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    Artikel des Monats
Februar 09 Teil IV

    ME/CFS als Mitochondrienerkrankung

      Von David Bell

    www.davidsbell.com

    Das Original dieses Artikels ist in den Lyndonville News Vol 5 Nr. 2. April 2008 erschienen, ebenso wie im Journal of IiME Volume 2 Issue 1 auf den Seiten 20-23. Alle Ausgaben der Lyndonville News sind online kostenlos erhältlich.

     

    Übersetzung und Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Autors.

    Übersetzung von Regina Clos

    Text hier als pdf-Datei

     

    Bitte beachten Sie auch die Buchvorstellung von David Bells Buch

    Cellular Hypoxia in

    Neuro-Immune Fatigue

    (zu Deutsch: Zellulärer Sauerstoffmangel bei neuro-immunologischer Erschöpfung)

    im Artikel des Monats 07 Teil 4

    David S. Bell, MD    

    Dr. Bell hat seinen Facharzt für Pädiatrie im Jahr 1976 erworben, mit dem Schwerpunkt auf Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Jahr 1978 fing er an der Universität von Rochester an, ließ sich dann aber bald mit einer eigenen Praxis in Lyndonville, New York, nieder.    

    Im Jahr 1985 erkrankten in der Gegend um Lyndonville, New York, an die 220 Menschen an einer Krankheit, die danach als Chronic Fatigue Syndrom bezeichnet wurde. Dieses Krankheitscluster war der Anfang der bis heute andauernden Erforschung dieser Krankheit.

    Dr. Bell ist Autor und Co-Autor zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen zum CFS und wurde 2003 zum Vorsitzenden des Advisory Committee for Chronic Fatigue Syndrome im Department of Health and Human Services der US-Regierung ernannt (der Beratungskommission zum CFS/ME des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums). Zu seinen Veröffentlichungen gehören die Bücher “A Disease of A Thousand Names” (1988) und “The Doctor’s Guide to Chronic Fatigue Syndrome” (1990).

    Dr. Bell praktiziert derzeit als Allgemeinmediziner in Lyndonville, New York, und seine Frau Nancy als Familiengesundheitspflegerin („Family Nurse Practitioner“). Etwa die Hälfte der Patienten in seiner Praxis leiden am Chronic Fatigue Syndrom, an Fibromyalgie, orthostatischer Intoleranz und/oder Myalgischer Enzephalomyelitis.

     

    Einführung

    Ich werde so zornig, wenn ich die alptraumhaften Geschichten lese von den Erfahrungen, die so viele von Ihnen machen mussten. Alles, was Sie falsch gemacht haben, ist krank zu werden. Und dann hat medizinisch-industrielle Komplex Ihr Leben zur Hölle gemacht. Der medizinisch-industrielle Komplex umfasst die Arzneimittelindustrie, die kein Interesse an etwas haben, wenn sie keinen großen Profit daraus schlagen können, die Krankenkassen und Versicherungen, denen jede Entschuldigung recht ist, um den Patienten Medikamente oder Untersuchungen zu verweigern und die Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nur deshalb überleben können, weil sie Ihr Geld nehmen und Ihnen die Leistungen verweigern, wenn Sie krank werden. All das geschieht unter dem Schutzmäntelchen der „modernen evidenzbasierten Medizin”. Aber evidenzbasierte Medizin funktioniert nur bei Erkrankungen wie Bluthochdruck, bei denen enorme finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

    Ich glaube, ich bin ein alter Knacker geworden, zynisch, enttäuscht…. Genug davon. In meiner Praxis habe ich ein Schild für ME/CFS-Patienten hängen, auf dem steht: „Jammern ist nur für zehn Minuten gestattet.“

    Klinische Anmerkungen

    In der letzten Woche habe ich zwei Patienten gesehen, bei denen ein Lactat-Test durchgeführt wurde, der eine Erhöhung des Milchsäurewertes im Blut nach leichter körperlicher Belastung ergab. Ihr Arzt hatte ihnen gesagt, sie hätten eine “Mitochondrienerkrankung”. Man riet ihnen, ein paar Vitamine einzunehmen, vielleicht auch etwas Co-Enzym Q10 und wünschte ihnen ansonsten einen schönen Tag. Wie beinahe alles, was sie gesagt bekamen und erlebten, hinterließ der Begriff Mitochondrienerkrankung sie mit dem Gefühl der Verwirrung und Verlorenheit. Obwohl ich auch der Meinung bin, dass ME/CFS eine Mitochondrienerkrankung ist, bedarf dieser Begriff der Erklärung, denn ME/CFS ist mit anderen Mitochondrienerkrankungen nicht vergleichbar.

