Blogeintrag von Jamie Deckoff-Jones vom 3. Oktober 2011
Am Nullpunkt
Eilmeldung. Das gesamte WPI-Forschungsprogramm
ist vom CEO (Firmenchef) des Instituts geschlossen worden, und die
Einrichtung ist jetzt geschlossen. Ihre frühere leitende Forscherin,
Dr. Judy Mikovits, steht in aktiven Verhandlungen mit Einrichtungen,
zu denen sie wechseln kann, um ihre durch Forschungsgelder
finanzierte Forschung fortzusetzen. Diese Institutionen müssen aus
offensichtlichen Gründen ungenannt bleiben, aber es ist für die
Patienten wichtig, zu wissen, dass sie weiterhin engagiert ist, um
ihre entscheidende Arbeit fortzusetzen.
Jetzt gibt es also zu allem noch dazu eine
Scheidung am WPI. Was noch kommen kann, sind all die Dinge, die in
solch einer chaotischen Situation passieren könne. In der
Zwischenzeit gibt es momentan keine von Mikovits geleitete Forschung
am WPI oder an irgendeiner anderen Forschungseinrichtung. Ein
enormer Verlust von Möglichkeiten. Ich bin lange in mich gegangen,
ob ich diesen Blog schreiben soll oder nicht. Meine Motivation, hier
zu schreiben, war immer, die Lage zu verbessern, zu informieren, die
Isolation zu lindern, Ideen zu teilen, von denen ich hoffte, sie
seien nützlich. Aber das hier ist anders. Wenn ich diesen Beitrag
schreibe, habe ich das Gefühl, ich nehme Hoffnung, was für mich ein
Gräuel ist. Aber in dieser Zeit wäre es unehrlich, wenn ich die
Informationen zurückhalten würde, die ich habe. Ich weiß nicht, was
ich anderes tun kann, außer es so zu berichten, wie ich es sehe.
Hier ist die Realität und der Zusammenhang, aus
dem heraus ich diesen besonderen Blogeintrag schreibe: Mein
Email-Fach ist voll mit so viel Schmerz und Verwirrung, während die
Patienten versuchen, herauszufinden, was die Studie der
Blood-Working-Group für sie bedeutet. Ich habe den Eindruck, es ist
meine Pflicht, sowohl mit diesen Patienten als auch mit der größeren
Gemeinde meine Meinungen zu teilen. Ich glaube, dass die Ergebnisse
der Blood Working Group Studie bedeuten, dass alle Tests auf XMRV/HGRV,
die bei VIP Dx durchgeführt wurden, null und nichtig sind und waren.
Man muss sich klar machen, dass Dr. Mikovits im Forschungslabor des
WPI arbeitet, das ein von dem klinischen, kommerziell orientierten
VIP Dx getrenntes Labor ist. Sie glaubt, dass sie ihre ursprüngliche
Arbeit viele Male reproduziert und bei den Patienten, die zuvor als
XMRV-positiv getestet wurden, Belege für eine Infektion gefunden
hat. Aber sie hat niemals einen Patienten gefunden, der an jedem
Testdatum und mit jedem Testverfahren positiv gewesen wäre. Es hat
also seit einiger Zeit die Annahme gegeben, dass es im
WPI-Forschungslabor falsch-negative Testergebnisse gab. Eine weitere
wichtige Sache, die man sich klar machen muss, ist, dass das WPI
routinemäßig mit jeder Probe mehrere Tests durchgeführt hat, während
VIP Dx andere, begrenztere Tests mit den Proben, die sie bekamen,
durchgeführt hat, Testverfahren, die offensichtlich niemals wirklich
gegenüber den WPI-Methoden überprüft oder mit den entsprechenden
Kontrollen durchgeführt wurden. Ich persönlich weiß nicht, warum das
der Fall war oder wie das passiert ist. Offensichtlich war die
Entscheidung, einen Test zu verkaufen, keine gute Entscheidung, aber
hinterher ist man immer klüger. Sie hat das Institut mit einem
schwierigen Interessenkonflikt hinterlassen.
Ich habe das alles sich entwickeln sehen und
still gehalten, weil ich hoffte, dass das Management am WPI zur
Vernunft käme, bevor es zu spät ist. Sie sind nicht zur Vernunft
gekommen, und deshalb fühle ich mich jetzt verpflichten,
mitzuteilen, was ich weiß.
Ich bin mit Dr. Mikovits persönlich befreundet.
Wir haben in Reno einige Zeit miteinander verbracht. Wir waren
begeistert über unsere Zusammenarbeit. Wir reden und emailen immer
noch regelmäßig miteinander. Weil ich sie so gut kenne, kann ich
Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass sie niemals an sich selbst
denkt oder sich schont und sich stattdessen vollkommen der Forschung
und den Patienten hingibt, die diese so dringend brauchen. Sie ist
dafür kritisiert worden, dass sie den Patienten ganz unkonventionell
erlaubt hat, Zugang zu ihr zu bekommen, ein Schritt, der für einige
lebensrettend war, auch wenn sie dadurch zu einer ME/CFS-Hotline
wurde.
