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Protokoll der AACFS-Konferenz 2004 von Charles W. Lapp, M.D. Übersetzung von Regina Clos
Die diesjährige Konferenz zog 235 Teilnehmer an, von denen 39 aus dem Ausland kamen. Es waren Vertreter aus 14 Ländern anwesend, darunter Spanien, Neuseeland, Australien, Belgien, Großbritannien, Schweiz, Niederlande, Italien, Dänemark, Norwegen, Japan, Korea, Mexiko und Indien. Über die Hälfte der Teilnehmer bestanden aus Angehörigen der medizinischen Berufe, bei den anderen handelte es sich hauptsächlich um Patienten und deren Betreuer. Dem Organisationskomitee waren 170 Beiträge eingereicht worden. Das endgültige wissenschaftliche Programm bestand dann aus 48 Präsentationen, 5 Übersichtsartikeln, zwei philosophischen Ansätzen und 4 Arbeitsgruppen. Die Drs Jason, Ablashi und Bateman leisteten einen großen Beitrag als Organisatoren des Programms , die Drs Clauw und DeMeirLeir waren Beisitzer des Forschungsteils, während die Drs Lapp und Schwartz den klinischen Teil leiteten. FORSCHUNGSTEIL (FREITAG, 8. OKTOBER) Dr. Tony Komaroff leitete wie immer das Treffen mit seinem mit Spannung erwarteten Überblick über die Forschung der vergangenen zwei Jahre ein. Diese Kostbarkeiten an Wissen und Verständnis können am besten zusammengefasst werden, indem man auf die zentralen Punkte abzielt: · Der „Medical Outcome Study Short-Form-36” ist eine reliabler (verlässlicher) und validierter (auf Stichhaltigkeit geprüfter) Fragebogen-Test, mit dem eine beträchtliche Herabsetzung der Funktionsfähigkeit bei Menschen mit CFS aus den USA, Großbritannien und Deutschland nachgewiesen werden konnte. · Während einer Schwangerschaft besserten sich die Symptome bei einem Drittel der Frauen, bei einem Drittel verstärkten sie sich und beim restlichen Drittel blieben sie unverändert. · Eine kürzlich durchgeführte, große Studie zur Prognose kam zu dem Schluss, dass CFS einen schwankenden Verlauf hat, aber nur etwa 10% der Patienten wieder vollständig gesunden. · Die These der Beteiligung des zentralen Nervensystems beim CFS wird gestützt durch einen vorhersagbaren Abfall des CRH, des ACTH und des Cortisols, durch eine erhöhte Ausschüttung von Prolactin als Reaktion auf Serotoninstimulatoren und einen Mangel an Wachstumshormonen. · Während höhere kognitive Funktionen erhalten bleiben, zeigen Studien über die kognitiven Leistungen bei CFS einen Abfall des IQ (manchmal von überdurchschnittlichen auf normale Werte) und Defizite in der komplexen Informationsverarbeitung, in der Verarbeitungsgeschwindigkeit, in der Aufnahme neuer Information und beim Erlernen oder Wiederabrufen komplexer Inhalte. · Ein vermindertes Blutvolumen (bezogen auf die Masse der roten Blutzellen) und eine prolongierte (länger anhaltende) Acetylcholin-vermittelte Vasodilation (Erweiterung der Blutgefäße) der Mikrozirkulation (z.B. an der Haut des Unterarms) treten bei CFS häufig auf. · Der Schlaf ist weniger erholsam, es kommt zu Einschlafschwierigkeiten und Schlafanomalien wie Schlafapnoe, Bewegungen der Beine, Restless-Legs-Syndrom und Narkolepsie treten bei bis zu 50% der CFS-Kranken auf. · Eine Therapie der Schlafanomalien führt nur in bescheidenem Ausmaß zu einer Abschwächung der CFS-Symptome. · Die Anzahl der aktivierten Lymphozyten ist bei CFS erhöht. Sie können die Blut-Hirn-Schranke überwinden, um dann andere Lymphozyten und dendritische Zellen zu aktivieren. Die Auswirkungen dessen können über Jahre andauern. · Aktivierte Mikroglia (Nervenstützgewebe) schüttet pro-inflammatorische Zytokine und Stickstoffoxid (NO) aus, was zu einer chronischen geringgradigen Schädigung führt. · Eine Apoptose (Zelltod) der Neutrophilen kann bei manchen Patienten zu einem Neutrophilenmangel im Blut führen. · Inflammatorische Zytokine sind bei vielen Patienten, die mit dem Parvovirus B19 infiziert sind, zu Beginn und auch im weiteren Verlauf der Erkrankung erhöht. Anhaltende Erschöpfung ist am stärksten korreliert mit erhöhten Gamma-Interferon-Werten. · Untersuchungen mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion und dem Southern-Blot-Test ergaben bei 179 von 261 Probanden mit CFS wenigstens eine Art von Mycoplasmen, verglichen mit 2 von 36 einer gesunden Kontrollgruppe. Mycoplasma Hominis und Mycoplasma pneumonia waren die am häufigsten diagnostizierten Arten. · Verfahren zur Untersuchung der Genexpression mit Hilfe von Nukleinsäuren haben bei CFS-Patienten persistierende Mängel in der oxidativen Phosphorylierung, der Glykolyse und dem Glukosestoffwechsel ergeben. · Herabgesetzte Vitamin-D-Werte beobachtet man sowohl bei CFS als auch bei der Fibromyalgie (FM). Hier besteht eine Korrelation mit vermehrten muskuloskelettalen Schmerzen und geringerer Knochendichte. · Bei chronischer Erkrankung sind die endogenen Werte an Omega-3-Fettsäuren vermindert. Dies steht möglicherweise im Zusammenhang mit einer erhöhten Zahl an Entzündungsmediatoren und einer verringerten antiviralen Aktivität. Einige kleinere Studien belegen, dass eine zusätzliche Gabe von Omega-3-Fettsäuren u.U. hilfreich sein kann. Nach Tony Komaroff sprach Dr. Bill Reeves, Leiter der Abteilung “Viral Exanthems and Herpesviruses” der NCID / Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta. Dr. Reeves lieferte einen spannenden und umfassenden Überblick über die epidemiologischen Studien, die in den vergangenen sieben Jahren durch die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) durchgeführt wurden. 25-50% der Menschen, die sich in einer Allgemeinpraxis vorstellen, klagen über Erschöpfung. Nach einer britischen Studie leiden davon 20% an einer ungeklärten Erschöpfung, während 75% der Fälle psychiatrischen und 5% medizinischen Ursachen zugeordnet werden können. Die Prävalenzraten für CFS, die sich aus zwei großen Studien auf der Basis von Bevölkerungsumfragen ergaben, lagen zwischen 235 pro 100.000 Personen (34.000 Haushalte mit 90.000 Personen in Wichita, Kansas) und 422 pro 100.000 Personen (eine Studie unter 18.000 in Chicago befragten Erwachsenen). Die Daten aus den Vereinigten Staaten ergeben, dass
Schätzungsweise gibt es in den USA 800.000 CFS-Fälle und es sieht so aus, als ob nur 10-17% dieser Menschen tatsächlich eine entsprechende medizinische Diagnose erhalten haben. Etwa 25% gehen keiner Beschäftigung nach oder sind erwerbsunfähig. Der wirtschaftliche Schaden, der allein durch CFS entsteht, wurde kürzlich auf jährlich 9 Milliarden Dollar geschätzt. Das entspricht in etwa dem Gesamtschaden, der dieses Jahr in Florida von allen Hurrikanen zusammen angerichtet wurde oder der Gesamtgewinnspanne der Supermarktkette WalMart! Für Großbritannien wurden die direkten Kosten, die durch die medizinische Versorgung von CFS-Kranken entstehen, auf zusätzliche 4 Milliarden Dollar jährlich geschätzt. Das Ziel der CDC ist, herauszufinden, ob es sich bei CFS um eine oder mehrere Krankheiten handelt, den natürlichen Verlauf sowie die klinische Manifestation der Erkrankung zu definieren, Risikofaktoren und diagnostische Marker zu identifizieren und sowohl Strategien zur Kontrolle als auch zur Prävention der Erkrankungen zu entwickeln. An dieser Stelle bemerkte Reeves: „Wir wissen mehr darüber, was CFS nicht ist als was es tatsächlich ist.