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     Artikel des Monats Mai 2011 Teil 1

     

    "One Last Goodbye"

    Wenn ME/CFS das Leben beendet

     

    Ein Buch über ME/CFS - fast zu grausam, um es zu empfehlen

    Kommentar von Regina Clos

    Kay Gilderdale

    One Last Goodbye

    erschienen bei Ebury Press

    Zu beziehen z.B. hier bei amazon.de für 8,99€

     

    Ein erschütterndes Buch über das Leben und Sterben einer jungen Frau, Lynn Gilderdale, an schwerem ME/CFS ist jetzt von deren  Mutter geschrieben und im April 2011 veröffentlicht worden.

    Sie finden im Folgenden den Klappentext und eine m.E. sehr treffende Rezension des Buches, aber beides spiegelt nicht annähernd das Leid wider, was Lynn Gilderdale und ihre Familie über 17 lange Jahre ertragen mussten.

    Was die ohne Zweifel ihr Kind über alles liebende Mutter Kay Gilderdale beschreibt, ist so unvorstellbar grausam, dass man das Buch eigentlich keinem selbst von ME/CFS betroffenen Patienten empfehlen kann - es sei denn, er oder sie ist willens, sich mit den eigenen vielfältigen Traumata, die diese Krankheit und das Verhalten vieler Ärzte, Freunde und manchmal auch Familienmitglieder setzt, wieder zu konfrontieren und die Erinnerung an eigene Verzweiflung, Angst, Scham, Wut, Ohnmacht, Schmerz und unendliches Leid wieder wach werden zu lassen.

    Mich selbst hat das Buch beim Lesen förmlich zerrissen, und ich konnte manchmal vor Wut und Tränen nicht weiterlesen. Auch wenn ich selbst in meinen allerschlimmsten Krankheitsphasen nicht annähernd so krank war, wie dieses arme Mädchen, Lynn Gilderdale, kenne ich all das, was diese Familie bei dem Versuch, Hilfe zu finden, erleben musste.

    Lynn Gilderdale

    Lynn Gilderdale war ein normales, gesundes, fröhliches Kind, bis eine TB-Impfung im Alter von 14 Jahren bei ihr ME/CFS auslöste. Zunächst sah es so aus, als ob sie nur eine endlose Reihe von Infektionen hätte, aber sie kehrte tatsächlich nie wieder in die Schule zurück.
    „Innerhalb weniger Wochen war unser hübsches Mädchen nicht mehr die lebendige, sonnige Quasselstrippe, wie sie mein Mann Richard und ich immer gekannt hatten,“ sagt ihre Mutter Kay Gilderdale. Lynns Zustand verschlechterte sich innerhalb weniger Monate dramatisch. Dies und ihren 17 Jahre dauernden Leidensweg beschreibt die Mutter fast unerträglich eindrucksvoll.

    Schon in den ersten Monaten ihrer Erkrankung hatte sie, abgesehen von allen anderen Symptomen, u.a. Lähmungen und Gefühlsstörungen in den Beinen, immer wieder epileptische Anfälle, teils stundenlang. Selbst einem medizinischen Laien hätte anhand dessen sofort klar sein müssen, dass Lynn eine Enzephalitis, eine Entzündung des Gehirns, hatte, aber die Ärzte haben dies abgetan als Ausdruck einer psychiatrischen Erkrankung, als Ausdruck einer Depression oder gar als willentliche Simulation. Und die Mutter, die den Ärzten immer wieder verzweifelt den Zustand ihrer Tochter schilderte und eindringlich um Hilfe bat, wurde als überbehütende Mutter beschuldigt - mit dem Ergebnis, dass man Lynns Zustand nicht ernst nahm, nicht nach den offensichtlich infektiösen Ursachen suchte und sie immer wieder in die Psychiatrie einwies.

