Und jetzt die Geschichte aus den
Vereinigten Staaten von Amerika
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Erik Johnson,
seit 1983 an ME/CFS erkrankt: Ich habe von Gerüchten aus
Trucky gehört, dass die Leute diese komische Grippe bekommen und
sich einfach nicht mehr davon erholen. Wenn jemand diese Grippe
bekam und sich innerhalb von drei Wochen oder so davon erholte, dann
schienen sie davongekommen zu sein, aber wenn die Grippe länger
dauerte, vier Wochen oder noch länger, dann ging es den Leuten den
Gerüchten zufolge nicht mehr besser, in einigen Fällen ging ihnen
tatsächlich immer schlechter…
TV-Sprecher: Eine rätselhafte
Krankheit hat die Stadt Incline Village in Nevada getroffen, eine
Krankheit, für die die Ärzte kein Heilmittel haben.
Erinnern Sie sich – sie haben es als
Yuppie-Grippe bezeichnet
Dr. Daniel Peterson, einer der Ärzte,
der damals Zeuge der Epidemie in Incline Village war: Die Leute
sagten ganz klar, dass sie vollkommen gesund gewesen waren, und dann
haben sie eines Tages diese Grippe gekriegt und sind krank
geblieben.
Erik Johnson: Noch nie in meinem
Leben habe ich mich so schrecklich gefühlt. Das war keine
Erschöpfung, wie man sie kennt. Es gibt einfach keinen Maßstab für
diese Erschöpfung, so schlimm ist es.
Die Centers
of Disease Control and Prevention (CDC, USA) sind schließlich
gekommen, um den Ausbruch in Incline Village, Nevada, zu
untersuchen.
Dan Peterson:
Sie kamen zu uns und sagten, also, irgendwas geht da sicher vor
sich, aber wir können es nicht herausfinden – und das war alles.
Die
Regierung hat die Stadt unverrichteter Dinge verlassen. Aber für
Hunderte neuer Fälle des Chronic Fatigue Syndroms fingen die
Probleme gerade erst an.
Menschen, von denen man wusste, dass sie
erkrankt waren, wurden bedroht, ihnen wurde der Zutritt zu
Restaurants verboten, sie wurden aus Lebensmittelgeschäften
hinausgeworfen, und Menschen, die ihnen zuvor geglaubt hatten,
Freunde, Familie, gingen jetzt auf sichere Distanz.
26 Jahre später.
Bis zu 17 Millionen Erkrankte weltweit
Ken Hunter: Die Zahlen sind
wahrscheinlich viel zu niedrig geschätzt.
Judy Mikovits:
10 Millionen Amerikaner könnten mit diesem Virus infiziert sein, und
das sind zehnmal so viele Menschen wie HIV-Infizierte.
Robert Miller, seit 1987 an ME/CFS
erkrankt: Wenn sie erfahren, dass ich Chronic Fatigue Syndrom
habe, also CFS/ME, dann ist die erste Reaktion oft, aber Du siehst
doch gar nicht krank aus, und für die, die mich nicht kennen, sehe
ich natürlich auch nicht krank aus.
Ken Hunter, Professor und
Vorsitzender der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie an der
University of Nevada School of Medicine.
Wenn Sie
zwei Patienten mit Chronic Fatigue Syndrom haben, dann haben sie auf
den ersten Blick nicht unbedingt die gleiche Krankheit, und deshalb
war sie wie ein bewegliches Ziel.
Robert Miller: Der Neurologe hat
sich die Tabelle angesehen und dann sah er mir direkt in die Augen
und sagte, die einzige Möglichkeit, dass Sie diese Symptome haben
könnten, die Sie mir beschreiben, ist, dass Sie einen Gehirntumor
von der Größe eines Basketballs hätten.
Pat Fero, seit 1980 an ME/CFS
erkrankt: Ich fühlte mich,
als wäre ich ungefähr so lebendig wie ein Türgriff. Ich habe großes
Interesse an meiner Arbeit, aber ich konnte nicht einmal die Treppen
steigen.
Mary Schweitzer, seit 1994 an ME/CFS
erkrankt: Ich war Geschichtsprofessorin, und mein Mann war
Professor für Bankwesen, und wir hatten beide viel Zeit für unsere
Kinder und füreinander, um etwas zu unternehmen. Ich meine, wir
hatten ein gutes Einkommen, und deshalb hatten wir ein recht gutes
Leben. Ich war zu krank, um irgendetwas zu tun, und meine Familie
war einfach zu überwältigt, um etwas zu tun. Das ist das, was dann
passiert. Es ist deshalb eine sehr private Krankheit. Sie sind
zuhause, die Menschen sehen Sie nicht, Sie sind unsichtbar.