“ Dr. Dan Clauw (Leiter der Abteilung für Medizin/Rheumatologie der Universität Michigan) gab einen Überblick über die gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich Fibromyalgie (FM). Die Definition des „American College of Rheumatology“ aus dem Jahr 1990 wird, so erklärte er, zur Zeit überprüft, da die Forscher FM weniger als eine einzelne, abgeschlossene Erkrankung mit lokalen Schmerzpunkten betrachten, als vielmehr als ein Krankheitskontinuum mit diffuser Schmerzempfindlichkeit und damit verbundenen somatischen Symptomen. Man erkennt auch an, dass psychologische Faktoren und das Verhalten der Patienten in manchen Fällen eine negative Rolle spielen. Die Tenderpoints (schmerzempfindliche Punkte) sind möglicherweise weniger aufschlussreich als früher angenommen. Aus verschiedenen Studien ergibt sich, dass sie eher mit emotionalem Stress in Verbindung stehen als mit der Schwere der Erkrankung. Außerdem vermitteln sie unglücklicherweise den Eindruck, dass FM hauptsächlich eine Muskelerkrankung sei, während sich die meisten Praktiker einig sind, dass FM sowohl rheumatische als auch Multisystemsymptome umfasst. Frauen klagen mit 1,8-fach höherer Wahrscheinlichkeit als Männer über ausgedehnte Schmerzen, entwickeln aber mit 10-fach höherer Wahrscheinlichkeit FM. Die Prävalenz von FM ist nach den Aussagen von Clauw bei Verwandten ersten Grades 8-fach erhöht, während das Risiko für andere rheumatische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Lupus erythematodes nur 2-4-fach erhöht ist. Damit „ist FM die rheumatische Erkrankung, die familiär am gehäuftesten auftritt“. Er hat den Eindruck, dass die genetischen Marker, die man bis heute für FM identifiziert hat, jedoch weitgehend mit gleichzeitig auftretenden psychiatrischen Erkrankungen in Verbindung stehen und nicht nur mit FM. Bei der FM ist ganz deutlich eine Verstärkung der Schmerzempfindung vorhanden. Sie wird sowohl auf zentrale als auch auf periphere Anomalien zurückgeführt, kann aber nicht mit emotionalen oder psychologischen Faktoren erklärt werden. Menschen mit FM nehmen einen gegebenen Schmerz stärker wahr als Gesunde, und auch die Wahrnehmungsschwelle für andere Sinneswahrnehmungen wie beispielsweise Lärm, Hitze und elektrische Reize ist herabgesetzt. Diese herabgesetzte Wahrnehmungsschwelle für Schmerz wird durch Studien bestätigt, bei denen eine funktionelle MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie) durchgeführt wurde. Depressionen spielen bei der Schmerzverarbeitung nahezu keine Rolle, aber „Katastrophisieren“ oder das Gefühl des „Kontrollverlusts“ können die Schmerzwahrnehmung verschlimmern. Eine anomale Schmerzwahrnehmung ist nicht auf die FM beschränkt, sondern wird auch beim Reizkolon (Colon Irritable), der temporomandibularen Dysfunktion, Spannungskopfschmerzen, chronischen Rückenschmerzen, der Vulvodynie (Schmerzzuständen des äußeren weiblichen Genitals) und komplexen lokalen Schmerzerkrankungen beobachtet. Das lässt auf gewissen Gemeinsamkeiten dieser Erkrankungen schließen. Zwei mögliche Mechanismen, die man hier diskutiert, sind die „Heraufregulierung“ und das Fehlen von DNIC (diffuse noxious inhibitory controls)[1]. Beides ist gegenwärtig Gegenstand ausführlicher Untersuchungen. Die Therapie der FM konzentriert sich allgemein auf die Schmerzbehandlung. Es werden hier drei Ansätze zum Schmerzmanagement verfolgt, und zwar Beratung und Unterstützung, Opioide und eine Beeinflussung der antinozizeptiven Pfade des zentralen Nervensystems (bezogen auf Serotonin und Noradrenalin). Clauw zählte beispielhaft mehrere Medikamente auf, die schmerzdämpfend wirken, indem sie die Serotonin- oder Noradrenalinpfade oder solche Pfade im Sinne einer Steigerung beeinflussen, an denen beide Neurotransmitter beteiligt sind.
ARTIKEL UND PRÄSENTATIONEN Über 30 Artikel wurden für den diesjährigen Forschungsteil der Konferenz ausgewählt, von denen einige wirklich hervorragend waren. Dr. Jo Nijs (Freie Universität Brüssel) führte das Auditorium in die Bedeutung der Elastase bei CFS-Patienten ein. Frühere Studien haben bereits ergeben, dass eine persistierende Aktivierung des 2,5-OAS-Pfades bei CFS zu erhöhten Werten der RNaseL führt, die ihrerseits von Capsain und Elastase in eine biologisch aktivere Form mit geringerem Molekulargewicht (LMW RNaseL) gespalten wird. Darüberhinaus korrellieren erhöhte RNaseL-Werte mit einer herabgesetzten körperlichen Belastbarkeit (Snell 2002). 16 CFS-Patienten (keine Kontrollpersonen) wurden einem körperlichen Belastungstest unterzogen. Die Sauerstoffaufnahme bei einem respiratorischen Quotienten[2] von 1,0 war im Vergleich zur zu erwartenden Norm reduziert. Ein respiratorischer Quotient von 1,0 ist entspricht in etwa der anaeroben Schwelle. Erhöhte Werte der Elastaseaktivität im Plasma korrelierten mit einer verminderten Sauerstoffaufnahme. Keine Korrelation bestand jedoch mit der Stärke der Symptome, gemessen mit dem Fragebogen MOS SF-36[3], der RNaseL, dem PKR-System und den Stickstoffoxidwerten. Es ist durchaus denkbar, dass erhöhte Elastasewerte das Lungengewebe schädigen und die Sauerstoffdiffusion durch die Lungenbläschen beeinträchtigen. Das könnte die verminderte Sauerstoffversorgung der Gewebe bei CFS erklären. Dr. Charles Raison wies darauf hin, dass die therapeutische Verabreichung von Interferon-alpha bei einer Hepatitis-C-Infektion bei vielen Betroffenen eine CFS-ähnliche Erkrankung auslöst. Vor einer solchen Behandlung erfüllten 3% der Patienten die Kriterien für CFS, aber während der Behandlung entwickelten 30% Symptome, die mit der CFS-Definition übereinstimmen. Eine interessante Studie unter einer relativ isolierten Bevölkerungsgruppe in Dubbo in Australien wurde von Dr. Jim Jones von den CDC beschrieben. Eine prospektive Studie unter Personen, die drei gut beschriebene Erkrankungen bekamen (Mononukleose, Ross-River-Virusinfektion und Q-Fieber), zeigte, dass 6 Monate nach der Infektion 10-15% und 12 Monate danach immer noch 5-6% der Betroffenen die CFS-Kriterien erfüllten Weder das psychiatrische Profil vor Ausbruch der Krankheit noch irgendein biologischer Marker ließen darauf schließen, wer am Ende CFS entwickeln würde. Harold Harrison, MD, PhD, brachte die These vor, dass genetische Faktoren, die die Blutgerinnung fördern, bei CFS/ME und FM eine Rolle spielen. Er und seine Mitarbeiter untersuchten die Gerinnungsfähigkeit anhand solcher Faktoren wie Fibrin (Eiweißendprodukt der Blutgerinnung) und löslicher Fibrinmonomere sowie der Gene, die die Gerinnungsfähigkeit kontrollieren (z.B. Protein C, Protein S). 38 von 45 untersuchten Personen (d.h. 84%) hatten in mindestens einem der Tests positive Werte – eine Prävalenz, so sagte Harrison, die dreimal höher ist, als in der allgemeinen Bevölkerung. Diese Forschergruppe postulierte, dass eine Untergruppe von Personen mit CFS/ME unter einer geringgradigen mikrozirkulatorischen Gerinnung („Sludge“, Geldrollenbildung der Erythrozyten oder Erythrozytenaggregation) leidet. Das könnte viele der Symptome des CFS erklären. Dr. Julian Stewart, ein Kinderkardiologe am NY Medical College in Valhalla, New York, stellte eine unkomplizierte, aber elegante Studie über Kreislaufveränderungen bei jungen Erwachsenen mit lagebedingtem orthostatischen Tachykardie-Syndrom (abgekürzt: POTS, lageabhängiges Herzjagen) vor. Er beschrieb drei Untergruppen von Patienten (mit hoher, geringer und normaler Flow-Rate des POTS), die alle einen deutlichen Abfall des Blutvolumens im Brustkorb beim Kipptisch-Test zeigten, wenn sich der Kopf oben befand. Die Personen, die eine normale und eine geringe Flow-Rate hatten, zeigten in der gleichen Testphase eine Ansammlung von Blut im Bereich der Eingeweide. Stewart kam zu dem Schluss, dass die orthostatische Intoleranz durch eine Reihe verschiedener Mechanismen hervorgerufen werden kann. Dazu gehören ein geringes Blutvolumen, autonome Probleme, lokale Anomalien des Blutflusses und der Blutdruckregulation, aber nicht notwendigerweise eine autonome Dysfunktion. KLINISCHER TEIL (9.