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    Artikel des Monats Juni 2013 Teil 3

    8. Internationale Invest in ME Konferenz

    London, 31. Mai 2013

    Bericht von Christopher Cairns

    http://cfspatientadvocate.blogspot.de/2013/06/invest-in-me-conference-2013.html

    Für mich begann der Konferenztag recht früh mit dem üblichen langen Weg zum Ort der Veranstaltung. Er führt mich vorbei am Buckingham Palace durch den St. James Park an den Horse Guards vorbei und den Birdcage Walk entlang. Es war ein schöner Morgen, auch wenn ich etwas müde war, weil ich nicht genug Schlaf bekommen hatte. (Ich bin immer aufgeregt vor der Konferenz.) Dieser Teil Londons ist im späten Frühling sehr schön und grün – und am frühen Morgen ruhig. Auf dem Weg dachte ich an meine Tochter und an all die anderen, die durch diese Krankheit so schrecklich eingeschränkt sind.


    Die Arbeit von Pia und Richard Simpson zur Konsolidierung der Forschung auf dem Gebiet beginnt sich auszuzahlen. Jedes Jahr wählen sie sorgfältig eine Gruppe von Klinikern/Forschern aus, die ihre Arbeit vorstellen, und einige Schlüsselfiguren kommen jedes Jahr aufs Neue.

    Das war der Fall mit dem Eröffnungsredner, Dr. Dan Peterson, der hart daran arbeitet, für sein Lebenswerk ein Vermächtnis zu schaffen. Dr. Peterson nimmt eisern jedes Jahr an dieser Konferenz teil, unabhängig davon, ob er eine Rede hält. Das sollten mehr Kliniker/Forscher tun, da eine Menge an Informationen bei dieser Konferenz ausgetauscht werden. Ich predige allen, dass man bei dieser Konferenz einfach dabei sein muss, aber bislang ist es mir nicht gelungen, andere Amerikaner zu überreden, diese Reise zu unternehmen. Die Amerikaner machen einen großen Fehler, nicht zu dieser Konferenz zu kommen.
    Dr. Peterson gab einen schnellen Überblick zum gegenwärtigen Stand der Dinge in der ME/CFS-Forschung, und er sprach auch über das kürzliche Treffen bei der FDA [Food and Drug Administration – die US-amerikanische Arzneimittelbehörde, siehe hier, hier, hier und hier]. Diese in zwei Minuten bei der FDA vorgetragenen Ideen sind hier von Cort Johnson aufgeschrieben worden. Dr. Petersons weitgespannte Ideen zu einer kooperativen Forschung, die auf seinen vielen Jahren klinischer Praxis beruhen, waren eine perfekte Einführung für die an diesem Tag folgenden Vorträge.

    Der Konferenz vorausgegangen war ein ganztägiges Treffen am runden Tisch von 39 Forschern auf dem Gebiet des ME/CFS und verschiedenen anderen Bereichen. Invest in ME versucht einen breitgestreuten Forschungsansatz bei dieser komplexen Krankheit oder dieser Gruppe von Krankheiten zu fördern, indem man einen größeren Kreis von Forschern auch außerhalb des Gebiets des ME/CFS einzubeziehen versucht. Die entscheidenden Begriffe sind hier Kooperation, Inklusion und Expansion. Einige der Kooperationsprojekte sind sehr erfolgreich gewesen, andere weniger. Trotzdem, wenn man so viele ernsthafte Menschen für einen ganzen Tag in einem Raum zusammenbringt und diese ein Hauptthema diskutieren – „Infektion und Immunität bei Myalgischer Enzephalomyelitis” –, dann wird sich daraus etwas ergeben. Das Modell von Invest in ME – ein Tag mit einem nicht-öffentlichen Treffen und ein Tag mit öffentlichen Vorträgen – ist ausgesprochen überzeugend.

    Als nächstes sprach Dr. Andreas Kogelnik vom Open Medicine Institute. Dr. Kogelnik gab einen Überblick über die Arbeit des Open Medicine Instituts und seinem Sprössling, den beginnenden Forschungsprojekten der OMI-MERIT-Initiative. Er sprach weniger über klinische Arbeit und mehr über das größere Bild, wie man an diese Krankheit herangehen kann, indem man Kooperation, Technologie und Datensammlung einbezieht. OMI-MERIT hat eine Strategie, die er vorstellte. Er sprach auch über die Explosion von Instrumentarien, mit denen man Messwerte erheben und verfolgen kann, z.B. einem EEG, das an ein I-phone gekoppelt wird. Später hat Dr. Kogelnik mir gegenüber erwähnt, dass Dr. Eric Schadt vom ME/CFS-Center am Mt. Sinai Hospital sich zu dem OMI-MERIT-Projekt hinzugesellt hat.
    Aus meiner Sicht sind das sehr gute Neuigkeiten.

    Dr. James Baraniuk führt sehr wichtige Arbeiten über das Gehirn und das Golfkriegssyndrom durch. Er war dieses Jahr nicht in der Lage, zur Konferenz zu kommen. Statt seiner kam sein Kollege Rakib Rayhan. Es war Dr. Rayhans erste öffentliche Präsentation, und sie war sehr gut. Er stelle Informationen aus einem kürzlich veröffentlichten Artikel zum Golfkriegssyndrom vor und deutete an, dass es weitere Veröffentlichungen geben wird – ebenso wie eine Ausdehnung dieser Forschung auf ME/CFS-Patienten. Rakib hat einen guten Eindruck vom „wissenschaftlichen Diskurs“ bekommen, als ein Kliniker aus dem Publikum versuchte, seine Forschungen auseinanderzunehmen. Rakib hat seine Arbeit sehr gut verteidigt.
    Eine ganz unabhängige Begebenheit, die mich sehr überraschte war, von Dr. Jonas Blomberg, einem schwedischen Virologen aus Uppsala in einem Gespräch zu hören, dass er die Arbeit von Dr. John Chia stark infrage stellt, eine Arbeit, von der ich immer sehr viel gehalten habe. Das ist für Dr. Chia nichts wirklich Neues, da es zwischen beiden seit langem eine Diskussion gibt. Das Schöne an einer offenen, kooperativen Diskussionskultur ist, dass man Antworten bekommt, wenn man Fragen stellt.

    Mady Hornig hielt einen sehr schönen Vortrag, der dem entsprach, den sie im Januar in Florida gehalten hatte. Man kann sich diesen Vortrag hier anhören. Sie sprach über das Gebiet von Gendefekten, die zu ME/CFS führen und welche Variablen dazu beitragen, dass man ME/CFS bekommt. Nach dem Vortrag wurde sie nach dem gefragt, was wir alle wissen wollen. Was kann sie uns über die laufende CFI-Lipkin-Studie verraten? Sie sagte, dass 80% der Blutuntersuchungen abgeschlossen sind, aber dass noch eine Menge weiterer Untersuchungen an Speichel, Stuhl und Urin durchgeführt werden müssen. Sie sagte, dass sie etliche vielversprechende Erreger-„Kandidaten“ ermittelt haben, einschließlich einem „neuen Erreger“ – aber die Arbeiten sind noch in einem frühen Stadium, und es könnten noch keine Schlüsse daraus gezogen werden. Den Begriff „neuer Erreger“ habe ich zuvor schon mal irgendwo gehört.

    Die Politik von Invest in ME ist, viele einzubinden. Dieses Jahr haben sie Dr. Clare Gerada zu erreichen versucht, die mit Ihr-wisst-schon-wer verheiratet ist [dem Psychiater Sir Simon Wessely, der prominenteste Vertreter einer psychogenen Verursachungshypothese bei „CFS“, d.Ü.]. Dr. Gerada hat die Einladung angenommen, was überraschend sein mag oder auch nicht. Eine Person in dieser Position, die eine hochrangige Fachfrau im Staatsapparat ist und die sich an ein voraussehbar feindliches Publikum richtet, hat verschiedene Möglichkeiten, mit so einer Situation umzugehen. Die meisten würden kommen und ihr Interesse an dieser besonderen Krankheit bekunden, versprechen, zu tun, was sie tun können und ein paar Fragen beantworten und die ganze Zeit über eine professionelle aber freundliche Distanz wahren. Dr. Gerada hat sich für ein anderes Vorgehen entschieden, das ans Groteske grenzte. Sie zog es vor, detailliert ihren eigenen Job zu beschreiben und die Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten, mit denen sie sich täglich herumplagen muss. Lasst mich über meine eigenen Probleme reden. Es war eine unerwartete und verwirrende Rede, die da einem Publikum von kranken Menschen und ihren Fürsprechern gehalten wurde. Sie erinnerte mich an meine Mutter. Jetzt hast Du aber genug über Dich selbst geredet, lass uns mal über mich reden. Die Botschaft, die sie zu vermitteln schien war, wenn Sie glauben, dass die Lage derzeit schlecht ist (was den Nationalen Gesundheitsdienst NHS angeht), dann seien Sie darauf gefasst, dass es noch schlimmer werden wird. Ich habe mir andauernd gesagt: „Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen. Was soll denn das?“ Ich war erstaunt von ihr zu hören, dass sie nicht wüsste, wie man einen ME-Patienten behandeln müsse. Vielleicht sollte man sie Dr. Irving Spurr vorstellen. Er würde ihr das erzählen – behandele einen ME-Patienten mit Mitgefühl, mit Verständnis. Er würde ihr die positiven Auswirkungen von wirklichem ärztlichem Handeln erklären – Händehalten und nicht Händeringen. Das ist genau das, was ich für meine Tochter zuhause nicht bekommen kann – einen Arzt, der versteht, wie man sich als Arzt verhält und was das bedeutet.

    Dr. Gerada versetzte das Publikum in eine Lage, in der man nur noch einen gellenden Schrei ausstoßen möchte. Der Moderator Ian Gibson hielt auf recht durchgreifende Weise den Deckel auf der Situation und versuchte, die Fragen zu lenken. Trotzdem gelang es einigen äußerst redegewandten Patienten (oder Fürsprechern), Dr. Gerada das Zugeständnis zu entringen, dass ME eine schwerwiegende Krankheit sei sowie einige Zugeständnisse, dass sie möglicherweise in der Lage sei, zu helfen. Das Ganze hatte einen unangenehmen und unaufrichtigen Beigeschmack. Ich werde immer misstrauisch, wenn jemand beim Antworten nach unten blickt oder sich so weit wie möglich zurücksetzt. Psychologisch gesehen war Dr. Geradas Körpersprache nicht sehr vielversprechend.

    Sie verließ sofort danach den Versammlungsort. Es gab keine Nachwirkungen. Insofern hat sie uns einen Gefallen getan – als einem absurden Kontrapunkt, einem regelrechten Intermezzo zu den ernsthaften Gesprächen, die danach folgten. Seien Sie versichert, dass diese „groteske Episode“ keine Spuren im positiven Ablauf des Tages hinterließ. Die einzige Konsequenz der verlängerten Zeit für Fragen an Dr. Gerada war, dass dies die beiden nächsten Vorträge beeinträchtigte, die dann in abgekürzter Fassung präsentiert werden mussten. Leider musste Professor Sonya Marshall-Gradisnik in letzter Minute absagen. Sie führt wichtige Arbeiten zur NK-Zell-Forschung durch, und ich hatte mich auf ihre neuen Ergebnisse gefreut. Ihr Kollege Dr. Don Staines trug ihre Forschungsarbeiten an ihrer Stelle vor, aber wiegesagt in etwas abgekürzter Form.

    Zwei neu an dieser Konferenz teilnehmende Forscher waren Dr. Amolak Bansal von den Epsom and St. Heller University Hospitals und Professor Carmen Scheibenbogen von der Charité Berlin. Beide hielten Vorträge, die sich in vielerlei Hinsicht an die Ideen der anderen anschlossen. Prof. Scheibenbogen arbeitet über EBV und entwickelt einen Peptidtest, der sehr wohl helfen könnte, die Beteiligung einer EBV-Reaktivierung bei ME/CFS-Patienten festzunageln. Das wäre eine sehr wichtige Erkenntnis, und sie sagte, es könne bereits in sechs Monaten etwas Abschließendes vorliegen. Dr. Bansal ist ein weiterer dieser engagierten und einfühlsamen Newcomer, und es war großartig, sich mit ihm zu unterhalten. Seine neueste Studie finden Sie hier. Es war in der Tat großartig, mit vielen dieser Kliniker/Forscher zu sprechen – da dies an sich schon für die gemeinsamen Werte spricht, die in der breiteren klinischen/Forschungswelt des ME/CFS entstehen.

    Mella und Fluge haben ihre Vorträge wie schon im vergangenen Jahr aufgeteilt. Sie boten zusätzliche Informationen über ihre Studien, baten aber, diese nicht zu verbreiten, da sie auf ihre Publikation warten. Alles, was ich sagen kann ist, dass diese Forschungsarbeiten vorangehen und dass es jetzt den Anschein von Unumkehrbarkeit hat. Ich habe mit Dr. Mella über den Einsatz eines Fitbit-Schrittzählers anstelle einer Selbsteinschätzung der Patienten gesprochen, die meines Erachtens eine komplette Zeitverschwendung ist. Er deutete an, dass er einen Bewegungsmesser benutzt hatte, den gleichen, über den Kogelnik gesprochen hatte, aber dass er zu teuer sei, um alle Patienten damit auszustatten. Ich sagte ihm dass der Fitbit-Messer $100 kostet, was ihn erstaunte. Ich bin nicht sicher, ob er mir geglaubt hat, aber ich hoffe, dass er langfristig alle seine Patienten damit ausstattet und so objektive Informationen über ihre Fortschritte bekommt. Diese Leute sind sehr schlau, aber sie wissen auch nicht alles.
    Am Ende des Konferenztages stellte der Moderator Ian Gibson fest, dass das Publikum den gesamten Tag über gefesselt gewesen war, und zwar bis ganz zum Schluss. Er wiederholte das mir gegenüber später im Vorraum.

    Invest in ME verkauft eine sehr günstige DVD-Aufzeichnung von der Konferenz. Besorgen Sie sie sich und schauen Sie sich die Konferenz selbst an.

    Was sind meine Schlussfolgerungen am Ende des Tages? Ich habe den Eindruck, dass Invest in ME die gemeinschaftliche Präsentation der Forschung zur festen Größe gemacht hat, die sich fortsetzt. Die OMI-MERIT-Initiative, Simmaron Research  und das ME/CFS Center am Mt. Sinai Hospital haben allesamt fortgesetzte und sich ausweitende Forschungsprojekte. Bei der Konferenz im nächsten Jahr werden sicher ein paar wichtige Ergebnisse vorgestellt werden.

    Was am dringendsten gebraucht wird ist eine Konferenz, die sich mit unmittelbar zur Verfügung stehenden Behandlungsformen beschäftigt. Manche werden sagen, es gibt keine Behandlungsformen, aber ich bin da anderer Ansicht. Eine Konferenz zu diesem Thema würde zur gleichen Verdichtung führen, die aus der Invest in ME Konferenz resultiert. Es kann sein, dass man einige dazu bringen muss, mit dem Streiten aufzuhören, aber es würde etwas sehr gutes und solides herauskommen. Ich werde hierzu später mehr schreiben.

    Genauso dringend wäre eine Konferenz über schweres ME. Das ist ein lange vernachlässigtes Thema – und man sollte sich bemühen, das zu ändern und diesen Patienten, die im Kern der Krankheit stehen, Beachtung schenken, Patienten, deren Blut, Speichel, Stuhl und Urin einen sehr großen Einfluss auf das Verständnis dieser Krankheit oder dieser Gruppe von Krankheiten haben könnten.

    Dr. William Weir hat seinen Kommentar zur Konferenz hier gepostet [hier auf Deutsch, d.Ü.].

    Mark Berry hat hier etwas über die Konferenz geschrieben