    Dies wiederholte sich über Jahre immer wieder, und selbst die Folgen schwerer ärztlicher Fehler wie die versehentliche Punktierung ihrer Lunge wurden als Ausdruck von Simulantentum bzw. überbehütendem Verhalten der Mutter "diagnostiziert". Über zehn Tage hinweg wurden die massive Atemnot und die unerträglichen Schmerzen der jungen Frau abgetan und ignoriert, solange, bis Lynn literweise Blut in ihrer kollabierten Lunge hatte und um ein Haar daran erstickt wäre. Von den Folgen dieser Misshandlung erholte sich Lynn nie wieder.

    Dieses Buch ist ein 330 Seiten starkes, grauenhaftes Dokument darüber, was Menschen passiert, deren Krankheitssymptome nicht wahrgenommen und/oder als "psychisch bedingt" abgetan werden - etwas, das ME/CFS-Patienten in aller Welt immer wieder, jeden Tag passiert.

    "Psychisch bedingt" ist der bequeme Abfalleimer für alles, was man nicht kennt und nicht einordnen kann, und es gibt immer noch zu viele Ärzte, die im Wortsinne über Leichen gehen, um an diesem Mechanismus der Abwehr eigener Ohnmachtsgefühle festhalten zu können - hält er doch ihre berufsbedingten Größenphantasien, alles zu wissen (oder wissen zu müssen), aufrecht. Im Notfall ist immer der Patient dran schuld, wenn sie nicht weiterwissen. Das haben wir uns im übrigen auch immer gewünscht, dass wir selbst einen Einfluss darauf hätten, wie gut oder schlecht es uns geht!

    Was bitte, wäre so schlimm daran, zu sagen: "Ich weiß es nicht" und einfach nur hinzusehen? Und das zu versuchen, was man weiß, was man kann und sich vielleicht am Stand der Wissenschaft zu orientieren? Vielleicht könnte Lynn noch am Leben sein, wären mehr ihrer Ärzte dieser Maxime gefolgt.

    Und wie viel Elend könnte jedem von uns Betroffenen jeden Tag erspart bleiben, wenn nicht noch immer die große Mehrheit der Ärzte glauben würde, wir hätten irgendeine Form psychiatrischer Erkrankung - wie immer sie das auch nennen: Neurasthenie, Depression, larvierte Depression, hypochondrische Störung, somatoforme Störung oder schlicht Simulation oder Faulheit oder Rentenneurose oder sich aalen im "sekundären Krankheitsgewinn"?

    Auch wenn ich dieses erschütternde Buch kaum einem ME/CFS-Patienten empfehlen kann, so empfehle ich es jedem, der immer noch glaubt, ME/CFS sei eine harmlose Befindlichkeitsstörung, die die Betroffenen durch "falsche Krankheitsüberzeugungen" und "übermäßige Schonhaltung" quasi selbst herbeigeführt haben - etwas, das noch heute der "medizinische Standard" im Umgang mit ME/CFS-Patienten ist. Ich empfehle ME/CFS-Patienten aber, es jedem Arzt, jedem Psychologen und Psychiater, jedem Familienmitglied, jedem Nachbarn, jedem (ehemaligen) Arbeitgeber, jedem (ehemaligen) Freund zu schenken, der solche "falschen Krankheitsüberzeugungen" hegt. Nein, man sollte es ihnen sprichwörtlich um die Ohren hauen.

    Immer wieder stelle ich mir die Frage, wie so etwas, eine so unmenschliche Behandlung von schwerst kranken Menschen heutzutage noch möglich ist? Wenn ich nicht selbst nur all zu oft Zynismus, Ignoranz, Unfähigkeit und regelrechten Sadismus erlebt hätte bei dem Versuch, im Medizinsystem Hilfe zu finden, dann würde ich es nicht glauben, was Kay Gilderdale da beschreibt. Aber ich bin sicher, dass jedes ihrer Worte stimmt.

    Schauen Sie sich die verlinkten Zeitungsartikel und Fernsehinterviews an, die anlässlich des Erscheinens des Buches veröffentlicht wurden. Dann haben Sie einen Eindruck von der Stärke und offensichtlich erworbenen Leidensfähigkeit dieser Mutter - und vielleicht eine Idee davon, was ihre Tochter in den Selbstmord getrieben hat.

