Leserbrief an The Observer
Malcolm Hooper Ph.D.,B.Pharm.,C.Chem.,MRIC
Emeritus Professor of Medicinal Chemistry
University of Sunderland, SUNDERLAND SR2 3SD
25. August 2011
Kein
vernünftiger Mensch könnte eine Kampagne der Verunglimpfung gegen
Wissenschaftler billigen (“Chronic fatigue syndrome researchers face
death threats from militants”; The Observer, Sunday 21st August
2011); ebenso könnte kein vernünftiger Mensch billigen, was
Psychiater wie Professor Wessely den britischen ME-Patienten in den
vergangenen 25 Jahren angetan hat.
Ganz gleich,
wie stark die Provokation auch sein mag – es ist unvertretbar,
Menschen mit Myalgischer Enzephalomyelitis (ME) mit den Extremisten
der Animal Liberation Front zu vergleichen. Das wird eine weitere
Welle der Abscheu gegenüber ME-Patienten hervorrufen. Es ist ein
unentschuldbarer Angriff auf die gesamte Gemeinde der ME-Patienten,
nicht nur auf die wenigen Menschen, die sich vielleicht irrational
verhalten haben. Man sollte annehmen, dass ausgerechnet Psychiater
wissen könnten, wie man unausgewogenes Verhalten erkennt und damit
umgeht, anstatt dieses auszubeuten.
Wessely sagt,
er sei besorgt, dass ein solches Verhalten Forscher abschrecken
würde, aber tatsächlich ist er es, der sie abschreckt, und zwar
durch seine endlose Lieferung an negativer Publicity gegen Menschen
mit ME. Er setzt die abweisende, oft verächtliche Haltung vieler
Angehöriger des Gesundheitswesens gegenüber Menschen mit dieser
Krankheit immer weiter fort.
Das Problem
ist, dass diese Forscher, obwohl sie behaupten, Patienten mit ME zu
erforschen, Menschen mit chronischer „Erschöpfung“ (d.h. chronischer
Müdigkeit) erforschen, und dann aber behaupten, dass ihre Ergebnisse
auf Patienten mit ME zutreffen würden; das hat zu einem Mangel an
angemessenen medizinischen Angeboten innerhalb des National Health
Service (NHS) für diejenigen mit ME geführt und zu unermesslichem
Schaden und Not bei den ME-Patienten und ihren verzweifelten
Familien geführt.
Obwohl die
Weltgesundheitsorganisation ME seit 1969 als neurologische Krankheit
klassifiziert hat, lehrt die Wessely-School, dass es keine
neurologische Krankheit, sondern eine psychosoziale (Verhaltens-)
Störung sei.
In
Großbritannien gibt es etwa 250.000 ME-Patienten. Verglichen damit
gibt es etwa 83.000 Menschen in Großbritannien, die an Multipler
Sklerose leiden, aber dennoch wird der weit größeren Zahl der
ME-Patienten, die mit einer genauso schweren neurologischen
Krankheit fertig werden müssen, nicht nur die medizinische sowie die
soziale Unterstützung verweigert, sondern sie werden von denjenigen,
die mit ihrer medizinischen und sozialen Versorgung beauftragt sind,
auch noch verhöhnt und verspottet, man glaubt ihnen nicht, macht
sich über sie lustig und misshandelt sie.
Dr. John
Greensmith schrieb in einem Brief an The Scotsman, als
Wessely dort vor sieben Jahren die gleichen Behauptungen über
Verunglimpfungen durch Patienten aufstellte: „Es ist
beklagenswert, wenn er so behandelt wurde, ganz gleich, wie
umstritten seine Ansichten auch sein mögen. Es ist jedoch erhellend,
zu untersuchen, wie Professor Wessely es geschafft hat, die
Emotionen auf ein solches Niveau der Leidenschaft zu bringen, indem
er vielleicht mehr als jede andere Person dafür verantwortlich ist,
dass dieses Gebiet so umstritten ist, wie es nun ist.“
Es hat über
ein viertel Jahrhundert hinweg eine unaufhörliche Berieselung der
Verunglimpfung der Patienten mit ME und eine Ablehnung des ME als
organischer Krankheit gegeben, und zwar durch die Professoren Simon
Wessely, Michael Sharpe und Peter White; sie gehören alle zu einer
Gruppe, die von Psychiatern dominiert wird (im Dezember 1998 in
Hansard als die “Wessely-School” benannt).
