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Artikel des Monats September 2011 Teil 1 Neues aus der Forschung
Eine spanische Studie* hat die Wirkung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität von CFS-Patienten (nach Fukuda) durch zwei verschiedene Behandlungsansätze 12 Monate nach Ende der Behandlung untersucht. Ein Behandlungsansatz bestand aus kombinierter Behandlung mit Graded-Exercise-Therapie, kognitiver Verhaltenstherapie und medikamentöser Behandlung (1), der andere bestand in normaler Behandlung, d.h. Beratung in Bezug auf körperliche Belastung und medikamentöser Behandlung (2). Es handelte sich um eine randomisierte, kontrollierte Prospektivstudie, bei der jeweils 60 Patienten zufällig (randomisiert) der einen oder anderen Behandlungsform zugeordnet wurden. Man hat die gesundheitsbezogene Lebensqualität mit dem SF-36 (einem Fragebogen zum Gesundheitszustand) zu Beginn der Behandlung und 12 Monate nach deren Beendigung gemessen. Außerdem hat man die funktionelle Leistungsfähigkeit in Bezug auf Aktivitäten des täglichen Lebens mit Hilfe des Stanford Health Assessment Questionnaire und die Komorbiditäten (also die zusätzlichen Krankheiten) untersucht. Das höchst interessante Ergebnis: Den Patienten, die man der multidisziplinären Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) und ansteigender körperlicher Belastung (GET) ausgesetzt hatte, ging es nach 12 Monaten schlechter als den Patienten, die man lediglich normal behandelt hatte (mit Beratung und Medikamenten, und zwar in Bezug auf ihre körperliche Funktionsfähigkeit und ihre Schmerzen. Die Autoren schließen daraus: "Die multidisziplinäre Behandlung war der normalen Behandlung in Bezug auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität nach 12 Monaten nicht überlegen. Der mögliche Nutzen von Graded-Exercise-Therapie bei CFS sollte jeweils auf der Basis des einzelnen Patienten eingeschätzt werden." Und sie schreiben: "Obwohl einige Studien zu dem vorsichtigen Schluss kommen, dass eine Therapie mit ansteigender körperlicher Belastung eine vielversprechende Behandlung für CFS sei, stützen die Ergebnisse unserer Studie die gelegentlich umstrittenen Ergebnisse von Twisk und Maes, dass die Kombination von CBT und GET unwirksam und nicht evidenzbasiert ist und in der Tat bei manchen Patienten schädlich ist - eine Sichtweise, die von zahlreichen Umfragen gestützt wird, die von Patientenorganisationen durchgeführt wurden."** Dieses Ergebnis bestätigt nicht nur das, was außer Maes und Twisk noch viele andere Wissenschaftler herausgefunden und was Patienten aus leidvoller Erfahrung von je her sagen - es bestätigt auch, dass die Behauptung der Autoren der "neuen" Leitlinien Müdigkeit, es gäbe keine evidenzbasierten Studien, die dies belegen würden, falsch ist. Diese spanische Studie ist evidenzbasiert - im Sinne einer randomisierten, kontrollierten Vorgehensweise.