-10. OKTOBER 2004) Über 70 Beiträge wurden dem Organisationskomitee für klinische Fragen zur Betrachtung eingereicht. Einige der herausragenden Arbeiten werden hier vorgestellt: Anne Garcia-Quintana (Hospital Valle D'Hebron und Delfos Medical Center, Barcelona) Dr. Quintana verglich die Leistungsfähigkeit von 50 Personen mit CFS/ME mit 10 jungen, körperlich wenig aktiven und 16 aktiven Menschen mit Hilfe eines Armergometers und eines Fahrradergometers. Das Ergebnis bestätigte frühere Studien. Die Personen mit CFS/ME zeigten eine deutlich reduzierte aerobische Leistungskapazität auf dem Fahrradergometer, hatten aber auch eine verminderte Leistungskapazität des Oberkörpers. Bei den körperlich stärker beeinträchtigten Personen waren auch die Laktatwerte im Plasma herabgesetzt. Hier handelt es sich um eine klar aufgebaute und gut durchgeführte Studie, die zu einem bedeutsamen Ergebnis kommt. Für Menschen mit CFS/ME ist jetzt verständlich, warum Aktivitäten mit dem Oberkörper sie so erschöpfen. Fred Friedberg (Stony Brook, LI, NY) Oft stellen Patienten ihren Ärzten die Frage, ob es hilfreich wäre, einer Selbsthilfeorganisation beizutreten. Die Antworten, die sie erhalten, können ganz unterschiedlich sein – je nach persönlicher Meinung des Arztes. Ob sie den Patienten jedoch ermutigen, dies zu tun, oder davon abraten, hängt nicht unbedingt von entsprechenden Erfahrungen oder Informationen ab. In dieser Hinsicht liefert Friedbergs Studie einige Anregungen. Friedberg führte unter 32 aktiven und 135 nicht aktiven (oder ehemaligen) Mitgliedern einer lokalen Selbsthilfegruppe eine Umfrage durch. Diese Selbsthilfegruppe umfasste Menschen mit CFS (76%), Fibromyalgie (62%) und Multipler Chemikalienunverträglichkeit (28%). Der Krankheitsverlauf seit dem Eintritt in die Gruppe wurde von 52% als besser, von 29% als schlechter und von 19% als unverändert eingestuft. 80% der Befragten betrachteten die Selbsthilfegruppe als hilfreich. Die am häufigsten genannten Gründe für eine Teilnahme waren die Legitimation der Erkrankung (68%), neue Informationen (66%) und das Gefühl, verstanden zu werden (62%). Weniger häufig genannte Gründe waren das Finden eines Arztes (35%) oder der Umgang mit Ärzten (39%). Die häufigsten Gründe für den Austritt waren ein ungünstiger Ort (38%) oder eine ungünstige Zeit (37%), negativ gefärbte Gespräche (33%) und zu krank für eine Teilnahme zu sein (29%). David Strayer (Hemispherx Biopharma) David Strayer berichtete über die Phase III-Ampligenstudie. Es handelt sich hier um eine randomisierte, placebokontrollierte Cross-Over-Doppelblindstudie unter 234 Personen, die über einen Zeitraum von 40 Wochen zweimal wöchentlich intravenös mit 400 mg Ampligen behandelt wurden. Die demographischen Daten waren in beiden Gruppen ähnlich. Die Abbrecherquote war in der Gruppe der Behandelten gegenüber der Placebogruppe leicht erhöht (24 im Vergleich zu 16), ebenso die Anzahl der schweren Nebenwirkungen (16 gegenüber 8), aber die Unterschiede waren statistisch nicht signifikant (p > 0.10). Die Dauer der körperlichen Aktivität war in der Gruppe der komplett Behandelten 16,1% höher als in der Placebogruppe und 15,2% höher, wenn man die Studienabbrecher hinzuzählt (Intent-to-treat-Analyse[4] p<0.05). Der Anstieg der Dauer der körperlichen Aktivität war mehr als doppelt so hoch wie das Minimum, das man als medizinisch signifikant ansieht (6,5%). Der maximale Sauerstoffverbrauch hatte sich in der Gruppe der Behandelten gegenüber der Placebogruppe deutlich verbessert – 6,07 gegenüber 0,58. Es traten keine bedeutsamen Nebenwirkungen oder laborchemischen Anomalien auf. Die Behandlung dieser Gruppe entkräfteter CFS-Patienten mit Ampligen führte zu einer medizinisch und statistisch signifikanten Verbesserung in Bezug auf den primären Endpunkt der Studie, d.h. die Dauer der laufbandergometrischen Aktivität im Vergleich zur Placebogruppe. Möglicherweise ist Ampligen das erste Medikament, das eine sichere und wirksame Behandlungsform für CFS darstellt. Dr. Kenny DeMeirleir (Vrije Universiteit Brussels, Belgien) Dr. DeMeirleir stellte die übliche Sichtweise des CFS infrage, nach der es eine Erkrankung mit unbekannter Ursache sei. Er äußerte sich zuversichtlich, dass man genügend über die Krankheit wisse, um sie auf wissenschaftlicher Grundlage zu behandeln. Er stellte hierzu als Beispiel zwei zelluläre antivirale Systeme dar, und zwar das OAS-System (oligo adenyl synthetase = OAS) und das PKR-System (Phosphokinase-System). Infektionen und leichte Immundysfunktionen aktivieren das OAS-System, das dann das Enzym RNaseL produziert, das zur Apoptose (zum Zelltod) und bei CFS zur Produktion einer ungewöhnlichen RNaseL mit niedrigem Molekulargewicht führt. Tabelle 1 – OAS-SystemInfektionen + angeborene Immundefekte à aktivierter 2’5’ OAS à RNaseL à Apoptose und gespaltene RNaseL mit niedrigem Molekulargewicht Diese gespaltene RnaseL mit niedrigem Molekulargewicht kann über das ABC-Transporter-System zu zahlreichen Symptomen führen (verstärkten Schmerzen, Depressionen, Überempfindlichkeiten, visuellen Symptomen und vermindertem Glucoseblutspiegel). Darüber hinaus betonte Dr. DeMeirleir, dass eine Aktivierung des OAS-Systems die Schilddrüsenfunktion unterdrücken kann, selbst wenn Schilddrüsenfunktionstests keine Anomalie ergeben. Eine Aktivierung der PKR-Pfade führt andererseits zu einer Aktivierung des NF-kappa-B, des iNOS-Gens und der Cyclo-oxygenase(COX2)-Pfade. Diese Veränderungen verschieben das Immunsystem in Richtung eines Th2-Überhangs, unterdrücken die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und führen sowohl zu einer Gefäßverengung als auch zur Thrombozytenaggregation. Tabelle 2 – PKR-SystemAktivierung der PKR-Pfade à Aktivierung des NF-kB / iNOS / COX2 à Th2 Verschiebung, unterdrückte HPA/CRH-Funktion, Gefäßverengung und Thrombozytenaggregation à Zahlreiche Symptome Aus diesen Gründen betrachtet DeMeirleir das Chronic Fatigue Syndrom als eine Th2-Immunerkrankung mit aktiviertem PKR-System, aktiviertem OAS-System und erhöhten RNaseL-Werten. Er geht davon aus, dass effektive therapeutische Interventionen die Wiederherstellung der Immunkompetenz, die Behandlung der hormonellen Veränderungen sowie der Infektionen und Allergien umfassen sollten. Er stellte zwei Fallstudien von CFS-Patienten vor, bei denen die Auslöser des CFS identifiziert werden konnten und eine gezielte Therapie beachtliche Verbesserungen erbrachte. Stanley Schwartz (Warren Clinic, Tulsa, Oklahoma) Dr. Schwartz ist Arzt und Spezialist für Infektionskrankheiten, der die schwierige Frage anging, ob es sich bei