    Und was auch hier in Deutschland geschieht - davon bin ich überzeugt. Mir selbst sind genau solche Fälle bekannt, in denen junge Menschen zu schwach sind, um zu essen und zu trinken, und wenn sie dann als Notfall im Krankenhaus landen, werden sie genauso misshandelt, wie es Lynn immer wieder geschehen ist. Wann endlich wird sich das ändern?

    Vielleicht wird dieses Buch dann doch den ein oder anderen zum Nachdenken bringen.

    Lesen Sie auch den Bericht auf S. 15 in der neu erschienenen Pflegebroschüre.

    Und den am 23. Juni 2011 erschienenen Artikel im Express: http://www.express.co.uk/posts/view/254377/I-killed-my-girl-out-of-kindness

    Schauen Sie sich dieses Video über sie und Sophia Mirza auf YouTube an:

    http://www.youtube.com/watch?v=6AB6iSCR8EE&feature=youtube_gdata_player

     

    Im Klappentext des Buches heißt es:

    Seinem eigenen Kind beim Sterben zuzusehen, ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Aber für Kay Gilderdale war es außerordentlich schmerzhaft, ihrer einzigen Tochter ein letztes Lebewohl zu sagen: sie hatte beim Tod ihrer Tochter eine Rolle gespielt. Lynn war erst 14 Jahre alt, als sie von der zerstörerischen Krankheit ME/CFS niedergestreckt wurde, die sie gelähmt und in unaufhörlichen Höllenqualen hinterließ. Im Verlauf der nächsten 17 Jahre kämpfte sie verzweifelt, um ihrer elenden Existenz zu entkommen, und sie bat ihre Mutter am Ende sogar, ihr zu helfen zu sterben. So war Kay eines Nachts, als sie Lynn bei dem Versuch fand, sich umzubringen, gezwungen, eine unmögliche Entscheidung zu treffen: sollte sie weiter zusehen, wie ihr Kind litt oder sollte sie ihm helfen, das Leiden zu beenden? Auch wenn es gegen alle ihre Instinkte ging, half sie ihrer geliebten Tochter am Ende, eine tödliche Überdosis zu nehmen. Aber während Lynn nun frei war von ihrem Leiden, wurde ihre Mutter mit neuen Höllenqualen konfrontiert – der Drohung, den Rest ihres Lebens hinter Gittern zu verbringen. Die höchst umstrittene Gerichtsverhandlung, die dann folgte, eröffnete eine heftige öffentliche Debatte über Beihilfe zur Selbsttötung. Ist das Mord oder Barmherzigkeit? In dieser herzzerreißenden Geschichte deckt Kay die erschütternde Wahrheit hinter den Schlagzeilen auf und welche verzweifelten Wege eine Mutter aus Liebe zu ihrem Kind zu gehen bereit ist.

    Über die Autorin:

    Kay Gilderdale wurde 1954 in Dublin geboren. Als jüngstes von zehn Kindern war alles, was sie jemals gewollt hatte, eine eigene Familie zu haben. Nachdem sie die Schule verlassen hatte, erlernte sie den Beruf der Krankenschwester und bekam die lang ersehnten zwei Kinder, Stephen und Lynn, mit ihrem damaligen Ehemann Richard. Kay lebt jetzt alleine in East Sussex und ist stolze zweifache Großmutter. Kay ist eine engagierte Unterstützerin von The 25%ME Group. Das Ziel dieser Patientenorganisation ist die Patienten zu unterstützen, die an schwersten Formen von ME leiden, ebenso wie diejenigen, die sie pflegen.

