|
Prof. Martin Pall
stellte sein Krankheitsparadigma, den NO/ONOO-Zyklus
vor, den er für den zentralen Mechanismus nicht nur beim
Chronic Fatigue Syndrom hält, sondern auch bei der
Multiplen Chemikaliensensitivität, der Fibromyalgie, der
posttraumatischen Belastungsstörung, dem
Golfkriegssyndrom und weiteren, degenerativen
Krankheiten. |
Er zählte die zahlreichen
Stressoren auf, die als Auslöser der verschiedenen Krankheiten
gelten, von viralen und bakteriellen Infektionen über Umweltgifte,
körperliche Traumata, schweren psychologischen Stress oder
Strahlenbelastung etc.Die Frage ist, wie kann es sein, dass so viele
verschiedene und teilweise auch kurzfristige Stressoren chronisch
verlaufende Krankheiten auslösen können?
Die Gemeinsamkeit aller
Stressoren ist der Anstieg des Stickoxids, des Superoxids und des
sich daraus bildenden Peroxinitrits. Diese Substanzen führen zu
einem komplexen Teufelskreis, der in zahlreiche
Regulationsmechanismen eingreift und der sich selbst unterhält. Das
erklärt die Ähnlichkeit der Symptome der verschiedenen Krankheiten.
Die aktuelle Version dieses Teufelskreises:
Eine Reihe dieser Elemente sind
untereinander verknüpft, so dass es eigentlich mehrere Zyklen gibt,
die sich untereinander unterhalten oder gar verstärken. Das legt
nahe, dass durch die hier beschriebenen Veränderungen
Entzündungskaskaden ausgelöst werden. Pall beschreibt die Wege, in
denen sich die Zyklen im NO/ONOO-Zyklus gegenseitig aufschaukeln.
Superoxid kann innerhalb und außerhalb der Mitochondrien durch
mindestens vier verschiedene Mechanismen erhöht werden. Stickoxid,
Superoxid und Peroxinitrit können die Funktion der Mitochondrien und
damit die ATP-Produktion beeinträchtigen. Ein weiterer Teil der
Geschichte ist eine gesteigerte Aktivität der NMDA-Rezeptoren. Das
sind Rezeptoren, die in Nervenzellen weit verbreitet sind, aber auch
außerhalb neuronaler Zellen vorkommen. Sie sind für die sogenannte
Exzitotoxizität verantwortlich, und wenn sie aktiver sind, führt das
wieder zu vermehrtem Stickoxid.
Alle diese Pfeile stellen einen
oder mehrere Mechanismen dar. Insgesamt sind es 35 verschiedene
Mechanismen, von denen 31 sehr gut erforscht sind. Das ist also
alles nichts Neues, nur hat bislang niemand diese Puzzleteile
zusammengesetzt, und nur dann bekommt man das Gesamtbild, ein
Muster, das einen Teufelskreis zeigt, der sich steigert.
Die biochemische Wirkung des
Zyklus ist lokal, d.h. möglicherweise auf bestimmte Gewebe
beschränkt, und von daher sind die Symptome und der Schweregrad der
Krankheiten unterschiedlich – das kann mit diesem Zyklus erklärt
werden. Aber es gibt natürlich auch systemische Wirkungen. Die
Therapie sollte sich deshalb eher darauf konzentrieren, die Teile
des NO/ONOO-Zyklus herunterzuregulieren, statt nur auf eine
symptomatische Besserung abzuzielen. Die Ursache sollte behandelt
werden.
Eine der wichtigsten Fragen ist,
warum diese Krankheiten chronisch verlaufen – die Antwort ist, weil
der Zyklus sich selbst unterhält und schwer anzuhalten ist, wenn er
einmal in Gang gekommen ist.
Man findet bei all diesen
Krankheiten erhöhte Werte für Stickoxid, Peroxinitrit, oxidativen
Stress, inflammatorische Zytokine und eine Erhöhung der
NF-kappaB-Aktivität sowie jetzt auch in einigen Studien eine
BH4-Verminderung. Dieses Muster findet man überall, auch wenn es
noch nicht bei allen Krankheiten vollständig untersucht worden ist.
Deshalb kann man annehmen, dass dieser Zyklus ein Paradigma für
viele Krankheiten ist, nicht nur für ME/CFS.
Bei ME/CFS gibt es neun
verschiedene Stressoren, von denen einige die NO-Synthese auslösen.
Die meisten führen zu einer ausgeprägten NMDA-Aktivität.Zahlreiche
Studien über ME/CFS belegen Anomalien der einzelnen Elemente des NO/ONOO-Zyklus.
Und auch Studien zu genetischen Polymorphismen belegen, dasssie zu
einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber der Initiierung des NO/ONOO-Zyklus
beitragen. Studien zur Genexpression belegen das ebenso.
Die Behauptung, dass diese
Krankheiten nicht geklärt seien, ist unrichtig. Wir wissen zwar
nicht in allen Fällen, ob die vorhandenen Erklärungen tatsächlich
stimmen, aber man kann nicht sagen, dass die Krankheitsmechanismen
nicht geklärt wären.
