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    Artikel des Monats Juli 2011 Teil 1

    Invest in ME Konferenz – London -Mai 2011

    Ein Bericht von Rosamund Vallings

    Das Original finden Sie hier bzw. als pdf-Datei hier. Die Ergänzungen stammen aus verschiedenen Quellen. Eine Auflistung der Vorträge, die Bestellmöglichkeit für eine Videoaufzeichnung, das Programmheft für die Konferenz sowie eine ausführliche Bildergalerie finden Sie hier.

    Ich hatte das Privileg, an der Invest in ME Konferenz am 20. Mai 2011 in London teilnehmen zu dürfen. Einige Veranstaltungen am Tag davor bildeten den Auftakt der Konferenz. Am Morgen war ich eingeladen, zusammen mit einer Delegation im britischen Parlament einige Parlamentarier und die Countess of Mar aus dem britischen Oberhaus zu treffen. Die Countess of Mar setzt sich seit langem für ME/CFS-Patienten ein. Die Sitzung wurde von Annette Brooke, der Parlamentsabgeordneten für Mid Dorset und North Poole, geschickt geleitet, und mehrere Parlamentsabgeordnete nahmen teil, um sich unsere Sorgen anzuhören. Die Delegation bestand aus zahlreichen internationalen Gästen, und wir hatten alle die Möglichkeit, uns zu äußern.

    Bild oben: Rosamund Vallings, Autorin dieses Berichts, ist die Dame mit der Brille, Mitte. Links Judy Mikovits im Gespräch mit Annette Whittemore. Warten auf Einlass zur APPG ME/CFS im britischen Parlament.

    Bild unten: Die APPG tagt. v.l.n.r.: Rosamund Vallings, Andreas Kogelnik, Malcom Hooper, Countess of Mar, Herr unbekannt, Annette Brooke, Judy Mikovits, eine Dame von der Action for ME, Annette Whittemore, David Bell

     

    Judy Mikovits im Gespräch mit Annette Brooke, der Vorsitzenden der APPG, und der Dame von der Action for ME. Rechts im Bild: zwei Parlamentarier schauen sich das Buch "Lost Voices" an.

    Am Nachmittag trafen sie die Spitzenforscher, die bei der Konferenz Vorträge hielten, zusammen mit einigen anderen Teilnehmern, um ihre derzeitigen Forschungsarbeiten zu besprechen und nach Möglichkeiten für eine ständige Zusammenarbeit zu suchen. Es handelte sich hierbei um eine „geschlossene Veranstaltung“, aber ich hatte das Glück, als Beobachterin teilnehmen zu dürfen. Vieles von dem, was bei diesem Treffen ausgetauscht wurde, darf hier noch nicht wiedergegeben werden, da die Forschungsergebnisse zuerst noch publiziert werden müssen. Wir konnten jedoch einen faszinierenden, 30-minütigen Vortrag von Professor Burnstock über seine Theorien und seine Forschung über purinerge Signalwege anhören, der am nächsten Tag bei der Konferenz wiederholt wurde (siehe unten). Ich war froh, diesen Vortrag zweimal anhören zu können, da er sich um komplexe biochemische Zusammenhänge drehte. Was er vortrug, könnte für ME/CFS eine große Bedeutung haben. Alle an diesem Nachmittag versammelten Forscher waren sehr daran interessiert, im Kontakt zu bleiben, um eine Zusammenarbeit aufzubauen.

     Am Abend gab es zwei Vorträge – der erste von Professor Ian Gibson, einem langjährigen Befürworter der Erforschung des ME/CFS. Es tat gut, über die Entwicklung der Forschung und einem klinischen Zentrum zu hören, das mit der Universität Norwich und dem dortigen Krankenhaus verbunden ist. Der zweite Vortrag kam von Hillary Johnson, der Autorin des Buches „Osler’s Web“. Sie umriss die Geschichte des ME/CFS aus der politischen Perspektive. Beide Vorträge waren gespickt mit Humor und Leidenschaft und boten uns eine gute Einführung für die harte Wissenschaft am kommenden Tag.

     

    Professor Ian Gibson,  Hillary Johnson.

     

    Ergänzungen zu den Vorabend-Vorträgen von Ian Gibson und Hillary Johnson aus anderen Quellen:

    Am Vorabend der Konferenz sprachen das Parlamentsmitglied Ian Gibson und die Autorin und ME/CFS-Patientin Hillary Johnson über „Science and Politics“. Ian Gibson sprach über seine Aktivitäten im britischen Parlament und dass es im Parlament oft um Persönlichkeiten ginge und nicht so sehr um wissenschaftliche Belege. Von daher gäbe es häufig einen Konflikt zwischen Wissenschaft und Politik. Auch sprach er das geplante ME/CFS-Zentrum in Norwich an, gegen das es durchaus Widerstände gäbe. Er ermunterte die Zuhörer zu Kampagnen, um das Interesse von Parlamentsmitgliedern zu wecken und sie zu Aktivitäten anzuregen.  

    Hillary Johnson sagte, wir hätten seit 2009, seit der Veröffentlichung der Lombardi/Mikovits-Studie in Science, viele Freunde und Verbündete gefunden. Aber Fakt sei, dass wir 20 Jahre möglicher Forschung seit der Entdeckung von retroviralen Partikeln im Blut von ME/CFS-Patienten durch Elaine DeFreitas im Jahr 1991 verloren hätten. Damals hatten die Centers for Disease Control, denen DeFreitas ihre Entdeckung gemeldet hatte, diese vom Tisch gewischt und absichtlich nicht weiterverfolgt. Jedoch sei Mikovits nicht so naiv wie DeFreitas, und die Methoden zur Bestimmung von Retroviren hätten sich in den vergangenen 20 Jahren auch enorm verbessert. Im Juli 2009, also vier Monate vor der Veröffentlichung des Science-Artikels, der insgesamt sechs Monate im peer review-Prozess war, hatten sich John Coffin und Stuart LeGrice getroffen, um darüber zu sprechen, wie sie mit der Neuigkeit um das XMRV umgehen sollten. Sie waren und sind besorgt, aber nicht so sehr wegen des Zusammenhangs zwischen XMRV und CFS, sondern wegen der 4% Infizierten in der gesunden Kontrollgruppe – was heißen könnte, dass bis zu 10 Millionen Amerikanern das Virus in sich tragen und möglicherweise an Lymphomen erkranken. Hillary Johnson sagte, dass sie in Washington so etwas wie Angst spüren würde.  In der Zeit, als DeFreitas retrovirale Partikel fand, hatte man in Neuseeland wohl ähnliche Befunde erhoben. Auch die hatten Antikörper gefunden.

    Als dann die Bestätigungsstudie von Alter/Lo veröffentlicht werden sollte, hatten Anthony S. Fauci, der Chef der NIAIDS und Francis Collins gefordert, das Papier nicht zu veröffentlichen. Anthony S. Faucy ist ein sehr einflussreicher Mann, der für die Verzögerung und Verhinderung von ME/CFS-Forschung und für eine Menge an Falschinformationen verantwortlich sei, der Forschungsgelder verhindert und ME/CFS in die Abteilung für Frauengesundheit verschoben hätte, einer Abstellkammer, in der nichts mehr passierte.

    Sie warnte, dass die humanen Gamma-Retroviren sehr viel stabiler seien als HIV und dass sie in einer Umgebung mit niedrigen Ph-Werten gut überleben können. Sie könnten deshalb sehr viel ansteckender sein – ob das der Grund für die Nervosität in Washington sei?

    Die Amerikaner sollten eine parlamentarische Untersuchung fordern, um die Rolle von Fauci bei der Verhinderung weiterer Erforschung des ME/CFS und eines retroviralen Zusammenhangs zu ermitteln.

