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     Artikel des Monats Januar 2011 Teil 4

    Das ME/CFS-Center an der Universitätsklinik Oslo

    Zusammenfassung des Vortrags von

    Dr. Barbara Baumgarten-Austrheim

    anlässlich  der Fatigatio-Fachtagung vom 24.-25. September 2010 in Dortmund

    von Regina Clos

    Frau Dr. Baumgarten-Austrheim hat seit 1997 in Oslo, Norwegen, eine normale Hausarztpraxis gehabt, in der sie u.a. mit Homöopathie gearbeitet hat. Aus diesem Grund kamen viele Patienten mit chronischen Krankheiten zu ihr, darunter eben auch ME/CFS-Patienten. Heute leitet sie das ME/CFS-Zentrum an der Universitätsklinik Oslo.

    In einem geschichtlichen Rückblick berichtete sie zunächst, dass die von Ellen Piro gegründete norwegische ME/CFS-Patientenorganisation durch ihre jahrelange Lobbyarbeit schließlich erreicht hat, dass sich das Gesundheitsministerium mit ME/CFS und der nicht vorhandenen Versorgung für diese Patienten beschäftigt hat.

    Im Juni 2007 schließlich gab es einen Bericht vom Norwegischen Wissenschaftszentrum für Gesundheitsdienste mit dem Titel „Diagnose und Behandlung von Chronischem Erschöpfungssyndrom/Myalgischer Enzephalopathie CFS/ME”, an dem einige Ärzte mit Erfahrung auf dem Gebiet des ME/CFS mitgearbeitet hatten. Er enthielt einen Überblick über die wissenschaftlichen Artikel, die Definition des Syndroms und eine Diskussion der Behandlungsmethoden. Sie empfahlen damals nur kognitive Verhaltenstherapie und Graded-Exercise empfohlen. Die Patientenorganisationen haben sich deshalb davon distanziert. Im

    März 2007 hat das Norwegische Gesundheitsdirektorat einen Bericht veröffentlicht, in dem die (desolate) Versorgungssituation der Patienten dargestellt wurde. Infolgedessen wurden Empfehlungen für eine Verbesserung abgegeben, die dann schließlich im Oktober 2007 zu einer Anweisung durch das Gesundheitsministerium führten, landesweit ein Kompetenznetzwerk für ME/CFS-Patienten aufzubauen. Das führte dann schließlich im Dezember 2008 zu der Eröffnung einer Ambulanz für ME/CFS-Patienten am Osloer Universitätskrankenhaus. Es sollen dort auch 10 Betten für schwerkranke ME/CFS-Patienten eingerichtet werden, aber dafür gibt es momentan noch kein Geld.

    Da sich die Patientenorganisationen immer wieder an die zuständigen Politiker und Behörden gewandt und auf das fehlende Angebot für ME/CFS-Patienten hingewiesen hatten, hatte man sich an Dr. Brubakk, Infektionsmediziner an der Osloer Uniklinik, gewendet, um zu untersuchen was man diesen Patienten anbieten könnte. Er hatte bereits seit 1990 mit ME/CFS-Patienten gearbeitet und wandte sich 2006 an Frau Dr. Baumgarten, ob sie für einen Tag pro Woche an der Uniklinik arbeiten könne, um ein Angebot für ME/CFS-Patienten auszuarbeiten. Im Januar 2008 wurden dann finanzielle Mittel für die Organisation eines interdisziplinären Zentrums bereitgestellt, das dann im Dezember 2008 eröffnet wurde. Ein gut ausgearbeiteter Vorschlag für die Errichtung einer speziellen Bettenabteilung für schwerkranke ME/CFS-Patienten wurde zwar eingereicht, konnte aber bislang wegen fehlender finanzieller Mittel noch nicht realisiert werden.

    Das interdisziplinäre Team

    besteht aus einer Allgemeinmedizinerin/Abteilungsleiterin, Frau Dr. Baumgarten, einer halben Stelle mit einem Facharzt für Infektionskrankheiten, Dr. Brubbak, geplant ist auch ein Facharzt für Neurologie, aber diese Stelle konnte mangels geeigneter Bewerber noch nicht besetzt werden, und sie haben eine Psychologin, die jahrelang mit Menschen mit somatischen chronischen Krankheiten gearbeitet hat und die speziellen Bedürfnisse dieser Patientengruppe kennt. Außerdem haben sie noch eine Ernährungswissenschaftlerin und eine Sozialarbeiterin. Im ersten Jahr hatten sie 900 Überweisungen, konnten aber nur 300 annehmen.

    Organisation:

    Wenn Patienten überwiesen werden, dann werden sie je nach Symptomenschwerpunkt von Spezialisten untersucht. Entscheidend ist eine gute Anamnese, die bei ME/CFS-Patienten besonders wichtig ist, weil man dann sehen kann, ob sie der Kanadischen Falldefinition entsprechen. Sie verwenden nur die Kanadische Definition, weil die am genauesten ist. Dann folgt eine klinische Untersuchung und ausführliche Blutuntersuchungen, auch auf Mineralstoffe und Vitamine, mit relativ breiter Serologie, um Infektionserreger zu bestimmen. Gelegentlich finden sie dabei andere Ursachen für die ME/CFS-Symptomatik, die dann behandelt werden. Alle werden auch vom Psychologen untersucht, um psychiatrische Krankheitsbilder auszuschließen, aber auch um eine psychologische Unterstützung anzubieten. Neu diagnostizierte Patienten brauchen das häufig, um mit der Diagnose fertig zu werden. Alle werden an die Mitglieder des interdisziplinären Teams überwiesen und haben dann zwei oder drei Termine bei diesen. Es wird auch ein Coping-Kurs angeboten. Bei der Ergotherapeutin lernen sie Aktivitätsanpassung im Sinne des Pacing und energieschonende Methoden. Es wird auch der Bedarf für technische Hilfsmittel wie Stuhl für die Dusche etc. ermittelt. Der Physiotherapeut vermittelt Entspannungsmethoden.