    Bis vor kurzem war es eine Katastrophe oder sogar ein Todesurteil, wenn bei einem Kind eine Mitochondrienerkrankung festgestellt wurde, weil es bedeutete, dass es schwerwiegende Anomalien in der DNA der mitochondrialen oder nukleären DNA gab, die die Energieproduktion steuerte. Ohne Energie (ATP) ist es unmöglich, zu überleben. Diese Krankheiten haben Namen wie MELAS-Syndrom, Kearns-Sayre-Syndrom, Lebersche hereditäre Optikusneuroretinopathie usw.

    Man hat beinahe dreihundert verschiedene Mitochondrienerkrankungen infolge genetischer Mutationen bestimmen können. Dies ist ein Spezialgebiet innerhalb der Pädiatrie, in dem es möglich ist, schwere Anomalien in den Mitochondrien mit Hilfe von Muskelbiopsien zu messen. Das ist das, woran die meisten Ärzte denken, wenn das Wort Mitochondrienerkrankung fällt, aber diese Krankheiten treffen im Allgemeinen nicht auf ME/CFS zu. Viele ME/CFS-Patienten hatten Muskelbiopsien, und die meisten Mitochondrientests, die man an diesen Biopsien durchgeführt hat, lieferten Ergebnisse im Normbereich. Wir werden auf den Grund noch zurückkommen. Das ist etwas komplex.

    Was sind Mitochondrien?

    Stellen Sie sich die Mitochondrien als die Kraftwerke der Zellen vor. Beinahe jede Zelle des Körpers hat diese Kraftwerke, normalerweise so um die 500 in jeder Zelle. Sie nehmen Sauerstoff und Glucose auf und geben Kohlendioxid und Energie in Form von ATP ab. Dieser Prozess umfasst etwa 200 Stufen, und wir werden Sie am Ende das Artikels danach ausfragen. Eigentlich ist alles, was Sie kennen müssen, das ATP, die wichtigste energiespeichernde chemische Verbindung (eine Art Batterie) des Körpers, und die oxidative Phosphorylierung (Ox-phos), die komplexen Elektronen-Transportkennen, die die Hauptarbeit hierbei erledigen. Weil die Mechanismen der Energieproduktion für beinahe jede Zelle lebenswichtig sind, wird ein Fehler zu Symptomen in jedem Organsystem führen. Kommt Ihnen das bekannt vor?

    Der oxidative Stoffwechsel, die Fähigkeit, Sauerstoff zur Energieproduktion zu verwenden, ist recht effizient, und es ist faszinierend, sich die Theorien anzusehen, wie die Mitochondrien ein Bestandteil unserer Zellen wurden. Wenn die Nachfrage nach Energie jedoch übermäßig ist, dann greifen die Zellen auf eine primitivere, weniger effiziente Form der Energieproduktion zurück, und zwar den anaeroben Stoffwechsel (also einem Stoffwechsel ohne Sauerstoffverbrauch). Im folgenden Literaturüberblick finden Sie eine interessante Studie über die anaerobe Schwelle bei ME/CFS.

