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Jahrelang wurden Menschen mit dem Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS) von Ärzten und der Öffentlichkeit als depressiv, faul oder einfach nur als Jammerlappen abgetan. Jetzt aber liegen eine Menge Forschungsergebnisse vor – je nach Quelle mehr als 2.000 wissenschaftliche Artikel –, die darauf schließen lassen, dass chronische Erschöpfung keine psychiatrische Erkrankung ist, sondern eine tückische Mischung aus immunologischen, neurologischen und hormonellen Anomalien. So haben beispielsweise Untersuchungen des Gehirns bei Patienten mit chronischer Erschöpfung abweichende Muster bei der Durchblutung bestimmter Regionen des Gehirns ergeben. Andere Studien haben gezeigt, dass die Patienten Schwierigkeiten beim Denken und der Verarbeitung von Informationen haben und unfähig sind, mehrere geistige Aufgaben auf einmal zu bewältigen. “Es gibt bei vielen CFS-Patienten objektiv messbare Anomalien des Gehirns, die mit den Symptomen, die sie beschreiben, übereinstimmen,“ sagt Dr. Anthony Komaroff, ein Spezialist für Chronische Erschöpfung und Chefredakteur der Harvard's Health Publications, einer Abteilung der Harvard Medical School in Boston. Beim Chronischen Erschöpfungssyndrom, für das kein Heilmittel bekannt ist, handelt es sich um weit mehr als um einfach nur immer müde sein. Die verschiedenen Definitionen weichen etwas voneinander ab, aber nach der Definition, die die US-Regierung verwendet, ist das Syndrom gekennzeichnet durch eine anderweitig nicht erklärbare, anhaltende Erschöpfung, die länger als sechs Monate anhält. Weiterhin sind vier der folgenden Symptome mit CFS verbunden: Halsschmerzen, schmerzhafte Lymphknoten, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, nicht erholsamer Schlaf und Schlafstörungen, eine Zustandsverschlechterung nach Anstrengung sowie Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten. Das Syndrom, das nach einer akuten Infektion, einer Kopfverletzung, schwerem Stress oder auch ohne erkennbaren Auslöser auftreten kann, betrifft 800.000 bis 2,5 Millionen Amerikaner, die Mehrzahl von ihnen Frauen, sagt Dr. William Reeves, Leiter der CFS-Forschungsabteilung der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta [der zentralen amerikanischen Gesundheitsbehörden]. Aber das Leiden ist schwer zu diagnostizieren, weil auch bei anderen Erkrankungen wie etwa einer Depression, beim Golfkriegssyndrom oder der Fibromyalgie ähnliche Symptome auftreten. In einer gerade laufenden Studie der zentralen Gesundheitsbehörden der USA wird die Genaktivität von tausenden von Genen bei 190 Personen untersucht, von denen ein Teil unter CFS leidet und der andere Teil gesund ist. Die Studie zielt darauf ab, einen spezifischen genetischen Fingerabdruck für das Chronische Erschöpfungssyndrom zu finden. Das Ziel, sagt Reeves, sei ein Bluttest für Chronische Erschöpfung. “Diese Krankheit ist ein Alptraum der besonderen Art,“ sagt Dr. David Bell, ein Experte aus Lyndonville, N.Y. “Wenn Sie Glück haben, dann überwinden Sie das CFS in ein paar Jahren. Wenn Sie Pech haben, dann haben Sie das für den Rest Ihres Lebens.“ Vielen Betroffenen wird zunächst erzählt, sie hätten eine Depression. Aber die beiden Leiden unterscheiden sich beträchtlich. Eine Depression bewirkt einen Anstieg des Stresshormons Cortisol, während die Chronische Erschöpfung einen Abfall auslöst, sagt Dr. Komaroff aus Harvard. Während sich eine Depression mit Medikamenten wie Prozac bessert, gilt das für die Erschöpfung bei CFS nicht. Körperliche Anstrengung steigert normalerweise die Energie. Aber für viele Patienten mit CFS ist es typisch, dass körperliche Anstrengung sie erschöpft, vielleicht, weil bei ihnen Anstrengung die Ausschüttung von bestimmten Substanzen des Immunsystems auslöst, die man als Cytokine bezeichnet – und diese führen zu Erschöpfung. Manchmal können Menschen mit CFS sich genauso anstrengen wie Gesunde – sie fühlen sich nur hinterher für ein oder zwei Tage ganz furchtbar, sagt Reeves. “Die veröffentlichten Studien liefern bedeutsame Belege dafür, dass beim CFS das Immunsystem überaktiviert ist,“ sagt Komaroff. Angesichts der Komplexität des Chronic Fatigue Syndromes ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt und auch nicht sehr wirkungsvoll sind und dass manche Ärzte beinahe ebenso entmutigt werden wie ihre Patienten. “Nur sehr wenige Ärzte sind bereit, sich um CFS-Patienten zu kümmern, weil es einfach so deprimierend ist,” sagt Dr. Hugh Calkins, Leiter der Abteilung für Elektrophysiologie an den John Hopkins Medical Institutions in Baltimore. Dennoch verweisen die Experten auf Medikamente, die zumindest einige der Symptome lindern können. In einer Dosis, die 5-10 mal niedriger ist als beim Einsatz gegen eine Depression können trizyklische Antidepressiva den Schlaf verbessern, sagt Komaroff. Und kognitive Verhaltenstherapie, bei der die Betroffenen lernen, ihre negativen Gedanken und Verhaltensweisen zu überdenken, hilft manchen CFS-Patienten, die wenige Energie, die sie haben, optimal einzusetzen. Aber meistens ist es einfach ein Geduldsspiel – und eine Frage der Hoffnung, dass die Fortschritte in der Forschung sich in bessere Diagnosemöglichkeiten umsetzen und schließlich auch zu besseren Behandlungsmöglichkeiten für chronische Erschöpfung führen werden. Übersetzung von Regina Clos Zuerst erschienen in englischer Sprache unter: [1] Judy Foreman arbeitet seit vielen Jahrzehnten als Wissenschafts- und Medizinjournalistin, unter anderem für den Boston Globe, die Los Angeles Times, die Times of London etc. Unter anderem arbeitet sie am Women's Studies Research Center der Brandeis University in Waltham, Mass. Sie hat viele Journalistenpreise gewonnen und unterhält jetzt eine interessante Website mit Artikeln zu zahlreichen Gebieten der Medizin: www.myhealthsense.com |