der chronischen Lyme Borreliose und CFS um die gleichen Krankheiten handeln könnte. Diese Frage stellt sich deshalb, weil Personen, die eine Lyme-Borreliose durchgemacht haben, CFS-ähnliche Symptome entwickeln können. Eine Minderheit unter den Ärzten schreibt diese Symptome einer persistierenden Borreliose zu und empfiehlt eine langfristige Antibiotika-Therapie. Die Mehrheit ist der Meinung, dass eine kurzfristige Therapie ausreicht, um die Lyme-Borreliose-Erreger zu vernichten. Wenn die Symptome nach dem Zeckenbiss länger als 6 Monate anhalten – handelt es sich dann um eine Lyme-Borreliose oder um CFS? Um diese Frage zu beantworten, durchforstete Schwartz die vorhandene Literatur über chronische Lyme-Borreliose. Er kam jedoch zu dem Schluss, es sei unklar, ob die Fatigue nach Lyme-Borreliose eine Form des CFS sei, eine weiterhin bestehende Infektion mit dem Lyme-Borreliose-Erreger oder die Folge einer Anomalie des Immunsystems. In randomisierten, kontrollierten Studien konnte nicht überzeugend nachgewiesen werden, dass eine antibiotische Therapie bei chronischer Lyme-Borreliose wirksam ist. Schwartz machte eine wichtige Bemerkung: Lyme-Borreliose sei eine klinische Diagnose und entsprechende Labortests können bei solchen Patienten unzuverlässig sein, die keine klinisch gesicherte Lyme-Borreliose hatten. Zu den anerkannten Tests gehören ELISA, Western Blot, Hautbiopsie, oder PCR der Synovialflüssigkeit. Es gibt noch eine Reihe weiterer Untersuchungsverfahren, aber diese gelten als unzuverlässig und man sollte sich im Hinblick auf eine Diagnose auf sie nicht verlassen. Leonard Jason, PhD (DePaul University, Chicago) & Nancy Klimas, MD (University of Miami) Bei den Menschen mit CFS handelt es sich ganz klar um eine heterogene Gruppe mit verschiedenen Anzeichen und Symptomen. Genauso wie es viele verschiedene Ursachen für Krebs gibt, scheint es unterschiedliche Auslöser und Formen des CFS zu geben. Diese Heterogenität macht es schwierig, CFS exakt zu definieren. Über die Jahre hinweg wurden verschiedene klinische Falldefinitionen vorgeschlagen, aber es ist deutlich, dass die Populationen, die durch sie jeweils ausgewählt werden, sich leicht unterscheiden. Das führt zu einem Mangel an Konsistenz unter den Studien, die unterschiedliche Kriterien bei der Auswahl der zu untersuchenden Populationen verwenden. Tabelle 1 – Falldefinitionen für CFS
Als man diese drei Falldefinitionen auf eine Gruppe chronisch erschöpfter Patienten anwandte, wurden durch die Holmes-Kriterien die geringste Anzahl und durch die Fukuda-Kriterien die höchste Anzahl an CFS-Patienten ausgewählt, während die Anzahl der durch die kanadische Definition ermittelten Patienten dazwischen lag. Jason betonte, dass die Fukuda-Kriterien von 1994 international anerkannt sind und in der gegenwärtigen Forschung weitgehend verwendet werden. Diese Kriterien wurden damals durch eine Konsensgruppe entwickelt, die durch die CDC und die NIH (National Institutes of Health) einberufen worden war. Darüberhinaus gibt es regelmäßige Treffen auf der Ebene der CDC, um diese Kriterien zu revidieren und auf den neuesten Stand zu bringen. Diese Empfehlungen werden dann von den CDC veröffentlicht. Außerdem wird auf der Website der CDC auf sie verwiesen. Die Autoren der Fukuda-Kriterien (Fukuda et al. Annals of IM, 1994) empfahlen zwar die Bildung von Untergruppen, gaben jedoch keine speziellen Empfehlungen in dieser Hinsicht.Die Bildung von Untergruppen könnte die Patientenpopulation sowohl zu Forschungszwecken als auch für gezielte, für spezielle Untergruppen geeignete Therapien besser definieren. Klimas warnte jedoch vor einer übermäßigen Verallgemeinerung. Eine Verallgemeinerung von Daten einer Untergruppe erfordere Follow-up-Studien, um entscheiden zu können, ob die Ergebnisse auf eine größere Patientenpolulation übertragen werden können. Dr. Klimas schlug eine Reihe verschiedener Faktoren vor, nach denen Patienten in Untergruppen eingeteilt werden könnten: · Gruppierung nach Symptomen / Krankengeschichte (z.B. Krankheitsdauer, Alter beim Ausbruch, Schweregrad, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, sozial-ökonomischer Status, funktioneller Status etc.) · Gruppierung nach vorherrschender Symptomgruppe – kognitive Beeinträchtigungen oder Schmerzen · Gruppierung nach Art des Beginns – akuter oder schleichender Beginn · Gruppierung nach betroffenen Systemen – Immunsystem, autonomes oder neuroendokrines System · Gruppierung nach jeweiligen Genexpressionsmustern · Gruppierung nach psychiatrischen Diagnosen – depressiv, ängstlich, zwanghaft, neurotisch etc. · Gruppierung nach körperlichen Befunden – wie etwa schmerzempfindliche Druckpunkte, positiver Romberg-Test, überstreckbare Gelenke. · Gruppierung nach objektiv messbaren Befunden erniedrigte Cortisolwerte (neuroendokrine Gruppe) Auffälliger Kipptisch-Test (autonome Gruppe oder Gruppe der Patienten mit orthostatischer Intoleranz) Aktivierung der Oberflächenmarker der Zellen, erhöhte Zytokinwerte (Immunsystem-Gruppe) Abweichende Werte im PASAT-Test[5] oder bei anderen Untersuchungsverfahren der kognitiven Funktionen (neurokognitive Gruppe) * * * * * KLINISCHE MINI-SEMINAREWährend der Konferenz in Madison wurden drei klinische Mini-Seminare präsentiert: “Kognitive Verhaltenstherapie”, “Körperliche Belastung bei Menschen mit CFS und FM” und “Dysautonomie und orthostatische Intoleranz“. Obwohl es schwierig ist, diese Arbeitsgruppen in ihrer Gesamtheit darzustellen, soll der wesentliche Inhalt hier zusammengefasst werden. KOGNITIVE VERHALTENSTHERAPIE Ein Artikel in der Zeitschrift „Journal of the AMA“ aus dem Jahr 2001 gab einen Überblick über die damals vorhandene Literatur zur Behandlung und kam zu dem Schluss, dass „zu den Interventionen [bei CFS], die positive Ergebnisse zeigten, die kognitive Verhaltenstherapie und körperliche Bewegung gehören.“ Dieses erneuerte das Interesse an kognitiver Verhaltenstherapie, die schon zuvor sowohl in den USA als auch in anderen Ländern untersucht worden war. Es waren ursprünglich britische Psychologen, die die Aufmerksamkeit auf die kognitive Verhaltenstherapie lenkten. Sie sind der Überzeugung, dass die somatischen Symptome bei CFS und FM durch falsche Krankheitsüberzeugungen und falsche Anpassungsreaktionen an die Erkrankung aufrechterhalten werden. Das heißt, Menschen mit CFS/ME/FM haben bestimmte anomale Wahrnehmungen und Verhaltensweisen, die ihre Symptome und Beeinträchtigungen aufrechterhalten. Es ist zum Beispiel eine falsche Anpassung an die Krankheit, wenn ein Patient das CFS einer körperlichen Ursache wie einer Virusinfektion oder einer Stoffwechselerkrankung zuschreibt. In dieser Schule kognitiver Verhaltenstherapeuten ist man der Überzeugung, dass anomale Emotionen und physiologische Abweichungen durch solche „Interpretationen im Sinne eines Katastrophisierens“ aufrechterhalten werden, die zu übermäßigen Emotionen und der Überzeugung führen, dass die somatischen Symptome sich der Kontrolle des Individuums entziehen. In jüngerer Zeit wurde die kognitive Verhaltenstherapie im Rahmen einer Reihe von unterstützenden Interventionsverfahren angewandt, z.B. beim britischen Ansatz, in der unterstützenden Beratung, in der Erziehung/Ausbildung und sogar bei nicht-pharmakologischen Therapien. Deshalb