Ansprache
von Nicole Krüger beim Sektempfang des Benefizkonzerts
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Herzlich Willkommen, in diesem großartigen
Ambiente des Isernhagenhofes. Mein Name ist Nicole Krüger. Ich bin
Stiftungsinitiatorin und Vorsitzende der LVS. Ich freue mich sehr,
dass Sie unserer Einladung gefolgt sind und Sie gemeinsam mit uns
die Gründung der Lost Voices Stiftung feiern möchten.
Die Lost Voices Stiftung ist seit wenigen Tagen
als gemeinnützige und mildtätige Stiftung des bürgerlichen Rechts
mit Sitz in Hannover, anerkannt.
Auf der Homepage von Orphanet, der Datenbank
für seltene Erkrankungen, wo die Stiftung seit wenigen Tagen
aufgenommen wurde, steht das Motto:
Keine Krankheit kann zu selten sein, um ihr
die Aufmerksamkeit zu verweigern.
Bei der neurologischen und immunologischen
Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis (kurz als ME bezeichnet) ist
die Aufmerksamkeit aber leider sehr gering.
Die Arbeit der LVS möchte, wie mit dem heutigen
Benefizkonzert, auf die Schwer erkrankten Menschen mit ME aufmerksam
machen und setzt sich für eine bessere Versorgungssituation ein.
Myalgische Enzephalomyelitis (auch als Chronic
Fatigue Syndrom oder Chronisches Müdigkeitssyndroms bezeichnet) ist
eine neuroimmunologische Erkrankung, die jeden treffen kann: Kinder
und Jugendliche, Männer und Frauen jeden Alters. Die Betroffenen
werden oft schlagartig aus ihrem bisherigen Leben gerissen. Die
meisten sind dauerhaft erwerbsunfähig, viele Patienten sind über
Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg ans Bett gefesselt. Heilung ist
nach heutigen medizinischen Erkenntnissen noch nicht in Sicht.
Charakteristisch für die Erkrankung ist eine
für gesunde Menschen unvorstellbare körperliche Schwäche und
Erschöpfung, die sich durch Ruhe nicht bessert und die nach
Belastung schlimmer wird. Viele Patienten haben ihre körperlichen
und geistigen Kräfte in so großem Ausmaß verloren, dass es ihnen
bereits schwer fällt, aufzustehen, zu duschen, ein Frühstück
zuzubereiten. Sie haben Mühe, sich zu konzentrieren und zu sprechen.
Hinzu kommen weitere, teils schwerwiegende Symptome: Schmerzen am
ganzen Körper, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, heftiger
Schwindel, Sehstörungen. Sie können Ihre Muskelkraft nicht mehr
abrufen und leiden an Muskelkrämpfen. Manche sind Inkontinenz und
zeitweise gelähmt. Oft bessert sich dieser Zustand im Laufe vieler
Jahre nur unmerklich.
Einige Verläufe sind milder, sodass die
Patienten zwar Einschränkungen haben, aber arbeitsfähig sind. Andere
Patienten hingegen sind selbst zu schwach, um in einem Rollstuhl zu
sitzen. Sie müssen kontinuierlich liegen, oft in abgedunkelten
Räumen. Manche werden künstlich ernährt und können nicht mehr
sprechen.
Die US Food and Drug Administration (FDA)
beschreibt ME als "schwere teilweise lebensbedrohliche Krankheit"
und setzt es auf eine Stufe mit Krebs und Herzinsuffizienz und AIDS
im Endstadium.
In Norwegen hatte sich 2011 der
stellvertretende Generaldirektor Bjørn Guldvog von der Direktion für
Gesundheit mit folgender Erklärung öffentlich bei allen Betroffenen
entschuldigt.
"Ich denke, dass wir
die Menschen mit ME in großem Ausmaß ungenügend versorgt
haben. Ich denke, es ist richtig zu sagen, dass wir
keine angemessene Gesundheitsversorgung für diese
Menschen geschaffen haben, und ich bedaure das."
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Das große Problem ist immer wieder, dass man
Menschen mit dem Symptom einer unspezifischen chronischen
Erschöpfung nicht von Menschen unterscheidet, die an Myalgische
Enzephalomyelitis erkrankt sind, also an einer definierten Krankheit
die unter G 93.3 bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
klassifiziert ist. Diese Zuordnung zu "Krankheiten des
Nervensystems" hat bereits seit 1969 Gültigkeit.
Die Erkrankung ist hierzulande nahezu unbekannt
oder sie wird fälschlicherweise als psychische Erkrankung angesehen.