Andrea Whittemore-Goad, an ME/CFS
erkrankt, seit sie 11 Jahre alt war. Das Schlimmste war, wenn
mir die Leute nicht geglaubt haben, wenn mir gesagt wurde, dass ich
eine Schulphobie hätte, und wenn man 11 Jahre alt ist, dann braucht
man seine Eltern, und nie im Leben stimmt das.
Auf beiden Seiten des Atlantiks ist es
offizielle Regierungspolitik, die Menschen als psychiatrische Fälle
zu behandeln.
Ken Hunter: Die Krankheit wurde
sozusagen von den Psychiatern übernommen.
Pat Fero: Ach, wir wissen nicht,
was wir mit diesen Leuten anfangen sollen, sie sind einfach zu
zeitraubend.
Ken Hunter:
Ärzte, die das Chronic Fatigue Syndrom anerkannten, mussten die
Diagnose oft verstecken hinter einer anderen, damit die Behandlung
irgendwie bezahlt wurde.
Pat Fero: Sie müssen diese
magische Formel jeden Tag aufsagen: mir geht es heute gut, wissen
Sie, oder ähnliche komische Sachen bekam man gesagt. Ich weiß von
Leuten, die Selbstmord begangen haben, und immer noch sind die
Bücherregale voll mit diesen, wissen Sie, Selbsthilfebüchlein, und
das soll dann angeblich helfen, aber die Menschen sind krank.
Dr. Joanne B. Lippert, Klinische
Psychologin:
Ich habe Menschen gesehen, die wirklich
zerstört waren, und das manchmal in ihrer Therapie von einem sehr
kritischen Therapeuten, der sagte, was ist los mit Ihnen, warum geht
es Ihnen nicht besser? Es muss daran liegen, dass Sie sich einfach
nicht genug Mühe geben.
Pat Fero: Cathy ist am 4 Juli
2005 gestorben. Kurz vor Weihnachten ist er von einem Arzt
aufgesucht worden, der gesagt hat, wenn Sie nicht… wenn das nach
Weihnachten nicht besser ist, dann müssen wir mal ein ernstes Wort
darüber reden. Cathy wehrte sich und sagte, er hat kein Recht, mir
zu sagen, was ich zu denken habe und wie es mir geht.
Pat Feros Sohn, der auch an ME/CFS erkrankt
war, starb im Alter von 23 Jahren.
Andrea Whittemore-Goad: Es ist
entsetzlich, wenn Dir jemand sagt, er glaubt, dass Du Dir das alles
nur einbildest oder, ach, da sind Sie also immer müde. Die Patienten
haben es so leid, missverstanden zu werden, sie haben es leid, dass
man ihnen diesen lächerlichen Unsinn erzählen will, alles was sie
bräuchten, wäre kognitive Verhaltenstherapie und ein paar
Antidepressiva und ein bisschen körperliches Training und dann sind
Sie wieder gesund. Das sind alles Leute, die aktiv waren, das waren
Olympiateilnehmer, das waren Leute, die im Leben etwas erreichen
wollen, und sie haben das Gefühl, dass ihr Leben einfach
abgeschnitten wurde. Wissen Sie, die haben ihre Familien verloren,
sie haben ihre Freunde verloren, sie haben manchmal ihr
Selbstvertrauen verloren.
Mary Schweitzer:
Die Leute sterben an Folgeerscheinungen dieser Krankheit und dann
werden sie einfach anders eingeordnet. Sie sagen nicht, sie sterben
an ME/CFS, sie sagen, sie sind an Herzversagen gestorben.
Andrea: Sie haben ziemliche Angst
und sie sind sehr, sehr wütend.
In der Zwischenzeit wächst der Zorn – zurück in
London.
Das General Medical Council
London, 29. April 2010
Dr. Sarah Myhill, die Ärztin mit den meisten
ME/CFS-Patienten in Großbritannien, erhielt eine Vorladung vom
General Medical Council, nachdem eine einzige Beschwerde von einem
Denunzianten aus dem Internet eingegangen war.
Dr. Sarah Myhill: Jetzt ist es
offiziell, ich werde als schwerwiegendes Risiko für die öffentliche
Gesundheit betrachtet. Man hat
mir nicht die Lizenz entzogen, aber ich habe schwerwiegende
Einschränkungen auferlegt bekommen über das, was ich jetzt tun darf
und was ich nicht tun darf.
Selbst nach
30 Jahren wehrt sich die Regierung weiterhin gegen eine Forschung,
die feststellen würde, dass ME/CFS eine biomedizinische Erkrankung
ist.