ist kognitive Verhaltenstherapie vielleicht zu einem allumfassenden, verwirrenden Begriff geworden, der als „Abfalleimer“ verwendet wird. Um hier etwas Ordnung in das Chaos zu bringen, organisierte Dr. Lapp ein Mini-Symposium zur kognitiven Verhaltenstherapie, in dem Vortragende mit verschiedenen Sichtweisen zu Wort kamen. Dr. Friedberg war einer der Pioniere auf dem Gebiet des CFS, der sehr viel veröffentlicht hat und äußerst engagiert in regionalen Patientengruppen gearbeitet hat. Dr. Van Hoof arbeitet in einer bekannten CFS-Klinik in Brüssel und bietet Patienten Einzelberatung an, während Dr. Segota im CFS-Zentrum in Miami Gruppengespräche für Patienten durchführt. Das versammelte Fachwissen dieser Experten bot einen ausgezeichneten Rahmen für Betreuer, Berater und Patienten gleichermaßen. Dr. Fred Friedberg (Stony Brook, LI, NY) Dr. Friedberg beschrieb viele der CFS-Patienten als leistungsorientierte Menschen, die aufgrund ihrer Neigung, viel zu arbeiten und sich zu übernehmen, Schwierigkeiten haben, mit einer Erkrankung fertig zu werden, für die es keinen diagnostischen Test, keinen offensichtlichen Grund und keine spezifische Behandlungsmöglichkeit gibt. Seine Erfahrungen mit kognitiver Verhaltenstherapie waren zwar positiv, aber er stellt dabei folgende Frage: „Verbessert die kognitive Verhaltenstherapie die Krankheitsbewältigung (das „Coping“) oder bessert sie tatsächlich den Gesundheitszustand des Patienten?“ Die Frage kann natürlich niemand beantworten, aber Dr. Friedberg äußerte die Ansicht, dass kognitive Verhaltenstherapie dem Patienten hilft, die Kontrolle über sein Leben und seinen Gesundheitszustand zurückzugewinnen. Er stellte heraus, Rey sei in einem Artikel aus dem Jahr 1997 zu folgendem Schluss gekommen: Wenn ein Patient das Gefühl von Kontrollverlust hat, dann verstärkt eine Begrenzung der Aktivität und des Stresses seine Beeinträchtigung noch mehr, weil sich der Patient noch stärker eingeengt oder als Opfer fühlt. Wenn jedoch dem Patienten ein starkes Gefühl von Kontrolle über seine Lage vermittelt wird, dann führt die Begrenzung von Aktivität und Stress zu einer Verbesserung. Kontrollverlust kann durch die Schwere der Erkrankung, fehlende Unterstützung oder mangelhafte Bewältigungsstrategien (Katastrophisieren, Verleugnung, Pessimismus oder „Aufgeben“) entstehen, es ist jedoch fruchtbar, wenn der Patient die Kontrolle erlangt. Friedberg ermutigt die Patienten, eine Balance zwischen Aktivität und Ruhe zu finden und fordert sie auf, eine dauerhafte und angemessene Veränderung ihres Lebensstils vorzunehmen, wenn sie eine Besserung erreichen wollen. Zu den spezifischen Therapien zählen Entspannungstechniken, Schlafhygiene, der Umgang mit Wut und Ärger, das gezielte Herbeiführen von angenehmen Stimmungen, Pacing (das Einlegen von Ruhepausen) und abgestufte Aktivität. Dr. ElkeVan Hoof (Freie Universität Brüssel, Belgien) Dr. Van Hoof ist der Meinung, dass CBT die Wahrnehmungen des Patienten klar umreißen und verändern sollte, um die Symptome abzuschwächen und die Lebensqualität zu erhöhen. Das Brüsseler Modell folgt einem Teamansatz, der als erstes den Schwerpunkt auf die medizinische Behandlung legt und dann Verhaltenstherapie einsetzt, zu der auch kognitive Verhaltenstherapie und psychiatrische Beratung gehören können. Van Hoof geht nach einem Phasenmodell vor, bei dem die Patienten in eine von vier Gruppen eingeteilt werden. Im Idealfall durchlaufen die Patienten diese Phasen fortschreitend, aber manche verharren in einer dieser Phasen oder fallen sogar gelegentlich in eine frühere Phase zurück. Van Hoof hat den Eindruck, dass dieser Phasenansatz den Patienten, ihren Partnern und Familien eine Struktur bietet. In Phase 1 (der Phase der Krise) geht es dem Patienten in der Regel sehr schlecht, die Situation ist chaotisch, von starken Emotionen bestimmt und „außer Kontrolle“. In dieser Phase erklären Van Hoof und ihr Team dem Patienten das biologische Modell des CFS und stellen therapeutische Strategien vor. Sozialarbeiter helfen dabei, staatliche und finanzielle Unterstützung einschließlich Erwerbsunfähigkeitsrenten zu erhalten, wenn das nötig ist. Indem der Partner, ein Freund oder Familienmitglieder gebeten werden, an den Sitzungen teilzunehmen, wird auch ein sozialer Rahmen geschaffen. Der Zweck der Interventionen in Phase 1 ist, dem Patienten die Kontrolle zurückzugeben und Informationen sowie ein Verständnis für die Krankheit zu vermitteln. In Phase 2 (der Phase der Stabilisierung) arbeitet der Patient verstärkt an der Therapie mit, die Betreuer werden motiviert, als Helfer zu fungierten, die Selbstwirksamkeit steigt, Problemfelder und entscheidende Weichenstellungen werden angegangen und Selbstmanagementstrategien wie Pacing und das Setzen von Grenzen werden eingeführt. Phase 3 (der Phase der Lösung) dient der Identifikation von Faktoren, die krankheitserhaltend sein können. Es werden negative Gedanken angegangen und realistische Ziele gesetzt. In Phase 4 schließlich (der Phase der Integration) wird versucht, den Patienten wieder in den Arbeits- oder Ausbildungsprozess zu integrieren, ohne dass es zu Rückfällen kommt. Mary-Catherine Segota, PhD (Behavioral Medicine Research Center,University of Miami) Dr. Segota stellte uns ein 12-wöchiges Gruppentherapie-Programm vor, das an der Universität Miami entwickelt wurde. Es trägt den Namen SMART für „Stress Management and Relaxation Training“ (Stressmanagement und Entspannungstraining). Jede der wöchentlich stattfindenden, zweistündigen Sitzungen besteht aus 90 Minuten didaktisch aufbereitetem Unterricht und kognitiver Umstrukturierung sowie 30 Minuten Entspannung und angeleiteten Visualisierungsübungen („Guided Imagery“). Die Vorteile der Gruppen- gegenüber der Einzeltherapie bestehen in der zusätzlichen sozialen Unterstützung und der Begegnung mit anderen Menschen mit ähnlichen Symptomen, der Gestaltung von Coping-Strategien und einer Struktur, die zeit- und kosteneffizient ist. Zur Instruktion der Patienten gehören die Information über die Krankheit (unter Einsatz des biopsychosozialen Modells), kognitives Restrukturieren (das Aufbrechen von Denkmustern), das Eintrainieren von Coping-Strategien zur Anpassung an die Krankheit, die Erhöhung der Lebensqualität und Graded-Exercise-Programme. Die Teilnehmer haben auch „Hausaufgaben“ zu erledigen: sie müssen Lektüre lesen und zwischen den Sitzungen ein Tagebuch führen. In der ersten Sitzung geht es ausschließlich um Strategien zum Stressmanagement und darum, negative Gedankenmuster zu erkennen und zu verändern. In der 2. bis 5. Sitzung wird den Teilnehmern beigebracht, dass Gedanken und Emotionen einen Einfluss darauf haben, wie wir uns fühlen, und dass jeder Einzelne seine Gedanken und Emotionen steuern kann. Wenn einem beispielsweise jemand feindlich gegenübertritt, dann erkennt das Gehirn automatisch die Lage und löst verschiedene stimmungsmäßige Veränderungen wie Sorge, Schrecken, Wut, Angst, Depression und körperliche Veränderungen wie Anspannung, Tränenfluss und Aggression aus. An diesem Punkt jedoch hat das Individuum die Wahl, den Angriff zu ignorieren, wegzulaufen, zu streiten oder gar zu kämpfen. In diesen Sitzungen werden auch kognitive Verzerrungen wie ein Alles-oder-Nichts-Denken, übermäßige Verallgemeinerungen, Übertreibungen und Feststellungen nach dem Muster „es/man sollte aber...