    Wann man den Verdacht auf eine Mitochondrienerkrankung haben muss

    In einem kürzlich erschienenen Überblicksartikel (Haas 2007) gibt es eine Aufzählung von Symptomen, die nahelegen, nach einer Mitochondrienerkrankung zu suchen. Zu diesen Symptomen gehören neurologische Symptome wie Bewegungskoordinationsstörungen (Ataxien), nächtliche Muskelzuckungen (Myoklonus), Enzephalopathie, Intoleranz gegenüber körperlicher Betätigung, Überempfindlichkeit gegenüber Vollnarkosen und Verstopfung. Um den Verdacht auf eine Mitochondrienerkrankung auszuschließen bzw. zu erhärten, ist ein Auswertungsbogen entwickelt worden, bei dem die meisten ME/CFS-Patienten in den positiven Bereich fallen würden. Auf der Website www.mitosoc.org finden Sie eine Menge Informationen über Mitochondrien, aber denken Sie daran, dass dort von den „traditionellen“ Mitochondrienerkrankungen die Rede ist und nicht von ME/CFS.

    Es gibt eine weitere Form der Mitochondrienerkrankung, eine sekundäre Mitochondrienerkrankung. Bei der sekundären Mitochondrienerkrankung ist das grundlegende Problem nicht in den Mitochondrien selbst zu finden, sondern es gibt irgendeine andere Störung, die die Funktion der Mitochondrien stört. Es gibt viele Krankheiten, bei denen der ursprüngliche Defekt schließlich zu Problemen in der Energieproduktion in den Mitochondrien führt.

    So wird beispielsweise das Schilddrüsenhormon für eine erfolgreiche oxidative Phosphorylierung benötigt. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion ist die Energieproduktion beeinträchtigt, und es kommt zu Erschöpfung, Schwäche, Problemen der Temperaturregelung und Konzentrationsschwierigkeiten. Das ist einer der Gründe, warum Ihr Hausarzt einen Test auf das Schilddrüsenhormon anordnet, wenn Sie anfangen, ihm von Erschöpfung zu erzählen.

    Was also ist das Problem?

    Warum wird ME/CFS nicht wie andere Mitochondrienerkrankungen diagnostiziert, untersucht und eingeordnet? Dafür gibt es mehrere Gründe:

    a) Bei einer Mitochondrienerkrankung denken die Kliniker an eine tödlich verlaufende Erkrankung, die im Kindesalter auftritt, aber nicht an eine, die im späteren Lebensalter vorkommt.

    b) Eine Mitochondrienerkrankung wird normalerweise betrachtet als eine unveränderliche, strukturelle Erkrankung, und ME/CFS hat einen schwankenden Verlauf mit Phasen der Verschlechterung und Phasen der Besserung, bei denen manche sogar wieder ganz gesund werden.

    c) Mitochondrienerkrankungen sind schwer zu diagnostizieren. Man muss dazu Muskelbiopsien und eine eingehende Untersuchung der oxidativen Phosphorylierung durchführen.

    d) Die Untersuchung der oxidativen Phosphorylierung ergibt bei ME/CFS oft Werte im Normbereich, und das ist der entscheidende Punkt, der die Aufmerksamkeit von den Mitochondrien weggelenkt hat.

    e) Ärzte sind es gewohnt, in Sinne organspezifischer Erkrankungen zu denken, also Erkrankungen der Leber, der Nieren etc., und Mitochondrien sind in allen Zellen.

    f) Bis vor kurzem haben nur wenige Ärzte ME/CFS ernst genommen, die die Forschung auf diesem Gebiet war völlig unzureichend.

    Von den oben genannten Gründen ist nur einer, der unter Punkt d) hier für uns wichtig. Im Jahr 1990 habe ich eine Muskelbiopsie-Studie an zehn ME/CFS-Patienten durchgeführt, zusammen mit Dr. June Aprille. Bei allen zehn Testpersonen ergab die Untersuchung der oxidativen Phosphorylierung relativ normale Werte. Auch wenn wir diese Ergebnisse nicht publiziert haben, stimmen sie doch mit den wenigen Studien überein, die hierzu durchgeführt wurden. Aber wie kann man eine Mitochondrienerkrankung haben, wenn die Testung der Abläufe der Energieproduktion normal ausfällt? Ich glaube, die Antwort auf dieses Paradoxon ist sehr naheliegend.

