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    Artikel des Monats
Juni 07 Teil III

    Männer und ME/CFS

    Umfrage der britischen Patientenorganisation Action for M.E. veröffentlicht

    ME/CFS betrifft Menschen aller Altersgruppen, sozialen Schichten und ethnischen Gruppen, aber es gibt, wie bei anderen immunologischen Erkrankungen auch, einen deutlichen Überhang von Frauen. Etwa zwei Drittel der Betroffenen sind weiblich, so dass die Erkrankung oft als ein Problem von Frauen angesehen wird. Die speziellen Probleme von Männern werden dabei leicht übersehen. Das ergab eine frühere große Umfrage der Patientenorganisation unter ca. 2000 Betroffenen.

    Aus diesem Grund hat Action for M.E. zu Beginn des Jahres 2007 eine gründliche Befragung von 200 Männern mit der Erkrankung durchgeführt. Die Betroffenen wurden mittels Fragebogen und in ausführlichen Telefoninterviews befragt. Hier die wichtigsten Ergebnisse: 

    Men & M.E.: Get informed. Get diagnosed. Get help.*

    Das Thema der Kampagne 2007 der Action for M.E., die offiziell Anfang Mai anlässlich des M.E. Awareness Month gestartet wurde, lautet „Männer und M.E.“. Die Kampagne umfasst die Veröffentlichung einer großen Umfrage, die zu Beginn des Jahres durchgeführt wurde, um herauszufinden, welche Auswirkungen die Erkrankung speziell für Männer hat, wie sie sich z.B. auf das Gefühl der Männlichkeit und auf die Identität auswirkt und auf die Wahrscheinlichkeit, eine rasche Diagnose zu erhalten.

    Es konnte gezeigt werden, dass eine rasche” Diagnose, d.h. innerhalb des ersten Jahres der Erkrankung, die Zeitdauer der Erholung beträchtlich reduziert.

    Eine erste Untersuchung lies darauf schließen, dass ein erheblicher Teil der Männer mit M.E. mehr Schwierigkeiten hat, eine offizielle Diagnose zu bekommen, als Frauen,“ erklärt Trish Taylor, Vorsitzende der Aciton for M.E. „Wir wollten herausfinden, warum dies der Fall ist – und welche besonderen Auswirkungen diese entkräftende Erkrankung auf die Lebensqualität und das Gefühl von Männlichkeit haben kann.”

    Es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass Männer seltener zum Arzt gehen als Frauen, in der Hoffnung, dass ihre Beschwerden von alleine verschwinden. Aber mit dieser Erkrankung ist das das Schlimmste, was man machen kann,” fügt Trish Taylor hinzu. “Wenn man als Mann M.E. bekommt, dann geht es nicht darum, sich durchzubeißen und so zu tun, als ob man nicht krank sei. Es geht vielmehr darum, sich zu informieren, eine Diagnose und Hilfe zu bekommen („It is about getting informed, getting diagnosed and getting help.“).“

    Unser Bericht offenbart die furchtbaren Auswirkungen, die M.E. auf das Leben von Männern haben kann. Eine beträchtliche Anzahl der Männer (22,7%) verlieren durch die Erkrankung ihr Zuhause, mehr als die Hälfte durchlebt eine Scheidung oder das Zerbrechen einer Beziehung, während viele zu Beginn die Erkrankung vor ihrer Familie und Freunden verheimlichen.

    Von den befragten Männern haben die meisten als Folge der Erkrankung einen drastischen Einkommensverlust erlebt. Vor der Erkrankung hatten weniger als 10% ein Jahreseinkommen unter £10,000 (ca. 15.000€). Nach Beginn der Erkrankung stieg diese Zahl sprunghaft auf 64,2% an.

    Der Bericht der Action for M.E. über Männer und M.E. zeigt darüber hinaus folgendes:

    • 61,6% brauchen länger als ein Jahr, bis sie eine Diagnose bekommen. Ein Viertel (25%) brauchten mehr als 2 ½ Jahre, um eine offizielle Diagnose zu erhalten.

    • 51,8% machen eine Scheidung oder das Scheitern einer Beziehung durch. 22,7% verlieren ihr Zuhause.