“ angegangen. Die 6. bis 8. Sitzung ist der Lösung zwischenmenschlicher Probleme gewidmet, indem die Kommunikationsfähigkeit, Selbstbehauptungsstrategien, Strategien zum Zuhören sowie zur Konfliktlösung und zum Umgang mit Wut und Ärger geschult werden. In den Sitzungen 9 bis 12 konzentriert man sich darauf, den Patienten dabei zu helfen, realistischere Erwartungen an sich selbst zu entwickeln, neue Prioritäten in ihrem Leben zu setzen und vermehrt die Erfahrung zu machen, bei etwas erfolgreich zu sein. ARBEITSGRUPPE ZUM THEMA BELASTUNG Die Arbeitsgruppe „Belastung bei CFS/ME und FM” warf ein Schlaglicht auf drei leicht unterschiedliche Ansätze zur Herangehensweise an Belastungen, die alle auf der Erkenntnis beruhen, dass Menschen mit CFS/ME/FM unter einer Intoleranz gegenüber Anstrengungen und unter einer Zustandsverschlechterung nach Belastung leiden, es sei denn, sie bleiben dabei innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen. Nach den Aussagen von zwei Teams (dem Hunter-Hopkins Center und Workwell) ist diese „Grenze“ wahrscheinlich an der „anaeroben Schwelle“ („anaerobic threshold = AT). Die AT ist der Zeitpunkt im Verlauf körperlicher Belastung, an dem Herz und Lungen nicht mehr in der Lage sind, genügend Sauerstoff an die Muskeln zu liefern und der Stoffwechsel von aeroben zum anaeroben wechselt. Es ist hinlänglich bekannt, dass die AT bei Menschen mit CFS/ME/FM sehr früh erreicht wird. Charles W. Lapp, MD (Hunter-Hopkins Center, Charlotte NC) Dr. Lapp erläuterte die Grundlage für die Verordnung von körperlicher Belastung, indem er zeigte, wie ein kardiopulmonaler Belastungstest durchgeführt wird und wie die anaerobe Schwelle (AT) im Labor bestimmt wird. Er beschrieb dann einen Therapieansatz, der in Charlotte zum Einsatz kommt. Hier wird ein Intervalltraining auf niedrigem Niveau durchgeführt, das auf der Annahme beruht, dass es zum Wiederaufflammen der Krankheit und zu Rückfällen kommt, wenn der Patient sich über die anaerobe Schwelle hinaus belastet. Wenn die anaerobe Schwelle beispielsweise bei 4 ½ Minuten ermittelt wird, dann empfiehlt man dem Patienten, sich niemals länger als 4 bis 4 ½ Minuten zu belasten und dann eine 5-minütige Pause einzulegen. Abhängig vom Befinden des Patienten kann er oder sie an einem „schlechten Tag” nur einen Übungsdurchlauf durchführen oder mehrere an einem „guten Tag”. Spazierengehen, Fahrradfahren und Schwimmen sind die bevorzugten Arten der körperlichen Belastung, aber das Prinzip des Intervalltrainings trifft auf alle alltäglichen Aktivitäten zu, die eine körperliche Belastung bedeuten, also auch Saubermachen, Staubsaugen, Einkäufe tragen, Gartenarbeiten etc. Clapp et al. haben diese Technik bei entkräfteten Personen mit CFS validiert (auf Stichhaltigkeit überprüft), die in der Lage waren, auf einem Laufband 10 mal jeweils 3 Minuten (insgesamt also 30 Minuten) zu laufen, ohne dadurch einen Rückfall auszulösen (Physical Therapy, 1999)! Staci Stevens und Mark Snell, PhD (Workwell, Ripon CA) Staci Stevens ist Chief Executive Officer der Workwell Foundation, die sich der Erforschung des CFS und der Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit CFS gewidmet hat. Darüber hinaus ist sie Sportphysiologin, die in den vergangenen 15 Jahren Rehabilitationsprogramme für Menschen mit CFS entwickelt hat. Dr. Chris Snell ist ebenfalls Facharzt für Physiologie und Professor am Sportwissenschaftlichen Institut der Pazifikuniversität. Er ist seit 6 Jahren in der CFS-Forschung tätig und hat zahlreiche Veröffentlichungen über körperliche Belastung, kardiopulmonare Belastungstests und Behinderung bei CFS publiziert. Stevens und Snell unterscheiden die Menschen mit CFS in zwei grundsätzliche Typen: in Menschen, die auf einer Berg- und Talbahn leben und solchen, die dem Einsatz von Energie aus dem Wege gehen. Die Berg- und Talbahn-Fahrer neigen dazu, sich zu überlasten und danach zusammenzubrechen. Das Ziel ist, sie auf eine langsamere Gangart abzubremsen. Die Energievermeider neigen dazu, körperlicher Belastung aus dem Weg zu gehen. Hier ist das Ziel, Aktivitäten zu finden, denen sie gefahrlos nachgehen können, ohne ein Wiederaufflammen der Symptome auszulösen. Nachdem festgestellt wurde, um welchen Typ von Patient es sich handelt und ein grundlegendes Übungsprogramm eingeleitet wurde, stellt das Workwell-Team den Patienten drei Fragen: (1) Haben Sie nach der Belastung eine Verschlechterung Ihres Zustandes erfahren? (2) Haben Sie sich von der Belastung erholt, die ich Ihnen empfohlen habe? (3) Was sind Ihre Ziele im Hinblick auf körperliche Aktivitäten? Das Workwell-Team hat umfassend über den Einsatz von kardiopulmonaren Belastungstests bei der Untersuchung von Beeinträchtigungen (Behinderungen) publiziert und die Ergebnisse anderer Studien bestätigt, die zeigen, dass es bei CFS/ME/FM eine „oxidative Beeinträchtigung“ gibt. Mit anderen Worten: die anaerobe Schwelle tritt bei den meisten Betroffenen verfrüht ein. Sie argumentierten, dass ein Patient, der seine anaerobe Schwelle überschreitet, quasi eine “Sauerstoff-Schuld” aufnimmt, die vergleichbar ist mit monetären Schulden, die auflaufen, wenn man sein Bankkonto überzieht. Ein solches Sauerstoffdefizit führt zu Erschöpfung und weiteren Symptomen des CFS/ME/FM, und für manche Patienten können sogar Alltagsaktivitäten wie Baden oder Anziehen begrenzt sein. Stevens und Snell betonen, dass eine solche Sauerstoffschuld durch Ruhe „zurückgezahlt“ werden muss. Das Workwell-Team definiert Belastung in Form von 30-Sekunden-Intervallen. Man betont, das anfängliche Ziel bestehe darin, die funktionelle Aktivität zu verbessern, dann das Energiesystem für kurzfristige Belastungen zu trainieren und anschließend den Umfang an Bewegung und funktioneller Kraft zu verbessern. Ihr Programm beginnt mit Dehnungs- und Stärkungsübungen ohne Widerstand, danach gegen einen Widerstand (unter Einsatz sehr leichter Gewichte oder elastischer Bänder), darauf folgt das Intervalltraining und dann ein Programm zur Aufrechterhaltung der Belastung. Stevens und Snell stellen 5 Kernkonzepte für Belastung bei CFS heraus: (1) Angemessene Belastung besteht in Bewegung, von der sich der Patient erholen kann, (2) Belastung muss stärkend sein (d.h. dem Patienten helfen, seinen Zustand zu bessern), (3) Fortschritte müssen an die Funktionsfähigkeit angepasst werden (d.h. sie dürfen kein Wiederaufflammen der Symptome auslösen), (4) die Sauerstoffschuld muss in Form von Ruhe und Atemübungen „zurückgezahlt” werden, und (5) die Patienten müssen die Belastung zur Priorität machen. Janice H. Hoffman (OHSU, Portland OR) Janice
H. Hoffman ist klinische Spezialistin für physische Belastung und Mitglied des
Forschungsteams an der Oregon Health & Science University in Portland. Sie
hat für das OHSU-Team verschiedene Studien zur Belastung bei Menschen mit
Fibromyalgie durchgeführt. Zu diesem Team gehören Dr.Kim Dupree Jones, Dr.
Sharon Clark und Dr. Robert Bennett, der sehr bekannt ist für seine
Arbeiten über Fibromyalgie und Fibroschmerzen. Hoffman hat zusammen mit Dr.
Jones verschiedene Artikel veröffentlicht, in denen Belastungs- und
Motivationstechniken im Rahmen der Fibromyalgieforschung beschrieben werden.