    Hypothese:

    Wenn Sie einen Patienten mit einem Lungenephysem haben, der in einem bequemen Sessel sitzt, dann ist er oder sie nicht außer Atem. Sie können die Schädigung in Tests messen, aber um Symptome hervorzurufen, müssen Sie das System belasten – also den Patienten die Treppe herauf und herunter rennen lassen. Wenn ein Mensch mit einem Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (Favabohnenkrankheit) ruhig dasitzt, sieht sein Blut ganz normal aus. Aber wenn man diesem Menschen Favabohnen zu essen gibt, dann werden die Anomalien ganz schnell offensichtlich.

    Menschen mit ME/CFS halten sich selbst in der Balance. Sie ruhen sich zwei Stunden aus, um dann eine halbe Stunde aktiv zu sein, ruhen sich dann wieder aus, machen danach weiter usw. Je schlimmer die Krankheit ist, desto weniger Aktivität ist insgesamt möglich. Wenn ein ME/CFS-Patient einige Tage lang absolut nichts tut, dann fühlt er sich normalerweise ganz gut. Aber wenn er dann etwa acht Stunden in ein Einkaufszentrum geht, wird der Zusammenbruch unweigerlich kommen. Darin liegt das Problem: Die Patienten, die auf eine Mitochondrienerkrankung untersucht wurden, haben sich vorher ausgeruht und sind damit oberhalb des Gleichgewichtswertes, und die Muskelbiopsien, die man in diesem Augenblick durchführt, werden wahrscheinlich nicht viel ergeben. Aber lassen Sie einen ME/CFS-Patienten körperlich trainieren und untersuchen Sie dann die Funktion der Mitochondrien. Meine Vermutung ist, dass die oxidative Phosphorylierung schwer beeinträchtigt sein wird, aber eine solche Testung ist bislang nicht systematisch und methodisch einwandfrei durchgeführt worden. Für mich leitet sich diese Hypothese aus der Studie von VanNess, Snell und Stevens ab, die ich im nächsten Abschnitt beschreibe.

    Es gibt eine Menge von Studien, die auf mitochondriale Probleme schließen lassen; Dr. Kuratsune und Carnitin, Dr. Vernon und Genomik, Dr. De Meirleir, Dr. Pall, Dr. Cheney und viele andere. Aber dieses Problem kann nicht nur in winzigen Bruchstücken untersucht werden. Es ist an der Zeit, eine gute Studie durchzuführen, mit der man sich die verschiedenen Stufen der Fähigkeit des Körpers zur Energieproduktion ansieht. Hoffen wir, das seine solche Studie noch zu unseren Lebzeiten durchgeführt wird.

    1. Haas R, Parikh S, Falk M, Saneto R, Wolf N, Darin N, et al. Mitochondrial Disease: A practical approach for primary care physicians. Pediatrics 2007;120(6):1326-1333

     

    Literaturübersicht

    Anmerkungen zum “Zwei-Tage-Belastungstest”

    Im letzten Journal of Chronic Fatigue Syndrome (Vol 14, Number 2, 2007) gibt es zwei Artikel, die vielleicht die ersten sind, die einen objektiven Beweis für die Behinderung bei ME/CFS liefern. Was noch wichtiger ist: wenn sie sich als stichhaltig erweisen, dann können sie uns einen Weg aufzeigen, wie man die biochemischen Anomalien untersuchen und messen kann, die das typische Muster an Symptomen verursachen. In diesem kurzen Überblick möchte ich diese beiden Artikel besprechen und den Fall eines Kindes mit CFS vorstellen, bei dem die gleichen Anomalien zu beobachten sind.

    In ersten der beiden Artikel haben Margaret Ciccolella, eine Rechtsanwältin, und Staci Stevens, Chris Snell, und Mark Van Ness von der University of the Pacific rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Untersuchung der Belastungsfähigkeit und der Behinderung diskutiert (1). Wie jeder, der sich mit CFS auskennt, nur zu gut weiß, fordern die Versicherungen einen Beweis für die Behinderung, die durch einen traditionellen Belastungstest nicht unbedingt belegt werden kann. Aber selbst wenn eine Behinderung vorliegt, sind die Versicherungsgesellschaften schnell bei der Hand zu sagen, dass der Patient sich nur nicht genug angestrengt habe oder dass der Patient nur an mangelnder Kondition leide. Der zweite Artikel von VanNess, Snell und Stevens erklärt den Zwei-Tage-Belastungstest und stellt die Ergebnisse des Tests bei sechs Patienten mit ME/CFS dar.

