    4                Vorläufige Belege weisen darauf hin, dass bestimmte Behandlungsansätze wie kognitive Verhaltenstherapie und "Graded-Exercise"-Programme [Übungsprogramme mit abgestufter Belastung, d.Ü.] möglicherweise hilfreich sein könnten, um Kindern mit CFS dabei zu helfen, mit der Erkrankung fertig zu werden.

    Was brauchen wir als nächstes?

    Die Schwankungen der Erkrankung bei Kindern machen es schwierig, sie zu diagnostizieren und Behandlungsansätze zu finden, die hilfreich sein könnten. Kurzfristig weist das auf die dringende Notwendigkeit einer individuell abgestimmten Behandlung von Kindern mit CFS hin. Langfristig zeigt dies deutlich auf, dass wir hier sehr viel größere Forschungsanstrengungen unternehmen müssen.

    Rowe und Bell sind sich einig über die grundlegende Notwendigkeit vermehrter Forschung auf dem Gebiet des CFS bei Kindern und Jugendlichen – nicht nur, weil die Krankheit an sich die betroffenen Kinder schwächt, sondern auch wegen ihrer zerstörerischen Wirkung auf eine entscheidende Lebensphase. Rowe drückt das so aus: „Eine chronische Erkrankung und die daraus folgende Begrenzung der Aktivitäten schränken die Fähigkeit des jungen Menschen ein, seine Identität auszubilden, seine Fähigkeiten zu entdecken und starke emotionale Beziehungen zu Gleichaltrigen herzustellen. Sie können an den normalen Aktivitäten von Jugendlichen nicht teilhaben, die dabei helfen, einen gesunden Übergang ins Erwachsenenleben zu finden.“

     

    Das Eintreten der Teenager für ihre eigenen Interessen treibt die Forschung voran.

    In der Geschichte des CFS bei Kindern und Jugendlichen haben die Kinder selbst eine entscheidende Rolle beim Vorantreiben der Forschung gespielt. Rebecca Moore, damals gerade 17 Jahre alt, gehörte dem Team an, das Mitte der 1990er Jahre das entscheidende Signal gab, dass etwas geschehen musste.

    „Lange Zeit konnten die Leute CFS bei Kindern einfach als Schulphobie, als ein psychisches Problem oder einfach als anhaltende Erschöpfung abtun“, erinnert sich Moore. „Sie wussten nichts über die neurologischen, die immunologischen und die Herz-Kreislauf-Probleme, an denen Jugendliche mit CFS leiden.“

    „Vielmehr”, so erinnert sie sich, „gab es eine Menge Leute in der CFS-Gemeinde, die nie mit einem Kind mit CFS gesprochen hatten, und die deshalb den Eindruck hatten, dass es sich hier um ein seltenes Problem handeln würde. Und wenn nicht einmal die CFS-Gemeinde sich auf Kinder und Jugendliche mit CFS eingestellt hatte, dann können Sie sich vorstellen, dass die übrige Welt das schon ganz und gar nicht getan hatte.“ Sie erinnert sich daran, dass es den meisten CFS-Forschern gar nicht in den Sinn kam, auch Gruppen von Kindern und Jugendlichen in ihre Studienkohorten miteinzubeziehen und dass die Centers for Disease Control (CDC) in ihren frühesten Studien nicht einmal die Prävalenzdaten für das Auftreten von CFS bei Kindern und Jugendlichen analysiert hatten. Das änderte sich erst, als die jungen Leute sich selbst bemerkbar machten und darauf drangen, dass auch sie in diese Prävalenzdaten aufgenommen werden.

    Über viele Jahre hinweg hat ein Netzwerk von jungen Leuten – einige von ihnen durch die Erkrankung ans Bett gefesselt – dem CFS bei Kindern und Jugendlichen ein Gesicht und eine Stimme gegeben und strategische Vorschläge gemacht, um die Forschung anzuregen. Das ist schließlich in Studien gemündet, die auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet waren. Außerdem führte diese Initiative zu einem verstärkten Zusammengehörigkeitsgefühl und zu vermehrter gegenseitiger Unterstützung der jungen Leute, die an dieser Erkrankung leiden.

    „Die meisten Jugendlichen waren von gleichaltrigen Kameraden abgeschnitten und allein auf ihre Eltern angewiesen. Sie waren nicht in der Lage, unabhängig ihre eigenen Wege zu gehen, so wie Teenager das normalerweise tun“, erklärt Moore. „Als sie dann untereinander in Kontakt gekommen waren, erhoben sie ihre Stimme und sagten: 'Hier sind wir, es gibt uns genauso wie unsere Freunde. Wir sprechen für uns selbst und für diejenigen, die zu krank sind, um an irgendetwas teilzunehmen.’ Das Entscheidende war, dass junge Menschen mit CFS aufstanden und ihre Probleme selbst anpackten, anstatt darauf zu warten, dass es jemand anderes für sie tat.“

    **********************

    Dieser Artikel erschien ursprünglich in einem Sonderheft zu Wissenschaft und Forschung der Zeitschrift der größten Patientenorganisation der USA, der CFIDS Association of America.

     

    The Science & Research of CFS

    THE CFIDS CHRONICLE

    Special Issue 2005-2006

    © Copyright 2006 by the CFIDS Association of America Inc.

    Das Heft kann in englischer Sprache hier bestellt werden.