     

     

    Eine Buchrezension

    Aus: http://samedifference1.com/2011/04/18/a-review-of-one-last-goodbye/

    One Last Goodbye ist Kay Gilderdales Bericht über ihr Leben mit ihrer Tochter Lynn, die von Mitte 1992 (nach dem Beginn der Erkrankung im November 1991) bis zu ihrem Tod im Dezember 2008 unter einer sehr schweren Form von ME gelitten hatte. ME wurde von Leonard Jason, einem amerikanischen Arzt, der an einer milderen Form der Erkrankung leidet, die in den USA als „Chronic Fatigue Syndrome“ bezeichnet wird, als „lähmender als jedes andere medizinische Problem dieser Welt“ beschrieben. Und Lynn hatte eine der schwersten Formen überhaupt. Bis auf die ersten Monate ihrer Erkrankung war sie vollständig ans Bett gefesselt, unfähig zu sprechen oder zu schlucken, hatte ständige, schreckliche Schmerzen und, wie sie es beschrieb, „ständige Übelkeit/Erbrechen“, zusammen mit zahlreichen Komplikationen, unter anderem einem Versagen der Nebennieren und der Eierstöcke. In den letzten Jahren ihrer Erkrankung gab es kaum einen Bereich ihres Körpers, der nicht von der Krankheit beeinträchtigt gewesen wäre.

    Nach einem Prolog, in dem sie beschreibt, wie sie auf das Urteil in ihrem Prozess im Januar 2010 wartet, schildert sie in den nächsten zwei Kapiteln ihre Kindheit und Jugend in Dublin, wo ihr Vater ein erfolgreicher Geschäftsmann war, auch wenn er zu der Zeit, als sie geboren wurde, von einem geschäftlichen Niedergang getroffen wurde. Ihr älterer Bruder erlitt bei einem Autounfall Verletzungen, die zu einem Gehirnschaden und lebenslanger Behinderung führten. Während ihrer Ausbildung in London zur Krankenschwester traf sie Richard Gilderdale, einen Polizisten, und verliebte sich in ihn. Die beiden heirateten und zogen nach East Sussex, wo ihr Mann der Ortspolizist wurde und sie sich in Stonegate niederließen. Lynn wurde im September 1977 geboren. Sie nannten sie Lynette, aber später bestand das Mädchen darauf, Lynn gerufen zu werden. Kay beschreibt sie als sehr motiviert, sportlich und musikbegeistert, aber nicht im akademischen Sinne. Sie hatte gerne Spaß und beschreibt, dass sie es für selbstverständlich hielt, später zu heiraten und Kinder zu bekommen. Als sie nach einer BCG-Impfung im Jahr 1991 krank wurde, schien es zunächst so, als habe sie einen gewöhnlichen Infekt, aber sie bekam dann immer wieder Infekte, die „vollkommen ungehinderten Zugang in ihren Körper zu haben schienen“. Sie wurde empfindlich gegenüber Licht und Geräuschen, und als ihre Mutter sie vor Weihnachten einmal mit zum Einkaufen nahm, in der naiven Annahme, dass „sie Lynns Lärm- und Lichtempfindlichkeit mit ein wenig Einkaufstherapie überwinden könne“, bat Lynn sie darum, wie wieder nachhause zu bringen. Wieder zuhause, fiel sie hin und bekam Krämpfe und Anfälle. Sie verlor immer mehr ihr Gedächtnis und wusste nicht mehr, zu was Dinge gut waren oder wer die Menschen um sie herum waren.