    Es wird immer wieder gefragt, welche Medikamente man denn gegen die bei ME/CFS vorliegenden immunologischen Störung gibt. Da man weiß, dass im Falle einer solchen Immundysfunktion und erhöhter inflammatorischer Zytokine eine Überlastung schädlich ist, bringt man den Patienten zunächst bei, sich nicht ständig zu überlasten. Wenn man ihnen durch Entspannungsübungen zu einem etwas besseren Schlaf verhilft, dann entlastet man damit das Immunsystem, unabhängig von der Ursache der immunologischen Störungen. Es sei nicht einfach, den Patienten das beizubringen, weil sie bei einer Besserung sofort anfangen, alles nachzuholen, was sie gerne machen möchten, und so setzen sie das Push-und-Crash-Muster fort. Wenn sie aber die Methoden konsequent anwenden, führt das zu einer Beruhigung des Immunsystems und sehr langsam zu einer Ausweitung der Belastungsgrenze. Die Ergotherapeutin macht zur Zeit eine Studie mit Schwerstkranken und erlebt, dass sogar Patienten, die fünf Jahre im Bett gelegen haben, wieder hochkommen können. Es sei nie zu spät, um umzudrehen, aber je früher, desto besser.

    Die Ernährungsberaterin testet Nahrungsmittelintoleranzen aus und bringt den Patienten bei, auf energieschonende Weise Essen zuzubereiten. Die Sozialarbeiterin hilft bei Problemen mit Krankengeld, Rente und weiteren Unterstützungsleistungen wie Hilfe im Haushalt.

    Diese Angebote sind für die weniger schweren Fälle gedacht, die noch selbständig in die Klinik kommen können.

    Für die ans Haus gefesselten Patienten ist ein ambulantes Team gebildet worden, dass die am schwersten erkrankten, d.h. bettlägerigen Patienten zuhause aufsucht. Hier muss zunächst eine Diagnose gestellt werden, da manche bislang keinen Arzt gesehen hatten. Manche dieser Patienten sind jedoch nicht transportfähig, so dass im Falle des Verdachts auf andere Krankheiten die Diagnose schwierig wird, wenn stationäre Untersuchungen notwendig werden. Wenn die Diagnose ME/CFS bestätigt wird, dann gibt es die gleiche interdisziplinäre Beratung wie in der Ambulanz, mit mehreren Hausbesuchen. Außerdem ist es wichtig, den Hausarzt und das Pflegepersonal zu beraten, da diese oft nicht oder falsch informiert sind und meinen, man müsse die Patienten nur zwingen, etwas zu tun. Für das Pflegepersonal ist Beratung besonders wichtig, da die Pflege dieser Schwerstkranken für sie emotional oft schwierig ist, denn sie bekommen kaum Rückmeldung von den Patienten. Eine „Aktivierung“ muss sehr langsam erfolgen – es kann bedeuten, einmal pro Woche den Kopf für fünf Minuten zu heben. Hierbei ist es wichtig, immer dem Patienten die Kontrolle zu überlassen, um Verschlimmerungen zu vermeiden.

    Für die moderaten Fälle, die in die Klinik kommen können, wird ein achtwöchiger Copingkurs angeboten mit einer Sitzung pro Woche, die aus zwei mal 45 Minuten ”Unterricht” mit einer 30-minütigen Pause dazwischen besteht. Vermittelt werden hier Wissen über ME (Ärztin), wie man mit ME/CFS als chronischer Krankheit leben kann (Psychologin), Pacing und Energieökonomisierung (Ergotherapeutin), Ernährung bei ME/CFS (Ernährungswissenschaftlerin), soziale Rechte bei ME/CFS (Sozialarbeiterin), Balance zwischen Aktivität und Ruhe und Entspannungsübungen zum Umgang mit Schmerzen etc. (Physiotherapeut).

    Die interdisziplinäre Poliklinik berät andere Fachleute wie Hausärzte, Ärzte in Lokalkrankenhäusern, Hauskrankenpfleger, Pflegeheime, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter usw. Alle Lokalkrankenhäusern seit 2010 ist vom Gesundheitsrat aufgetragen worden, ein Angebot für ME/CFS-Patienten zur Diagnose und Behandlung zu entwickeln. Nur die schwierigsten Fälle dürfen an das Zentrum in Oslo überwiesen werden. Das zwingt die Kliniken und Ärzte dazu, etwas über ME/CFS zu lernen. Es werden auch Fortbildungskurse für Ärzte angeboten.

    Die Bettenabteilung für Schwerkranke ist geplant, aber bislang an der Finanzierung gescheitert. Hier soll durch bauliche Maßnahmen und Räumlichkeiten auf die speziellen Bedürfnisse von Patienten mit Licht- und Geräuschempfindlichkeit eingegangen werden sowie ein speziell trainierter Stab von Pflegern und Behandlern aufgebaut werden.

    In der anschließenden Diskussion betonte Dr. Müller, dass es auch in Deutschland solche Patienten gäbe – er würde selbst einige zuhause betreuen –, dass aber keinerlei Angebote für sie gäbe und hier dringend etwas geschehen müsse.