    • Nachdem sie eine Diagnose bekommen hatten, hat fast ein Drittel (30,3%) diese dem Arbeitgeber gegenüber verschwiegen, und 39,1% gegenüber der Familie.

    • 88,5% haben anfangs ihre Erkrankung gegenüber Freunden verschwiegen.

    • 14,6% sind erst nach über einem halben Jahr zum Arzt gegangen.

    • 42,7% haben sich erst nach über einem Monat ärztliche Hilfe gesucht.

    • Beinahe ein Drittel (27,3%) haben den Eindruck, dass ihr Geschlecht Auswirkungen darauf hat, wie sie im Verlauf des diagnostischen Prozesses von den Ärzten behandelt werden.

    Wir haben kürzlich eine Broschüre über „Men & M.E“ veröffentlicht, in der die Ergebnisse unserer Umfrage und unserer gründlichen Forschungsarbeit dargestellt werden. Wir hoffen, dass wir die betroffenen Männer dazu ermutigen können, sich früher Hilfe zu suchen und ihnen und ihren Partnerinnen und Freunden ein größeres Verständnis der Erkrankung vermitteln können.

    Übersetzung von Regina Clos

    Das Original des Textes finden Sie hier.

    Anmerkungen zur Übertragbarkeit der Studie auf deutsche Verhältnisse finden Sie weiter unten.

    Einen ausführlichen Presseartikel zu dieser Umfrage finden Sie hier (in englischer Sprache) in der südspanischen Zeitung SUR.

     

    Einen beeindruckenden kurzen Erfahrungsberichts eines jungen Mannes, der mit 27 Jahren erkrankte, finden Sie hier.

     

    *(Etwa: Männer und ME/CFS: Informieren Sie sich. Bekommen Sie eine Diagnose. Suchen Sie sich Hilfe. – "Get informed. Get diagnosed. Get help."  ist das Motto einer 4-Million-Dollar-Kampagne der amerikanischen Gesundheitsbehörden in Zusammenarbeit mit der CFIDS Association of America, mit der die Öffentlichkeit über die Erkrankung aufgeklärt werden soll. Näheres zu dieser Öffentlichkeitskampagne finden Sie hier und in allen drei Artikeln des Monats Mai 06 auf dieser Website. R.C.)

     

    Die ausführliche Broschüre der Action for M.E. können Sie hier als pdf-Datei herunterladen.

    Im Folgenden finden Sie einige Zitate aus dieser Broschüre, die auf beeindruckende Weise die verheerenden Folgen der Erkrankung - speziell für Männer - aufzeigen:

    „Ich habe insgesamt 16 Ärzte aufgesucht, um herauszufinden, was mit mir los ist. Als früherer Krankenpfleger wusste ich, dass ich mir das, was da vor sich ging, nicht alles nur einbilde.“

    A.B., Walsall

    „Ich habe 6 Jahre gebraucht, um eine Diagnose zu bekommen. Erst als ich Clare Francis (Autorin und Präsidentin der Action for M.E.) in einem Fernsehinterview sah, wurde mir klar, was meine 'mysteriöse Krankheit' ist.“

    C.B., Brighton

    „Als Mann fühlt man sich schuldig, wenn man krank ist, auf jeden Fall…“

    K.O., Lancs

    „Ich wurde 2001 'richtig' krank, und ich bekam erst drei Jahre später eine Diagnose. Meine Symptome waren schon mehr als zehn Jahre da, aber ich bin – typisch Mann – nicht zum Arzt gegangen, bis mir nichts anderes mehr übrig blieb.“

    A.J., Nottingham

    „Ich habe wegen meiner M.E. alles verloren: meine Frau, meine Kinder, mein Zuhause, meine Karriere und die meisten meiner Freunde. Alle müssen sich die Realität dieser Erkrankung klar machen. Erst dann können wir anfangen, die Situation der Menschen zu verbessern, die mit dieser Krankheit leben müssen.“

    K.O., Lancs

    „Ich habe mein Zuhause verloren, ein stattliches Einkommen und den Beruf, den ich liebte – bei dem ich aber viel reisen musste. Ich bin jetzt praktisch ans Haus gefesselt, und manchmal sehe ich über Monate hinweg niemanden außer meiner unmittelbaren Familie.“