Das ist der Titel eines gerade veröffentlichten Artikels der Ärzte bzw. Psychotherapeuten Twisk, Arnoldus und Maes in der Tijdschrift voor Psychotherapie. Sie haben bereits in mehreren Artikeln nachgewiesen, dass ME/CFS (bio)logisch erklärbar ist und die auch in Deutschland als Standardbehandlung geltende kognitive Verhaltenstherapie (CBT) in Kombination mit ansteigendem körperlichen Training (Graded Exercise Therapie – GET) wirkungslos und potentiell schädlich ist. Die Behauptung, diese „Therapien“ seien die einzigen evidenzbasiert wirksamen und würden bei bis zu 70% der Patienten zu einer Erholung führen, entspricht nicht der Wahrheit, so die Autoren. Auch in Deutschland haben ME/CFS-Patienten mit dieser „Evidenz-Bestie“ zu kämpfen: Patientenvertreter haben kürzlich bei der Kommission, die die „Leitlinien Müdigkeit“ überarbeitet, zahlreiche Artikel über die biomedizinischen Anomalien bei ME/CFS und die Wirkungslosigkeit bzw. Schädlichkeit der Therapieempfehlung GET/CBT vorgelegt. Die Kommission lehnte die Studien ab, weil sie „nicht evidenzbasiert“ seien und nahm deren Schlussfolgerungen nicht in die überarbeitete Version der Leitlinien auf. Nach wie vor wird dort die Kombinationstherapie von CBT und GET als evidenzbasiert und als bei „CFS“ wirksam empfohlen (s. S. 23ff). Die als evidenzbasiert geltenden, randomisierten kontrollierten Studien und daraus abgeleitete Therapieempfehlungen würden jedoch, so Twisk und Kollegen, manchmal mehr verbergen als sie enthüllten. ME/CFS sei eine schwere Krankheit und kein Ermüdungszustand, geschweige denn ein abnormes Krankheitsverhalten – etwas, das die Anhänger der Theorie von der psychosozialen Verursachung des ME/CFS vollkommen ignorierten. Nicht nur charakteristische Symptome, sondern auch die zugrunde liegenden pathophysiologischen Anomalien des ME/CFS würden durch Training und wiederholte und erhebliche Anstrengungen (GET) verstärkt. CBT/GET ist nicht signifikant wirksamer als eine medizinische Standardbehandlung, und führt nur bei etwa 30% der Menschen mit „chronischer Erschöpfung“ (nicht ME/CFS) zu einer subjektiven Besserung, die sich aber nicht in objektiver Besserung widerspiegelt und die bei weitem nicht ausreicht, um als mäßig wirksam zu gelten. Diese mäßiggradige Wirksamkeit wurde – entgegen aller Evidenz und Erfahrung – in den gerade erschienenen PACE-Trials behauptet. „Die charakteristischen Symptome wie Schmerzen, kognitive Beeinträchtigungen, Erschöpfung und Zustandsverschlechterung nach Belastung (post-exertional malaise) können durch körperliche Anomalien plausibel erklärt werden, insbesondere Entzündungsprozesse, oxidativen und nitrosativen Stress, Stoffwechsel-Dysfunktionen, Herz-Kreislauf-Störungen, Magen-Darm-Anomalien, Ionenkanal-Dysfunktionen etc. (...) Die Vorherrschaft des psychosozialen Erklärungsmodells und der Empfehlung von CBT/GET hat beträchtliche medizinische, juristische, finanzielle, soziale und psycho-emotionale Auswirkungen für die Patienten. (...) Auf der Basis dieser Feststellungen sollte der Psychologe/Psychotherapeut seine Rolle als CBT/GET-Therapeut infrage stellen, auch weil – als Ergebnis der Psychologisierung des ME/CFS – viele Patienten zögern, sich die psychologische Beratung zu suchen, die darauf abzielt, mit der Krankheit besser fertig zu werden.“ (siehe auch Kasten unten) Die Autoren betonen die dringende Notwendigkeit einer drastischen Richtungsänderung – von der gegenwärtig dominierenden psychologisch orientierten Sichtweise hin zu einem medizinischen Ansatz, der abzielt auf:
3. Gehirn von Patienten mit ME/CFS geschädigt Anthony Komaroff und seine Forscherkollegen von der Harvard Universität haben herausgefunden, dass man ME/CFS-Patienten und Menschen mit einer Depression klar voneinander abgrenzen kann, wenn man ein EEG durchführt und dann die Daten der spektralen Kohärenz des EEGs analysiert (1). Insgesamt hat man 390 Gesunde, 70 ME/CFS-Patienten (nach Fukuda), 24 Patienten mit majorer Depression und 148 Patienten mit allgemeiner Erschöpfung einem EEG unterzogen, einem Messverfahren, mit dem man die elektrische Aktivität des Gehirns messen kann. Es wurden dabei 10 Faktoren gefunden, mit denen man ME/CFS-Patienten exakt von den Menschen mit majorer Depression und von gesunden Kontrollen unterscheiden kann. Außerdem wurde mit dieser objektiven Messmethode keiner der Depressiven fälschlicherweise als ME/CFS-Patient klassifiziert. Die Autoren schreiben, dass man mit diesen Unterschieden in der Gehirnphysiologie vielleicht die bekannten kognitiven Anomalien, die Gedächtnisprobleme und die Schlafstörungen bei ME/CFS-Patienten aufklären könne. Diese Daten belegen, dass ME/CFS-Patienten eine Gehirnphysiologie haben, die man weder bei Gesunden noch bei Menschen mit majorer Depression findet. „Die Ergebnisse stimmen mit anderen Studien überein, bei denen neurologische Anomalien bei CFS gefunden werden, und sie schließen eine Beteiligung der Schläfenlappen in der Pathophysiologie des CFS mit ein.