
Schweres ME
Eine Sendung des norwegischen
Fernsehsenders NRK über eine Familie, deren drei Kinder alle an schwerem ME
leiden.
Sie können die Sendung
mit englischen Untertiteln hier ansehen:
http://de.youtube.com/watch?v=hylJP0H4XNU&feature=related
Hier die deutsche
Übersetzung (von Regina Clos):
Sendereihe PULS
Sprecher: Das Leben kann
grausam sein. Heute Abend berichten wir darüber, was passiert, wenn Ihr Körper
aufhört zu funktionieren. Wir treffen drei junge Menschen – Geschwister – die
einen solchen Zusammenbruch erlebt haben. Mehrere Tausend Menschen in diesem
Land leiden unter einer Krankheit, deren Hauptmerkmal eine extreme körperliche
und geistige Erschöpfung ist.
Wir treffen eine Familie, in der alle
drei Kinder diese Krankheit mit dem Namen ME haben. Bjørnar Krisner ist seit
anderthalb Jahren an sein Bett gefesselt.Es kostet ihn alle seine Energie, mit
uns zu sprechen.
Bjørnar: Soll ich dahin
oder dahin gucken? Hier? Da?
Journalist: Sehen Sie in
die Richtung, in die Sie gezeigt haben.
Bjørnar: Da.
Journalist: Ja. …
Bjørnar: Gut.
Jeder Tag ist ein Kampf darum zu
vermeiden, alle meine Energieressourcen zu verbrauchen. Ich muss vorsichtig sein
mit allem, was ich tue – alles beraubt mich meiner Kraft – essen, Zähneputzen,
reden, Licht und Geräusche.
Sprecher: Seine Welt war
in den vergangenen drei Jahren auf sein Elternhaus beschränkt. Er lebt hinter
mehreren Schichten von Gardinen, geschlossenen Türen und mit so wenig Geräuschen
und so wenig Eindrücken wie möglich. Er leidet an Myalgischer Enzephalomyelitis
/ Chronic Fatigue Syndrom, das allgemein als ME bezeichnet wird. Es ist eine
Krankheit, die mit extremer Erschöpfung verbunden ist. Sie hat die Familie hart
getroffen.
Mutter: Wir haben drei
Kinder, die jetzt 29, 26 und 20 Jahre alt sind. Frode wurde krank, als er 7
Jahre alt war, Katrine war 20 und Bjørnar wurde sehr krank, als er 26 war.
Sprecher: Es ist eine
Krankheit, die keinerlei Aktivität erlaubt.Bevor sie krank wurden, haben alle
drei Geschwister ein normales Leben geführt. Bjørnar war Journalist und
Fernsehmoderator. Bjørnar – in seiner Zeit als Fernsehmoderator.Er brach nach
einem harten Arbeitstag zusammen. Nachdem er sich 11 Stunden ausgeruht hatte,
schaffte er es, uns über sich zu erzählen, aber wir mussten mit einer
Spezialkamera in völliger Dunkelheit drehen.
Bjørnar: Das ist ganz
ungewohnt, aber irgendwie fühlt es sich gut an, wieder im Fernsehen zu sein, ein
Anflug des früheren Lebens, aber ich wäre tatsächlich lieber nicht in dieser
Lage. (3:11)
Sprecher: Frode ist der
jüngste der drei Geschwister und war der erste, der an ME erkrankte. Alle drei
hatten Schwierigkeiten, eine Diagnose zu erhalten – aufgrund der Uneinigkeit
darüber, worum es sich bei dieser Krankheit wirklich handelt. Der Streit drehte
sich darum, ob es eine körperliche oder eine psychiatrische Erkrankung ist.
Ärzte, die keine Kenntnisse über die Krankheit hatten, forderten die drei
Geschwister auf, ihr aktives Leben weiterzuführen, aber ganz normale
Alltagsaktivitäten, die wir für selbstverständlich halten, verschlimmern diese
Krankheit.
Frode: Es braucht gar
nicht besonders viel an Belastung, und schon verschlechtert sich mein Zustand.
Aber wenn es mir gut geht, dann kann ich sehr viel mehr machen.
Sprecher: Die Ärzte
können weder erklären, warum alle drei der Geschwister an dieser Krankheit
leiden noch, warum sie sich so unterschiedlich auswirkt. Sie wissen nicht, ob es
ein Gendefekt ist oder ob es andere Faktoren sind, die dazu führen, dass diese
drei Menschen mehrere Jahre in völliger Dunkelheit leben mussten und ans Bett
gefesselt waren.
Frode: Ich habe jetzt
fünf Monate lang nicht mit Bjørnar gesprochen, obwohl unsere Zimmer
nebeneinander liegen. Ich bin froh, dass es Katrine jetzt etwas besser geht,
weil wir jetzt mehr Kontakt haben können. Es ist merkwürdig, denn ich habe seit
drei Jahren nicht mehr richtig mit ihr gesprochen.
Sprecherin: Es gab eine
Phase, in der Katrines Zustand schlechter war als der Bjørnars.
Mutter: Katrine ist hier
hinter mir in diesem Zimmer, in dem sie seit zwei Jahren lebt, ohne es verlassen
zu können. Sie lag da in völliger Dunkelheit und war extrem krank. Im Jahr 2003
hat sie plötzlich eine Besserung bemerkt.
Sie ist heute nicht in dieser Sendung,
hauptsächlich, um sie zu schützen und um ihre Besserung nicht zu gefährden.
Sprecherin: Niemand kann
vorhersagen, ob es den Geschwistern jemals wieder besser gehen wird oder was man
tun kann, damit sie in ein normales Leben zurückkehren können. Bjørnar hat seine
gesamte Energie aufgebracht, um uns zu sagen, was er tun würde, wenn es ihm
besser ginge.
Bjørnar: Das erste, was
ich tun würde, wenn es mir besser ginge, wäre zu rennen, einen Berg
hinunterzurennen, bis meine Beine versagen, oder ich würde ein wenig ausflippen
und Kuchen essen, Kaffee und Sekt trinken … und die ganze Nacht durchtanzen…
Sprecherin: Bjørnar
wusste, dass sich sein Zustand durch die enorme Anstrengung verschlechtern
würde, die es für ihn bedeutet hatte, mit uns zu sprechen, aber es ist ihm und
seiner Familie wichtig, die Schwere dieser Erkrankung zu beschreiben. Paul Kavli,
Sie sind Arzt – wenn man sich ansieht, wie krank Bjørnar ist, wie sehen seine
Chancen aus, in ein normales Leben zurückzukehren?
Kavli: Bjørnar hat gute
Aussichten, dass es ihm besser gehen wird. Wir haben das bei anderen Patienten
gesehen, die mehrere Jahre schwer an ME erkrankt waren und denen es besser geht.
Aber wir müssen abwarten.
Sprecherin: Sie haben
selbst ME gehabt und mussten Ihre Arbeit als Chirurg aufgeben. Sie haben eine
Menge an Informationen und Erfahrungen gesammelt, die Sie befähigen, den
Patienten zu helfen. Was wissen wir darüber, was diese Krankheit auslöst?
Kavli: Diese Krankheit
wird ausgelöst durch eine Infektion, eine Verletzung, Komplikationen nach einer
Operation, durch Impfungen oder Vergiftungen, und sie ist oft mit Angstgefühlen
verbunden. Das sind alles Dinge, mit denen wir alle in unserem Leben
konfrontiert sind.
Sprecherin: Was wissen
wir nun über die Menschen, die daraufhin diese Krankheit bekommen?
Kavli: Wir wissen nichts
über diese Menschen. 20% der Patienten haben eine bestimmte genetische
Ausstattung und wissen das bereits seit ihrer Kindheit, weil sie schon immer ein
anfälliges Immunsystem hatten.
Sprecherin: Woran merken
wir denn, ob wir eine solche Erkrankung haben?
Kavli: Die Krankheit hat
eine Menge charakteristischer Symptome. Es gibt bestimmte Kriterien, die erfüllt
sein müssen, um die Diagnose ME zu stellen. Es liegt eine charakteristische
körperliche und geistige Erschöpfung vor, verbunden mit anderen neurologischen
und immunologischen Symptomen wie ständigen Schmerzen, Schlaflosigkeit,
Magen-Darm-Problemen etc.
Sprecherin: Viele dieser
Patienten erleben, dass man ihnen nicht glaubt und dass man ihre geistige
Zurechnungsfähigkeit infrage stellt. Was halten Sie davon?
Kavli: Es ist wichtig,
dass Ärzte und andere Mitarbeiter im Gesundheitswesen ihren Patienten glauben.
Für die Gesundheitsbehörden ist es wichtig, zu gewährleisten, dass Ärzte und
Fachärzte die entsprechenden Informationen bekommen, die auf dem neuesten Stand
der Wissenschaft sind. Die Ärzte müssen sich Zeit für ihre Patienten nehmen und
darauf hören, wie sie ihre Symptome beschreiben. Man muss ihnen helfen, mit
ihrer Krankheit umzugehen, so dass sie ganz langsam, aber sicher, zur Normalität
zurückkehren können. Zurück zur Normalität.
Sprecherin: Ich danke
Ihnen. Es gibt eine Menge Unsicherheiten um diese Krankheit. Deshalb wurde eine
Kommission eingerichtet, um die offenen Fragen zu untersuchen, und ein
entsprechender Bericht ist für den Sommer angekündigt.
Weiterer Bericht über eine schwer
erkrankte junge Frau:
http://de.youtube.com/watch?v=P7K7GaDOF5A&feature=channel
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