Pressemitteilung
Der 12. Mai ist internationaler ME/CFS-Tag:
Lebensqualität oft schlechter als bei Krebskranken
im Spätstadium
300.000 Menschen in Deutschland leiden an der
schweren neuro-immunologischen Erkrankung
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Hannover,
18. April 2012. Für viele Betroffene reicht die Kraft nicht
einmal mehr für den täglichen Gang unter die Dusche, die
Besorgung von Lebensmitteln oder ein Treffen mit Freunden - und
das über Jahre: Nach Schätzungen des
Bundesgesundheitsministeriums leiden in Deutschland zirka
300.000 Menschen an Myalgischer Encephalomyelitis, auch bekannt
unter Chronic Fatigue Syndrome. Neben schwerster körperlicher
Schwäche und Kraftlosigkeit, die die Patienten häufig über Jahre
und Jahrzehnte an Bett und Wohnung fesselt, leiden die
Betroffenen unter zahlreichen Symptomen wie quälenden Kopf- und
Gelenkschmerzen oder kognitiven Einschränkungen. Ihre
Lebensqualität ist oft schlechter als die von Krebskranken im
Spätstadium – das konstatierten vor kurzem die norwegischen
Onkologen und Forscher Olav Mella und Oystein Fluge. Bis heute
ist die Erkrankung, die das zentrale Nervensystem und das
Immunsystem betrifft, nicht behandelbar und wird oft erst nach
langer Ärzteodyssee diagnostiziert. Für den Großteil der
Betroffenen, die meist in jungen Jahren zwischen 20 und 40
erkranken, bedeutet die Krankheit das abrupte Ende ihres
beruflichen und sozialen Lebens. Erschwerend kommt hinzu, dass
Patienten in Deutschland meist um Anerkennung bei Ärzten,
Behörden und Sozialversicherungsträgern kämpfen müssen. Zu oft
kennen Ärzte die Erkrankung nicht oder bezweifeln ihre Schwere.
Nicole Krüger, Sprecherin des Bündnis ME/CFS, einem
Zusammenschluss von Patienteninitiativen: „ME/CFS ist mit
300.000 Erkrankten keine seltene Krankheit. Wir brauchen
dringend flächendeckend geschulte Ärzte, eine Versorgung
insbesondere Schwerstkranker, intensive Forschung, vor allem
aber ein Hinsehen der verantwortlichen Instanzen und der
gesamten Gesellschaft“.
ME/CFS
hat mit Burnout nichts zu tun
Dass die Lage
der deutschen Patienten so schlecht ist, das hängt nach
Auffassung des Bündnis ME/CFS auch mit der häufigen,
unzutreffenden Vermischung mit psychischen Erkrankungen wie
Burnout oder Depressionen zusammen. „Mit Burnout und
Depressionen hat diese Erkrankung genauso wenig gemeinsam wie
das beispielsweise bei Multiple Sklerose oder Rheumatoider
Arthritis der Fall ist“, stellt Nicole Krüger klar. Vielmehr ist
ME/CFS eine neuro-immunologische Erkrankung mit oft messbaren
Abweichungen im Immunsystem. Die Krankheit beginnt häufig
schlagartig innerhalb von Tagen oder sogar Stunden und wird in
der Regel chronisch, im Gegensatz zum meist gut therapierbaren
Burnout. Daher greifen bei ME/CFS auch nicht die für Burnout
empfohlenen Therapien.