Was die Blood Working Group Studie betrifft:
Man hat mir gesagt, dass die BWG-Proben sowohl im
WPI-Forschungslabor als auch im VIP DX-Labor untersucht wurden.
Obwohl die Labors voneinander getrennt gehalten wurden und die
Kooperation zwischen den beiden Labors bereits sehr gestört war,
glaubte Dr. Mikovits, dass VIP Dx erfolgreich wäre und alles doppelt
überprüft würde.
Als die Ergebnisse der BWG Anfang August
entschlüsselt und allen neun Labors offengelegt wurden (aber noch
nicht veröffentlicht wurden), kam das WPI schlecht dabei weg. Dr.
Mikovits sagt, dass sie zu dieser Zeit das WPI Management gebeten
hatte, keine XMRV-Tests am VIP DX-Labor mehr anzubieten. Aber die
Testungen wurden nicht gestoppt. Warum?
Dann, als die BWG-Ergebnisse am 22. September
schließlich publik gemacht wurden, habe Dr. Mikovits gesagt: „Das
VIP Dx-Labor wird KEINE XMRV-Tests mehr durchführen, weil sie sich
in der Blood Working Group als nicht reproduzierbar erwiesen haben.“
Kurz nachdem sie das gesagt hatte, hat die Kooperation zwischen den
beiden Labors komplett aufgehört und das Forschungslabor wurde
geschlossen. Warum?
Es ist wichtig zu wissen, dass Dr. Mikovits zu
ihrer Arbeit am WPI-Forschungslabor steht, die alles ist, wofür sie
sich verbürgen kann. Sie kann nicht Rechenschaft ablegen über das,
was bei VIP Dx passiert ist. Das Labor war an einem anderen Ort und
unter anderer Leitung: Dr. Lombardi war für VIP Dx verantwortlich.
Jetzt sieht es so aus, dass das
Forschungsprogramm des WPI den Wölfen zum Fraß vorgeworfen wird,
aber VIP Dx immer noch offen ist und läuft, jetzt aber ohne
XMRV-Tests. Nichts von alledem heißt, dass wir keine HGRVs hätten
oder dass irgendetwas von der Arbeit, die aus dem von Mikovits
geleiteten Labor kam, nicht korrekt gewesen sei. Was es aber heißt,
ist, es gibt keinen überprüften (validierten) Test für den
klinischen oder kommerziellen Einsatz. Und es bedeutet, dass wir
jetzt Gefahr laufen, alle Gewinne, die wir erreicht hatten, zu
verlieren, und zwar aufgrund schlechter Entscheidungen des
Managements.
In meinem nächsten Blog werde ich die PP-Folien
von Dr. Mikovits’ Vortrag in Ottawa wiedergeben, diesmal zusammen
mit ihren Kommentaren und einer Zusammenfassung von mir, und
Argumente für die Existenz der HGRVs liefern. Eine Kontamination der
Kulturen mit dem VP62 kann ihre Forschungsergebnisse nicht
wegerklären. Sie hat Varianten des XMRV gefunden. Der
Serologie-Test, der in der BWG-Studie eingesetzt und in dem Artikel
von Lombardi et al. veröffentlicht wurde, hat etwas entdeckt, was
Antikörpern gegen MLV-Proteinen zumindest sehr nahe kommt, wenn es
nicht sogar welche sind. Jemand muss herausfinden, was das für
Proteine sind. Es gab Elektronenmikroskop-Aufnahmen von Patienten,
in denen Retroviren zu sehen sind. Bilder. Frank Ruscetti hat
Retroviren erforscht, seitdem es dieses Forschungsgebiet überhaupt
gibt, und er glaubt, dass er etwas sehr Reales erforscht hat. Und es
gab klinische Reaktionen auf antiretrovirale Medikamente, darunter
auch unsere Reaktion darauf, die schwer wegzuerklären sind und nur
damit erklärt werden können, dass sie genau das getan haben, was sie
tun sollen, nämlich die Replikation von Retroviren zu hemmen. Lesen
Sie dazu bitte noch einmal die Beiträge und Kommentare von Dr.
Snyderman:
A Reason For Hope.
Wie das manchmal bei Scheidungen vorkommt – wir
finden uns jetzt in einer Position wieder, in der wir Partei
ergreifen müssen. Die Wissenschaft und nicht die Institution sind
das Kind, das irgendwie beschützt werden muss in dem nun folgenden
Sorgerechtsstreit.
Um es festzuhalten. Wo wir wieder in die
Finsternis abtauchen… Vor ein paar Wochen habe ich den Text unten
geschrieben, aber ich habe ihn nicht veröffentlicht. Ich habe das
WPI-Management direkt mit diesen Fragen konfrontiert und keine
angemessene Antwort bekommen.
Blog ohne Titel:
Wenn du die Wahrheit sagst, gibt es nichts, was
du im Kopf behalten müsstest.
