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Der Unterschied zwischen CFS und DepressionObwohl das Chronic Fatigue Syndrom und Depressionen einige Symptome gemeinsam haben, klaffen Welten zwischen beiden Erkrankungen. Das Verständnis für die Unterschiede eröffnet den Weg zu einer effektiveren Behandlung. Von Charles W. Lapp, MD Charles W. Lapp, MD, Hunter-Hopkins Medical Center in Charlotte, NC, ist ein national anerkannter Arzt und medizinischer Berater für CFS und Fibromyalgie. Übersetzung von Regina Clos Auf den ersten Blick haben CFS – auch bekannt als Chronic Fatigue Immune Dysfunction Syndrome CFIDS oder Myalgische Enzephalomyelitis (ME) - und Depressionen vieles gemeinsam. Die drei Hauptsymptome des CFS – Erschöpfung, Gedächtnisprobleme und Schlafstörungen – treten auch bei Depressionen häufig auf. Ein kluger Arzt jedoch, der tiefer in die Krankengeschichte und die Untersuchung des Patienten einsteigt, wird bald feststellen, dass sich die zwei Krankheitsbilder deutlich voneinander unterscheiden. Menschen mit einer Depression neigen zum Rückzug und zur Hoffnungslosigkeit, während es für Menschen mit CFS kennzeichnend ist, dass sie die Initiative ergreifen und nach einer medizinischen Behandlung suchen. Sie sind voller Hoffnung, wieder gesund zu werden. Viele treten einer Patienteninitiative bei, setzen sich auf politischer Ebene für die Bereitstellung von mehr finanziellen Mitteln für die Forschung ein und bemühen sich um eine Verbesserung ihrer Lebensqualität - allesamt Aktivitäten, die für Menschen mit einer Depression im Allgemeinen ungewöhnlich sind. Wenn die Symptome eines CFS-Patienten fälschlicherweise einer Depression zugeschrieben werden, geht wertvolle Behandlungszeit verloren. Es kann zu unnötiger medikamentöser Behandlung kommen und führt möglicherweise dazu, dass der Patient der medizinischen Zunft misstraut und Hilfe bei alternativen Heilern sucht – denn er ist sicher, dass es sich um ein organisches, und nicht um ein psychiatrisches Problem handelt. Alternative Behandlungsmethoden können für den Patienten teuer werden und sich als wenig hilfreich oder sogar gefährlich erweisen. Diese Verschwendung von Geld und die potentielle Gefährdung der Patienten kann jedoch vermieden werden, wenn man versteht, wie CFS von einer Depression unterschieden werden kann.
Die UnterschiedeSowohl der Krankheitsbeginn als auch die Symptome des CFS unterscheiden sich deutlich von denen einer Depression. Zunächst einmal ist der Krankheitsbeginn bei CFS in vielen Fällen abrupt und einer Grippe ähnlich, während eine Depression charakteristischerweise schleichend beginnt. Menschen mit CFS beklagen sich mit viel größerer Wahrscheinlichkeit über häufige Übelkeit und grippeähnliche Symptome wie Halsschmerzen, schmerzhafte Lymphknoten, Fiebrigkeit oder Kopfschmerzen. Sogar die Erschöpfung als solche kann ganz anderer Natur sein. Obwohl Erschöpfung eine subjektive Empfindung ist, die von Frauen und Männern oder verschiedenen ethnischen Gruppen, von älteren oder jüngeren Menschen sehr unterschiedlich erlebt werden kann, haben Versuche zur Quantifizierung der Erschöpfung klar erkennbare Charakteristika ergeben. So ist die Erschöpfung bei einer Depression tendenziell an die Motivation gebunden und weniger stark ausgeprägt als die Erschöpfung bei CFS, die hier häufig so schwerwiegend ist, dass sie sowohl das Arbeits- als auch das Privatleben massiv beeinträchtigt. In formellen psychologischen Tests zeigen Menschen mit einer Depression hohe Werte bei Schuldgefühlen, Wertlosigkeitsgefühlen und Selbstkritik, während Patienten mit CFS die höchsten Werte bei symptombezogenen Punkten zeigen, wie etwa dem Mangel an Energie, Schlafstörungen und Schmerzen. Die Intoleranz gegenüber körperlicher Belastung ist ein weiterer klarer Unterschied zwischen CFS und einer Depression. Während sich die Symptome einer Depression durch regelmäßige körperliche