Janice leitet zur Zeit ein Belastungsprogramm für die OHSU Fibromyalgie-Klinik
in Portland, und sie beschrieb den in diesem Programm verwendeten Ansatz. Kontakt zu Staci Stevens: Workwell Foundation, Ripon, California, (Tel.: (Vorwahl) 209-599-7194). Über Janice Hoffmans Programm gibt es mehrere informative Videos, zu beziehen bei der Oregon FM Association unter http://www.myalgia.com/ Dysautonomie und orthostatische Intoleranz bei CFS/ME/FM Bis zum Jahr 1995 wurden autonome und orthostatische Symptome bei Menschen mit CFS/ME/FM nur als störend angesehen. Im September 1995 haben Bou-Houlaigah, Rowe, und Calkins in der medizinischen Fachzeitschrift JAMA einen Artikel mit dem Titel "The Relationship Between Neurally Mediated Hypotension and the Chronic Fatigue Syndrome" veröffentlicht („Der Zusammenhang zwischen neural vermitteltem niedrigen Blutdruck (NMH) und dem Chronic Fatigue Syndrom“). In diesem Aufsatz belegen sie, dass NMH bei bis zu 96% der Patienten mit CFS auftritt und dass 9 von 22 Teilnehmern der Studie (41%) mit einer einfachen Therapiemethode eine Besserung erfuhren. Dr. Lapp moderierte ein Mini-Seminar zum Thema Dysautonomie und orthostatische Intoleranz (OI), in dem zwei Aufsätze zu neueren, in der Erforschung befindlichen Therapien besprochen wurden. Julian Stewart , MD (NY Medical College, Valhalla NY) Stewart ist Professor für Pädiatrie und Physiologie am NY Medical College und hat ein Zentrum für Hypotonie-Erkrankungen („Center for Hypotension-Related Disease“) gegründet, das sich auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit neural vermittelten Ohnmachtsanfällen, chronischer orthostatischer Intoleranz, Chronic Fatigue Syndrom und orthostatischer Intoleranz anderer Ursache spezialisiert hat. Stewart definiert orthostatische Intoleranz (OI) als die Unfähigkeit, die aufrechte Position zu tolerieren. OI kann mit einer Reihe von Symptomen einhergehen, zu denen Erschöpfung, Übelkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit, Bauchschmerzen, Schwitzen, Zittern, Schwäche, Ängstlichkeit und depressive Gefühle gehören. Er beschrieb, wie der Kipptisch-Test eingesetzt wird, um die verschiedenen Formen der OI zu unterscheiden, insbesondere den orthostatischen niedrigen Blutdruck, das lagebedingte orthostatische Tachykardie-Syndrom (POTS, Herzjagen) und den neural vermittelten niedrigen Blutdruck. Wenn ein Mensch steht, dann fließt allein durch die Erdanziehung etwa ein halber Liter Blut in die unteren Extremitäten, wodurch der Blutdruck im oberen Teil des Körpers und im Gehirn abfällt. Der Blutfluss im Herzen und im Gehirn sind zunächst nicht betroffen, und der Blutdruck bleibt gewöhnlich zumindest kurzfristig unverändert. Das führt normalerweise zu einem Anstieg der Herzfrequenz von 10-15 Schlägen pro Minute. Bei der orthostatischen Hypotonie steigt die Herzfrequenz leicht an, aber der systolische Blutdruck fällt innerhalb von 3 Minuten nach Einnahme der aufrechten Position um mindestens 20 mmHg bzw. der diastolische um 10 mmHg ab (American Autonomic Society). POTS ist definiert als Anstieg der Herzfrequenz von 30 oder mehr Schlägen pro Minute innerhalb von 5 Minuten aufrechter Position beim Kipptisch-Test. Stewart stellte ein früheres Papier vor, in dem die Position vertreten wird, dass POTS keine autonome Erkrankung sei, sondern die Folge eines verminderten Blutvolumens im Oberkörper oder Brustkorb. NMH (auch bekannt als einfache Ohnmacht, vasovagale Ohnmacht, neurokardiogene Synkope etc.) ist gekennzeichnet durch einen anfänglichen Anstieg der Herzfrequenz und des Blutdrucks, gefolgt von einem rapiden Abfall der beiden zusammen mit Desorientierung, Perspiration (Schweißausbruch) und schließlich Synkope (Ohnmacht). Diese Ohnmachten können ein längeres Wiederaufflammen des CFS oder der FM auslösen. Dr. Lapp betonte eine Reihe von Punkten in Bezug auf den Kipptisch-Test bei CFS/ME/FM: (1) der Kipptisch-Test muss ordnungsgemäß ausgeführt werden: nach einer länger andauernden Rückenlage des Patienten, in einem dunklen, ruhigen Raum, ohne den Einfluss von Medikamenten oder anderen Ursachen für orthostatische Intoleranz (Diabetes Mellitus, Anämie, Dehydration etc.). (2) Passive Studien (ohne den Einsatz stimulierender Medikamente) werden bevorzugt. (3) Die Beendigung des Kipptisch-Tests bevor es zu einer richtigen Ohnmacht kommt kann das längerandauernde Wiederaufflammen der Symptome verhindern. (4) Orthostatische Hypotonie tritt, wenn vorhanden, innerhalb von Sekunden oder Minuten aufrechten Stehens auf und kann bei jedem Menschen vorkommen. Sie ist nicht typisch für CFS/ME oder FM. (5) Gesunde Menschen haben keine Symptome beim Stehen, aber bei CFS/ME und FM werden die Symptome in der aufrechten Position sofort stärker. (6) Die orthostatische Intoleranz tritt bei Menschen mit CFS/ME um mehrere Minuten verzögert auf, während sie bei anderen Erkrankungen (wie der Addison-Krankheit, der Diabetikerneuropathie, dem Shy-Drager-Syndrom etc.) sofort auftritt. Viele der Personen mit CFS/ME/FM, die am Hunter-Hopkins Center untersucht wurden, haben eine Zwischenform der orthostatischen Intoleranz, die Lapp als „Symptomatisches Orthostatisches Tachykardie-Syndrom“ oder SOTS bezeichnet. Das Syndrom ist gekennzeichnet durch eine Verschlechterung der Symptome in der aufrechten Position im Kipptisch-Test, einem Anstieg der Herzfrequenz von 30 oder mehr Schlägen pro Minute und einem langsamen Anstieg des diastolischen Blutdrucks, aber keiner richtigen Ohnmacht. David Bell (Lyndonville NY) Dr. Bell ist ein wahrer Pionier auf dem Gebiet des Chronic Fatigue Syndroms und ein herausragender Experte für CFS bei Kindern. Er beschrieb einen Ausbruch mit etwa 200 Fällen von CFS – die meisten davon Kinder –, der im Jahr 1983 in Rochester, NY, auftrat. Auf seine Arbeit gehen wenigstens 3 Bücher und zahlreiche Artikel über CFS zurück. In den letzten Jahren hat Dr. Bell mit dem verstorbenen Dr. David Streeten zusammengearbeitet, der Untersuchungen zur orthostatischen Intoleranz und zum Blutvolumen bei Patienten mit CFS angestellt hatte. Im Rahmen dieser Konferenz beschrieb Bell seine Erfahrungen in Bezug auf die rote Blutzellmasse und ADH (Antidiuretisches Hormon, Vasopressin) bei CFS-Patienten. Bell maß die Masse der roten Blutzellen (RBCV) und das Plasmavolumen (PV) bei 19 zufällig ausgewählten CFS-Patienten mit Hilfe der Cr51-Technik. 16 der untersuchten 19 Patienten hatten – verglichen mit vorausberechneten Kontrollwerten – eine signifikant erniedrigte Masse an roten Blutzellen. Zehn hatten ein vermindertes Plasmavolumen, aber diese Verminderung war gegenüber den Normwerten statistisch nicht signifikant und war tendenziell je nach Flüssigkeitszufuhr des Patienten zum Testzeitpunkt unterschiedlich. In einer weiteren Studie an 72 CFS-Patienten hatten 73% eine rote Blutzellmasse von unter 23 ml/kg (niedrig), während 44% eine rote Blutzellmasse von unter 20 ml/kg hatten (sehr niedrig). Dr. Bell erinnerte dann an einen Artikel von Bakheit aus dem Jahr 1993, in dem bei neun CFS-Patienten niedrige Vasopressin-Werte beschrieben wurden. Bakheit zog den Schluss, dass niedrige Vasopressin-Werte zu einer funktionellen Dehydration führen würden und dass eine Volumenausdehnung solchen Patienten helfen könnte. Bell initiierte daraufhin eine Pilotstudie an 17 CFS-Patienten, denen über mindestens drei Monate hinweg täglich intravenös Flüssigkeit (Kochsalzlösung) zugeführt wurde. Das Ergebnis der Studie war, dass 5 Patienten (30%) eine leichte Reaktion zeigten, 10 (60%) eine gute Reaktion und 2 die Studie vorzeitig abbrachen. Obwohl eine solche Flüssigkeitszufuhr hilfreich sein kann, ist sie weder praktisch durchführbar noch ist es sicher, diese Therapie in breitem Rahmen durchzuführen. 