Mark Twain
Über meine eigenen, persönlichen Erfahrungen am
WPI habe ich geschwiegen, in der Annahme, dass die Dinge von alleine
offenbart würden, ohne Aufdeckung meinerseits. Aber da geschieht
etwas, was ich einfach nicht so unkommentiert lassen kann: Es ist
der Glaube, den Patienten haben, dass alles besser würde, wenn sie
nur nach Reno kommen und am WPI behandelt werden könnten. Es ist zu
schmerzhaft, diese Dynamik stillschweigend zu beobachten. Als meine
Tochter an „Chronischer Lyme-Borreliose“ erkrankte, hatte ich den
Eindruck, dass andere Ärzte Informationen haben könnten, die ihr
helfen könnten. Die Erinnerung an das Gefühl, nicht in der Lage zu
sein, meinem Kind zu helfen und zu denken, dass es etwas gab, was
man wissen könnte, das ich aber nicht wusste, und die schlechten
Entscheidungen, die aus diesem verzweifelten Gefühl folgten, sind
der Motor für meine jetzt folgende Enthüllung. Denken Sie daran,
dass das meiste, was ich darüber weiß, was in der klinischen
Abteilung des WPI jetzt geschieht, auf Hörensagen beruht. Er hat
gesagt, sie hat gesagt. Am Ende wird alles ans Licht kommen. Aber
als Ärztin glaube ich, dass die medizinischen Versprechungen, die
man der Öffentlichkeit macht, eines Kommentars bedürfen.
Kürzlich habe ich Annette Whittemore in einem
Fernsehbeitrag von Nevada Newsmaker andeuten hören, dass es am WPI
eine neue Behandlungsform gäbe, die wundersame Ergebnisse bringen
würde. Aufgrund von vertraulichen Bemerkungen von Patienten kann ich
hier nur meine Reaktion mitteilen und meine Argumente nicht mit
Details belegen. Aber ihre (Annette Whittemores) Kommentare waren
übertrieben, eine Werbung, die aus Versatzstücken der Realität
zusammengeschustert wurde, aber nicht der Realität entspricht. Es
gibt einen Arzt, der selbständig in der klinischen Abteilung
arbeitet. Er ist ein wunderbarer Arzt, ein erfahrener Endokrinologe
mit Interesse an CFS. Er wäre eine wunderbare Ergänzung in einem
multidisziplinären Team gewesen. Weiß er etwas über die Behandlung
des CFS, was sonst keiner weiß? Nein. Es gibt keine Behandlung, die
in Reno angeboten würde, die nicht auch in meinem Blog erwähnt
worden ist. Es gibt kein geheimes Wissen. Nichts, wozu man ein
Insider sein müsste, um es herauszufinden.
Es war für mich wirklich schwer zu entscheiden,
was ich, wenn überhaupt, über das nächste Thema sagen sollte.
Angesichts dessen, dass ich versprochen habe, hier ehrlich zu sein,
erscheint es beinahe eine Lüge durch Unterlassung zu sein, wenn ich
nichts sage. Und wenn ich nichts sage, dann sieht es so aus, als ob
ich inkompetent wäre, und das bin ich nicht. Es ist eine Situation,
in der man nicht gewinnen kann. Aber die Wahrheit ist, dass ich auf
dem besten Wege dazu war, die WPI-Klinik zum Laufen zu bringen, so
wie man sie sich vom ersten Tag an vorgestellt hatte: ein Team von
gleichgesinnten Ärzten, die ihre Ideen austauschen und eine große
Patienten-Datenbank schaffen, ein integraler Bestandteil des
translationalen Ansatzes des WPI-Forschungsinstituts. Das hätte
genügend Einnahmen geschaffen, um das Forschungsprogramm zu tragen.
Aber es wurde damit Schluss gemacht, unverständlicherweise. Eine
sehr schlechte Entscheidung.
Die Art und Weise, in der das Management mit
mir umging, als ich am WPI gearbeitet habe, und ich total
eingeschränkt wurde durch ineffektiven, autoritären,
detailorientierten Führungsstil, und nun diese Verrücktheit, das
Forschungsprogramm zu beenden – das zeigt ein Muster an Verhalten
auf. Auch wenn es traurig ist – die Party ist vorbei und muss vorbei
sein. Sie waren und sind der Sache nicht gewachsen. Sie haben mit
den besten Absichten angefangen. Wir werden ihnen immer Dank
schulden für den Funken an Genialität und das erhöhte öffentliche
Bewusstsein, das sie für unsere Krankheit gebracht haben. Aber jetzt
muss die Arbeit von jemandem getan werden, der die Ressourcen hat,
das richtig zu machen. Sie sind solange aufgestiegen, bis sie
unfähig wurden. Es ist uns egal, wer gewinnt, wer das Geld bekommt
oder was sie für Persönlichkeiten sind, solange die Forschung
weitergeht. Wir brauchen die Forschung. Das WPI ist jetzt ein
Hindernis für den Fortschritt.
Übersetzung Regina Clos, mit
freundlicher Genehmigung von J.D.-J. |