Aktivität im Allgemeinen abschwächen, verstärken sich die Symptome des CFS durch körperliche und geistige Aktivität. Diese Symptomverschlimmerung bei CFS kann in der Tat noch einen oder gar mehrere Tage nach der Belastung anhalten. Diese Zustandsverschlechterung nach Belastung ist Bestandteil der diagnostischen Kriterien für das Krankheitsbild. Bei CFS treten außerdem verschiedene deutliche Anomalien des Schlafes auf. Dazu gehören Ein- und Durchschlafschwierigkeiten (DIMS), lebhafte, alptraumartige Träume, Ruhelosigkeit und periodische Beinbewegungen im Schlaf (Periodic Leg Movements in Sleep = PLMS), nächtliche Muskelzuckungen (Myoklonus) und Muskelkrämpfe. Die Patienten berichten charakteristischerweise, dass der Schlaf trotz langer Dauer nicht erholsam ist. Untersuchungen von CFS-Patienten im Schlaflabor zeigen häufig eine verlängerte Schlaflatenz, eine herabgesetzte Schlafeffizienz, einen Mangel an tiefem orthodoxem Schlaf („slow wave sleep“), Störungen der Schlafzyklen (Alpha-Wellen-Einbrüche), häufiges Erwachen und periodische Beinbewegungen. Man geht davon aus, dass auch Schlafapnoen bei CFS-Patienten sehr viel häufiger auftreten als in der Durchschnittsbevölkerung. Hinzu kommen Morgensteifigkeit und Gefühle von „Benebelung“, die noch Stunden nach dem Erwachen andauern können und das Aufstehen erschweren. Diese Beschwerden treten bei einer Depression allesamt selten auf.
Auch im neuroendokrinen Bereich findet man eklatante Unterschiede zwischen CFS und Depressionen. Bei Patienten mit einer Depression schütten die Nebennieren große Mengen Cortisol aus. Bei CFS finden wir genau das Gegenteil. Bei CFS ist die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse) typischerweise herunterreguliert, was zu einer geringen Ausschüttung von Cortisol und DHEA durch die Nebennieren führt. Außerdem findet man eine Verkleinerung der Nebennieren und eine schwankende oder verminderte Ausschüttung an Hormonen durch die Schilddrüse und die Geschlechtsdrüsen. Die DHEA-Werte im Serum und die Urincortisolwerte sind bei Patienten mit CFS üblicherweise niedrig, was zu einer subklinischen Schilddrüsenunterfunktion, einer vorzeitigen Menopause und einem Verlust der Libido führen kann. Alle diese Werte sind leicht messbare und beobachtbare Unterscheidungsmerkmale. Die Ausprägung der Symptome
Tabelle 1: Obwohl CFS und eine Depression einige ähnliche Symptome aufweisen, ist die Häufigkeit des Auftretens oft sehr unterschiedlich. Diese Tabelle vergleicht die Häufigkeitsraten der neun Symptome, auf die sich die internationale Falldefinition von Fukuda aus dem Jahr 1994 bezieht. Eine Gegenüberstellung von CFS und Depression
Tabelle 2: Dieser tabellarische Vergleich zeigt die wichtigsten Unterschiede zwischen CFS-Patienten und Patienten mit einer Depression. Nachweis und BehandlungEin klinisches Instrument zur Erfassung von Angst und Depressivität ist der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS). Der HADS besteht aus Aussagen, die der Patient entsprechend seinem Erleben im Verlauf der vorangegangenen Woche einstuft. Die 14 Aussagen sind für die generalisierten Werte für Angst und Depressivität von Bedeutung. Die Aussagen zur Depressivität bestehen weitgehend, aber nicht ausschließlich, aus Aussagen, die das Ausmaß an Anhedonie widerspiegeln, also der Unfähigkeit, das Leben zu genießen oder sich so wie früher an alltäglichen Dingen zu freuen. Der Einsatz des Fragebogens erfordert nur drei bis fünf Minuten und stellt einen guten Ausgangspunkt dar, um über das Erleben des Patienten zu sprechen. Wenn ein Patient auf die Frage „Interessieren Sie sich für die Dinge, mit denen Sie sich früher beschäftigt haben, jetzt noch genauso?“ mit „fast gar nicht“ antwortet, lässt sich bestimmen, ob Schmerzen und Erschöpfung die zugrunde liegenden Ursachen sind – im Gegensatz zu einer generalisierten Stimmung von Hoffnungslosigkeit oder Unwohlsein.
Einer meiner Kollegen, der sehr viel Erfahrung in der Behandlung von CFS-Patienten hat, fragt auch häufig: „Wenn ich Sie hier und jetzt gesund machen könnte, was würden Sie dann tun?“ Häufig stellt er fest, dass Menschen mit einer Depression dann nicht recht wissen, was sie antworten sollen, herumdrucksen oder zurückgezogen und negativ wirken. Menschen mit CFS jedoch haben alle möglichen Pläne. Sie sind begierig darauf, in ein aktives Leben zurückzukehren. Man kann auch nach den charakteristischen Symptomen für CFS Ausschau halten: Schmerzen in den Muskeln und den Gelenken, Kopfschmerzen, kognitive Dysfunktionen, verstärkte Erschöpfung und Zustandsverschlechterung nach Anstrengung sowie nicht erholsamer Schlaf. Ich bezeichne dieses Cluster an Symptomen mit dem Satz “the pain, the brain, the energy drain, and oh how I wish I could sleep again" („die Schmerzen, das Gehirn, der Mangel an Energie, und wie ich mir wünsche, mal wieder schlafen zu können”). Die gute Nachricht besteht darin, dass einige dieser Symptome behandelt und gemanagt werden können, auch wenn es für das CFS an sich keine Heilung gibt. Wenn Sie festgestellt haben, dass CFS die Wurzel allen Übels ist, dann besteht der nächste Schritt darin, dem Patienten Informationsmaterial zu geben, über regelmäßige Ruhephasen zu sprechen, ihn dazu zu ermuntern, jeden Tag ein kleines bisschen aktiv zu sein, Dehnungsübungen zu machen und der Aktivität vernünftige Grenzen zu setzen, um dem Patienten zu helfen, sich innerhalb des für ihn tolerierbaren Rahmens an Anstrengung zu bewegen (…). Dann sollte man die zentralen Symptome des CFS angehen, angefangen mit den Schlafstörungen, den Schmerzen und dann der Erschöpfung und der Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit, je nachdem, worunter der Patient am meisten leidet. Wenn man CFS erkennt und angemessen behandelt, dann kann ein guter Arzt einem Patienten helfen, mit dieser chronischen Krankheit zu leben und umzugehen.
******************** Dieser Artikel erschien unter dem Originaltitel "Differentiating CFS from Depression" im vierteljährlich erscheinenden Magazin der größten amerikanischen Selbsthilfeorganisation, der CFIDS Association of America, im "THE CFIDS CHRONICLE" vom Sommer 2006 in der wissenschaftlichen Beilage "THE CFS RESEARCH REVIEW". Übersetzung und online-Veröffentlichung der deutschen Ausgabe mit freundlicher Genehmigung des Autors Charles W. Lapp und der Redaktion des CFIDS Chronicle.
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