Annette Whittemore, Gründerin des
Whittemore Peterson Instituts: Sie würden die Patienten
lieber im Bereich der psychiatrischen Krankheiten behalten, sie
würden ihnen lieber weiterhin kognitive Verhaltenstherapie und
körperliches Training verordnen und sie aus der Medizin
heraushalten, aber, wissen Sie, es tut mir leid, aber die Realität
ist die Realität, und ich glaube, wenn man diese Realität anerkennt,
dann kann man auch mit ihr umgehen.
Das Whittemore Peterson Institut hat ein neues
Retrovirus im Blut von ME/CFS-Patienten gefunden …. das XMRV.
Eric Johnson: Das hat sie
gezwungen, sich die Sache noch mal anzusehen. Also ja, dank der
Arbeit des Whittemore Peterson Instituts bekommen wir endlich
Antworten und wir haben Grund zur Hoffnung.
Sarah Myhill: Ich halte das für
absolut faszinierend. Und es bringt die ME/CFS eindeutig auf das
Gebiet der organischen Krankheiten.
Robert Miller: Aus meiner Sicht
war das immer ein Virus, es hat sich immer so angefühlt, es hat sich
immer wie eine Grippe angefühlt.
Judy Mikovits, die führendste
Wissenschaftlerin, die den Zusammenhang zwischen dem Virus XMRV und
ME/CFS-Patienten herausgefunden hat:
Es gibt nur drei Familien von humanen Retroviren, HIV, HTLV und
jetzt XMRV, und alle drei verursachen neuro-immunologische
Krankheiten, Immundefekte und Krebs.
Sara Myhill:
Das ist das, was ich vermute, aber ich weiß nicht, ob es ein Symptom
einer schlechten Immunität ist, das Virus zu bekommen.
Judy Mikovits: Ich erforsche
einen Immundefekt, der die Fähigkeit des Körpers, sich zu wehren,
lähmt, und wenn Sie den beseitigen, dann ermöglichen Sie dem
Immunsystem, sich zu erholen und seine Arbeit zu tun.
Dr. Daniel Peterson, Gründer des
Whittemore Peterson Instituts:
Man sollte die Parallele zu HIV nicht vergessen, und wir haben
wirklich ein Problem damit, auch ich in meiner Praxis, wenn junge
Menschen sterben und ich keine Ahnung habe, was sie umgebracht hat,
also, es war irgendetwas Schlimmes, irgendetwas, das ihr Immunsystem
kaputt gemacht hat.
Ken Hunter: Das ist ein
unglaubliches Forschungsergebnis, und innerhalb von Monaten,
innerhalb der letzten paar Monate gab es Studien aus Großbritannien,
die nicht in der Lage waren, diese Ergebnisse zu reproduzieren.
Judy Mikovits: Die negativen
Studien waren für die Patienten natürlich entmutigend. Eine
Patientengruppe, von der ich gar nicht weiß, wer sie sind – ich weiß
nur, dass da eine Patientengruppe ist, die es auf sich genommen hat
und etwa 20 Proben von Patienten an das diagnostische Labor VipDX zu
schicken, und dieses hat bei acht der 20 Proben das XMRV gefunden.
Deshalb sind die Daten ganz offensichtlich im Widerspruch zu diesen
Studien, die besagen, dass es in Europa kein XMRV gäbe.
Pat Fero: Es gibt immer Leute,
die vorangehen, die sich an die Spitze setzen und sagen, ok, wenn
nicht ich, wer dann, also los. Und dann gibt es da Leute, die sie
unterstützen und dann sind da die Leute hinter ihnen, die nichts
tun, bis es so aussieht als ob… da ist also die Masse der Leute, und
ich glaube, wir gehören da auch dazu. Diese Geschichte jetzt mit der
Entdeckung des XMRV und dem kanadischen Gesundheitsminister, der
sagt, sie dürfen kein Blut spenden, wissen Sie, die Dinge kommen
langsam ins Rollen.
Der Gesundheitsminister Kanadas hat alle
ME/CFS-Patienten von Blutspenden ausgeschlossen.
Robert Miller: Der Gedanke, dass
ich lieber zuhause sitzen würde, unbeweglich, praktisch völlig
vereinsamt, statt rauszugehen und etwas zu tun, das mir wirklich
Spaß macht und ein ordentliches Einkommen verschafft, in der Lage zu
sein, Freunde zu haben, die Beziehungen zur Familie zu pflegen – das
ist einfach irrsinnig, das ist einfach – das ist für mich
verrückt.
Verschiedene Vertreter der psychologischen
Schule zu ME/CFS wurden um eine Stellungnahme gebeten. Bis zum
heutigen Tag hat sich keiner bereit erklärt, hier auszusagen.
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