    K.S., Glos

    „Anstatt in den Ruhestand zu gehen, muss meine Frau jetzt arbeiten, um uns finanziell über Wasser zu halten. Sie muss außerdem mit meiner Niedergeschlagenheit über meine Krankheit fertig werden. Ich habe das Gefühl, als ob wir einfach bestohlen worden seien.“

    P.L., Cheshire

    „Dieses Fehlen an menschlichen Kontakten, von wechselseitigem Austausch und Gesprächen, der Verlust von wichtigen Beziehungen und guten Freunden übertrifft bei weitem die Erfahrung von Erschöpfung durch die Krankheit als solche.“

    M.P., London

    „Die Beziehungen zu den Männern unter meinen Freunden litten durch meine M.E., weil ich nicht mehr an den üblichen Aktivitäten teilnehmen konnte … und als mir klar wurde, dass sie nichts von mir und meiner Krankheit wissen wollten, habe ich sie verharmlost, um daraus etwas zu machen, dass sie nicht bedrohte oder verwirrte.“

    R.C., London

    „Ich konnte nicht mehr der Vater sein, der ich sein wollte.“

    S.C., Sheffield

    „Wenn ich jemanden neu kennenlerne, dann sage ich nicht, dass ich M.E. habe – es ist mir einfach peinlich.“

    R.B., Brighton

    „Der Ausdruck in den Augen meiner Kinder, wenn sie sehen, dass ich alles nicht kann, ist etwas, mit dem ich am schwierigsten umgehen kann. Sie können nicht verstehen, dass ich zusammenbrechen würde, wenn ich die Treppe zweimal in einer Stunde hochgehen würde. Jetzt ist es so - wenn sie sehen, dass ich versuche, mir eine Tasse Tee zu machen und meine Hände zittern, dann nehmen sie mir die Arbeit ab. Es ist eine befremdliche Situation, dass meine Kinder jetzt anfangen, für mich zu sorgen:  Damit sollte es eigentlich noch ein paar Jahre Zeit haben.“

    P.G., Staffs

    „Es ist überhaupt keine Frage, dass M.E. Auswirkungen auf meine Identität als Mann hat. Mehr oder weniger war meine Identität an das gekoppelt, was ich tat – meine Arbeit, meine Rolle als Vater und Ehemann. Meine Krankheit hat mich gezwungen, intensiv darüber nachzudenken, was und wer ich zu sein glaube…“

    D.B., Southampton

    „Als ziemlich großer Kerl – ich bin über zwei Meter groß und rasiere mir den Kopf – und als jemand, der nicht besonders krank aussieht, habe ich es nicht gerade einfach, wenn es um die Wahrnehmung der anderen geht, dass ich krank bin. Die Leute wissen zum Beispiel nicht, dass sich meine Gelenke anfühlen, als hätte man sie in Brand gesetzt, wenn ich länger als 10 Minuten laufe.“

    P.G., Staffs

     

    Anmerkung zur Übertragbarkeit und zur Lage in Deutschland:

    von Regina Clos

    Obwohl es in Großbritannien ein recht ordentliches öffentliches Bewusstsein über ME/CFS gibt und auch das Wissen um die Erkrankung bei der Ärzteschaft und bei Behörden wesentlich verbreiteter ist als hierzulande, sind die Erfahrungen der befragten Männer mit CFS/ME eher schlecht. Man kann sich vorstellen, wie katastrophal die Situation der Männer mit ME/CFS in Deutschland sein muss, wo die Aufklärung von Öffentlichkeit, Ärzten und Behörden weit hinter den Stand in Großbritannien zurückfällt.

    Insbesondere Schuldgefühle, Versagensgefühle, Schamgefühle und die Verständnislosigkeit von Familie, Freunden und Arbeitgebern müssen in einem Land, in dem noch immer in vielen offiziellen Dokumenten* und bei der Mehrheit der Ärzte ME/CFS als „somatoforme Störung“, „psychosomatische Erkrankung“, „alles nur eingebildet“ oder „Rentenneurose“ bezeichnet - und damit verharmlost - wird, für die Betroffenen noch um ein Vielfaches stärker sein. Wahrscheinlich hat die überwiegende Mehrheit der an ME/CFS erkrankten Männer in Deutschland überhaupt keine oder eine falsche Diagnose. Dass die Behandlung und das Krankheitsmanagement entsprechend unangemessen oder gar schädlich sind, muss befürchtet werden.