    Wie es die Ärzte in der Praxis bereits beobachtet haben, ist das Symptom der Zustandsverschlechterung nach Belastung („post-exertional malaise“) eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale des CFS. Dieses Symptom ist in der Krankheitsdefinition der Centers for Disease Control als eines von acht Kriterien aufgelistet (3) und ist in der neueren Kanadischen Falldefinition (4) und in der Falldefinition für Kinder und Jugendliche mit ME/CFS (5) das zentrale Kriterium. Es sieht immer mehr so aus, als ob das Symptom der Zustandsverschlechterung nach Belastung der Kern der Behinderung ist und im Zentrum der Pathophysiologie dieses komplexen Krankheitsspektrums steht.

    Ein ME/CFS-Patient schafft es vielleicht, zuhause über mehrere Tage hinweg wenig mehr als grundlegenden Alltagstätigkeiten zu bewältigen. Wenn dieser Patient sich dann entschließt, einkaufen zu gehen, wird er vielleicht ins Einkaufszentrum fahren und ein oder zwei Stunden mit Einkaufen verbringen. In dieser Zeit würde ein Beobachter sagen, dass die betroffene Person total gut aussieht und in keiner Weise behindert erscheint. Der Patient wird jedoch nach dieser Aktivität eine Verstärkung seiner Schmerzen oder anderer Symptome des ME/CFS erleben. Diese Symptomverstärkung kann einen, zwei oder drei Tage andauern, und meiner Meinung nach dauert sie um so länger und ist um so schwerer, je schwerer die Erkrankung ist. Dieses Phänomen ist bekannt als Zustandsverschlechterung nach Belastung. Die Symptome der Erkrankung („malaise” – Krankheitszustand) werden durch geistige, körperliche oder emotionale Aktivitäten verschlimmert („post-exertional“ – nach Belastung). In einer Arbeitsumgebung ist der Patient vielleicht sogar in der Lage, seine Arbeit für einen oder mehrere Tage gut zu erledigen. Die Behinderung liegt jedoch in der Unfähigkeit, dieses normale Aktivitätsniveau auf Dauer aufrechtzuerhalten. Der Zwei-Tage-Belastungstest ist der erste, der dieses Phänomen zu erklären beginnt.

    Der Belastungstext unterscheidet sich nicht von denen, die seit Jahren bereits eingesetzt werden. Der Patient fährt auf einem stationären Fahrrad (Fahrradergometer) und atmet dabei durch einen Plastikschlauch, um die Konzentration von Sauerstoff und Kohlendioxid sowie die Gesamtmenge der Atmungsluft zu messen. Die sechs Patientinnen in dieser Studie und die sechs Kontrollpersonen mit überwiegend sitzender Lebensweise waren alle in der Lage, die Maximalbelastung zu erreichen. Die ME/CFS-Patientinnen hatten am ersten Tag des Belastungstests ein etwas geringeres V02max (maximaler Sauerstoffverbrauch) als die Kontrollpersonen (28,4 ml/kg/min vs. 26,2 ml/kg/min) und eine niedrigeren maximalen Sauerstoffverbrauch VO2 an der anaeroben Schwelle (15,01 ml/kg/min vs. 17,55 mg/kg/min). Diese Werte sind weder dramatisch noch statistisch signifikant. Es ist erst der zweite Tag, an dem man interessante Ergebnisse erhält.

