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    Artikel des Monats Juli 2011 Teil 2

    Charakteristische Zytokinprofile bei ME/CFS

    Forscher aus den USA und Australien haben in mehreren Studien gezeigt, dass es bei ME/CFS-Patienten charakteristische Abweichungen bei bestimmten Parametern des Immunsystems gibt. Sie bestätigen damit erneut, dass eine wie auch immer verursachte Störung des Immunsystems vorhanden ist, die sogar als diagnostisches Instrumentarium dienen kann. Die häufig gehörten Argumente, dass man bei ME/CFS „nichts finden“ könne, beruhen demnach nicht auf Fakten, sondern eher auf fehlendem Wissen und/oder mangelnder Bereitschaft oder Möglichkeit, z.B. diese Parameter zu untersuchen. Charakteristische Anomalien im Immunsystem sind zudem nur eine von vielen biologischen Markern, die man bei ME/CFS zur Diagnose einsetzen kann.

    Eine Studie vom Mai 2011 von Brenu/Klimas/Marshall-Gradisnik (1) hat 95 ME/CFS-Patienten und 50 gesunde Kontrollpersonen auf verschiedene Bestandteile des Immunsystems hin untersucht. Dazu gehörten die zytotoxische Aktivität der natürlichen Killerzellen (NK) und der CD8+T-Zellen, das Th1- und Th2-Zytokinprofil der  CD4+T-Zellen, die Expression des vasoaktiven intestinalen Peptid-Rezeptors 2 (VPACR2), die Werte für bestimmte NK-Phänotypen (CD56bright and CD56dim) und die regulatorischen T-Zellen, die einen bestimmten Transkriptionsfaktor (FoxP3) exprimieren.

    Im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen zeigten die ME/CFS-Patienten signifikante Erhöhungen für IL-10, IFN-γ, TNF-α, CD4+CD25+ T-Zellen, FoxP3- und VPACR2-Expression. Die zytotoxische Aktivität der NK- und CD8+T-Zellen sowie der NK-Phänotypen, insbesondere die CD56bright NK-Zellen, waren bei den ME/CFS-Patienten signifikant erniedrigt. Außerdem war die Expression der Granzyme A und K vermindert (http://de.wikipedia.org/wiki/Granzyme), während die Expressionswerte für Perforin bei den ME/CFS-Patienten verglichen mit den Gesunden signifikant erhöht war. Diese Daten lassen auf eine bedeutende Dysregulation im Immunsystem von ME/CFS-Patienten schließen. Diese immunologischen Anomalien könnten als Biomarker und eventuell auch als diagnostisches Instrumentarium bei ME/CFS eingesetzt werden.

    Diese Ergebnisse zeigen, dass die Immunmodulation ME/CFS-Patienten schwer gestört ist. Offensichtlich sind Versuche das immunologische Gleichgewicht zu regulieren bzw. wiederherzustellen, beeinträchtigt. Die Ergebnisse dieser Studie lassen darauf schließen, dass die in dieser Studie beschriebenen immunologischen Biomarker eindeutige Merkmals für ME/CFS sein könnten. Eine Untersuchung dieser immunologischen Anomalien, der NK-Phänotypen, der NK-Aktivität, der Aktivität der CD8+T-Zellen, IL-10, IFN-γ, TNFα, FoxP3 und VPACR2, könnten Ärzten und Patienten bei der Diagnose und Behandlung des ME/CFS helfen. Damit wäre nicht nur eine gezieltere Behandlung, sondern auch eine gezieltere Untersuchung der dieser Krankheit zugrundeliegenden pathologischen Mechanismen möglich.

    (1) Immunological abnormalities as potential biomarkers in Chronic Fatigue Syndrome/ Myalgic Encephalomyelitis

    Journal of Translational Medicine 2011, 9:81 doi:10.1186/1479-5876-9-81

    Ekua W Brenu, Mieke L van Driel, Don R Staines, Kevin J Ashton, Sandra B Ramos, James Keane, Nancy G Klimas, Sonya M Marshall-Gradisnik

    http://www.translational-medicine.com/content/9/1/81

    Auf der Entdeckung des XMRV (xenotropic murine leukemia virus-related virus) im Blut von Patienten mit Chronic Fatigue Syndrome (CFS) gründet sich die Vermutung, dass ein Retrovirus in der Pathologie dieser Krankheit eine Rolle spielen könnte. Um das genauer herauszufinden, haben Forscher vom Whittemore Peterson Institute die Zytokin- und Chemokin-Werte im Plasma von 118 XMRV-positiven CFS-Patienten untersucht und haben diese mit den Werten von 138 gesunden Kontrollpersonen verglichen (2, 3). Sie sind dabei auf eine Signatur von zehn Zytokinen und Chemokinen gestoßen, die XMRV-positive CFS-Patienten mit einer 93%igen Spezifität und einer 96%igen Sensitivität richtig identifizieren konnten. Diese Daten zeigen zum ersten Mal ein immunologisches Muster, das mit XMRV-positiven CFS-Patienten in Zusammenhang gebracht werden kann.