    Selbst wenn also von der Krankheit betroffene Männer (Frauen und Kinder gleichermaßen!) hier in Deutschland tatsächlich eine Diagnose bekommen, dann treffen sie in der Familie, bei Freunden, Arbeitgebern und Behörden mit großer Wahrscheinlichkeit auf breites Unverständnis und Unkenntnis.

    Man kann annehmen, dass sie dadurch erst recht in ein Loch von Verzweiflung, Einsamkeit, Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit, ohnmächtiger Wut oder Depression, Schuld-, Scham- und Versagensgefühlen fallen, ganz abgesehen von den dramatischen ökonomischen und sozialen Folgen, mit denen sie sicherlich ebenso fertig werden müssen wie die in dieser Umfrage zu Wort gekommenen Männer in Großbritannien.

    Die psychischen Folgen, die sich aus dem mangelnden Wissen von Ärzten und Öffentlichkeit ergeben, die also über das Erleben einer so verheerenden, entkräftenden Erkrankung wie ME/CFS hinaus entstehen, werden hierzulande erfahrungsgemäß häufig als Ursache der Krankheit betrachtet. Hier schließt sich dann der Teufelskreis von Missverständnissen - und führt zu einer zusätzlichen, „iatrogenen“ Belastung physischer wie psychischer Art. Die vorhandenen Störungen und Krankheitsmechanismen werden so leicht durch ärztliches Handeln oder Nicht-Handeln verstärkt, anstatt gelockert oder gar beseitigt zu werden.

    Die offizielle Behandlungsrichtlinie in Deutschland, wie wir sie etwa in den Richtlinien der AMWF (s.u.) finden, ist noch immer: AKTIVIERUNG. Das ist eine Empfehlung, die nach allen ernstzunehmenden Untersuchungen bei ME/CFS zumindest in der ersten Krankheitsphase absolut kontraindiziert ist, denn körperliche Belastung verstärkt und verfestigt die Krankheitsmechanismen (siehe z.B. CMO-Report).

    In diesen Dokumenten wird CFS/ME in der Regel nicht abgegrenzt gegenüber chronischen Erschöpfungszuständen, die auf anderen Erkrankungen beruhen oder unspezifisch sind (Stichwort: Burnout, Erschöpfungsdepression, psychovegetative Dystonie etc.). Solche Störungen gibt es selbstverständlich, und gerade bei depressiven Störungen sind die vorgeschlagenen Maßnahmen wie Aktivierung und Psychotherapie u.U. sogar hilfreich.

    Bei ME/CFS dagegen, wie es etwa der Kanadischen Definition entspricht, kann eine Aktivierung zum falschen Zeitpunkt und in falschem Ausmaß jedoch zu schweren Schäden führen. Psychotherapie erfasst bei ME/CFS leider nicht die zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen und kann bestenfalls als unterstützende Maßnahme im Rahmen der Krankheitsbewältigung hilfreich sein - was durchaus nicht geringzuschätzen und in der Regel auch angezeigt ist. Im Zentrum der Behandlung muss jedoch die Linderung der körperlichen Symptome durch geeignete ärztliche Maßnahmen stehen.

    Um jedoch den Menschen und ihrem körperlichen wie seelischen Leid gerecht werden zu können, muss eine solche Psychotherapie auf dem Wissen um die organischen Grundlagen und Krankheitsmechanismen beruhen, wie es der neueren biomedizinischen Forschung entspricht. Auch das kann man in Deutschland leider nicht annehmen oder voraussetzen, wenn man sich Veröffentlichungen wie die von Henningsen et al. (s.u.) ansieht.

    Die kanadische Psychiaterin Eleonor Stein sagt in ihrer Broschüre über die psychiatrische/psychologische Behandlung von Menschen mit ME/CFS: „Das beste Antidepressivum für Patienten mit ME/CFS ist eine Verbesserung ihrer körperlichen Gesundheit und ihrer Lebensqualität." (a.a.O., S. 14)

    In Deutschland muss also sowohl in der allgemeinen Öffentlichkeit wie auch in der Fachöffentlichkeit noch ein großes Ausmaß an Aufklärung und Information erfolgen, um die Lage der Menschen, die an ME/CFS - und nicht an unspezifischen Erschöpfungszuständen - erkrankt sind, zu verbessern.