    Als die Gilderdales nach Hilfe suchten, wurden sie von allen Seiten mit Feindseligkeit konfrontiert, außer von ihrer Hausärztin vor Ort, Dr. Jane Woodgate. Ein Facharzt am Kent and Sussex Hospital in Tunbridge Wells fragte verärgert nach, warum Lynn so lange in der Schule gefehlt hätte. Der Kinderarzt, zu dem Lynn überwiesen worden war, stellte die Diagnose ME und sagte, dass er schon viele solcher jungen Menschen wie sie gesehen hätte und dass es allen inzwischen besser ginge. Er sagte ihr, sie hätte Glück, eine so „modische“ Krankheit zu haben. Als Lynn einen neuen Tiefpunkt erreicht hatte und nicht mehr schlucken konnte, wurde sie in eine Klinik im Norden Londons überwiesen, die angeblich auf ME spezialisiert war, aber dort erlebte sie schreckliche Grausamkeiten (später behauptete sie, man habe sie dort sexuell belästigt, obwohl das in dem Buch nicht erwähnt wird). Ein Facharzt führte ein „psychologisches Experiment“ mit ihr durch, indem er Lynn in einen abgedunkelten Raum mit schweren Gardinen steckte und ihr die Uhr wegnahm, und als er nicht in der Lage war, die Schwere von Lynns Krankheit zu erklären, überwies er sie an einen Psychiater. Im nächsten Krankenhaus hörte Lynn, wie die Krankenschwestern über sie sprachen und sagte, ihr Vater habe sie „offensichtlich“ sexuell missbraucht. In einer psychiatrischen Abteilung im Guy’s Hospital in London steckte man sie in einen fensterlosen Raum, in dem Kinder Gegenstände nach ihr warfen. Am Ende dieses Klinikaufenthaltes hatte sie die Fähigkeit zu sprechen verloren.

    Die Schwere von Lynns Erkrankung war schockierend, selbst wenn man sie mit den anderen bekannten schweren Fällen (außer vielleicht Sophia Mirza) vergleicht. Ihre Leidensgenossin Vikki George (die bekannt ist für die Gründung der Selbsthilfeorganisation Post Pals, die dafür sorgt, dass kranke Kinder Geschenke geschickt bekommen – Vikki organisiert das alles von ihrem Bett aus, in einem abgedunkelten Raum in Bookham, Surrey) sagte in einem Fernsehbeitrag bei ITV Meridian im vergangenen Jahr, dass ihr Fall „mit Sicherheit der schlimmste und das für die längste Zeit“ gewesen sei. Was so ausgeprägt war, war das Ausmaß ihrer körperlichen Behinderung, das sie getroffen hatte, und die offensichtlich dauerhaft war. Sie war praktisch querschnittsgelähmt, unfähig, ihre Beine zu fühlen oder zu bewegen, sie war unfähig zu sprechen oder zu schlucken, sie war vollständig ans Bett gefesselt, sie war nicht einmal fähig, ihren Kopf zu heben, und das durchgehend von Mitte 1992 bis zu ihrem Tod. Es kommt bei Menschen mit schwerem ME häufig vor, dass sie vorrübergehend ihre Fähigkeit zu sprechen verlieren, dass sie mit einer Magensonde ernährt werden müssen, weil sie nicht schlucken können oder unter schwerer Übelkeit leiden, was bedeutet, dass sie nicht essen können. Aber es ist sehr ungewöhnlich, diese Fähigkeiten über einen so langen Zeitraum zu verlieren, und deshalb war es durchaus möglich, dass sie diese Fähigkeiten nie wieder erlangt hätte, selbst wenn sich ihr allgemeiner Zustand noch einmal gebessert hätte. Normalerweise schaffen es ans Bett gefesselte ME-Patienten, auf einen Nachtstuhl oder auf die Toilette und zurück zu kommen. Aber Lynn wurde ohnmächtig, sobald sie jemand hochhob.

    Die Tortur, die sie 1992 im Krankenhaus erlebte, war nicht ihre letzte. Im Laufe der Jahre musste sie erleben, dass man ihre Lunge punktierte (bei dem Versuch, einen Port zu legen), was dazu führte, dass man sie künstlich am Leben erhalten musste. Sie wurde beschuldigt, dass ihr Hautausschlag von ihrer Katze käme, während sie im Krankenhaus war, um die Nebenwirkungen ihrer Flüssigernährung zu behandeln. Man brach ihr den Rücken, während man sie hochhob, sie war während einer Operation zum Anbringen eines PEG-Schlauchs bei Bewusstsein (das ist im Buch nicht beschrieben, aber man kann es in Lynns Bericht darüber hier nachlesen: : http://chronic-health.livejournal.com/305565.html - am Ende der Seite*), und man brachte sie in ihrem letzten Krankenhausaufenthalt in einer offenen Abteilung unter, wo sie sich vier verschiedene Erreger einfing, die nach ihrer Entlassung persistierten. Es wundert einen nicht, dass sie entschied, nie wieder ins Krankenhaus zu gehen, was auch immer passieren würde.