    Insgesamt hatte man 26 Zytokine und Chemokine gemessen. Die Werte von 19 dieser Botenstoffe unterschieden sich bei den XMRV-positiven CFS-Patienten deutlich von den Werten der gesunden Kontrollgruppe. Von diesen 19 wiederum waren elf heraufreguliert und acht herunterreguliert. Die sieben verbleibenden unterschieden sich nicht auf statistisch signifikante Weise. Der größte Unterschied ergab sich bei IL-8, einem wichtigen Vermittler der inflammatorischen Reaktion. Bei den anderen heraufregulierten Botenstoffen handelte es sich um MIP-1β, MIP-1α, IP-10, Eotaxin, MCP-1 und RANTES sowie zwei Mitgliedern der Zytokinfamilie IL-2 und TNF-α. Statistisch signifikant heruntergeregelt waren am deutlichsten der T-Zell-Entzündungshemmer IL-13. Weniger stark, aber immer noch signifikant herunterreguliert waren IL-5,IL-7, MIG, IFN-α, IL-1RA, GM-CSF und IL-4. Die nicht statistisch signifikant veränderten Botenstoffe waren IL-1β, IL-2R, IL­10, IL-17, IL-15, IFN- γ und IFN-β.

    Die Autoren schlussfolgern: „Auch wenn die Bestimmung einer XMRV-Infektion gegenwärtig kein definitives und alleiniges Instrumentarium für neuro-immunologische Krankheiten oder bösartige Tumoren ist, könnte sich eine Kombination von XMRV-Bestimmung und einer Zytokin/Chemokin-Analyse als verlässliche diagnostische Strategie erweisen und dabei helfen, den Erfolg einer Behandlung zu überprüfen. Eine solche Analyse könnte auch Einsichten gewähren in die Pathologie, die für ein Voranschreiben von einer asymptomatischen zu einer symptomatischen XMRV-Infektion verantwortlich ist.“

    „Die Ergebnisse dieser Studie lassen darauf schließen, dass eine Multiplex-Analyse der Zytokine und Chemokine in Verbindung mit einem XMRV-Test als ein sinnvolles diagnostisches Instrument für CFS dienen könnte. Außerdem stützen diese Ergebnisse weiterhin die Beschreibung von XMRV-bezogenem CFS als einer inflammatorischen Erkrankung und könnten teilweise das erhöhte Risiko für die Entwicklung von Lymphomen bei XMRV-infizierten CFS-Patienten erklären.“

    (2) In Vivo. 2011 May-Jun;25(3):307-14.

    Xenotropic Murine Leukemia Virus-related Virus-associated Chronic Fatigue Syndrome Reveals a Distinct Inflammatory Signature.

    Lombardi VC, Hagen KS, Hunter KW, Diamond JW, Smith-Gagen J, Yang W, Mikovits JA.

    http://iv.iiarjournals.org/content/25/3/307.long

    In einer weiteren, bei der 15. Internationalen Retrovirologie-Konferenz im Juni in Belgien vorgestellten Studie (3) schreiben die Autoren:

    „16 der 26 gemessenen Zytokine/Chemokine waren signifikant verschieden exprimiert. Elf waren heraufreguliert und fünf herunterreguliert: IL-8, IL-6, MIP1alpha, MCP-1, IFNalpha und TNFalpha. XMRV-infizierte CFS-Patienten zeigten einen verminderten Prozentsatz von CD56+ NK und CD19+ B-Zellen. Der Phänotyp der NK-Zellen bei XMRV-infizierten CFS-Patienten war verändert. 80% hatten eine signifikant reduzierte CD56+DIM-Population. Die B-Zellen im peripheren Blut waren CD20+, CD23 + reife B-Zellen. Schlussfolgerung: Die XMRV-Infektion führt zu einer Dysregulation der Immunantwort, entweder direkt durch die Infektion spezifischer Untergruppen von Leukozyten oder indirekt durch eine Zytokinmodulation.“

    Lombardi et al.: Immune correlates of XMRV infection. Retrovirology 2011 8(Suppl 1):A221.

    http://www.retrovirology.com/content/8/S1/A221