    Da die Lage, besonders im Hinblick auf Forschung und Information, im englischsprachigen Ausland bereits sehr viel besser ist, scheint es sinnvoll, die dortigen Entwicklungen genau zu beobachten und aus ihnen zu lernen.

    Aus dieser Umfrage geht ganz klar hervor, dass eine frühzeitige Diagnose die Prognose deutlich verbessert und eine zu späte Diagnose und falsches Krankheitsmanagement in der ersten Phase zu schwerwiegenden Folgeschäden führen kann. Und dass eine Aufklärung von Öffentlichkeit und Ärzteschaft die Lage der ohnehin schwer gebeutelten Menschen verbessern könnte - was sicherlich für Männer und Frauen gleichermaßen gilt, und erst recht für Kinder und Jugendliche mit ME/CFS.

    *Offizielle Dokumente:

    ·         Leitlinien Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften AWMF über "Neurasthenie (ICD-10 F48.0) / Chronic Fatigue Syndrome" - hier wird noch immer das Chronic Fatigue Syndrom unter ICD-10 F48.0 gefasst und nicht, wie es die WHO vorgibt, unter G.93.3, also als neurologische Erkrankung. ME/CFS wird schlicht gleichgesetzt mit dem alten Begriff der Neurasthenie. Diese Leitlinien enthalten zahlreiche Fehler im Hinblick auf die Definition des CFS, die Behandlung und die zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen. Da sie aus dem Jahr 2001 stammen, basieren sie nicht auf den neueren Erkenntnissen zur Effektivität bzw. Schädlichkeit von kognitiver Verhaltenstherapie und Aktivierung (Graded-Exercise-Programmen). Selbstverständlich enthalten sie auch nicht die neueren Erkenntnisse der biomedizinischen Forschung im Bereich CFS/ME, also etwa der Immunologie, Genomik, Proteomik etc.

    ·         Wie CFS/ME hierzulande von führenden Psychiatern wahrgenommen wird, zeigt ein kürzlich in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet erschienener Artikel mit dem Titel "Management of functional somatic syndromes" von Henningsen P, Zipfel S, Herzog W. (Lancet. 2007 Mar 17;369(9565):946-55 - Ein Abstract des Artikels finden Sie hier.). Obwohl die Autoren allesamt Professoren an bekannten deutschen Universitäten sind, ignorieren sie weitestgehend die zahlreichen biomedizinischen Forschungsarbeiten zu ME/CFS, erheben aber dennoch den Anspruch, Aussagen über ME/CFS treffen zu können. CFS/ME wird in diesem Übersichtsartikel als eines der wichtigeren „funktionellen somatischen Syndrome“ bezeichnet wird. Das Ignorieren der mittlerweile auf Tausende zählenden Forschungsarbeiten zu den physiologischen Mechanismen und charakteristischen Anomalien bei ME/CFS ist besonders beachtenswert in einem Übersichtsartikel, der als solcher den Anspruch erhebt, die Sachlage umfassend darzustellen. Dass hier wesentliche Erkenntnisse der medizinischen Forschung schlicht ausgelassen werden (siehe z.B. die Pressekonferenz der CDC), weist eher auf die in Deutschland vorherrschende Tendenz hin, CFS/ME als harmlose Befindlichkeitsstörung darzustellen, die auf einer psychischen Fehlhaltung beruht, als auf eine objektive wissenschaftliche Erfassung der Problematik. Dass diese Tendenz gesundheitspolitische Ursachen und Implikationen hat (Stichwort: Kostenersparnis, einschlägige Interessen der Versicherungsindustrie), könnte als weitere Ursache einer solchen verzerrten Darstellung vermutet werden.

    ·         Anhaltspunkte für ärztliche Gutachtertätigkeit, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Auf dieses Dokument beziehen sich Gutachter, wenn es um die Einschätzung von Behinderungen bzw. Erkrankungen im Zusammenhang mit Rentenfragen geht.