Richtungsweisende Forschung aus Norwegen – Stillstand in
Deutschland
Während in
Deutschland kein Cent in die biomedizinische Erforschung von
ME/CFS fließt, wird in Ländern wie den USA oder Norwegen an
Ursachen und Therapie der Erkrankung geforscht. So
veröffentlichten die norwegischen Onkologen Mella und Fluge Ende
2011 eine zukunftsweisende Studie mit einem bisher in der
Krebstherapie eingesetzten Wirkstoff. Bei zwei Drittel der
ME/CFS-Patienten führte das Medikament zu einer teils deutlichen
Besserung oder gar Heilung. Weitere Studien zur besseren
Erforschung des Wirkstoffs sind allerdings notwendig. „Wir
brauchen dringend auch in Deutschland Forschungsbudgets, um
Therapieoptionen für ME/CFS-Patienten zu finden“, so Krüger. Die
Kosten einer Nichtbehandlung in Form von Produktivitätsausfällen
und nötigen Sozialleistungen seien nach Schätzungen aus den USA
um ein Vielfaches höher als konsequente Forschung und
Behandlung.
Geplatzte Lebensträume – wie Betroffene die Erkrankung erleben
Für die
meisten Betroffenen bedeutet ME/CFS das Ende ihres normalen
Lebens: „Ich hatte gerade einen neuen Job begonnen und mich sehr
auf die neue Aufgabe gefreut“, erzählt Eva D. Doch nach einer
Grippe vor gut zwei Jahren war nichts mehr so wie es sein
sollte. Von einem Tag auf den anderen wurde die junge Frau so
krank, dass sie sich teilweise kaum mehr auf den Beinen halten
konnte. Jeder Schritt, jede Bewegung, selbst Sprechen fiel ihr
schwer – bis heute. „Mein Leben fiel in sich zusammen wie ein
Kartenhaus“, beschreibt sie, „es ist bis heute fast nichts davon
übrig geblieben, trotz zahlreicher Arztbesuche und privater
Ausgaben für Diagnostik und Therapieversuche im fünfstelligen
Bereich. Arbeiten kann die 33-Jährige nicht mehr, ihre Tage
verbringt sie größtenteils in der Wohnung. Ob sich das
irgendwann ändern wird und sie doch ein Teil ihrer Lebensträume
verwirklichen kann, ist ungewiss. Doch sie hat noch Hoffnung:
„Ich glaube an eine Gesellschaft, die Kranke nicht allein lässt,
deren Verantwortliche die Augen nicht weiter verschließen und
uns als schwer organisch chronisch Kranke anerkennen, die eine
Therapie und Versorgung benötigen wie alle anderen chronisch
Kranken auch“.
Informationsmaterialien für Betroffene, Angehörige und Ärzte
finden Interessierte beim Bündnis ME/CFS unter
http://www.buendnis-mecfs.de/
.
Pressekontakt und weitere Informationen:
Regina Clos
c/o Bündnis ME/CFS
Eberleinstraße 1
65195
Wiesbaden
Mobil: +49
(0) 170/2815364
E-Mail:
erce.wiesbaden@t-online.de
Nicole Krüger
c/o Bündnis ME/CFS
Groß-Buchholzer Str. 36B
30655 Hannover
Tel: +49 (0) 0511/2706751
E-Mail:
info@buendnis-mecfs.de
http://ww.buendnis-mecfs.de/.
Das
Bündnis ME/CFS
Das Bündnis
ME/CFS wurde im Dezember 2009 von Patienten und Vertretern
verschiedener deutscher Patientenvereinigungen gegründet. Ziel
des Bündnis ist es, über die Krankheit ME/CFS aufzuklären und
die bisherigen Zustände in Deutschland zu verbessern. Das
Bündnis setzt sich daher für einen Paradigmenwechsel ein: ME/CFS
soll in Deutschland als die schwere neuroimmunologische
Erkrankung, die sie gemäß WHO-Kodierung ist, bekannt und
anerkannt werden. Das Bündnis leistet Aufklärungsarbeit, sucht
den Kontakt zur organisierten Ärzteschaft, zu
Sozialversicherungsträgern und zur Politik. Darüber hinaus gibt
das Bündnis Informationsmaterialien zu ME/CFS heraus. Bisher
verfügbar sind Broschüren für Ärzte, Pfleger und Angehörige
ME/CFS-Kranker. |