“ Australische Forscher von der Universität in Adelaide haben das Gehirn von ME/CFS-Patienten mit Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht und ebenfalls charakteristische Merkmale gefunden, die man bei Gesunden nicht beobachtet. Sie haben dabei bislang unerwartete Veränderungen in der Struktur und Funktion des Gehirns bei CFS entdeckt. Mit bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren haben sie die Bilder der Magnetresonanztomographie des Gehirns der Studienteilnehmer auf einen einheitlichen Standard gebracht, um sie im Hinblick auf ihre Struktur, die weiße und die graue Gehirnsubstanz sowie das Gehirnvolumen vergleichen zu können. Die so erhaltene Kartographie bzw. die dabei erkannten Unterschiede zwischen Gesunden und CFS-Patienten haben sie dann mit dem klinischen Zustand verglichen, den sie an den 10 häufigsten Symptomen des CFS gemessen haben. Außerdem haben sie die erhaltenen Daten in Beziehung gesetzt zu den Ergebnissen eines Fragebogens zu Angst und Depression, der Hospital Anxiety and Depression Scale HADS, und zu den Ergebnissen einer 24-Stunden-Blutdruckmessung, die Auskunft über den Blutfluss lieferte. Die Ergebnisse waren eindeutig: je länger die Krankheit andauerte, desto geringer war das Volumen der weißen Gehirnsubstanz im Mittelhirn. Und es gab eine starke Korrelation zwischen dem Volumen der grauen Gehirnsubstanz im Hirnstamm und dem Pulsdruck (der Differenz zwischen dem oberen und dem unteren Blutdruckwert). Dieser sagt etwas aus über den Blutfluss im Gehirn. Die Autoren der Studie sagen, dass zumindest einige dieser Veränderung von einer Dysfunktion der Astrozyten herrühren könnten. Die Forscher schreiben: „Die Ergebnisse der Studie stehen im Einklang mit einem plötzlich eintretenden Krankheitszustand (Insult) im Mittelhirn zu Beginn der CFS-Erkrankung, der zahlreiche RückkopplungsKontroll-Schleifen beeinträchtigt, die zerebrale motorische und kognitive Aktivität unterdrückt und die Homöostase im zentralen Nervensystem zerstört, wozu auch eine Neueinstellung einiger Elemente des Autonomen Nervensystems gehören.“ Richard Kwiatek, der leitende Arzt der Studie sagte: „Auch wenn wir zugeben, dass unsere Ergebnisse zunächst noch unabhängig bestätigt werden müssen, zeigen sie doch auffallende Veränderungen im Mittelhirn, das eine entscheidende und ursprünglich regulatorische Rolle im Nervensystem spielt.“ „Wir wissen jetzt, warum die Patienten mit CFS so krank sind: das liegt daran, weil ein ganz grundlegendes und wichtiges Kontrollzentrum im Gehirn fast sicher beeinträchtigt ist. Und das ist schon der Fall, ohne die bereits bekannten Probleme mit dem peripheren Immunsystem dieser Patienten miteinzubeziehen.“ Eine Aktivierung der Astrozyten und der Mikrogliazellen und pathologische Veränderungen sind klassische Anzeichen einer Infektion mit Viren vom Typ der Mäuseleukämie-Viren.
Die Forschungsergebnisse liefern einen weiteren Nachweis einer Neuroinflammation bei Menschen mit ME/CFS und, was noch wichtiger ist, sie spiegeln die Ergebnisse wieder, die Sandra Ruscetti bei Ratten mit einer Mäuseleukämievirus-Infektion gefunden hat. Das XMRV ist mit diesen Mäuseleukämieviren verwandt. „Das Schöne an unserer Technik ist, dass sie, zumindest, wenn man die Patientengruppe als Ganzes betrachtet, eindeutig einen Unterschied in der Funktionsweise zwischen dem Gehirn von CFS-Patienten und dem von Gesunden aufzeigt.“ Diese Studie ist nicht die erste, die eine Verminderung der grauen Gehirnsubstanz bei ME/CFS-Patienten gefunden hat. Floris P. de Lange von der Universität Radboud in Nijmegen, Holland, hat bereits 2005 deutliche Veränderungen im allgemeinen Volumen der grauen Gehirnsubstanz bei CFS-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen entdeckt. Außerdem fanden sie heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Abnahme des Volumens der grauen Gehirnsubstanz und der Verminderung der körperlichen Aktivität bei CFS gibt. Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das zentrale Nervensystem eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie des CFS spielt und dass es objektive und quantitative Instrumentarien gibt, mit der man diese entkräftende Erkrankung diagnostizieren kann.
4. XMRV/MLV und ME/CFS - Laborkontamination oder humanes Retrovirus?
In einigen britischen und auch deutschen Medien wurden in den vergangenen Monaten der Zusammenhang zwischen XMRV/MLV und ME/CFS sowie anderen Erkrankungen als reiner Laborirrtum beschrieben. Insbesondere Anhänger der sogenannten "Wessely-School", z.B. die niederländischen Psychiater Kuppeveld und van der Meer erklärten in The Lancet "das traurige Ende einer Geschichte", nämlich des Zusammenhangs zwischen XMRV und ME/CFS (1). Zahlreiche Studien finden kein XMRV Diese Berichte basierten auf einer Reihe von Studien, in denen das XMRV bzw. seine Variationen nicht gefunden werden konnten. Zuletzt erschienen in Science zwei weitere Studien dieser Art (2, 3). Sie waren der Anlass für die Herausgeber von Science, die Entdecker des Zusammenhangs zwischen ME/CFS und XMRV, Lombardi/ Mikovits, aufzufordern, ihren Originalartikel von 2009 (4) zurückzuziehen (5, 6). In dem ersten Artikel von Knox et al. (2) fanden die Forscher das Virus nicht, obwohl darunter auch 43 zuvor als XMRV-positiv getestete Personen aus der Original-Science-Studie gewesen sein sollen. In der zweiten Studie von Paprotka et al. (3) wird behauptet, XMRV sei im Labor entstanden, und zwar bei der Herstellung der Zelllinie 22Rv1. Man stellt solche Zelllinien her, indem man menschliches Krebsgewebe in Mäuse einpflanzt, um es so am Leben zu erhalten und daran Versuche durchzuführen, z.B. um Viren zu vermehren, "anzubrüten", damit sie sicherer bestimmt werden können. Bei dieser sogenannten Xenotransplantation sei es nun durch ein „äußerst unwahrscheinliches Ereignis“ zu einer Rekombination von zwei Mäuseleukämieviren gekommen, und das Ergebnis sei das XMRV. Damit, so die Autoren, käme XMRV als Retrovirus, das den Menschen befällt und ansteckend sei, nicht mehr infrage. Belege gegen die Kontaminationsthese Während Science nun erklärte, alle diese Studien würden die Forschungsergebnisse von Lombardi/ Mikovits (4) "jetzt ernsthaft infrage" stellen und belegen, dass diese nur die Folge einer Laborkontamination seien, bestreiten dies nicht nur Lombardi/Mikovits und das Whittemore Peterson Institute WPI (7, 8) selbst, sondern auch andere namhafte Autoren. Aus einem Brief von Annette Whittemore an Science geht u.a. hervor, dass "Konstance Knox, im Hinblick auf das WPI nicht unvoreingenommen, unparteiisch oder unabhängig ist", da sie "das WPI unter schwierigen Umständen" verließ - d.h., sie wurde aufgrund der "Verletzung ethischer Grundsätze", den "Missbrauch von unternehmensinternen Informationen", aufgrund von "unangemessenen Gebrauch, Zurückhaltung und Zerstörung von Patientenproben und Daten sowie Streitigkeiten über den Besitz geistigen Eigentums" entlassen. (8) Die Zelllinie 22Rv1, von der Paprotka et al. behaupten, sie sei mit Mäuse-DNA verunreinigt gewesen und von daher die Ursache der positiven Befunde bei ME/CFS-Patienten, ist im WPI und in den beiden anderen Labors, aus denen die Original-Science-Studie von 2009 hervorging, jedoch niemals eingesetzt worden. Auch testen die Forscher damals wie jetzt ständig ihre Reagentien und Instrumentarien auf Mäuse-DNA, sind aber niemals fündig geworden, so dass nach ihrer Ansicht eine solche Laborkontamination als Erklärung für ihre Forschungsergebnisse ausgeschlossen werden kann. Außerdem sei, so Mikovits (7), mit einer solchen Laborkontamination nicht zu erklären, wieso sich bei infizierten Patienten immer wieder Antikörper finden lassen, also Stoffe, die nur im Körper infizierter Menschen infolge der Aktivität des Immunsystems entstehen können, nicht aber in einem Labor. Und dass man bei XMRV-negativen Menschen keine Antikörper dagegen finde. Mit der Kontaminationstheorie könne außerdem nicht erklärt werden, warum man selbst bei verschlüsselten Proben (also bei denen den Forschern nicht bekannt ist, ob es sich um ME/CFS-Patienten, andere Erkrankte oder gesunde Kontrollpersonen handelt) immer wieder einen erheblichen Prozentsatz (bis zu 98%) XMRV-infizierter ME/CFS-Patienten findet, aber "nur" 3% - 6% Infizierte bei den gesunden Kontrollen. Wenn es sich um eine Laborkontamination handeln würde, müsste die Prozentzahl bei Kranken wie Gesunden in etwa gleich sein. Andere Kritiker der Paprotka-Studie sagen, dass deren Untersuchungsverfahren so ungenau und wechselnd gewesen seien, dass ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit eine bereits von Anfang an vorhandene XMRV-Infektion dieser Zelllinie entgangen ist - denn diese wird aus Prostatakrebsgewebe gewonnen, und Prostatakrebspatienten sind nach Erkenntnissen mehrerer Forscher bis zu 27% XMRV-positiv. Eine detaillierte Analyse des Paprotka-Artikels von Louise Gunn kommt ebenfalls zu diesem Schluss. Sie zeigt außerdem weitere schwerwiegende Fehler in der Methodologie der Studie auf (9).
Entscheidend sind die Testverfahren Bei keiner der Studien, bei denen XMRV oder seine engen Verwandten (sogenannte Sequenzvarationen - zusammengefasst als MLV bezeichnet) nicht gefunden werden konnten, wurden die empfindlichen Methoden eingesetzt, die Lombardi/ Mikovits (4) und Lo/Alter (10) oder Silverman oder die zahlreichen anderen Forscher eingesetzt haben, um das Retrovirus zu bestimmen. Selbst wenn die Autoren der Negativstudien behaupten, ihre Testverfahren seien empfindlich genug, das XMRV in vitro, also im Reagenzglas, zu finden, heißt das nicht, dass sie empfindlich genug sind, um es auch in der klinischen Probe eines Menschen zu finden. Denn dort ist das XMRV in die DNA integriert und wird durch verschiedene intrazelluläre Abwehrmechanismen geschädigt (oxidativen Stress und Hypermutation durch Apobec3G), und man muss die PCR-Verfahren so einstellen, dass auch diese bereits geschädigten Virussequenzen gefunden werden. Wenn also in einer Studie das XMRV nicht gefunden wird, sei das eher ein Beweis dafür, dass die Methoden der Forscher ungenügend sind, nicht aber, dass die Patienten und gesunden Kontrollen tatsächlich nicht infiziert sind. „Absence of evidence ist not evidence of absence“ - das Fehlen eines Nachweises ist nicht der Nachweis des Fehlens, so die Kritiker der Negativstudien. Entscheidend ist also, die Testverfahren an klinischen Proben zu validieren, d.h. ihre Fähigkeit, das XMRV in einem lebendigen Organismus zu finden, zu überprüfen. Solche validierten Testverfahren könnten z.B. die Folge der sogenannten Lipkin-Studie sein. Lipkin-Studie der NIH sucht das beste Labor Diese Studie wird von den National Institutes of Health unter der Leitung von Ian Lipkin durchgeführt und wird wahrscheinlich die gegenwärtigen Unstimmigkeiten beseitigen, ob XMRV/MLV bei ME/CFS-Patienten vorkommt und ob es einen Zusammenhang zwischen XMRV/MLV und ME/CFS gibt (12). Bei dieser Studie wird 150 gut diagnostizierten ME/CFS-Patienten aus 6 verschiedenen Orten und 150 gesunden Kontrollpersonen auf die gleiche Art und Weise Blut zur Untersuchung auf XMRV abgenommen. Alle Reagentien werden auf eine mögliche Kontamination mit Mäuse-DNA untersucht. Die Proben werden verschlüsselt, so dass niemand erkennen kann, welche Probe von einem gesunden, welche von einem Patienten kommt. Dann werden die Proben von drei verschiedenen Labors untersucht - dem WPI (Lombardi/Mikovits), den National Institutes of Health (Alter/Lo) und den CDC (Switzer). Es bleibt den Labors überlassen, welche Testverfahren sie verwenden. Das WPI wird vier verschiedene Testverfahren einsetzen, Kultur, PCR, Western Blot