    * "Der Grund, warum ich diese Frage gestellt habe ist, weil, wie ich in meinem Posting schon gesagt habe, ich eine entsetzliche Erfahrung während eines anderen Eingriffs machen musste. Das war, als sie meine Hickman Line gewechselt haben (das ist ein dauerhafter Venenzugang in meiner Brust, der direkt zu meinem Herzen führt)... Ich war komplett bei Bewusstsein (kein Sedativum, nur ein Lokalanästhetikum in meiner Brust) und der Arzt hat das ganz schlimm vermasselt, indem er meine Lunge punktiert hat und eine Arterie verletzte... Ich konnte nicht mehr atmen, weil beide Lungenflügel kollabierten, sie haben ZWEI LITER Blut aus meiner Brust geholt und ich bin ohnmächtig geworden und für vier Monate in der Intensivstation gelandet. Die Sache ist die, ich wusste, dass etwas schief ging, weil die Schmerzen unerträglich waren ... Ich habe geschrien und gebettelt, er solle aufhören, aber das war einer der Ärzte mit einem Gotteskomplex und er weigerte sich, auf mich zu hören, er dachte, ich würde nur Theater machen. Trottel. Wie auch immer, jetzt weißt Du, warum ich ziemliche Angst davor habe, dass jetzt irgendetwas gemacht wird!"

    Original:

    "The reason I asked this question is because as I said in my post, I recently had a horrific experience during another procedure. It was while I was having my Hickman Line changed (it's a permanent I.V. line in my chest that leads straight 2 my heart)... Basically, I was wide awake (no sedative, just a local anaesthetic in my chest) & the dr seriously fucked up, puncturing my lung & nicking an artery... I couldnt breathe as both lungs collapsed, they drained TWO LITRES of blood from my chest & I ended up unconscious & in intensive care 4 FOUR months. The thing is, I knew something was going wrong as the pain was tremendous... I was screaming & begging him 2 stop, but he was 1 of those dr's with a God-complex, & he refused 2 listen 2 me; thought I was just making a fuss. Jerk. Anyway, u see why I'm rather scared about having anything done now!"

    Ab 2004 besserten sich Lynns Gedächtnis und ihre kognitiven Fähigkeiten, und nach diesem Buch zu urteilen, besserten sie sich sehr schnell; außer wenn die zeitliche Chronologie etwas durcheinander geraten ist (es steht da, dass Lynn den Fall der Berliner Mauer und Nelson Mandelas Entlassung aus dem Gefängnis versäumt hätte, etwas, das beides 1989 bzw. 1990, also vor Beginn von Lynns Erkrankung geschah). Lynn erkannte ein geschriebenes Wort zuerst im Alter von 27 wieder, das Alter, das sie im September 2004 erreicht hatte. Bei ihren ersten online-Mitteilungen half ihr Kay, der sie per Zeichensprache andeutete, was sie schreiben wollte, und die schrieb sie dann auf, damit Lynn sie eintippen konnte. Schließlich war sie fähig, ohne Hilfe zu tippen und veranlasste Kay zu dem Versprechen, dass sie ihre Tagebücher nicht lesen würde, ein Versprechen, an das sich Kay selbst nach Lynns Tod hielt. Mit Ausnahme ihres berühmten „DNR“-Postings aus dem Jahr 2008, das zuvor in der Presse veröffentlicht worden war und beim Prozess verlesen wurde, enthält dieses Buch keinerlei Material aus Lynns privaten Blogs. Seltsamerweise erscheint nirgendwo in dem Buch der Name Jessie Oliver, den Lynn als Pseudonym für ihre Online-Aktivitäten angenommen hatte.