Die Zustandsverschlechterung nach
Belastung bei ME/CFS ist möglicherweise darüber zu erklären, dass
bei ME/CFS-Patienten das Cortisol nicht, wie bei Gesunden, ansteigt,
wenn sie sich körperlich belasten. Bei manchen geht es sogar
herunter. Das kann zur Erhöhung des Stickoxidwerts und damit zur
Ankurbelung des NO/ONOO-Zyklus führen. Diese rasche
Stickoxiderhöhung bei ME/CFS-Patienten infolge von körperlicher
Bewegung ist durch eine spanische Studie kürzlich belegt worden.
Bei Fibromylagie wirkt der NO/ONOO-Zyklus
möglicherweise auf den Thalamus, was zu den ausgedehnten Schmerzen
führt. Die Mechanismen bei MCS sind kompliziert, aber inzwischen
geklärt. Die einzelnen Elemente des Zyklus sind in der Literatur gut
belegt, so dass sich sagen lässt, der NO/ONOO-Zyklus ist der
zentrale Mechanismus bei CFS, MCS und Fibromyalgie. Pall stellt die
These auf, dass der Zyklus auch im Zentrum zahlreicher anderer
Krankheiten steht wie
Tinnitus,
Strahlenkrankheit, Multipler Sklerose, Autismus,
Übertrainingssyndrom, Amytropher Lateralsklerose (ALS), Parkinson,
Alzheimer, Asthma, Reizdarmsyndrom etc.
Davon griff er ALS, Alzheimer und
Parkinson heraus.Das Modell des NO/ONOO-Zyklus wurde für CFS, MCS
und FM entwickelt, und eine wissenschaftliche Überprüfung der
Richtigkeit dieses Modells könnte sich ergeben, wenn es anhand von
Daten überprüft wird, die völlig unabhängig von den ursprünglichen
Daten ermittelt wurden. In diesem Fall könne man das Modell des
NO/ONOO-Zyklus anhand von ALS (Amytropher Lateralsklerose),
Alzheimer und Parkinson überprüfen.
Bei allen diesen Krankheiten gibt
es eine Reihe von Risikofaktoren für die Auslösung des Zyklus. Es
gibt plausible Faktoren und auch sehr viele Daten über Anomalien der
einzelnen Elemente des Zyklus, die auf eine Erhöhung der Elemente
des NO/ONOO-Zyklus hinweisen und damit auf ein Ingangsetzen des
Teufelskreises.
Alle drei dieser
neurodegenerativen Krankheiten sind mit Zelltod durch Apoptose
verbunden. Hohe Stickoxid- und Peroxinitritwerte induzieren diesen
programmierten Zelltod, und ein hoher Stickoxidwert initiiert den
NO/ONOO-Zyklus. Prof. Pall zeigte auf, dass die spezifischen Schäden
der drei unterschiedlichen Krankheiten alle durch den NO/ONOO-Zyklus
erklärt werden können. Das gelte auch für Alzheimer, das mit der
Produktion des sogenannten Beta-Amyloids verbunden ist. Wenn dieses
Beta-Amyloid als Folge des NO/ONOO-Zyklus produziert wird und
seinerseits den Zyklus stimuliert, so ist das ein Beleg dafür, dass
Alzheimer als NO/ONOO-Zyklus-Erkrankung anzusehen ist. Die Rolle des
Beta-Amyloids als Teil des Zyklus lieferte eine Erklärung für die
umfassenden Auswirkungen der Alzheimer-Krankheit auf große Teile des
Gehirns. Es gibt insgesamt also überzeugende Beweise für die
Ansicht, dass Alzheimer, Parkinson und ALS NO/ONOO-Zyklus-Erkrankungen
sind.
Das bietet zum ersten mal eine
Art unwiderlegbaren Beweis, der die These vom Mechanismus des NO/ONOO-Zyklus
stützt und der deshalb den NO/ONOO-Zyklus als wichtiges Paradigma
menschlicher Krankheiten bestätigt. Das wiederum stärkt das
Argument, dass der Zyklus eine zentrale Ursache des CFS/ME und
anderer Krankheiten ist.
Prof. Pall erklärte, wie die
verschiedenen Stoffe, die für die Behandlung von CFS, MCS und FM
empfohlen werden, wirken, um den NO/ONOO-Zyklus herabzuregulieren.
Die Therapie sollte sich deshalb eher darauf konzentrieren, die
Teile des NO/ONOO-Zyklus herunterzuregulieren, statt nur auf eine
symptomatische Besserung abzuzielen. Dazu gehören hohe Dosen Vitamin
C, intravenös verabreicht, Flavonoide, Acetylcarnitin, Vitamin B-12
(Hydroxocobalamin), Folsäure, NMDA-Antagonisten wie Magnesium,
Omega-3-Fettsäuren, Coenzyme Q10, NT-Faktor (spezielles Mittel von
Garth Nicholson), Ecklonia cava-Extrakt, D-ribose. Er erwähnte dann
noch die Sauna-Therapie, wodurch die BH-4-Verfügbarkeit erhöht wird.
|