    Dann plädierte sie noch dafür, dass wir für unsere Erkrankung einen neuen Namen fordern sollten. CFS sei unser Sklavenname, der erfunden worden sei, um die Krankheit zu verharmlosen.

    Die Hauptkonferenz wurde am Freitag, dem 20. Mai 2011 von Professor Malcom Hooper eröffnet.

     

    Professor Malcom Hooper und Annette Whittemore.

    Das Leitmotiv der Konferenz wurde durch die Rede von Annette Whittemore, der Präsidentin des Whittemore Peterson Institutes in Nevada gesetzt. Ihr Institut für neuro-immunologische Krankheiten ist jetzt mit Verwaltung, Forschung und klinischer Arbeit im Betrieb. Ärzte und Forscher arbeiten dort, und bei der Diagnose und Behandlung des ME/CFS verfolgt man einen systembiologischen Ansatz, dessen Ziel es ist, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Behandlung der Patienten zu übertragen. Sie erklärte, wie diese Krankheit mit ihren schweren und lähmenden Symptomen zahlreiche Herausforderungen darstellt. Sie verglich sie unter dem Aspekt der Forschungs-Finanzierung und der symptomatischen und biomedizinischen Unterschiede mit multipler Sklerose. Es gibt Unterschiede, aber auch zahlreiche Gemeinsamkeiten. MS wird normalerweise mit Hilfe eines bildgebenden Untersuchungsverfahrens des Gehirns diagnostiziert. Sie stellte die Frage, ob ME eine Autoimmun- oder eine Infektionskrankheit sei. Zahlreiche Erreger zieht sie nach sich, darunter Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten. Sie verglich dann ME/CFS mit der HIV-Infektion und beschrieb erneut zahlreiche Ähnlichkeiten. Der Hauptunterschied besteht hier darin, dass HIV sexuell übertragen wird und es bislang noch keine Belege für eine sexuelle Übertragung bei ME/CFS gibt.

    Als das WPI mit seiner Erforschung des ME/CFS begann, suchte man zunächst nach Herpesviren, und dann suchte man schließlich nach Retroviren. Dabei wurden zahlreiche Bestimmungsverfahren eingesetzt. Die Frage der Kontamination ist aufgekommen, aber es ist unwahrscheinlich, dass XMRV eine Kontamination ist, da es sich eindeutig um ein humanes Virus handelt. Es wird mit Krebs in Verbindung gebracht. Die Laborprotokolle zur Vermeidung von Kontamination sind streng und genau. Annette Whittemore hat den Eindruck, dass es jetzt viele Möglichkeiten für die Forschung gibt und hofft, dass der systembiologische Ansatz Antworten liefern wird. Es werden Behandlungspläne entwickelt, um das Immunsystem zu unterstützen, Erreger abzutöten und die biochemischen und hormonellen Anomalien zu korrigieren. Sie betonte die Wichtigkeit der Weiterbildung der Mediziner, der Entwicklung möglicher Medikamente und die Errichtung weiterer Zentren. Sie plädiert sehr dafür, dass die Regierung klinische Zentren zur Behandlung finanziert und ermutigt alle, sich dafür einzusetzen.

    Ergänzungen zum Vortrag von Annette Whittemore aus anderen Quellen:

    Annette Whittemore hielt die Eröffnungsrede. Sie stellte die eklatante Diskrepanz zwischen den finanziellen Mitteln heraus, die für die ME/CFS-Forschung und z.B. für die MS-Forschung bereitgestellt werden. Für MS wurden in einem Jahr 135 Millionen $ ausgegeben, während es für ME/CFS nur 6 Millionen $ waren. Für die HIV-Forschung werden jedes Jahr 16 Milliarden Dollar ausgegeben.

    Sie betonte nochmals, dass das WPI ursprünglich eher nach einem Herpes-Virus gesucht hat und trotz des jetzt gefundenen signifikanten Zusammenhangs zwischen XMRV und ME/CFS weiterhin offen ist, was die Frage der Verursachung angeht.

     Die Konferenz konzentrierte sich dann auf die klinischen und die Forschungsstudien:

     

    David Bell, rechts mit Richard Simpson von Invest in ME.

    David Bell (Lyndonville, New York, USA) stellte seine Arbeit über die 25-jährige Verlaufsstudie der jungen Menschen, die in dem ursprünglichen Clusterausbruch erkrankt waren, der seine Forschungsarbeit ausgelöst hatte. Er beschrieb den Ausbruch im Jahr 1985, der eine kleine ländliche Gemeinde südlich von Toronto heimgesucht hatte. 210 Patienten erholten sich nach einer grippeähnlichen Erkrankung nicht mehr. Die Zahl der insgesamt Erkrankten war sehr viel höher, aber sie hatten sich innerhalb von 6 Monaten wieder erholt. Diejenigen, die krank geblieben waren, wurden schließlich als ME/CFS-Patienten diagnostiziert. 60 von ihnen waren damals Kinder und Jugendliche. Die Follow-up-Studie, die er nach 13 Jahren durchgeführt hatte, wurde im Journal of Paediatrics veröffentlicht. 80% von ihnen sagten damals, dass es ihnen gut gehe. Die Hälfte davon hatte immer noch Symptome, führte aber ein einigermaßen normales Leben. Die andere Hälfte schien gesund zu sein. 20% waren noch immer krank und waren „behindert“. Er fragte sich im Anschluss an diese Studie: „Wie soll man Erholung definieren?“ „Ist es die Abwesenheit von Symptomen oder ist es Anpassung?“ Wenn die Antwort „Anpassung“ lautet, dann führt das zu Verwirrung und einer falschen Wahrnehmung von Gesundheit. Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen könnten, wären z.B.: der Patient sieht normal aus, die Tests sind normal, die Spezialisten finden nichts und es gibt keine Entwicklung in eine Krankheit wie z.B. MS. Diese Verwirrung ist für Jugendliche schädlich.

    Die gegenwärtige Studie umfasst ein Follow-up von 28 Personen, und dabei wird ein breites Spektrum an Untersuchungsinstrumentarien eingesetzt. Drei hatten bösartige Erkrankungen entwickelt (Schilddrüsenkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Leukämie) und wurden aus der Studie ausgeschlossen. Die verbleibenden 25 konnten in drei Gruppen aufgeteilt werden: zwei von 25 (8%) ging es gut. 18 von 25 (72%) hatten einen remittierenden Verlauf – sie betrachteten sich selbst als einigermaßen in Ordnung, aber die gemessenen Werte ließen darauf schließen, dass es ihnen nicht gut ging. Die dritte Gruppe – 5 von 25 (20%) litten unter anhaltendem ME/CFS. Sie betrachteten sich selbst als behindert, mit schweren Symptomen und verminderter Aktivität. Diese Personen erhielten eine Behindertenrente, aber um diesen Anspruch zu begründen, wurde nicht die Diagnose ME/CFS verwendet, und die Krankheit wurde oft anders bezeichnet, um die Gewährung der Rente sicherzustellen.

    David Bell beschrieb, wie die Menschen lernen, sich an diese Krankheit anzupassen. Viele scheinen sich zu erholen, um dann aber wieder abzurutschen. Die schlimmsten Symptome schienen mit dem Schlaf und Schmerzen verbunden zu sein. Bell beschrieb seine Skala des Grades der Behinderung von 0-100, wobei 100 für völlige Gesundheit steht. Viele dieser Patienten erreichten um die 30 Punkte. Er glaubt, dass die wichtigste Frage, die ein Arzt dem Patienten stellen sollte, die nach der Anzahl der Stunden von Aktivität in aufrechter Position pro Tag ist. In seiner derzeitigen Studie kommen die gesunden Kontrollpersonen auf 15 Stunden, die Gruppe der Patienten mit anhaltendem ME/CFS auf eine bis fünf Stunden und die Gruppe der halbwegs Erholten kommt auf 13 Stunden pro Tag.