mit Sequenzierung und Serologie (Antikörpertest). Wenn die Ergebnisse der drei Labors vorliegen, dann werden die Kodierungen entschlüsselt und jedes Labor wird erfahren, welchen Prozentsatz es an ME/CFS-Patienten und an Kontrollen als XMRV-positiv getestet hat und ob die anderen Labors ähnliche Ergebnisse erzielt haben. Ian Lipkin wird jede Probe als positiv bewerten, die auch nur von einem der verschiedenen Testverfahren als positiv getestet wurde. Man wird sowohl nach MLVs als auch nach XMRV suchen, so dass es wahrscheinlich zwei verschiedene Gruppen gibt, die XMRV-Positiven und die MLV-Positiven. Wer die meisten XMRV/MLV-positiven Proben findet, wird damit bewiesen haben, die besten Testverfahren zu besitzen. Und die Frage, ob XMRV nur eine Laborkontamination oder ein tatsächlich existierendes, ansteckendes Retrovirus ist, wird damit beantwortet sein. Was allerdings noch nicht beantwortet ist und weiterer Erforschung bedarf, fasst Dr. Bieger in seinem Newsletter (11) so zusammen:
Trotz aller berechtigten kritischen Fragen ist es also wichtig, die Forschung fortzusetzen, um das mögliche krankmachende Potential herauszufinden. Zahlreiche Forscher tun das bereits (siehe: http://treatingxmrv.blogspot.com/2011/06/here-aremore-abstracts-about-xmrv-from.html)
Sharma et al. haben eine Studie an Rhesusaffen durchgeführt (13), um der Frage der möglichen Übertragungswege des XMRV nachzugehen. Dazu haben sie Rhesusaffen intravenös mit XMRV infiziert. Bald darauf ließ sich das Retrovirus bzw. seine Proteine danach in der Prostata der männlichen und der Gebärmutter und der Vagina des weiblichen Affen nachweisen. Das stützt die These von der Möglichkeit der sexuellen Übertragung des Virus. Auch dieser Befund kann durch eine Kontamination im Labor nicht erklärt werden: Man hat Nukleinsäuren und virale Proteine im Inneren von Zellen gefunden, Indikatoren für eine Vermehrung des Virus in den Zellen des Wirts und ein Bewesie für die tatsächliche Infektion der Tiere bzw. der Infektiösität des Virus. Nach einer Studie von Barton et al. (14) wurde Virus-RNA des XMRV im Urin von 25% von 143 Prostatakrebspatienten und in 3% der 63 gesunden Kontrollpersonen gefunden. Man hat die gefundene Virus-RNA sequenziert und mit den bekannten XMRV-Sequenzen verglichen. Auch in dieser Studie wird betont, dass die niedrige Anzahl von XMRV in den Proben zeigt, wie schwierig es ist, eine verlässliche Bestimmung des XMRV allein mit PCR-Verfahren zu erreichen. Man hofft, dass verbesserte Testmethoden eine breite Überprüfung von Prostatakrebspatienten ermöglichen werden. Ruscetti et al. haben das erhöhte Vorkommen von Lymphdrüsenkrebs bei einer Kohorte von 300 ME/CFS-Patienten untersucht (16). Beinahe 5% erkrankten daran, während diese non-Hodgkin-Lymphome ansonsten nur bei 0,02% der Bevölkerung auftreten. 11 dieser Krebspatienten wurden auf XMRV getestet, und alle waren positiv. Sie schließen daraus, dass eine XMRV-Infektion die Entwicklung von B-Zell-Malignome beschleunigen kann und dass Gewebe wie die Milz und Lymphknoten das Reservoir für das XMRV sein könnten. Maureen Hanson, die zusammen mit David Bell eine verschlüsselte Studie an ME/CFSPatienten durchführt (15), die während eines Clusterausbruchs in Lyndonville Mitte der 1980er- Jahre als Kinder oder Jugendliche erkrankt waren, entdeckte bei einer hohen Anzahl dieser Kohorte MLV-ähnliche Retroviren, die eher den von Lo/Alter gefundenen PMRVs glichen. Sie schreibt: "Die Entdeckung von gag-Sequenzen in der DNA aus Gesamtblut, die negativ auf Mäuse- IAP und mitochondriale Mäuse-DNA waren, liefert einen starken Beweis für die Infektion von Menschen mit MLV-ähnlichen Viren."
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