Dr. Annedore Höck
ist Ärztin für Innere Medizin und Psychotherapie.
Sie war zwischen 1990 und 2006 niedergelassen tätig und
hat dort seit 1994 auch CFS-Patienten behandelt.
Frau Dr. Höcks Vortrag
war ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie hilfreich für
den Patienten und wie erhellend für den Arzt ein
wirklicher Dialog zwischen Arzt und Patient sein kann –
und wie ein Arzt, wenn er bereit ist, seinen Patienten
zuzuhören, von diesen lernen und schließlich seine
Ansichten ändern kann. Gleichzeitig war ihr Vortrag aber
auch ein trauriger Beleg dafür, dass ein Arzt mit einer
solchen Haltung sehr leicht in Widerspruch zum
herrschenden Medizinsystem gerät und in eine, wie sie
sagte, einsame Position geraten kann. |
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Frau Dr. Höck berichtete, dass
sie in ihrer tiefenpsychologischen Ausbildung im Rahmen der
Zusatzbezeichnung Psychotherapie gelernt habe, dass bei
Krankheiten, für die man keine organischen Ursachen findet,
unbewusste seelische Auslöser verantwortlich sein müssten. Die
zugrundeliegende Theorie ist, dass ungünstige Bedingungen in der
Biographie eines Menschen zu einer Disposition für die
Entwicklung psychosomatischer Krankheiten führen und dann
bei späterer Belastung eine körperliche Symptomatik auftritt,
sprich die „somatoforme Störung“. Die körperlichen Symptome
(ohne Organbefund) seien ein Ersatz für eine nicht gelungene
Abwehr in einer früheren Konfliktsituation. Diese dann unbewusst
gewordenen Konflikte führen, so die Theorie, später zu einer
körperlichen Symptomatik, weil der Mensch nicht in der Lage ist,
den Konflikt über seelische Mechanismen zu lösen. Deshalb muss
man diesen Konflikt im Rahmen einer Psychotherapie nochmals
aufrollen, damit er gelöst wird. Und diese Lösung soll dann die
Patienten wieder gesund machen – auch auf der körperlichen
Ebene.
Nahezu ausnahmslos bekommen
Patienten mit ME/CFS eine Diagnose in der Richtung einer
somatoformen Störung aufgedrückt, denn wenn die Ärzte auf der
organischen Ebene nichts finden, greifen sie auf diese Theorie
zurück. Sie glauben, dass dann auch nichts Organisches vorliegen
könne, und wenn die Klagen des Patienten so gar nicht zu seinem
Organbefund passen, dann müsse es ja so sein, dass über den
Körper etwas ausgedrückt wird, was die Seele nicht sagen kann.
Sie ziehen eben nicht in Betracht, was Frau Dr. Höck aufgrund
der fortgesetzten körperlichen Symptomatik ihrer Patienten in
Betracht zog: dass die Patienten durchaus eine körperliche
Störung haben, die sie bloß nicht diagnostiziert und behandelt
haben – und dass genau diese Störung, aber nicht irgendein
ungelöster, unbewusster Konflikt zur Symptomatik führt.
Wenn sie Menschen mit
unspezifischen Erschöpfungssymptomen psychotherapeutisch
behandelte, so besserte sich das seelische Befinden der
Patienten durchaus, aber die körperlichen Symptome blieben. Die
seelische Erholung und die körperliche Erholung gingen nicht
parallel.
Zudem hat sie die Erfahrung
gemacht, dass die körperlichen Symptome in ihrer Schwere in
keinem Verhältnis standen zu den oft recht geringfügigen, wie
sie sagte, „lächerlichen“ Problemen, die die Patienten in ihrer
Biographie hatten, und trotzdem ging es den Patienten sehr
schlecht. Die Symptome wurden als ich-fremd erlebt. Auch ihre
Persönlichkeitsstruktur passte nicht zu dem, was man ihnen
unterstellte, gemessen an der Schwere ihrer körperlichen
Symptome. Sie gingen mit ihrem Leben und mit ihrer Krankheit
eigentlich angemessen um, und sie kam zu dem Schluss, dass da
nichts mehr zu psychotherapieren sei.
Die Unterstellung eines
sekundären Krankheitsgewinns fand sie abstoßend, denn sie hat
einen starken Leidensdruck bei den Patienten gesehen. Sie geriet
in Konflikt mit der offiziellen Lehrmeinung, denn ihre Erfahrung
passte nicht dazu.
Da die Patienten fortgesetzt
von ihrem Körper sprachen, kam sie langsam zu der Überzeugung,
dass dort der Schlüssel zum Verständnis liegen müsse. Bei einer
Patientin dann, deren Krankheitsverlauf sich dramatisch
verschlechterte, ergaben Laboruntersuchungen u.a., dass diese
einen nahezu nicht mehr messbaren Vitamin-D-Spiegel hatte. Eine
simple Behandlung mit Vitamin-D3 und Mineralstoffen hat bei
dieser Patientin eine erhebliche Besserung ihres
Gesundheitszustandes herbeigeführt.
Daraufhin hat Frau Dr. Höck
auch andere Patienten untersucht, die an chronischer Müdigkeit
litten – nicht an CFS. Sie sagt, CFS-Patienten habe sie erst
später häufiger gesehen, und da sei auch mit einer Vitamin-D3-
und Calcium-Gabe keine vollständige Gesundung mehr zu erreichen.
Am Anfang der Diagnostik
sollte immer die Messung des Vitamin-D3-Spiegels liegen, denn
u.U. könnte man damit ein drohendes CFS stoppen.Und das
Vitamin-D3 müsse lebenslang substituiert werden, weil wir
in unseren Breiten und bei unserem Lebenswandel nicht genügend
Sonneneinstrahlung bekämen, dieansonsten für ausreichende
Vitamin-D3-Spiegel sorgen würde. Vitamin-D3-Spiegel
unter 40 Nanogramm gewährleisten nicht mehr eine genügende
Calciumaufnahme. Langandauernder Vitamin-D-Mangel führt zu
Calciummangel, so dass sich der Körper das Calcium aus den
Knochen holt. Das führt zu einer Knochenauflösung, die aber
nichts weiter als ein schleichender entzündlicher Vorgang sei.
Deshalb spielen bei Calciummangel auch immer Entzündungsprozesse
eine Rolle. Ein Vitamin-D-Mangel führt langfristig darüber
hinaus zu seelischen Symptomen, denn das Gehirn reagiert
empfindlich auf solche Mangelzustände. Mit den auftretenden
körperlichen Symptomen ahmt ein Vitamin-D-Mangel auch
somatoforme und psychosomatische Krankheitsbilder nach, ebenso
wie die Symptome von CFS, MCS und Fibromyalgie.
Welche Erfolge hat sie nun
mit Vitamin-D- und Calcium-Gaben gehabt? Die Müdigkeit ihrer
Patienten ging zurück, Schlaf und Stimmung wurden besser,
Ängste, Unruhe und Nervosität verschwanden, die Schmerzen gingen
zurück, diese allerdings sehr langsam. Infekte wie chronische
Sinusitis, Blasenentzündung etc. gingen zurück. Alle
funktionellen Störungen wurden günstig beeinflusst, der
Blutdruck ließ sich besser einstellen, die Herz-Leistung wurde
dramatisch verbessert, chronisch entzündlich-rheumatische und
autoimmune Prozesse ließen sich bessern. Man konnte zwar
Immunsuppressiva und Cortison nicht absetzen, aber der Verbrauch
ließ sich drosseln. Der Heilungsverlauf nach OPs wurde sehr viel
schneller.
Vitamin-D wirkt sehr
weitläufig und trickreich auf das Immunsystem. Es stärkt die
Abwehr gegen akute Infektionen, besänftigt aber autoimmune
Prozesse und hilft, das bei Zellstress aktivierte Immunsystem
wieder abzuschalten. Vitamin D beeinflusst die Genexpression
eines Stoffes, der an der Haut und Schleimhaut wirksam ist und
gegen Viren, Pilze und Bakterien wirkt.
Man weiß heute, dass Vitamin-D
900 Gene beeinflusst. Vitamin-D wirkt auch in der einzelnen
Zelle auf die Signaltransduktionskaskaden, aber wie genau und im
Einzelnen sich das biologisch auswirkt, das hat man noch nicht
erforscht. Es gibt inzwischen eine Menge Literatur und Forschung
zu Vitamin-D, aber wie überall, auch noch eine Menge offene
Fragen. Frau Dr. Höck ist der Meinung, dass die Medizin sich in
Richtung Biochemie und Molekularbiologie weiterentwickeln muss,
aber mit dieser Meinung ist sie bei ihren Kollegen oft nur auf
Spott gestoßen. |