    Seine zusammenfassende Schlussfolgerung: zum Zeitpunkt der Follow-up-Studie litten 72% an einer leichten bis mäßiggradigen Form des ME/CFS, obwohl sie sich selbst als „ok“ betrachteten. Es gab hier eine Verwirrung hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Identität insofern, als sie sich daran erinnerten, dass es ihnen sehr viel schlechter ging und sie im Vergleich dazu jetzt meinten, es ginge ihnen „gut“. Im Laufe der Zeit wird sich zeigen, wie der langfristige Verlauf sein wird. Bell ist davon überzeugt, dass er mit dieser Studie den natürlichen Verlauf der Krankheit erfasst und weniger den Erfolg von Medikamenten oder Vitaminen, die eine Erholung befördern.

    Ergänzungen zum Vortrag von David Bell aus anderen Quellen:

    David Bell sprach unter anderem über seine Folgeuntersuchungen an den ME/CFS-Patienten der Lyndonville Kohorte, also der Patienten, die Mitte der 1980er Jahre als Kinder und Jugendliche an ME/CFS erkrankten und die er in seiner Praxis behandelte. Er hatte dazu bereits eine Studie veröffentlicht, die, wie er jetzt sagte, ein Fehler war, weil er erstens nicht genau genug gefragt hatte und diese zweitens falsch interpretiert worden sei – in dem Sinne, dass Kinder und Jugendliche, die erkrankten eine bessere Heilungsprognose hätten. Das stimme jedoch nicht. Wenn er die Patienten der damaligen Kohorte jetzt fragte, ob sie jetzt noch krank seien, würden 80% mit „Nein“ und 20% mit „Ja“ antworten. Wenn er diese 80% jedoch näher untersucht (z.B. mit dem SF 36), dann ergibt sich, dass die 20%, die sich als weiterhin krank beschreiben, in sehr schlechtem Zustand sind und insgesamt 72% noch immer an ME/CFS litten, 20% relativ gut damit zurecht kommen, aber immer noch beeinträchtig sind und tatsächlich nur 8% wirklich vollständig geheilt sind.

    Er sagte, die Patienten hätten eine „health identity crisis“ in dem Sinne, dass sie gar nicht wüssten, wie es ist, gesund zu sein, und dass sie ihren jetzigen Zustand lediglich mit dem schlimmeren von früher verglichen. Gemessen daran ginge es den meisten in der Tat besser, aber die Antworten auf die Fragen des SF36 zeigten, dass sie weit von der Norm gesunder Menschen entfernt seien.

     

     

    Andreas Kogelnik. Rechts Bild v.l.n.r.: David Bell, Annette Whittemore, Andreas Kogelnik, Malcom Hooper.

    Andreas Kogelnik (Stanford University, USA) beschrieb sich selbst als den Leiter des Open Medicine Institute (OMI), einer gemeindebasierten, gemeinschaftlichen Forschungseinheit. Er hat einen Hintergrund im Bereich Infektionskrankheiten und arbeitet seit sieben Jahren im Bereich ME/CFS. In seinem Institut wird ein interaktiver Ansatz zwischen Biotechnologie, Informatik, sozialer Vernetzung und Bio-Sampling (Entnahme und Verarbeitung biologischer Proben) verfolgt, der sich auf klinische Medizin und Forschung konzentriert. Er ist der Meinung, dass wir Krankheiten wie ME/CFS neu definieren müssten, indem wir diese Forschungs- und Vernetzungsinstrumentarien einsetzen. Er gab einen ausgezeichneten Überblick über die medizinische Forschung, die zur Sequenzierung des gesamten humanen Genoms führte. Er beschrieb ME/CFS als ein Syndrom mit vielen Symptomen, die auch bei anderen Krankheiten vorkommen, als ein Syndrom mit einer unausgereiften Definition und einem Mangel an Biomarkern. Die Behandlungsformen sind nicht standardisiert und es gibt nur begrenzt Daten über ihren Erfolg. Er hat den Eindruck, dass die Medizin an einem Scheideweg ist, wobei eine „auf Richtlinien basierenden Medizin“ kein besonders gutes System ist, aber ein stärker auf das Individuum ausgerichteter Ansatz würde mehr kosten. Er diskutierte die Wechselwirkungen zwischen Genomforschung, Biotechnologie, Informatik, klinischen Richtlinien und individualisierter klinischer Medizin. Er zeigte auf, wie mit dem Einsatz von ROC-Kurven und eine mathematische Anordnung mit zahlreichen Schwellenwerten verschiedene Patientengruppen im zeitlichen Verlauf verfolgt werden können.

    Er fuhr dann mit einer Diskussion der Nosologie der Krankheiten fort. Dies ist ein sehr altes Klassifizierungssystem, das sich nicht viel verändert hat. Dieses System passt nicht zu den neuen Erkenntnissen über Gene, Biomarker etc. Wir können Krankheiten jetzt aus molekularer Sichtweise heraus definieren. Wenn man das Hauptaugenmerk auf Differentialdiagnosen richtet, dann kann das zu vielen Tests führen. Und statt viele solcher Tests durchzuführen, könnte ein situationsbezogenes genomisches Profiling sehr viel nützlicher sein. Die einzigartigen Genexpressionssignaturen des jeweiligen Patienten könnten eingesetzt werden, um eine Krankheit zu definieren. Diese Signaturen können auch eine gewisse Anfälligkeit vorhersagen sowie die zu erwartende Reaktion auf eine Therapie.

    Am Open Medicine Institute wird den Klinikern die Möglichkeit geboten, sich an der Forschungsarbeit zu beteiligen. Es gibt eine integrierte Informatik-Registrierungsdatenbank und eine Biobank. Die Zusammenarbeit steht an erster Stelle. Kliniker und Patienten können auf allen Ebenen teilnehmen. Für die Kliniker bedeutet das alles ein erweitertes Wissen, elektronische Praxis, eine Einbeziehung in klinische Studien und eine erhöhte Fallzahl. Für die Patienten können sich daraus Antworten auf verzwickte Fragen ergeben, die Möglichkeit zur Teilnahme an der Forschung und offene Ohren für ihre Sorgen. Für den Forscher gibt es mehr und bessere Daten, Zugang zu Ressourcen etc. Sie wollen groß angelegte Studien machen und sich auf chronische und Syndrom-basierte Erkrankungen konzentrieren. Er betonte die Wichtigkeit der Fortsetzung der Arbeit, wie sie von Jonathan Kerr begonnen wurde.

    Ergänzungen zum Vortrag von Andreas Kogelnik aus anderen Quellen:

    Dr. Andreas Kogelnik hat vor einigen Jahren mit Dr. Montoya zusammengearbeitet, ist jetzt aber Gründungsdirektor des Open Medicine Institute (OMI). Er arbeitet an und mit mathematischen Verfahren und Datenbanken, die helfen sollen, aus vielen molekularmedizinischen Einzeldaten von Patienten Strukturen zu erkennen, die einerseits zu einer besseren Diagnose, andererseits auch zu einer besseren und gezielteren Behandlung von Krankheiten führen könnten. Mit Hilfe dieser Datenbanken könne man dann bereits aus einzelnen Messdaten von einem Patienten auf andere Abweichungen schließen, die wahrscheinlich ebenfalls vorliegen – und damit sehr schnell und gezielt behandeln.