Nur wenige Mediziner beschäftigen sich mit dem Krankheitsbild. Für
die Betroffenen ist es deswegen schwierig, einen Arzt zu finden, der
sie betreut, vor allem für die Patienten, die ihr Haus nicht mehr
verlassen können. Es gibt kein einziges Krankenhaus, das auf die
Versorgung Schwersterkrankter eingerichtet ist, keine Pflegedienste,
die für die speziellen Bedürfnisse ME-Kranker geschult sind und
keine Versorgungsstrukturen für die ambulante Betreuung dieser
Patienten.
In Deutschland sind schätzungsweise 300.000
ME-Patienten – darunter etwa 40.000 Kinder - ohne adäquate
medizinische Versorgung. Doch Menschen mit schwerem ME haben durch
ihre Krankheit nicht mehr die Kraft, ihre Stimme zu erheben, um für
sich bestmögliche Bedingungen zu erkämpfen. Sie verschwinden ganz
und gar aus dem gesellschaftlichen Leben.
Die Situation von erkrankten Kindern und deren
Eltern ist besonders problematisch. Wir haben zu mehreren Eltern
Kontakt, die sich auf Grund der schweren Erkrankung der Kinder
massiv mit Schul- und Jugendbehörden auseinandersetzen müssen und
jederzeit fürchten müssen, dass man die Kinder aus den Familien
holt.
Hier steht der Vorwurf im Raum, dass, in der
Regel die Mütter, am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leiden d.h.
die Krankheit zur Befriedigung eigener Bedürfnisse herbeiführen oder
die Kinder überbehüten.
Die Lost Voices Stiftung soll langfristig für
Aufklärung sorgen, ME-Kranke und ihre Familien unterstützen sowie
Forschung zu ME einfordern. Es ist ein besonderes Anliegen der
Stiftung, die schwerwiegende Situation von Kindern und Jugendlichen
mit ME zu verbessern und sie bei der Fortsetzung ihrer schulischen
Ausbildung soweit möglich zu unterstützen. Die Lost Voices Stiftung
setzt sich dafür ein, dass sich die medizinische Behandlung von ME
in Deutschland an den aktuellen, international anerkannten
wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert und dass Ärzte und
medizinisches Personal über das Krankheitsbild informiert und
entsprechend ausgebildet werden.
Unser Motto: wir geben den Betroffenen
wieder eine Stimme
Dabei sind wir ganz am Anfang unseres Wirkens.
Wir konzentrieren uns dabei zunächst auf das medizinpolitische
Wirken und auf Öffentlichkeitsarbeit. Und wir Arbeiten weiter an dem
Ausbau des Stiftungskapitals. So laufen bereits jetzt die
Vorbereitungen für eine, in dieser Form noch nie dagewesenen,
Konzertserie im Mai nächsten Jahres. Zu diesem Ereignis wurden und
werden alle Kirchenmusiker in ganz Deutschland dazu eingeladen ein
Konzert zugunsten der Lost Voices Stiftung zu geben. Schirmherr
dieser Reihe von Benefizkonzerten ist Johannes Rahe, Domchordirektor
des Osnabrücker Jugendchors &des Osnabrücker Domchors.
Sie können uns unterstützen, in dem Sie von
dieser Veranstaltung und der Lost Voices Stiftung in Ihrem
persönlichen Umfeld berichten.
Wir sind auch künftig auf die Unterstützung
Dritter angewiesen, als Spender, durch Spendenaktionen, als
ehrenamtliche Helfer oder als Multiplikator für Menschen mit ME.
Sprechen Sie uns an, wenn Sie wissen möchten wie Sie uns
unterstützen können.
Leider sind wir heute weniger Engagierte vor
Ort als geplant. Weil wir krankheitsbedingt einige kurzfristige
Absagen erhalten haben. Eine unserer Helferin musste gestern
Absagen. Sie wäre auf einen Rollstuhl angewiesen. Dieser wurde trotz
vorhergehender Absprache mit Ihrem Hausarzt nicht zur Verfügung
gestellt. Mit der Begründung, dass der Rollstuhl ihre körperliche
Aktivität weiter reduzieren würde. Doch ohne diesen, kann Sie das
Haus nicht mehr verlassen, weil Ihre Muskelkraft zurzeit nur für
wenige Schritte ausreicht.
Gerne stehen wir Ihnen jetzt auch persönlich
für Ihre Fragen zur Verfügung.
Zu guter Letzt möchte ich mich noch bei allen
Unterstützern bedanken, die diese Veranstaltung überhaupt erst
möglich gemacht haben: bei dem Kulturforum der Frauenunion Hannover
Stadt, beim SPD-Ratsherr Henning Hofmann, Bei unserem Grafiker Max
Ciolek, bei Herrn Hinz vom Kulturverein Isernhagenhof e.V. und bei
allen ehrenamtlichen Helfern der LVS.
Nicole Krüger
Vorsitzende Lost Voices Stiftung |