    Es ist nicht überraschend, dass etwa das letzte Drittel des Buches sich mit den Ereignissen nach der versehentlichen Punktierung ihrer Lunge im Oktober 2005 beschäftigt. Nach dieser Tortur verlor Lynn die Hoffnung, dass es ihr jemals besser gehen würde und behauptete immer häufiger, dass sie „zu geschädigt“ sei. Sie verfasste eine Verfügung im Voraus (d.h. eine Patientenverfügung), in der sie festlegte, dass sie nicht behandelt werden sollte, wenn sie auf Dauer ohne Bewusstsein wäre, auch wenn sie behandelt werden wollte, solange sie zwar leiden, aber bei Bewusstsein sein würde. „Wenn ich eine hässliche Beule kriege (wie diese Krankheit genannt wird), dann möchte ich KEINE Behandlung dagegen haben,“ schrieb sie. Und ganz unerbittlich: „NIEMAND SOLLTE MICH JEMALS IN EIN IRRENHAUS BRINGEN“. Kay wurde von Lynns letztem Selbstmordversuch sehr überrascht. Lynn hatte nach einem früheren Selbstmordversuch versprochen, das nicht hinter dem Rücken ihrer Eltern zu wiederholen, und sie hatte schon Pläne für das bevorstehende Weihnachten gemacht. Aber sie bestand darauf, dass sie nicht einen einzigen Tag weitermachen könne. Kay schreibt, dass Lynns Haltung in ihren letzten Lebensmonaten im allgemeinen relativ zufrieden war (zwischen den Phasen von Übelkeit und den Stunden auf der Bettpfanne), und dass sie weiterhin mit ihren Freunden online im Kontakt war und Musik hörte. Dies ist für Menschen, die beschlossen haben, ihrem Leben ein Ende zu setzen und die sicher sind, dass ihr Leidensweg bald ein Ende haben wird, nicht ungewöhnlich.

    Ich sollte etwas zu meiner eigenen Beteiligung hieran erklären: obwohl ich Lynn Gilderdale nicht gekannt habe, egal unter welchem Namen, und obwohl ich Kay niemals begegnet bin, kenne ich einige von Lynns Freunden, unter anderem denjenigen, der mit der Autorin im Kontakt war. Ich bin auf einige von Lynns online-Beiträgen gestoßen, wenn auch auf keinen, der nur für ihre Freunde bestimmt war, und ich habe einen sehr positiven Eindruck von ihrer Persönlichkeit gewonnen. Sie war sicherlich sehr fürsorglich und sehr dankbar für die Sorgen der anderen um ihr Wohlbefinden und hat sich oft sehr bemüht zu vermeiden, dass diese irritiert wurden, indem sie sie vor ihrem abgekürzten Schreibstil oder ihren langen Blog-Postings über ihren Gesundheitszustand warnte (der, wie sie sagte, den Großteil des Inhalts ausmachte, da ihre Krankheit ihr Leben vollkommen beherrschte), und manchmal spielte sie gesundheitliche Krisen herunter, die in Wirklichkeit verheerend für sie waren, wenn sie mit schwer beeinträchtigten und kranken Freunden kommunizierte (von denen keiner so krank war wie sie selbst). Dieses Buch hat meinen Respekt sowohl für die Autorin als auch für Lynn gesteigert. Es zeigt, dass Lynn eine reife Frau war, die die Bedürfnisse anderer verstand und bemüht war, ihnen auf jede ihr mögliche Weise zu helfen. Natürlich ist es ihre Mutter, die das alles beschreibt, aber es passt zu dem, was ich ihren eigenen Texten entnehmen konnte. Es gibt Passagen über Kays Gefühle während Lynns Sterbeprozess und danach, etwa als sie selbst in einer Arrestzelle eingesperrt war und daran dachte, wie Lynn in ihrem „zellenartigen Raum“ im Guy’s Hospital war, als sie 14 Jahre alt war. Es gibt ohne Zweifel Menschen, die skeptisch sein und dies als Selbstrechtfertigung bezeichnen werden, aber es passt zu dem, was diejenigen, die ich kenne und die ihr begegnet sind, über sie sagen und was Lynn über sie schrieb.