    Diese mathematischen Ansätze in Forschung und Behandlung scheinen zukunftsweisend zu sein, insbesondere bei komplexen neuro-immunolgischen Erkrankungen, bei denen viele Systeme gestört und beeinträchtigt sind und damit aus vielen Parametern diagnostische und therapeutische Schlussfolgerungen gezogen werden müssen.

     

     

    John Chia. Rechts Bild v.l.n.r.: John Chia, Simon Carding und Trish Groves vom BMJ.

    John Chia (Torrance CA,USA) stellte seine klinischen Erfahrungen und seine Forschung über die Beteiligung von Enteroviren beim ME/CFS dar. Er begann seinen Vortrag mit einer Falldarstellung – der Patient hatte andauernde Darmbeschweren und schweres ME/CFS. Zwei Jahre später wurde bei einer Magenbiopsie enterovirale DNA entdeckt. Der Patient wurde mit chinesischen Kräutern behandelt und erlangte 70% seiner früheren Gesundheit wieder.

    Es gibt sieben Serotypen und 100 Genotypen von humanen Enteroviren (HEV). Da viele Körpersysteme betroffen sein können, kann es zu zahlreichen Symptomen kommen. Insbesondere kann es zu einem Mangel an weißen Blutkörperchen (Leukopenie) und damit verbundenem Fieber kommen. Viele grippeähnliche Erkrankungen spielen bei der Entstehung eine Rolle. Bei einer Studie an 131 ME/CFS-Patienten wurden 38% zweimal positiv auf HEV getestet, verglichen mit nur 4% der gesunden Kontrollen. Je schwerer die Symptomatik, desto höher war die Positivität. Bei einem Patienten, der verstorben war, fand man HEV im Herzen, in den Muskeln und im Gehirn. Positive Biopsien erhält man am ehesten bei Rachen- oder Magenbiopsien, aber Rachenbiopsien sind sehr schmerzhaft. Auf der klinischen Ebene sind die häufigsten Symptome Oberbauchschmerzen und Schmerzen in den Leistengruben. Von den positiven Patienten waren 84% schwer erkrankt.

    Bei der Diagnose sollte man mit einer sehr sorgfältigen Erhebung der Krankengeschichte beginnen. Dazu gehören auch Fragen zur der Infektion zu Beginn der Erkrankung, Fragen nach früheren Erkrankungen, insbesondere Infektionen der oberen Atemwege und Asthma, Impfungen, Einnahme von Steroiden, Exposition gegenüber verunreinigtem Wasser, Zeckenbisse etc. Eine Überprüfung der Krankenakte und Labortests sind notwendig. Es gibt gewöhnlich nur wenige körperliche Anzeichen, obwohl der Rachen entzündet und der Bauch druckempfindlich sein kann. Die Untersuchung auf HEV sollte mit neutralisierenden Antikörpern und mit einer Immunperoxidase-Färbung der Biopsien vorgenommen werden. Wenn im Magengewebe doppelsträngige RNA gefunden wird, dann stützt das den Befund einer viralen Persistenz. Die Symptome sollten auf die Untersuchungsergebnisse bezogen werden.

    Eine Behandlung kann durch antivirale Mittel wie Pleocarnil, Acyclovir, Ganciclovir und Cidofavir erfolgen; eine Immunmodulation kann durch Ampligen, intravenöse Verabreichung von Immunglobulinen, Interferon und pflanzlichen Immunstimulanzien erfolgen. Er stellte eine weitere Studie vor, in der das pflanzliche Produkt Oxymatrine eingesetzt wurde. 52% zeigten eine positive Reaktion, und das waren die Patienten mit positiven Biopsien. Es gab anfangs einige Nebenwirkungen und eine Verstärkung der CFS-ähnlichen Symptome. Die Dosis muss sehr langsam gesteigert werden. Das Pflanzenprodukt ist jetzt verfeinert worden und ist unter dem Namen Equilibrant im Handel. Es wird besser vertragen, obwohl die Patienten weiterhin eine anfängliche Verstärkung ihrer Symptome erleben können. Die Dosis sollte langsam über zwei bis vier Wochen hinweg aufgebaut werden.

    Ergänzungen zum Vortrag von John Chia aus anderen Quellen:

    Dr. John Chia hat sich, wie im vergangenen Jahr auch, auf die Darstellung seiner Forschungsergebnisse zu Enteroviren bei ME/CFS konzentriert. Etwa 35% der ME/CFS-Patienten würden positiv auf Enteroviren im Darm getestet. Je höher die Virustiter, desto kränker seien die Patienten. Da es bei ME/CFS-Patienten häufig eine Verschiebung des Th1/Th2-Gleichgewichts in Richtung Th2 gäbe, sei die Bekämpfung der Pathogene schwierig. Er setzt in der Behandlung verschiedene pflanzliche immunstärkende Mittel ein und erreicht wohl bei einigen Patienten eine Reduzierung der Schmerzen und eine Verbesserung der kognitiven Funktionen. Er sprach auch vom Einsatz von Immunglobulinen, die die inflammatorischen Symptome jedoch nur bei einem Drittel der erwachsenen Patienten reduzierten, während sie bei Kindern und Menschen mit schweren Myalgien offenbar effizienter seien. Alpha- und Gamma-Interferon könnten bei etwa 45% der Patienten zu einer kurzfristigen Besserung führen, seien aber teuer und würden oft schlecht vertragen. Oxymatrine oder Equilibrant halfen 52% der ME/CFS-Patienten, wobei es meist jedoch zu einer Anfangsverschlechterung kam. Deshalb müsse man hier mit niedrigen Dosen beginnen und dann langsam steigern. Wenn dies jedoch nach sechs Monaten keinen positiven Effekt hätte, würde es nicht wirken.

    Professor Geoffry Burnstock ist ein 82 jähriger Forscher, der den Großteil seines Forscherlebens zu Fragen des autonomen Nervensystems gearbeitet hat, insbesondere über Neurotransmitter im autonomen Nervensystem. Er hat entdeckt, dass ATP, die sozusagen universelle Energiewährung, die in den Mitochondrien der Zellen entsteht, außer der Funktion als Energielieferant auch eine Funktion als Co-transmitter zusammen mit bekannten Neurotransmittern hat. Außerdem hat er schon in den frühen 1970ern die P2 purnergen Rezeptoren entdeckt, ihre Signalpfade und ihre funktionelle Relevanz.

     

    Rechts Professor Geoffrey Burnstock

    Professor Geoffrey Burnstock (University College, London) hat ursprünglich entdeckt, das ATP ein Transmitter bei nonadrenergen und noncholinergen Nerven ist. Er hat die P2-purinergen Rezeptoren entdeckt und definiert. Seine Arbeit hat einen enormen Einfluss auf das Verständnis der Mechanismen des Schmerzes gehabt. Er sprach über purinerge Signalwege und Erkrankungen des zentralen Nervensystems und hofft, dass dies auch in ein Verständnis der Mechanismen des ME/CFS übertragen werden kann. Er beschrieb das purine Nukleotid ATP als ein extrazelluläres Signalmolekül, das beim Schmerz und bei inflammatorischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems eine Rolle spielt. Er gab einen historischen Überblick über seine frühen Arbeiten, die bereits in den 1960er Jahren begonnen hatten, als der Zusammenhang zwischen Adenosin und Inosin entdeckt wurde.

    Man hat dann untersucht, ob manche Nervenzellen mehr als einen Transmitter produzieren und fand heraus, dass ATP ein Co-Transmitter in allen Nerven war, den peripheren und den zentralen. ATP ist ein Signalmolekül. 1982 wurden zwei Arten von purinergen Rezeptoren identifiziert: AD und ATP. 1985 fand man heraus, dass zwei Unterarten des P2-purinen Rezeptors und vier Unterarten des P1-purinen Rezeptors bei mehreren Krankheiten eine Rolle spielten. 1993 führte ein erstes Klonen von P2-Rezeptoren zur Entdeckung von P2X und P2Y. Und dann konnte gezeigt werden, dass sieben Unterarten des P2X viele Systeme beeinflussen. P2X7 führte zu apoptopischen Zellen im Immunsystem, der Bauchspeicheldrüse, der Haut etc. und spielt eine Rolle bei Entzündungsprozessen und Krebs. P2Y hat bis zu 14 Unterarten und ist ebenfalls an vielen Systemen beteiligt.

    Beinahe alle Zellen des Körpers haben etwas mit purinergen Signalwegen zu tun. Es ist möglich, dass das P2X7, das im Immunsystem eine Rolle spielt, bei ME/CFS wichtig ist. Es ist bekannt, dass viele Zellen ATP ausschütten, nicht nur geschädigte oder absterbende Zellen, wie man früher annahm. Es gibt zwei Arten von purinerger Signalübertragung: die kurzfristige wie z.B. die Neurotransmission und die langfristige, die zusammenhängt mit beispielsweise der Entwicklung, der Vermehrung und dem Zelltod. Die Entwicklung des Gehirns hängt mit der purinergen Signalübertragung zusammen, und insbesondere sind hier die Gliazellen von Bedeutung. Es gibt ein Interesse an der Frage der Bedeutung der purinergen Signalübertragung beim Lernen und bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Deshalb ist Burnstock der Meinung, dass es lohnenswert wäre, diese Bereiche auch bei ME/CFS zu untersuchen.

    Es gibt auch einen Zusammenhang mit dem Schmerz. ATP leitet den Schmerz möglicherweise ein. Bei Migräne strömt es während des hyperämischen Stadiums aus. Deshalb ist es wichtig, die Antagonisten zu berücksichtigen. Eine japanische Studie von Xiang et al. hat gezeigt, dass Antagonisten wirksam sein können. Es könnte auch eine Bedeutung haben bei der Alzheimer-Erkrankung, bei seelischen Störungen und bei Epilepsie. Es werden Medikamente wie etwa ATP-Hemmer, Mittel zur Kontrolle der Expression der P2-Rezeptoren und Antagonisten des P2XS entwickelt. Es gibt jetzt eine Zeitschrift zum Thema, Journal of Purinergic Signalling, mit dem man die Entwicklung der Forschung auf diesem Gebiet verfolgen kann.

     

    James Baraniuk

    James Baraniuk (Washington DC, USA) sprach über Proteomik bei ME/CFS. Sein Forscherteam hat die Rückenmarksflüssigkeit untersucht. Man war besonders interessiert an den Patienten, die unter Dysfunktionen des zentralen Nervensystems litten, einem entscheidenden Bestandteil des ME/CFS und verwandter Syndrome. Diese Patienten zeigten Symptome einer zentralen Sensibilisierung, u.a. übermäßige Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie) und eine Schmerzempfindung schon bei leichter, normalerweise nicht schmerzhafter Berührung (Allodynie), autonome Dysfunktionen, kognitive Dysfunktionen und schwere Kopfschmerzen. Bei den CFS-Patienten hat man einen erhöhten Druck bei der Rückenmarkspunktion entdeckt, die mit der Intensität der Kopfschmerzen, der Schlafstörungen, der Gedächtnisprobleme, der Erschöpfung und der Schmerzen korreliert.

    Man hat in der Rückenmarksflüssigkeit nach Biomarkern gesucht. Das Ziel der Forscher war, zum Verständnis der pathophysiologischen Mechanismen des ME/CFS beizutragen, diagnostische Biomarker für zukünftige Untersuchungen zu liefern und an möglichen neuen Behandlungsformen zu arbeiten. Sie haben in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit so viele Proteome wie möglich untersucht. Die Methoden der Analyse wurden dargestellt.

    Bei der ersten Studie hat man drei Gruppen von Patienten untersucht: Menschen mit Fibromyalgie, mit Golfkriegssyndrom (von denen die meisten ME/CFS hatten) und Kontrollpersonen. Es wurden 10 Proteome gefunden, die sich von denen der gesunden Kontrollen unterschieden. Die Proteomgruppen, die gefunden wurden, entsprachen der jeweiligen Funktion (z.B. der vaskulären Regulation, der immunologischen und strukturellen Schädigung, Struktur und Reparatur etc.)

    Baraniuk sprach dann über die Studie von Schutzer (psychiatrische Patienten waren hierbei ausgeschlossen). Diese Forscher hatten CFS-Patienten untersucht und mit solchen mit Lyme-Borreliose verglichen. Man hat in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit 2630 Proteine identifiziert. 95-99% der Proteome wurden beseitigt (diejenigen, die am häufigsten vorkamen). 738 Proteine hat man ausschließlich in den Proben von CFS-Patienten gefunden. Einige davon fand man auch bei Lyme-Borreliose-Patienten. Proteom-Untersuchungen sind sehr teuer (500.000 Dollar für eine einzige Untersuchung). Die Schlussfolgerung war, dass man anhand von Proteomen der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit die Untergruppen von mit Erschöpfung verbundenen Krankheiten unterscheiden kann.

    Wenn einmal ein einzelnes Protein als Biomarker identifiziert ist, dann kann es mit anderen Krankheiten und gesunden Kontrollen verglichen werden, um zu bestätigen, dass es für die Krankheit spezifisch ist. Dann müssen weitere Methoden entwickelt werden, um die Ergebnisse zu validieren. Eine Kombination von Biomarker-Proteinen und Peptiden kann eine gültige Biosignatur bilden. Bestimmte Pfade können dann das Ziel für die Entwicklung von Medikamenten sein. Unsequenzierte Ionenpeaks können auf post-translationale Modifikationen untersucht werden, die auf weitere Krankheitsmechanismen wie z.B. Oxidation schließen lassen.

    Zukünftige Forschungsrichtungen sind: die Definition von Krankheit durch pathophysiologische Mechanismen, multidisziplinäre Ergebnisse und Studien, randomisierte placebo-kontrollierte Studien, fortgesetzte Prospektivstudien an gut definierten Phänotypen und eine vollständige Überprüfung der Kohorte der Golfkriegssyndrom-Patienten. Die Forscher haben die Hypothese aufgestellt, dass das Golfkriegssyndrom mit einem bestimmten Genotypen für ein Enzym, die Carnosin-Dipeptase-1, zusammenhängen kann, die ein wichtiges Antioxidans, das Carnosin abbaut. Carnosin ist potentiell symptomlindernd.

    Ergänzungen zum Vortrag von James Baraniuk aus anderen Quellen:

    Dr James Baraniuk führt an Golfkriegsveteranen mit Golfkriegssyndrom Proteomstudien durch, d.h., er vergleicht bestimmte Proteine dieser Patienten mit denen von gesunden Golfkriegsveteranen. Etwa ein Drittel der 750.000 US-Soldaten, die in den ersten Golfkrieg involviert waren, leiden jetzt am Golfkriegssyndrom – d.h. 250.000 Menschen. Man vermutet, dass das Golfkriegssyndrom mit einem bestimmten Genotyp, also einer genetischen Variante für ein Enzym zusammenhängt, welches zwei der wichtigen Antioxidantien des Körpers abbaut. Eines dieser Antioxidantien ist das Carnosin-Dipeptase-1. In einer Behandlungsstudie könnte man herausfinden, ob diese genetische Variation zum Golfkriegssyndrom beiträgt und ob eine Behandlung der Patienten mit diesem Antioxidans zu einer Abschwächung der Symptome führt.

    Die Gruppe um James Baraniuk führt außerdem auch Proteom-Studien an ME/CFS-Patienten durch. Sie untersuchen bei Lumbalpunktionen den Druck des Hirnwassers, weil sie herausfinden wollten, ob die Symptome des ME/CFS wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Gedächtnisprobleme, Erschöpfung und Schmerzen mit einem erhöhten Druck zusammenhängen könnten. Außerdem haben sie bei Golfkriegssyndrom und ME/CFS bestimmte Proteine in der Rückemarksflüssigkeit gefunden, die, so die zu überprüfende These,  bei Gesunden nicht vorkommen. Möglicherweise führen diese spezifischen Proteinkomplexe zu einem vertiefteren Verständnis dieser Erkrankungen.

     

    Simon Carding - Invest in ME haben hier einen Entwurf für ein Zentrum in Norwich ausgearbeitet.

    Simon Carding (Norwich, UK) präsentierte einen Überblick über die Arbeit, die er zusammen mit Tom Wileman an der University of East Anglia and Norwich Hospital macht. Das Team ist besonders interessiert an der Verbindung von Verdauungstrakt und Gehirn. Er gab einen Überblick über die Anatomie und Physiologie des Magen-Darm-Traktes. Dieser neun Meter lange Schlauch ist das größte Organ des Immunsystems. Es hat die zweitgrößte Anzahl an Neuronen und ist der Hauptzugangsweg für Erreger in den Körper. Es ist jeden Tag vielen Mikroorganismen ausgesetzt. Das Immunsystem muss eine Reaktion mit ständiger Wachsamkeit aufbauen und hat gelernt, zu unterscheiden. Es kann zu einem Zusammenbruch der Toleranz kommen, der dann zu Krankheit führt. Die Mikrobiota sind die normalerweise im Darm lebenden Bakterien. Es gibt einen Anstieg vom oberen zum unteren Teil des Darms, wobei die meisten im unteren Teil des Darmtrakts sind. Es gibt in unserem Körper zehn mal so viele Bakterien wie Zellen, und die Bakteriengene betragen das 100-fache. Die Genomik hat eine genauere Identifikation der Bakterien geliefert, Informationen über ihre Sequenz lassen sich in die Funktion der Bakterien übertragen, und die Ernährung formt die Bakteriengemeinden im Darm. Beim Menschen gibt es zwei Hauptsequenzen, bei Tieren sehr viel mehr. Beim Menschen kommen 57 Arten bei 90% aller Individuen vor. Drei Cluster an Organismen dominieren weltweit, und zwei Stämme dominieren. Diese sind für den gesunden Darm entscheidend. Unter vielen anderen Funktionen haben sie Abbaueffekte und produzieren Vitamine und auch eine Mischung von Viren. Ihre Aufgaben in Bezug auf Virome (die Genome aller Viren, die in einer bestimmten Umgebung wohnen) können als Signaturen von Krankheit und Gesundheit dienen. Mikrobiota sind entscheidend für Gesundheit und Wohlbefinden. Zu den vielen Funktionen gehören: Abwehr, Quelle von Vitaminen, Bereitstellung von Energie, Epithelbarriere, Förderung der Darmmotilität, lokale Immunität und orale Toleranz.

    Wenn ein Tier vollkommen frei ist von Erregern, dann gibt es ein unreifes Immunsystem, eine schadhafte Darmbarriere, defektes Lymphgewebe und defektes IgA, was zu einer Anfälligkeit gegenüber Infektionen führt. Es gibt eine Achse Mikrobiota-Darm-Gehirn. Infektionen stehen oft mit einer Diagnose in Verbindung. Sowohl Antibiotika als auch Probiotika können die Symptome lindern. Infektionen können Auswirkungen auf das Gedächtnis und das Lernen haben. Wenn die mikrobiotische Besiedlung des Darmes normal ist, dann reguliert das die Entwicklung des Gehirns, das Verhalten und die Darm-Gehirn-Achse. Stress kann Veränderungen im Darm hervorrufen. Die Darmaktivität führt zur Ausschüttung von Neurotransmittern mit immunologischen Reaktionen der Schleimhaut. Gene, Lebensstil, Geburt und Ernährung sowie ärztliche Behandlung können alle die Mikrobiota verändern. Eine Symbiose führt zu Regulation und Homöostase.

    In Bezug auf die Ernährung kann ein Ungleichgewicht von Bakterien zu Gewichtsveränderungen führen. Studien an Ratten wurden als Beispiel herangezogen. Wenn beispielsweise eine Überwucherung von Bakteroiden vorliegt, dann werden die Ratten sehr mager. Veränderungen in der mikrobiotischen Besiedlung können auch die Fähigkeit zur Bekämpfung von Infektionen beeinflussen. Normalerweise werden opportunistische Infektionen mit z.B. Helicobacter pylori, Enterokokken und Clostridien auf natürliche Weise unter Kontrolle gehalten, aber diese Kontrolle kann durch den Einsatz von Antibiotika durcheinander gebracht werden. Die Autoimmunität wird ebenfalls durch ein bakterielles Ungleichgewicht beeinflusst.

    Bei ME/CFS können ein Reizdarmsyndrom und ein Leaky-gut-Syndrom auftreten. Es gibt oft ein Übergewicht an Milchsäure produzierenden Bakterien, mit einer großen Anzahl von Enterokokken und geringen Anzahl von Escherichia Coli-Bakterien. Eine Beeinflussung der Bakterien kann potenziell zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen. Die ersten Probiotika wurden von Metchnikoff beschrieben, der im Jahr 1908 für seine Arbeit den Nobelpreis erhielt. Er setzte saure Milch ein! Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise, die den gesundheitlichen Nutzen von Probiotika stützen würden, aber es gibt Hinweise, dass ein solcher Ansatz helfen und bei ME/CFS nützlich sein kann.

    Der Vortrag endete mit einer kurzen Beschreibung der Einrichtungen, die in Norwich aufgebaut werden – dort soll ein Zentrum zum Studium der Virologie, der Genomik und der gastrointestinalen Mikrobiologie entstehen. Das wird gleichlaufend mit dem Aufbau einer Einrichtung geschehen, die sich auf die Behandlung von ME/CFS-Patienten spezialisiert.

    Ergänzungen zum Vortrag von Simon Carding und Tom Wileman aus anderen Quellen:

    Simon Carding und Tom Wileman von der Universität East Anglia sprachen über den Zusammenhang zwischen Immunsystem und Verdauungstrakt. Die Darmschleimhaut ist unser erster Verteidigungswall gegen körperfremde Substanzen. Sie erklärten in ihrem Vortrag, wie wichtig hier eine gesunde Darmflora, d.h. eine Balance der verschiedenen Bakterien ist. Das wissenschaftliche Interesse der beiden Forscher rankt sich um die Frage, wie unser Immunsystem in der Lage ist, hier zwischen den normalerweise in unserem Darm lebenden und notwendigen Bakterien (Symbionten) und solchen Bakterien zu unterscheiden, die aus der Umwelt kommen und krankmachend sind. Es geht hier um die Mechanismen, die dazu führen, dass das Immunsystem diese in einer Symbiose mit uns lebenden „guten“ Bakterien nicht mehr ignoriert und toleriert, sondern als „Feinde“ betrachtet und bekämpft. Die daraus folgende Aktivierung des Immunsystems führt dann zu einer entzündlichen Darmerkrankung.

     

     

    Øystein Fluge und Olav Mella

    Øystein Fluge und Olav Mella (Bergen, Norway) stellten ihre faszinierende Forschung und aufregenden Ergebnisse detailliert dar, aber die Arbeit unterliegt gegenwärtig noch einem Embargo, weil sie erst veröffentlicht werden soll. Dieser Abschnitt wird dann ergänzt.

    Ergänzungen zum Vortrag von Øystein Fluge and Olaf Mella aus anderen Quellen:

    Øystein Fluge and Olaf Mella sind Onkologen aus Bergen, Norwegen. Sie haben eine Patientin, die unter ME/CFS und dann zusätzlich noch unter einem B-Zell-Lymphom litt, mit Antikörpern gegen bestimmte B-Lymphozyten (CD20-Zellen) behandelt. Dieses Medikament mit dem Namen Rituximab bekämpfte offensichtlich nicht nur den Krebs, sondern führte zu einer dramatischen Besserung des ME/CFS der Patientin. Allerdings kam es einige Monate nach der Behandlung zu einem Rückfall. Daraufhin begannen sie, diesen Zusammenhang systematisch zu untersuchen, d.h., sie gaben der Patientin erneut Rituximab, und wie beim ersten Mal besserten sich nach einer gewissen Zeit die ME/CFS-Symptome dramatisch. Sie führten daraufhin eine Pilotstudie mit mehreren solcher Patienten durch – mit gleichem Erfolg. Ihr gegenwärtiges Projekt untersucht nun, ob mit einer wiederholten Gabe des Rituximab vor dem Auftreten eines erneuten Rückfalls zumindest für eine Untergruppe von ME/CFS-Patienten eine dauerhafte Besserung ihres Zustandes erreicht werden kann.

     

    Kenny de Meirleir

    Kenny de Meirleir (Brussels, Belgium) gab einen ausgezeichneten Überblick seiner bisherigen Arbeit und bezog dies insbesondere auf seine klinische Arbeit. Er umriss die vielen Tests, die er bei seinen Patienten durchführt, um eine Diagnose zu stellen und dann zu einer Behandlung überzugehen. Die Tests und die möglichen bzw. zu erwartenden Anomalien werden hier aufgelistet:

    Bluttest 1, grundlegende Tests:

    ·        Niedrige Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein

    ·        Normale oder erhöhte Hämatokrit-Werte

    ·        Thrombozytose

    ·        Verminderte Harnsäurewerte (in Verbindung mit einer Th2-Verschiebung)

    ·        Kupfer/Ceruloplasmin erhöht

    ·        Transaminasen GOT/GTP erhöht (erhöhte Kupffer-Zell-Aktivität)

    ·        Gamma-GT abnorm (Leberverfettung), Alkoholintoleranz

    ·        Vitamin D3(OH)/Vitamin D1,25dOH niedrig

    ·        Alkalische Phosphatase niedrig

    ·        Eisen kann hoch oder niedrig sein – auf Hämochromatose achten

    ·        IgG1/IgG3-Mangel

    ·        Anormale Protein-Elektrophorese

    Bluttest 2: Immunphänotypisierung: niedrige Lymphozytenzahl, verändertes CD4/CD8-Verhältnis, variable CD4 und CD8-Zellen, anormales NK-Zell-Verhältnis, B-Zellen können hoch oder niedrig sein

    Bluttest 3: CD14 bei 90% erhöht, CD57 und Lymphozyten erniedrigt, Elastase Aktivität der Leukozyten bei einer Untergruppe erhöht, C4A bei 80%, Perforin Expression.

    Bluttest 4: IgM und IgG – auf Borrelien, Coxiella burneti, Rickettsien testen, alle können erhöht sein, IgG auf Pilzinfektionen, Schimmel, Asperigilla und Candida etc.

    Bluttest 5: Zytokine: Interleukin 8, 6, 10, 12, MCP1, MIP-1beta, TGF-beta-1 alpha, TNF.

    Bluttest 6: Nahrungsmittelintoleranzen, Kasein, Gluten, Gewebe-Transaminasen und Gliadin-Antikörper, Laktase Gendefekt.

    Bluttest 7: XMRV, Envelope, Gag, XMRV Serologie-Test

    Bluttest 8: XMRV in Bezug auf Blutspende, 50 Blutspender ohne CFS – 14% sind positiv auf XMRV, von 84 CFS-Patienten sind 57% XMRV-positiv. Wenn eine Bluttransfusion vorlag, waren 61% positiv. Von denen, die Blut gespendet hatten, waren 43% positiv, d.h. ihr Blut war nicht „sauber“. Er hat 61 Patienten aus Europa auf XMRV, MLV und XMRVc untersucht, und alle waren mindestens auf eines der Retroviren positiv. XMRV repliziert sich bevorzugt in den Schleimhäuten, und das kann eine Bedeutung für die Frage der Übertragung haben. Analyse des Stuhls: viele Anomalien werden gefunden. Er sucht nach Pilzen, Parasiten und Erregern, Giardia-Antigenen, Cryptosporidium Antigenen. IgA im Stuhl (oft niedrig bei CFS). Antichymotrypsin (bei Colitis erhöht). Chymotrypsin im Stuhl (Test auf exokrine Funktion der Bauchspeicheldrüse. Test auf okkultes Blut im Stuhl. Mikrobiologische Untersuchungen auf Enterokokken, Staphylokokken erhöht

    Überwucherung durch Prevotella

    H2S Laktat-produzierende Bakterien

    Analyse des Speichels: Cortisol, Helicobacter pylori, Giardia

    Urinanalyse : Th1/Th2-Balance – gesteuert durch den Redox-Status. Er hat einen Test für die Th1/Th2-Verschiebung entwickelt – die Farbveränderung hängt vom Ausmaß der Verschiebung ab.

    80% der CFS-Proben waren positiv (verglichen mit 4% der Kontrollen). 

    Er sprach dann über die Therapie von CFS-Patienten. Ein/e Diätassistent/in ist nötig, um mit Problemen wie Malabsorption von Fruktose, Unverträglichkeit von Gluten, Laktase und Kasein sowie Histaminüberempfindlichkeit umzugehen. Eine Dysbiose des Verdauungstraktes muss behandelt werden. Er setzt eine gepulste antibiotische Therapie ein, Probiotika, Prebiotika, Verdauungsenzyme, Entfernung von Biofilmen und, wenn die Elastase erhöht ist, Beta-Lactam Antibiotika. Für eine antientzündliche Wirkung setzt er keine nicht-steroidalen Entzündungshemmer ein, sondern etwa Artenusate, Curcumin und Hydroxy- oder Methylcobalamin. Er verwendet bei manchen Patienten auch DMSO, Isoprinosin und Kutapressin. Er setzt auch GcMAF (ein Vitamin-D-bindendes Protein) ein bei manchen Patienten, die XMRV- oder MLV-positiv sind (25 bis 100 Nanogramm wöchentlich für 5-40 Wochen). 68% zeigten eine merkliche Besserung, insbesondere bei Symptomen wie orthostatischer Intoleranz. Antivirale Mittel wie Valcyte, Valtrex oder Acyclovir und Zoonosen (nach dem ILADS-Protokoll) werden bei ausgewählten Patienten auch eingesetzt.

     

    Judy Mikovits und Wilfried Bieger

    Judy Mikovits (Reno, Nevada, USA) betonte zu Anfang ihres Vortrags, dass XMRV kein endogenes Retrovirus bei Mäusen oder Menschen ist. Es ist ein einfaches Retrovirus, und es ist unklar, wie es in die menschliche Population gelangt ist. Es wird über Androgene und Entzündungsprozesse stimuliert und es reagiert auf Cortisol, Androgene und Inflammation. Das MLV (Mäuseleukämievirus) ist ein verwandtes Virusgen und wurde von Lo und Alter bei 86,5% der CFS-Patienten entdeckt (und bei 6,8% der gesunden Kontrollpersonen). Nach einer Untersuchung von gelagerten Blutproben hat man nach 15 Jahren immer noch die gleichen Sequenzen bei den Patienten gefunden.

