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     Artikel des Monats Januar 2011 Teil 8

     

    Chronische Infekte als Ursache des CFS

     

    Zusammenfassung des Vortrags von

    Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen

    anlässlich  der Fatigatio-Fachtagung vom 24.-25. September 2010 in Dortmund

    von Regina Clos

    Prof. Carmen Scheibenbogen ist  Hämato-Onkologin und leitet seit einigen Jahren die Ambulanz für Patienten mit Immundefekten in der Charité Berlin Mitte. 2009 haben sich dort rund 300 Patienten neu vorgestellt, und aufgrund der großen Nachfrage ist für 2011 eine Kapazitätserweiterung auf 700 Neuvorstellungen geplant. Zur Zeit besteht eine Wartezeit von einem halben Jahr und es gibt nur eine eingeschränkte Kassenzulassung.

    Etwa ein Drittel der Patienten, die sich hier mit dem Verdacht auf einen Immundefekt vorstellen, haben eine CFS-Symptomatik. Zunächst wird eine Infektionsdiagnostik durchgeführt, da sich ein Immundefekt durch eine verstärkte Infektionsneigung manifestiert. Auch bei CFS werden Infekte als Ursache vermutet, weshalb man in der Charité vorwiegend nach dem Epstein-Barr-Virus (EBV) und XMRV sucht.

    Selten lässt sich eine akute Infektion nachweisen, etwa mit EBV oder dem Cytomegalie-Virus (CMV), aber man findet auffällig hohe Antikörpertiter (IgM, IgA) und eine T-Zell-Aktivierung wie bei einem akuten Infekt. Man sieht, dass das Immunsystem angeschaltet ist. Man findet oft eine herabgesetzte Funktionsfähigkeit der Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) und einen IgG3-Mangel. Infektionserreger, die mit CFS in Verbindung gebracht werden, sind Herpesviren (EBV, HHV1, HHV6, CMV, HSV1, VZV), XMRV, Enteroviren, Chlamydien/Mycoplasmen, Yersinien, und Borrelien. Gemeinsam ist allen diesen Erregern, dass sie in den Zellen sitzen. Herpesviren bleiben ein Leben lang im Körper, aber obwohl sehr viele Menschen damit infiziert sind, werden die meisten davon nicht krank.

    Prof. Scheibenbogen und ihr Team haben eine Studie durchgeführt zur Frage, ob EBV die Ursache des CFS sein könne. Dazu haben sie CFS-Patienten, Fatigue-Patienten und gesunde Kontrollen auf die verschiedenen Arten von Antikörpern gegen das Epstein-Barr-Virus untersucht. Man findet im Blut fast nie Antikörper gegen das EBV, d.h., die Patienten haben keine lytische Infektion. Das EBV ist mit normalen Methoden nicht nachweisbar, weil es in nur sehr wenigen Zellen schlummert. Man kann das Virus nur nachweisen, wenn es sich vermehrt. Das tut es in den B-Zellen. Normalerweise geschieht das jedoch nicht, weil die anderen B-Zellen die infizierten sofort abtöten. Bei CFS kann das EBV aber nicht ordentlich kontrolliert werden, es versucht sich zu vermehren, und das führt zum ständigen Anschalten des Immunsystems, was über die Aktivierung von Zytokinen zu dem chronischen Krankheitsgefühl führt.

    Man hat in dieser Studie nach drei verschiedenen Antikörpern auf das EBV gesucht – nach EBNA-1-IgG, VCA-IgG und VCA-IgM. Je nach Verhältnis dieser drei Arten von Antikörpern kann man sagen, es gibt keine Infektion, eine Primär-Infektion, eine chronisch aktive Infektion oder einen Verdacht auf eine Reaktivierung. Bei ME/CFS-Patienten findet man vermehrt ein bestimmtes Muster (chronisch aktiv oder reaktiviert). Dieses auffällige Muster lässt auf eine dysregulierte B-Zell-Immunität, also auf eine gestörte Abwehr gegen EBV schließen. Die Hälfte der von ihr untersuchten ME/CFS-Patienten hat eine gestörte Antwort der Memory-B-Zellen. Außerdem gibt es eine verminderte EBV-spezifische T-Zell-Antwort. Zusammengefasst: Es gibt also einen Hinweis auf eine chronisch-aktivierte EBV-Infektion und auf eine gestörte Immunantwort auf dieses Virus.

    Prof. Scheibenbogen berichtete dann über die übliche Ausschlussdiagnose und Diagnostik des CFS und die Möglichkeiten, andere Krankheiten oder Erreger, die dabei entdeckt werden, zu behandeln. Sie berichtete über die in der Literatur erwähnten Behandlungsversuche mit Immunmodulatoren wie Ampligen, Interferon Alpha, Immunglobulinen und Corticosteroiden, mit Antiinfektiva wie Valcyte, Acyclovir und Tetracyclinen sowie symptomatische Behandlungsformen mit den Schmerzmitteln und Entzündungshemmern Ibuprofen oder Benuron, sowie Antidepressiva, die man in ganz niedriger Dosis nur zur Verbesserung des Schlafes gibt, oder Ritalin – nur zur kurzfristigen Steigerung der Konzentration, nicht als langfristige Behandlung. Man müsse das ausprobieren. Die Behandlung mit Valcyte, einem spezifischen Antibiotikum gegen EBV, bringe nur bei etwa der Hälfte der Fälle eine Besserung, aber keine Heilung. Sie sehe nicht die eindeutig positivien Ergebnisse, wie man sie in der Studie von Montoya gesehen hat.

    Diese Untersuchungen wurden zum Teil mit Forschungsgeldern des Fatigatio e.V. durchgeführt, und man plant eine weitere Studie zur Entwicklung eines diagnostischen Markers. Man hat bereits mit sogenannten Genarrays 10.000 Gene von ME/CFS-Patienten daraufhin untersucht, ob sie angeschaltet sind und wie sich dieses Genexpressionsmuster von dem Gesunder unterscheidet. Dabei hat man auffällige Muster und eine Vielzahl von angeschalteten Immunwegen gefunden, die auf einen Immundefekt oder spezifische Erreger schließen lassen. Das Projekt ist jedoch momentan aufgrund von Geldmangel gestoppt. Weitere Gelder sind beantragt.

    Weiterhin hat Prof. Scheibenbogen in Zusammenarbeit mit Norbert Bannert vom Robert-Koch-Institut eine XMRV-Studie an 39 CFS-Patienten, 40 gesunden Kontrollen und 112 Patienten mit Multipler Sklerose durchgeführt. Man habe die Methoden verwendet, die auch von der Gruppe um Judy Mikovits verwendet wurden, konnte aber bei keiner der untersuchten Personen XMRV finden. Die Forscher haben aber durch andere Verfahren bewiesen, dass sie das Virus im Prinzip nachweisen können. Sie schließen daraus, dass XMRV wahrscheinlich bei CFS-Patienten in Deutschland keine Rolle spiele. Möglicherweise gebe es hier eine andere Variation des Retrovirus. Insgesamt müsse ein Fragezeichen bleiben, warum die XMRV-Untersuchungen des RKI negativ waren.

    Zusammenfassend sagte Prof. Scheibenbogen: CFS ist wahrscheinlich eine chronische Infektionserkrankung durch unterschiedliche Erreger auf dem Boden einer noch nicht bekannten Immundysfunktion.

    Das Epstein-Barr-Virus

    Mit dem Epstein-Barr-Virus sind fast alle Menschen jenseits der 40 infiziert. Es gehört zur Gruppe der Herpesviren. Bei manchen Menschen löst die Erst-Infektion mit dem Virus das Pfeiffer’sche Drüsenfieber (auch Mononukleose genannt) aus, und bei einigen ME/CFS-Patienten gilt dieses Pfeiffer’sche Drüsenfieber als Auslöser des ME/CFS. Bei vielen Menschen hingegen verläuft die Infektion ohne Symptome. Ist man einmal infiziert, verbleibt das Virus lebenslang im Körper, aber bei den meisten wird es vom Immunsystem kontrolliert, so dass die Menschen keine Beschwerden haben. Bei Menschen mit ME/CFS kommt es jedoch häufig zu einer Reaktivierung, d.h., das schlafende Virus wacht auf und vermehrt sich wieder, ohne vom Immunsystem ausreichend in Schach gehalten zu werden.