6 der Patienten bekamen durch die Infusionsnadeln Infektionen. Barry Hurwitz, PhD (Universität Miami / VA Medical Center) Dr. Hurwitz ist Professor für Psychologie an der Universität Miami und Professor am Behavioral Medicine Research Center, VA Medical Center in Miami. Seine Interessengebiete liegen im Bereich CFS, AIDS, Verhaltensmedizin und Herz-Kreislauf-Risiken. Hurwitz ist zusammen mit Nancy Klimas der Leiter einer von den „National Institutes of Health“ finanzierten 5-Jahres-Studie zur roten Blutzellmasse und dem autonomen Nervensystem bei CFS. Bis jetzt wurden 94 Patienten in die Studie aufgenommen (42 + 8 Jahre alt, BMI 25.6 + 5, 80 % F, meist kaukasischer Herkunft). Die Studie läuft noch ein weiteres Jahr. Bei der „ProCrit-Studie” handelt es sich um eine prospektive, kontrollierte Cross-Over-Doppelblindstudie. CFS-Patienten mit einer dokumentierten niedrigen roten Blutzellmasse werden entweder mit Epoitin (ProCrit™) oder einem Placebo behandelt, während die CFS-Patienten mit einer normalen roten Blutzellmasse nur mit Placebo behandelt werden. Die Epoitin-Dosis beträgt 50 Einheiten/kg subkutan dreimal wöchentlich. Die Patienten nehmen zusätzlich Salz auf (um das Flüssigkeitsvolumen des Körpers zu erhöhen) und Eisen ein (das für den Aufbau neuer roter Blutzellen benötigt wird). Die Studienteilnehmer werden einer Reihe weiterer Tests unterzogen, u.a. einem Kipptisch-Test, Provokationstests mit Isoprenalin und Phenylephrin (um die Reaktionsfähigkeit der alpha-adrenergen und beta-adrenergen Rezeptoren zu überprüfen), einem Echokardiogramm, einem Elektrokardiogramm, routinemäßigen Laboruntersuchungen und einer psychologischen Untersuchung. Diese Informationen helfen, die Patienten in Untergruppen einzuteilen, liefern darüber hinaus aber auch weitere Informationen über Patienten mit CFS. Die bisher gesammelten Daten zeigen, dass 60% der Frauen und 15% der Männer eine beträchtliche Verminderung der roten Blutzellmasse aufweisen. Verglichen mit gesunden Personen zeigen die Patienten mit einer niedrigen roten Blutzellmasse eine leichte normochrome normozytische Anämie und eine leicht erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit, obwohl die Unterschiede so gering sind, dass dies bei einer routinemäßigen Untersuchung der Blutzellen nicht erkannt werden kann. Die „ProCrit-Studie” ist noch nicht abgeschlossen, so dass die Doppelblind-Verteilung noch nicht aufgedeckt wurde und Dr. Hurwitz noch keine Grundlage hat, vorauszusagen, ob Epoitin CFS-Patienten tatsächlich helfen kann. Er und Dr. Klimas berichten, dass manche Patienten einen Anstieg der roten Blutzellen zeigen (d.h., sie gehören möglicherweise zur Epoitin-Gruppe) und einer speziellen Behandlung bedurften, um die Hämatokrit-Werte in einem sicheren Bereich zu halten. Man hat den Eindruck, dass die Behandlung bei manchen Patienten die Symptomatologie gebessert hat, aber erst die Zeit wird das wirkliche Ergebnis zeigen. ZusammenfassungInsgesamt gesehen war die Konferenz ein großer Erfolg. Über 170 Beiträge von Forschern aus der ganzen Welt wurden zur Begutachtung eingereicht. 48 Papiere wurden auf der Konferenz vorgestellt, und 75 Poster standen für eine Begutachtung zwischen den Sitzungen zur Verfügung. Der Forschungsteil der Konferenz war hervorragend, lieferte er doch neues Material und neue Ansätze zum Verständnis und zur Diagnose von CFS und FM. Ich bin davon überzeugt, dass viele Forscher und Kliniker die Konferenz mit neuen und aufregenden Ideen verlassen haben, die sie auf diesem Treffen gewonnen haben. Ich war insbesondere von Dr. Komaroffs Überblick über die Fortschritte der letzten zwei Jahre beeindruckt und von Dr. Bill Reeves umfassender epidemiologischer Übersicht, in der die Erfahrungen der CDC der letzten Jahre zusammengefasst wurden. Wie auch in der Vergangenheit schon bin ich über den Mangel an neuen Papieren über Behandlungsmöglichkeiten enttäuscht. Nur ein Papier – über Ampligen – widmete sich speziell der Frage der Behandlung, obwohl auch mehrere andere Papiere mögliche Vorgehensweisen bei CFS oder FM behandelten. Die meisten Kliniker waren außerordentlich zufrieden mit dem klinischen Teil der Konferenz, der sich hauptsächlich auf drei spezielle Bereiche konzentrierte, in denen Behandlungsmodalitäten existieren und bereits erfolgreich waren. Bei diesen Bereichen handelt es sich um die Dysautonomien und die orthostatische Intoleranz, ansteigende Belastung auf niedrigem Niveau und Verhaltenstherapie. Drei Mini-Seminare konzentrierten sich speziell auf diese Bereiche, und deren Teilnehmer verließen die Sitzungen mit dem Gefühl, neuen Enthusiasmus und neue Ansätze mitgenommen zu haben, die sie nun mit ihren Patienten teilen können. Ich habe die Hoffnung, dass die Betonung der nächsten Konferenz auf der Therapie liegt, indem spezifische Bereiche der Behandlung hervorgehoben werden wie etwa die Behandlung von Schlafstörungen, Schmerzen und hormonelle Therapien – und dass es ein zeitoffenes Forum für Kliniker zum Austausch von Ideen geben wird. © Charles W. Lapp, MD. Oktober 2004Hunter-Hopkins Center, P.A. 10344 Park Road, Suite 300 Charlotte, North Carolina 28210 Tel. (704) 543 9692 · Fax. (704) 543 8547
Herzlichen Dank an Michael Sobetzko für die Durchsicht dieser Übersetzung und für die Beratung in medizinischen Fragen. Fußnoten: (zurück zur jeweiligen Textstelle geht es mit Doppelklick auf die Nr. der Anmerkung) [1] Anm. d. Ü.: „Schmerzhemmung basiert auf einer Vielzahl von Mechanismen, die unter einer psychobiologischen Perspektive am besten verstanden werden können. Zu diesen Mechanismen zählt auch die Art der Schmerzhemmung, die dem Phänomen "Schmerz unterdrückt Schmerz" zugrunde liegt. Der verantwortliche supraspinale neuronale Mechanismus, auch "diffuse noxious inhibitory controls" (DNIC) genannt, wird durch starke und andauernde Schmerzen schnell aktiviert und führt zu einer anatomisch generalisierten (heterotopen) Reduktion der Schmerzsensibilität außerhalb des primären Schmerzareals. Bei einigen chronischen Schmerzsyndromen scheint dieser Mechanismus, der eine Schmerzausbreitung verhindern hilft, defekt zu sein.“ Aus: Stefan Lauterbach, Die Psychobiologie der Schmerzhemmung, Zeitschrift für klinische Psychologie, 1999 / 4; Hogrefe, Göttingen [2] Anm. d. Ü.: Der respiratorische Quotient ist das Verhältnis der Kohlendioxid- = CO2-Ausscheidung zur Sauerstoff- = O2-Aufnahme. [3] Anm. d. Ü.: Bei der Short-Form-36 der Medical-Outcome-Study (MOS SF36) handelt es sich um einem Fragebogen, der krankheitsübergreifend Lebensqualität bzw. den Gesundheitszustand misst. Es werden Vitalität, körperliche Funktionen, körperliche Rollenfunktionen, emotionale Rollenfunktionen, soziale Funktion, psychisches Wohlbefinden, Schmerz und allgemeine Gesundheit erfasst. [4] Anm. d. Ü.: Bei der sogenannten „Intent-to-treat-Analyse“ handelt es sich um ein Auswertungsverfahren im Rahmen klinischer Studien. Dabei werden alle ursprünglich einbezogenen Patienten berücksichtigt, z.B. auch die Studienabbrecher. [5] Anm.d.Ü: Beim PASAT-Test – Paced Auditory Serial Addition Test – handelt es sich um einen Aufmerksamkeitstest.
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