    Der Grund, warum manche Studien, die nach dem Virus suchen, scheitern, kann an den verschiedenen Variationen des XMRV liegen oder an niedrigen Werten sich replizierender Viren. Das Forscherteam aus Reno hat deshalb in unbearbeitetem Plasma gesucht. Es wurden Tests auf Antikörper gegen XMRV durchgeführt. Beim Western Blot Test wurden Bande sichtbar. Im Plasma von XMRV/MLV-infizierten CFS-Patienten findet man zahlreiche XMRV-Proteine. In weiteren Tests wurden aktivierte mononukleäre Zellen des peripheren Blutes aus Heparin-Röhrchen und infektiöse Zellen untersucht. In einer Patientenkohorte von britischen ME/CFS-Patienten waren 65% XMRV-positiv.

    Im weiteren Verlauf ihres Vortrags diskutierte sie die klinischen Implikationen des XMRV. Retroviren können eine erhebliche Stoffwechselaktivität erzeugen. Diese kann durch das Virus oder Viruspartikel oder Virusproteine hervorgerufen werden. Es gibt einen deutlichen oxidativen Stress und einen Abbau von Glutathion und eine abweichende DNA-Methylierung. Das alles steigert die Virusreplikation. Das bedeutet, es können zwei wichtige Lehren daraus gezogen werden: es können sich Leukämien und Lymphome entwickeln und es kann eine entzündliche Reaktion ausgelöst werden. Da die Viruslast im peripheren Blut niedrig ist, könnten die B-Zellen in Geweben wie der Milz und den Lymphknoten das Virusreservoir für das XMRV bilden. Bei chronischen Krankheiten kommt ein Virus selten allein, und bei ME/CFS können viele Viren eine Rolle spielen. Auch kann es sein, dass die XMRV-Infektion allein noch nicht notwendigerweise zur einer Erkrankung führt.

    Judy Mikovits sprach auch über HTLV-1, einem Retrovirus, das Leukämien und Lymphome verursacht. Die Mehrheit der Virusträger ist asymptomatisch, aber das Risiko, im Verlauf des Lebens Leukämie oder ein inflammatorisches Syndrom wie Gelenkerkrankungen und Myelopathien etc. beträgt 5-8%. Das HTLV-1 tritt hauptsächlich in Afrika, Japan und Südamerika auf.

    Judy Mikovits und ihr Team haben eine Signatur inflammatorischer Zytokine und Chemokine identifiziert, die XMRV-infizierte Patienten von gesunden Kontrollpersonen mit einer 94%igen Sensitivität und Spezifität unterscheiden kann, sowie eine XMRV-positive Patientenpopulation mit abweichenden Methylierungsprofilen, die mit einer Infektion mit Gamma-Retroviren übereinstimmt, und eine Population mit einer hohen Nagalase-Aktivität. Nagalase ist ein Enzym, welches die Abtötung von Tumoren durch Makrophagen blockiert. Man hat diese Patienten mit dem Immunmodulator GcMAF behandelt, und sie haben darauf angesprochen. Auch eine Behandlung mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern und antiviralen Medikamenten kann geeignet sein. Judy Mikovits befürwortet auch eine Unterstützung des Stoffwechsels mit Nahrungsergänzungsmitteln. Es gibt Belege dafür, dass eine Immunmodulation mit Medikamenten wie Ampligen für manche Patienten hilfreich sein kann.

    Wenn man die Viruslast, die Ko-Infektionen und die Immundysfunktionen überwacht, dann führt das zu einem besseren Verständnis der klinischen Implikationen und zu einer besseren Behandlung des ME/CFS.

     

    Wilfried Bieger und Judy Mikovits

    Der letzte Vortrag des Tages wurde von Wilfried Bieger aus München gehalten. Er beschrieb, dass ihre ersten Versuche, das XMRV zu finden, zu negativen Ergebnissen geführt hatten. Sie haben dann mit Judy Mikovits zusammengearbeitet und ein hochsensitives, spezifisches und nicht-kontaminiertes Testprotokoll für die Virusbestimmung aufgebaut, die Virus-DNA sequenziert und mit Hilfe von Western Blot Antikörper gemessen. Im frischen Blut haben sie keine Virus-DNA oder -RNA gefunden, aber nachdem sie die mononukleären Zellen des peripheren Blutes stimuliert und 6 Wochen kultiviert haben (teilweise ko-kultiviert mit permissiven LnCap-Zellen), erwiesen sich die kultivierten Zellen einiger Patienten als XMRV-positiv. Das Vorliegen des XMRV wurde durch die XMRV-spezifische DNA bestätigt. Bislang waren etwa 40% der untersuchten Proben positiv. Dr. Bieger sagte dann, dass es bei ME/CFS häufig zu einer EBV-Reaktivierung kommt. Eine antivirale Therapie ist hier erfolgversprechend. Die Konferenz endete mit einer kurzen Zeit für Fragen und Antworten, um eine Fragen mit einer Vertreterin des British Medical Journal (BMJ) zu klären und zu diskutieren. Diese Dame fand den Tag äußerst interessant.

    Ergänzungen Fragen und Antworten aus anderen Quellen:

    Invest in ME hatte schon immer Einladungen an die medizinischen Fachzeitschriften wie The Lancet und das British Medical Journal (BMJ) gesandt, aber sie hatten normalerweise die Einladung nicht angenommen. Dieses Mal aber sandte das BMJ ihre stellvertretende Herausgeberin, Dr. Trish Groves, eine Psychiaterin. Während der Frage- und Antwort-Session richtete sie ein paar Worte an die Konferenz. Sie sagte, dass die Konferenz sich auf das falsche Gebiet konzentriert hätte und dass es doch gar nicht um die Patienten gegangen sei. Und die Vorträge seien zu komplex gewesen, als dass man ihnen hätte folgen können. (In einem späteren Artikel im BMJ gibt sie zu, dass sie nichts davon verstanden hat. Was für jemanden mit dem Fachgebiet Psychiatrie auch wenig verwunderlich ist - man fragt sich an dieser Stelle, warum das BMJ keinen Immunologen, Infektionsspezialisten, Endokrinologen o.ä. geschickt hat, sondern eine Psychiaterin?). Sie sagte dann, sie würde uns gerne erklären, wie wir Studien gestalten müssten, damit sie im BMJ veröffentlicht würden.

    Beides wurde von vielen Anwesenden als verständnislos oder gar provokativ empfunden. Einige Teilnehmer, die sich auf Krücken zur Konferenz geschleppt hatten, griffen sie (auf für britische Verhältnisse recht heftige Art und Weise) an und beklagten, dass das BMJ mitverantwortlich sei für die Misere der ME/CFS-Patienten, weil es seit Jahr und Tag die "psychiatrische Schule" verfolgen und veröffentlichen und die vielen biomedizinischen Erkenntnisse nicht veröffentlichen würde.

    Auch andere Teilnehmer kritisierten Trish Groves bzw. das BMJ heftig.

    Annette Whittemore gelang es schließlich, mit einigen versöhnlichen Worten und einem Dank an Trish Groves für ihr Kommen die Konferenz mit einer friedlicheren Atmosphäre zu beenden.

    v.l.n.r.: John Chia, Simon Carding, Trish Groves, Olav Mella, Øystein Fluge

    Ich möchte ANZMES für ihre Hilfe danken, die es mir ermöglichte, dieser äußerst wertvollen und lohnenden Konferenz beiwohnen zu können. Und ein herzliches Dankeschön an Invest in ME für die hervorragende Organisation.

    Rosamund Vallings, MNZM, MB BS

    Auckland, Neuseeland

    Eine weitere Zusammenfassung der Konferenz von Dr. Megan Arroll finden Sie hier.