Die meisten
arbeiten für die Kranken- oder
Berufsunfähigkeitsversicherungsindustrie. Die Versicherungsindustrie
ist in Panik, weil sie Millionen zu verlieren droht, wenn sie für
eine schwere, lebenslang andauernde körperliche Krankheit zahlen
muss, deren weltweiter zahlenmäßiger Anstieg außer Kontrolle geraten
zu sein scheint. 1994 hat Wessely über die Sorgen der
Versicherungsindustrie folgendes zu Protokoll gegeben: „Bis 1990
haben sich die Ansprüche an die Versicherungen wegen
Berufsunfähigkeit (aufgrund von ME) jedes Jahr verdoppelt.“ Es
gibt mehr als genug schriftliche Beweise dafür, dass die
Wessely-School ihre Zahlmeister bei der Versicherungsindustrie
dahingehend berät, dass ME eine „funktionelle“ (d.h. eine nicht
organische) Störung sei, was für die Versicherungsindustrie von
finanziellem Vorteil ist, da funktionelle Störungen von der Deckung
ausgeschlossen sind.
Wessely und
seine Kollegen sind außerdem als Berater zum Thema ME für die
Ministerien der Regierung tätig – und Wesselys Ehefrau ist die
Vorsitzende des Royal College of General Practitioners; das führt
dazu, dass Menschen mit ME vom Ministerium für Arbeit und Renten
besonders ins Visier genommen werden, so dass sie Schwierigkeiten
haben, Anspruch auf staatliche Unterstützungszahlungen zu erhalten
und die finanzielle Unterstützung, die für das grundlegende
Überleben erforderlich ist, ihnen unbarmherzig gestrichen wird.
Viele sehr kranke und verarmte Menschen haben keine Alternative
gesehen, als sich das Leben zu nehmen, was zu überdurchschnittlich
hohen Selbstmordraten bei ME geführt hat, (eine Tatsache, die leider
wenig dazu beiträgt, die Behauptung abzuschwächen, dass sie
“übergeschnappte Simulanten” seien).
Der
offensichtliche finanzielle Interessenkonflikt der Wessely-School
ist klar und deutlich verurteilt worden vom früheren Vorsitzenden
des House of Commons Science and Technology Select Committee, vom
früheren Dekan der biologischen Fakultät, von einem Mitglied des
Home Affairs Select Committee, von einem Staatsminister für Umwelt,
einem früheren Präsidenten des Royal College of Physicians, vom
stellvertretenden Sprecher des House of Lords und von einem früheren
Gesundheitsminister und Ehrenstipendiaten des Royal College of
Physicians.
Die endlosen
Behauptungen der Wessely School, dass es ME gar nicht gäbe, außer
als anormale Krankheitsüberzeugung derer, die einen sekundären
Krankheitsgewinn anstreben (eine Behauptung, für die es nicht den
Hauch eines Beweises gibt, was die vielen Ärzte, Krankenschwestern,
Medizin-Wissenschaftler, Rechtsanwälte, Lehrer und andere, die ihre
geschätzten Karrieren, ihr Einkommen, ihr Zuhause, ihre Ehen und
sogar Familien aufgrund ihres ME verloren haben, gerne bestätigen
werden), hat ein Klima der Abscheu von Patienten mit ME geschaffen,
der Anlass für Schlagzeilen wie „Allgemeinärzte verachten die
ME-Generation“ bot, wie sie im Gesundheitsgewerbe-Magazin „GP
Medicine“ veröffentlicht wurde. Seit den 1980er Jahren haben sie es
sich zum Prinzip gemacht, Menschen, die an ME leiden, in einer Weise
lächerlich zu machen und zu verunglimpfen, wie sie das bei Patienten
mit Multipler Sklerose oder anderen neurologischen Krankheiten
niemals wagen würden. Und das wurde in die landesweiten Medien
eingespeist und von diesen widergespiegelt.
Die
Wessely-School behauptet beharrlich, sie könne ME durch „kognitive
Rekonstruktion“ (d.h. dadurch, dass sie Patienten einer Gehirnwäsche
unterziehen und sie glauben machen, dass sie nicht an einer
organischen Krankheit, sondern an falschen Krankheitsüberzeugungen
leiden) und dadurch heilen, dass man sie dazu zwingt, ihre Symptome
zu ignorieren und sich einem Programm ansteigenden körperlichen
Trainings zu unterziehen (ein Parlamentsmitglied, das unter ME litt
und dem man gesagt hatte, es solle sich durch körperliches Training
wieder gesund machen, brach zusammen, als es den Trainingsraum des
House of Commons verließ, und starb.)
Was ist ME?
ME ist eine
chronische, erworbene neuroimmunologische Krankheit, die alle
Systeme des Körpers beeinträchtigt, nicht nur die neurologischen und
immunologischen Systeme, sondern auch das endokrine, das
Herz-Kreislauf- und das Atmungssystem.
Es gibt
Beweise für ein ausgedehntes, chronisches Entzündungsgeschehen und
für ernsthafte Probleme mit den Blutgefäßen, und zwar sowohl bei
Erwachsenen als auch bei Kindern.
Es wurde
gezeigt, dass die Muskeln von Menschen mit ME sehr viel länger
brauchen, um sich von minimalen Anstrengungen zu erholen. Eine
direkte Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung ist eindeutig
belegt. Es ist bewiesen, dass die Herzleistung von ME-Patienten den
Stoffwechselanforderungen kaum genügen kann, so dass es kein Wunder
ist, dass sich die Patienten extrem krank fühlen – und extrem krank
sind –, mit tiefgreifender Schwäche und Übelkeit; viele Patienten
können nicht selbständig, d.h. ohne gestützt zu werden stehen und
haben oft Probleme, das Gleichgewicht zu halten.
Bei ME gibt es
mehr anormale Gene als bei Krebs: es gibt überzeugende Beweise, die
ME mit einer Exposition gegenüber Umweltgiften und chemischen
Kampfstoffen in Zusammenhang bringen. Die Genexpressionsforschung
hat gezeigt, dass 16 Gene ein Expressionsprofil zeigen, das mit ME
zusammenhängt. Gene, die das Immunsystem und die Funktion der
Muskeln betreffen, sind bewiesenermaßen abnormal. Eine neuronale
Komponente wurde identifiziert, die mit einer Hypomyelinisierung des
zentralen Nervensystems im Zusammenhang steht. Die Forscher haben
insbesondere auf den Zusammenhang zwischen Organophosphaten (zu
denen auch im Haushalt verwendete Pestizide gehören) sowie
chemischen Kampfstoffen und den geschädigten Genen hingewiesen.
Es ist
bemerkenswert, dass einer der Forscher, der diese erworbenen (nicht
ererbten) Genanomalien bei ME entdeckt hat, nämlich Dr. Jonathan
Kerr, nach seiner Entdeckung von den Psychiatern öffentlich
kritisiert wurde, die die Finanzierung der ME-Forschung durch das
Medical Research Council kontrollieren, und er dann seine Anstellung
verlor und sein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde.
Er wurde nicht
von ME-Patienten von seiner Forschung verjagt, sondern von denen,
deren Auftrag es gewesen zu sein schien, sicherzustellen, dass er
zum Schweigen gebracht wurde, was den Weg offen ließ für eine
fortgesetzte Abweisung und Verunglimpfung derer, die mit dieser
verheerenden Krankheit kämpfen.
Bei einer
Pressekonferenz in den Vereinigten Staaten am 3. November 2006 wurde
ME von Anthony Komaroff, Medizinprofessor an der Harvard Universität
und weltberühmter ME-Experte, beschrieben als “diese entsetzliche
Krankheit“.
Die Menschen
sterben an ME, und britische Rechtsmediziner haben ME als
Todesursache bescheinigt.
Die Befunde
aus Autopsien von ME-Patienten sind erschreckend: Es gibt Belege für
Ödeme, Entzündungsprozesse in 75% des Rückenmarks, zerstörte
Arterien, Stauungen in der Leber und der Milz, Mangeldurchblutung
des Darms, Rhabdamyelose (Auflösung von Muskelfasern mit
Ausschüttung des Inhalts der Muskelfasern in den Blutkreislauf, von
dem einiges für die Nieren toxisch ist) und einer Degeneration des
Gehirns. Der medizinische Leiter einer US-amerikanischen
Patientenstiftung kommentierte das so: „Jedes mal, wenn man sich
jemanden mit dieser Krankheit näher ansieht, dann sieht man
unermessliches Leid. Es scheint keine Grenze zu geben, was den
menschlichen Tribut angeht, den diese Krankheit den Patienten
aufzuerlegen in der Lage ist.”
Als jedoch im
Jahr 2002 der britische Chief Medical Officer (der oberste
Gesundheitsbeamte) öffentlich erklärte, dass ME Seite an Seite mit
anderen Krankheiten wie Multipler Sklerose und Motorneuronerkrankung
anerkannt werden sollte, hat das British Medical Journal
Professor Michael Sharpe zitiert, der darauf antwortete, dass, bloß
weil der CMO etwas sagt, das noch lange nicht heißt, dass die Ärzte
dem irgendeine Beachtung schenken.
Die von der
Wessely-School veröffentlichten Ansichten über Menschen mit ME
Seit etwa 1987
hat die Wessely-School die biomedizinischen Beleg für eine
ernsthafte organische Pathologie bei ME durchgängig zurückgewiesen.
Im Jahr 1990
versicherte Wessely, dass es ME „nur deshalb [gibt], weil
wohlmeinende Ärzte nicht gelernt haben, auf effektive Weise mit
beeinflussbaren Patienten umzugehen.“
Im gleichen
Jahr schrieb er in einem medizinischen Lehrbuch: “Die
Beschreibung eines führenden Gastroenterologen an der Mayo Clinic
bleibt zutreffend: ‚Der durchschnittliche Arzt wird erkennen, dass
sie neurotisch sind, und oft wird er von ihnen angewidert sein.“
Im Jahr 1991
zitierte er ärztliche Kommentare aus den Jahren 1880 und 1908 über
Patienten mit Neurasthenie, mit der eindeutigen Schlussfolgerung,
dass solche Beschreibungen genauso gut auf die heutigen ME-Patienten
zutreffen: „immer kränkelnd, selten krank; ein nutzloses,
schädliches Element der Gesellschaft; reine Verrückte; Faulheit,
geistige Schwäche und Überempfindlichkeit ist für alle
charakteristisch; der Schrecken des vielbeschäftigten Arztes.“
Im Jahr 1992
ordnete die Wessely-School an, dass die erste Pflicht des Arztes bei
ME-Patienten sei, eine Legitimierung der Symptome zu vermeiden; im
gleichen Jahr hat Wessely seine Absicht, ME „auszumerzen“ kundgetan.
1994 wurde ME
von Wessely als eine reine „Überzeugung“ und als „Mythos“ („Ich
behaupte, dass ME einfach nur eine Überzeugung ist, die Überzeugung,
dass man eine Krankheit mit dem Namen ME hat …. Ich behaupte, dass
diese Linie hier [er zeigt dabei auf eine Folie] die Linie
zwischen realen und nicht realen Krankheiten darstellt.“) und er
nannte in einem Vortrag öffentlich den Namen einer schwer erkrankten
ME-Patientin und machte sich über sie lustig; diese Frau ist
inzwischen gestorben.