    Dieses Buch ist eine kraftvoll geschriebene Denkschrift, die die Tiefe von Kays Liebe und Respekt für Lynn zeigt. Sie drückt kein Bedauern darüber aus, Lynn bei ihrem Selbstmord geholfen zu haben, aber sie empfindet große Trauer über ihren Verlust (auch das ist etwas, was gemeinsame Freunde bestätigen). Dies ist keine Untersuchung darüber, wie verbreitet solche Arten der Misshandlung, unter denen Lynn leiden musste, sind oder waren, und ein solches Buch wird bitter benötigt. Lynns Geschichte würde darin ohne Zweifel ein beredtes Zeugnis für solche Misshandlungen abgeben. Es hat schon immer unzählige Geschichten von Menschen mit ME/CFS einschließlich schwer erkrankter Patienten gegeben, die darunter zu leiden hatten, dass Ärzte ihnen nicht glaubten oder darauf bestanden, dass ihre Krankheit von anderen „gefördert“ würde oder das Ergebnis von Missbrauch sei, was dann dazu führte, dass Kinder aus ihren Familien herausgenommen wurden oder man damit gedroht hat. Patienten, die ins Krankenhaus eingewiesen werden, erleben immer noch, dass die dortige Umgebung ihre Symptome verschlimmert, da man dort keine Rücksicht auf ihre Empfindlichkeit gegenüber Lärm, Licht, Gerüchen und Chemikalien nimmt; erst am vergangenen Wochenende habe ich von einer Frau mit schwerem ME gehört, die als Notfall ins Krankenhaus kam und die dort in noch schlechterem Zustand wieder herauskam, als sie hineingekommen war. Man kann jedoch hoffen, dass dieses Buch den Menschen die Augen öffnet (einschließlich der Menschen, die in medizinischen Berufen arbeiten) und wie zerstörerisch ihre gegenwärtige Praxis sein kann, so dass in Zukunft niemand mehr einen schweren Rückfall erleidet oder so traumatisiert wird, dass sie sich selbst aufgeben. Dieses Buch ist ein dringend benötigter Weckruf.

     

    Artikel in Daily Mail: How I helped my darling daughter to die (Daily Mail, 14 April 2011)
    http://www.dailymail.co.uk/femail/article-1376605/Kay-Gilderdale-How-I-helped-darling-daughter-die.html?ito=feeds-newsxml
     

    Today with Pat Kenny (RTE Radio One = Irish Radio)

    Listen at:

    http://www.youtube.com/watch?v=5zbY28LLP3s

    http://www.youtube.com/watch?v=USo5NnhbxKc

    or podcast:

    http://www.rte.ie/podcasts/2011/pc/pod-v-15041123m09stodaywithpatkenny-pid01389\



    648.mp3

    or

    http://www.rte.ie/radio1/todaywithpatkenny/

    Scroll down most of the page to the part of the programme

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    Kay Gilderdale on BBC Radio 4 (broken into 2 parts):

    http://www.youtube.com/watch?v=PdwmGh0bulE

    http://www.youtube.com/watch?v=zB1oszjteXo

    Alternatively link:

    http://bit.ly/g8bxy7

    i.e.

    http://niceguidelines.blogspot.com/2011/04/video-kay-gilderdale-on-bbc-radio

    -4.html

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    "This Morning" (ITV1)

    TV clip: Mother talks of death of daughter with ME
    http://www.youtube.com/watch?v=OWMonLvpQoo

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    BBC South East (2 mins 49 secs)

    http://www.youtube.com/watch?v=wYl5MmjQOEs

     

    chumschlag: