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Erschöpfungssyndrom ist nicht nur eingebildet
Veränderungen im Gehirn und in der Zellaktivität als möglicher Schlüssel zur Behandlung des CFSIn den Achtziger Jahren war es bekannt als Yuppie-Grippe, ein Sammelbegriff für eine undefinierbare Erkrankung, die allem Anschein nach die Folge eines ehrgeizigen und leistungsorientierten Lebensstils war. Die Symptome – Erschöpfung, Gelenkschmerzen, Schlafstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme – waren für die, die darunter litten, ganz real, aber aus Sicht der Ärzte äußerst fragwürdig, die sie weitgehend als eingebildet ansahen und die Betroffenen als Simulanten oder Hypochonder abtaten. Jedoch ist die Krankheit noch immer nicht verschwunden. Allein in Großbritannien leiden schätzungsweise 250.000 Menschen am Chronic Fatigue Syndrom (CFS), – dem Namen, unter dem sie bekannt wurde. Erst jetzt bietet die Forschung Beweise für die physiologische Untermauerung einer Erkrankung, die von vielen als rätselhaftes psychisches Leiden abgeschrieben wurde. Eine Öffentlichkeitskampagne, die jetzt von den US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) eröffnet wurde, ist kennzeichnend für den Wandel hinsichtlich des Syndroms. Ziel der Kampagne ist, sowohl den betroffenen Patienten als auch den Ärzten beizubringen, diese Krankheit ernstzunehmen. Sie kommt fünf Jahre, nachdem der Chief Medical Officer der britischen Regierung CFS als ernsthafte, chronische Krankheit erklärt hat, die von der Weltgesundheitsorganisation als neurologische Erkrankung klassifiziert wird. Diese Gesundheitsorganisationen geben übereinstimmend die folgenden Charakteristika an: CFS beginnt mit gewöhnlichen grippe-ähnlichen Symptomen, kann aber in einen Zustand chronischer, schmerzhafter Erschöpfung münden, die sich – und das ist ausschlaggebend – durch Bettruhe nicht bessert. CFS kann jeden betreffen und tritt in allen Alterstufen auf – man schätzt, dass in Großbritannien etwa 25.000 Kinder und Jugendliche daran erkrankt sind. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Action for ME (der größten Patientenorganisation in Großbritannien, d.Ü.) lässt darauf schließen, dass etwa 55.000 Menschen so schwer erkrankt sind, dass sie entweder ans Bett oder ans Haus gefesselt sind. Dennoch, ohne allgemein anerkannte Ursache, Diagnose oder Behandlung bleibt die Krankheit weiterhin problematisch. Die Experten streiten sich darüber, wie man sie nennen soll – weithin bekannt als CFS wird sie auch als Myalgische Enzephalomyelitis (ME) oder Postvirales Erschöpfungssyndrom (post-viral fatigue syndrome – PVFS) bezeichnet. Jedoch ändert sich die Sichtweise auf das CFS nun in dem Maße, wie Belege für seine biologische Grundlage auftauchen. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass dies eine ernsthafte, körperlich behindernde Erkrankung ist, die sich die Leute nicht einbilden,“ sagt Dr. Charles Shepherd, der medizinische Leiter der ME Association. „Wir wissen seit langem, dass viele, wenn auch nicht alle der Betroffenen, die Krankheit nach einer anfänglichen viralen Infektion bekommen, beispielsweise mit dem Epstein-Barr-Virus, das Pfeiffer’sches Drüsenfieber auslöst. Aber in den letzten Jahren hat sich das Verständnis der Mediziner von den biologischen Elementen der Krankheit erheblich fortentwickelt.“ Laut Aussage der CDC haben Forscher das Aktivitätsniveau von 20.000 Genen bei Menschen mit CFS analysiert und Anomalien bei Genen gefunden, die diejenige Gehirnaktivität auslösen, die eine Reaktion auf Stressfaktoren vermittelt. Anthony Komaroff, Medizinprofessor an der Harvard Medical School und Sprecher der CDC-Kampagne sagt, dass bei Menschen mit CFS die Gehirnfunktion und der Energiestoffwechsel der Zellen beeinträchtigt zu sein scheint. Dr. Nancy Klimas, Forscherin an der University of Miami School of Medicine und Präsidentin der International Association for Chronic Fatigue Syndrome sowie andere Forscher haben gezeigt, dass bei diesen Patienten verschiedene Zellarten des Immunsystems entweder in ihrer Anzahl oder in ihrer Funktionsfähigkeit von denen Gesunder abweichen. Ein weiterer bedeutender Fortschritt wurde im vergangenen Sommer erzielt, als Forscher am Georgetown University Medical Centre die These aufstellten, die Wurzeln des CFS könnten in eindeutigen neurologischen Anomalien liegen, die mit medizinischen Tests nachweisbar seien. Professor James Baranjuk berichtete in einem Aufsatz, der im Neurology Journal veröffentlicht wurde, dass Patienten mit der Erkrankung eine Reihe von Proteinen in ihrer Rückenmarksflüssigkeit haben, die man bei Gesunden nicht gefunden hat. Diese Proteine, so schlug Baranjuk vor, könnten Einsichten in die Ursachen der Erkrankung liefern und könnten als Marker genutzt werden, um sie zu diagnostizieren. „Lange Jahre haben die Patienten mit CFS unter schmerzhaften Symptomen gelitten, für die es keinen Bluttest, keine diagnostizierbare körperliche Erkrankung oder irgendeine Methode gibt, mit der die Ärzte eine Besserung messen könnten,“ sagt er. „Unsere Forschungsarbeiten bieten nun erste Beweise dafür, dass dies eine legitime neurologische Erkrankung sein könnte und dass zumindest ein Teil der Pathologie auch das zentrale Nervensystem betrifft.“ Shepherd begrüßt die Fülle an neuen Studien über die Ursachen und erklärt, dass jegliche neue Erkenntnis über CFS nur hilfreich sein könnte, um bessere Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. „Bis jetzt wird den meisten Patienten ein Graded-Exercise-Programm verordnet, um ihnen zu helfen, in ihrem Alltag besser zurecht zu kommen,” sagt er. „Pacing – eine Methode, bei der den Patienten körperliche Aktivität in kurzen Abschnitten empfohlen wird – erweist sich oft als wirksam, so lange sie sorgfältig überwacht und auf die individuellen Möglichkeiten zugeschnitten wird. Manche Ärzte befürworten ein forscheres Programm an körperlicher Aktivität – „so eine Art des Sich-Durchbeißens über die Schmerzgrenze hinweg“ – ein Ansatz, von dem Shepherd sagt, „er ist äußerst umstritten und wird von den Patientenorganisation nicht empfohlen.“ Etwa 50 Prozent der Menschen, die eine Behandlungsmethode mit intensiverer körperlicher Anstrengung ausprobieren, erleben einen deutlichen Rückfall. Aber genauso, sagt Shepherd, „der Weg aus dem CFS heraus ist nicht, im Bett zu liegen.“ Zurzeit, so sagt er, ist die Prognose „ziemlich düster und eine vollständige Erholung ist unwahrscheinlich. Menschen mit CFS fallen im Allgemeinen in eine von drei Kategorien: Entweder gehören sie zu der Gruppe der schwer Erkrankten (etwa 25 Prozent), die im Rollstuhl sitzt oder ans Haus gefesselt ist, oder zur Mehrheit, bei denen sich der Zustand bis zu einem gewissen Grad nach ein oder zwei Jahren trotz eines schwankenden Verlaufs stabilisiert, oder zu der Minderheit, die wieder „halbwegs gesund“ wird. Etwa 77 Prozent der Betroffenen in Großbritannien haben aufgrund der Krankheit ihre Arbeitsstelle verloren. Der wirtschaftliche Schaden für das Land beläuft sich dabei auf etwa 6,4 Milliarden britische Pfund (etwa 10 Milliarden Euro, d.Ü.). Im vergangenen Jahr wurde zum ersten Mal in der Geschichte Großbritanniens CFS als offizielle Todesursache angegeben, als ein amtlicher Untersuchungsrichter zur Ermittlung der Todesursache aus Brighton vermerkte, dass der Tod einer 32-jährigen Frau durch akutes anurisches Nierenversagen (Versagen der Urinproduktion) durch Austrocknung infolge von CFS verursacht sei, einem CFS, unter dem sie seit sechs Jahren gelitten hatte. All das lässt die vielversprechenden Anzeichen, dass es wirksame medikamentöse Behandlungsansätze geben könnte, umso willkommener erscheinen. Anfang des Monats haben die Professoren José Montoya und Andreas Kogelnik von der Stanford University bekanntgegeben, dass sie gerade dabei sind, eine große Studie über das Medikament Valcyte (Valganciclovir) einzuleiten, einem antiviralen Mittel, das oft in der Behandlung von Erkrankungen durch Herpesviren eingesetzt wird. Eine dreijährige Pilotstudie der Forscher hat gezeigt, dass von 25 ME-Patienten mit Symptomen einer Herpesviren-Infektion 21 auf die Behandlung mit Valcyte mit einer erheblichen Besserung ansprachen. Diejenigen, die auf das Medikament ansprachen, hatten ME nach einer anfänglichen, grippe-ähnlichen Erkrankung entwickelt, während diejenigen, bei denen das Mittel keine Wirkung zeigte, zu Beginn keine „Grippe“ hatten. An der Londoner St George’s Medical School plant Dr. Jonathan Kerr gerade eine Studie über den gut eingeführten Wirkstoff Beta-Interferon, um zu prüfen, ob dieses Medikament die Störung im Gleichgewicht der Genexpression bei CFS-Patienten beseitigen kann. „Wir haben herausgefunden, dass bei den Patienten die Gene der weißen Blutzellen – die ein zentraler Teil des Immunsystems sind – auf anomale Weise an- und abgeschaltet sind,“ sagt er. „Das Medikament kurbelt das Immunsystem an, indem die Aktivität der natürlichen Killerzellen erhöht wird, die bei der Bekämpfung von Viren eine wichtige Rolle spielen. Da man annimmt, dass Viren bei vielen CFS-Patienten der Auslöser waren, könnte Beta-Interferon die Infektion bekämpfen und den Patienten helfen, das CFS zu überwinden.“ Trotz des großen wissenschaftlichen Interesses an CFS bleibt die Krankheit weiterhin Gegenstand der Diskussion. Erst im vergangenen November hat eine parteiübergreifende Untersuchungskommission britischer Parlamentarier unter dem Vorsitz von Dr. Ian Gibson (dem früheren Vorsitzenden des Science and Technology Select Committee) die etablierte Medizin heftig dafür kritisiert, dass sie immer noch dem Glauben anhänge, CFS sei „nur eingebildet“ oder „psychisch bedingt“. Der Bericht der „Gibson Inquiry” behauptet, dass es eine einseitige Tendenz gegen die Erforschung der physiologischen Ursachen der Krankheit gäbe und kritisierte das Medical Research Council dafür, dass es nur die psychologischen Ursachen untersuchen würde. Tatsächlich beharren viele Studien weiterhin darauf, CFS mit psychologischen Auslösern in Verbindung zu bringen. Eine Studie der Universität Miami aus den Archives of General Psychiatry hat erst kürzlich Kindheitstraumata als Risikofaktor benannt, nachdem eine Untersuchung von 43 Menschen mit dem Syndrom ergeben hatte, dass sie eine wesentlich höhere Rate an Kindheitstraumata, Depression und Angst im Kindesalter berichteten. Diejenigen, die sich an eine schwierige Kindheit erinnerten, hätten danach ein achtmal höheres Risiko, an CFS zu erkranken als andere Menschen. Klimas sagt, das selbst der Name der Krankheit verharmlost, in welchem Ausmaß sie die Betroffenen entkräftet und ihr Leben beeinträchtigt. „Wenn man sie als chronische neuroinflammatorische Krankheit bezeichnen würde, dann würden die Menschen begreifen, was das bedeutet,“ sagt sie. „Bis heute ist niemand bereit gewesen, den Namen der Krankheit zu ändern, aber es gibt jetzt Beweise dafür, dass es entzündliche Prozesse im Gehirn gibt und dass die Patienten mit dieser Krankheit ein Ausmaß an Behinderung erleben, das genauso gravierend ist wie bei Patienten im Endstadium von AIDS, bei Patienten, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssen oder bei Patienten mit Multipler Sklerose.“ Was die Experten am dringendsten verändern möchten, ist die öffentliche Meinung, dass CFS nur solche Leute beträfe, die anderweitig keine Sorgen haben. „Das ist keine Krankheit, die man sich nur einbilden kann. Es ist keine psychologische Erkrankung,” sagt Komaroff. „Diese Debatte, die mehr als 20 Jahre grassiert hat, sollte nun endgültig vorbei sein.” The Association of Young People with ME (AYME) hat für die Betroffenen eine DVD produziert, die auf der unten genannten Website bestellt werden kann.
© Peta Bee/The Times, London, 22. Januar 2007 |