    Am Folgetag wurde der gleiche Test bei allen zwölf Studienteilnehmern durchgeführt. So wie das oft der Fall ist, stieg die Fähigkeit zum Sauerstoffverbrauch bei den Kontrollpersonen mit überwiegend sitzender Lebensweise am zweiten Tag leicht an, von 28,4 auf 28.9 ml/kg/min für den VO2max und von 17,55 auf 18,00 ml/kg/min für den Sauerstoffverbrauch an der anaeroben Schwelle. Die CFS-Patientinnen jedoch verschlechterten sich in beiden Kategorien: VO2max fiel um 22% von 26,23 auf 20.47 ml/kg/min, und der Sauerstoffverbrauch an der anaeroben Schwelle fiel um 27%, von 15,01 auf 11,01 ml/kg/min. Um das in Relation zu setzen: diese Werte befinden sich im Bereich schwerer Behinderung, gemessen an den Richtlinien der American Medical Association, und der Abfall der Funktionsfähigkeit vom ersten zum zweiten Tag kann nicht durch mangelnde Aktivität erklärt werden.

    Personen mit sitzender Lebensweise oder Personen mit mangelnder Kondition verändern ihren Sauerstoffverbrauch nicht aufgrund eines Belastungstests. Sogar Patienten mit Herzerkrankungen, mit Mukoviszidose oder anderen Erkrankungen weichen von einem auf den anderen Tag nicht mehr als 7% ab. Die ME/CFS-Patienten in dieser Studie hatten jedoch einen signifikanten Abfall; es muss aufgrund des Tests am ersten Tag etwas passiert sein, das ihre Fähigkeit zum Sauerstoffverbrauch am folgenden Tag beeinträchtigt hat. Und das ist genau das, was Patienten mit ME/CFS mit dem Symptom der Zustandsverschlechterung nach Belastung beschreiben. Wie die Autoren der Studie es ausdrücken: „Der Abfall im Sauerstoffverbrauch bei den CFS-Patienten am zweiten Testtag scheint eher auf eine Stoffwechseldysfunktion schließen zu lassen als auf einen Lebensstil mit vorwiegend sitzender Lebensweise als Ursache für die herabgesetzte Belastungsfähigkeit bei CFS.“

    Schlussfolgerungen:

    Die Ergebnisse dieses Zwei-Tage-Belastungstests sind objektiv und nicht abhängig von subjektiven Symptomen. Außerdem kann Hypochondrie, absichtliche Täuschung und/oder mangelnde Anstrengung durch die physiologischen Parameter erkannt werden. Deshalb kann der Zwei-Tage-Belastungstest – wenn er in einer größeren Studie bestätigt wird – zum Endpunkt einer klinischen Studie werden. Was noch wichtiger ist: man könnte Auswertungsverfahren entwerfen, die die spezifischen Anomalien im Stoffwechsel aufzeigen, die durch den Belastungstest am ersten Tag entstehen und die sich beim Belastungstest am zweiten Tag zeigen. Ich würde sehr hoffen, dass man diese Befunde unverzüglich weiter untersucht.

    Anm.d.Ü.: diese Studien sind auch vorgestellt im Juli 07 - 1- Artikel auf dieser Website.

    1.  Ciccolella M, Stevens S, Snell C, VanNess J: Legal and Scientific Considerations of the Exercise Stress Test. JCFS 2008, 14(2):61-75.  

    2.  VanNess JM, Snell CR, Stevens S: Diminished Cardiopulmonary Capacity During Post-Exertional Malaise. JCFS 2008, 14(2):77-85.

    3.  Fukuda K, Straus S, Hickie I, Sharpe M, Dobbins J, Komaroff A, Group ICS: The chronic fatigue syndrome: a comprehensive approach to its definition and study. Ann Intern Med 1994, 121:953-959.

    4. Carruthers B, Jain A, DeMeirlier K, Peterson D, Klimas N, Lerner A, Bested A, Flor-Henry P, Joshi P, Powles ACP et al: Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome: Clinical working case definition. diagnostic and treatment protocols. J Chronic Fatigue Syndrome 2003, 11(1):1-12.

    5. Jason L, Bell D, Rowe K, Van Hoof E, Jordan K, Lapp C, A G, Miike T, Torres-Harding S, De Meirleir K. A Pediatric Case definition for myalgic encephalomyelitis and chronic fatigue syndrome. J CFS 2006, 13:1-44