1996 hat die
Wessely-School unter dem Deckmäntelchen eines Berichts der Joint
Royal Colleges of Physicians, Psychiatrists and General
Practitioners empfohlen, dass keine Untersuchungen vorgenommen
werden sollten, um die Diagnose zu bestätigen. (Dieser Rat an Ärzte
wurde in der NICE Clinical Guideline von 2007, bei der die
Wessely-School eine entscheidende Rolle gespielt hat, erneut
formuliert. Das bedeutet, dass weder Untersuchungen wie etwa ein
umfassendes Immunprofil in Großbritannien verordnet werden können –
obwohl ein spezifischer Immuntest immer der Schwere der Erkrankung
bei ME-Patienten entspricht –, noch Patienten zu einer funktionellen
Magnetresonanztomographie geschickt werden können, die eindeutige
Belege für eine Mangeldurchblutung des Gehirns ergeben, noch können
Ärzte SPECT-Untersuchungen anfordern, die einen verminderten
Blutfluss im Stammhirn von ME-Patienten zeigen, und zwar in einem
speziellen Muster, das man bislang noch bei keinem anderen
Krankheitsprozess gefunden hat.)
Im Jahr 1997
hat Professor Michael Sharpe über
ME-Patienten gesagt: „Diejenigen, die in kein Schema körperlicher
Erkrankung passen und dennoch ablehnen, dem Stigma psychischer
Erkrankung zugeordnet zu werden und dieses zu akzeptieren, bleiben
die unverdienten Kranken unserer Gesellschaft und unseres
Gesundheitssystems.“
Zwischen
Februar und April 2002 war Wessely an einer Umfrage unter Ärzten zu
„Nicht-Krankheiten“ beteiligt, die vom British Medical Journal
durchgeführt wurde: Die Umfrage ergab, dass ME zusammen mit großen
Ohren und Sommersprossen als Nicht-Krankheit angesehen wurde, die
man am besten unbehandelt lässt. Als Ergebnis davon wurden Patienten
von ihren Ärzten von der Liste ihrer Patienten gestrichen. Einer
extrem kranken Person wurde in schneidendem Ton gesagt: „In
dieser Praxis werden nicht-existierende Krankheiten nicht
behandelt.“
Wer etwas über
die publizierte organische Pathologie bei ME erfahren möchte oder
muss, findet eine Zusammenfassung der biomedizinischen Anomalien im
Abschnitt 2 des Dokuments “Magical Medicine: How to Make a Disease
Disappear” (http:///www.meactionuk.org.uk/magical-medicine.htm),
und wer ein mit vollständigen Literaturhinweisen versehenen Bericht
über das lesen will, was die Wessely-School und die
Versicherungsindustrie im Schilde führt, kann den Rest des 442
Seiten starken Berichts lesen.
Die
Abqualifizierung und Ablehnung der biomedizinischen Befunde bei ME
hat sich unvermindert fortgesetzt. Es war nicht die Tatsache, dass
britische Wissenschaftler wie Professor Myra McClure nicht in der
Lage waren, das Retrovirus XMRV zu finden, das US-Forscher bei
ME-Patienten gefunden haben, die einen solchen Ausbruch der
Entrüstung in der ME-Gemeinde verursacht hat: es waren die
ausgesprochen triumphierenden und verächtlichen Kommentare einiger
der Wissenschaftler, deren Studien nicht in der Lage waren, die
Original-XMRV-Studie zu replizieren, die in Science
(2009:326:585-589) veröffentlicht wurde, die einige Leute mit ME und
die Medizinwissenschaftler und Kliniker, die versuchen, ihnen zu
helfen, so wütend gemacht hat.
Die Patienten
mit ME wissen, was Wessely wirklich über sie denkt, da seine
publizierten Ansichten keinen Raum für Zweifel oder Spekulationen
lassen (eine Veranschaulichung seiner Beschreibungen von
ME/CFS-Patienten findet man in “Quotable Quotes about ME/CFS”:
http://www.meactionuk.org.uk/Quotable_Quotes_Updated.pdf)
Die Ansichten
der Wessely-School über ME wurden von Medizinwissenschaftlern mit
internationalem Ansehen immer wieder als vollkommen falsch bewiesen:
die kürzlich veröffentlichten Internationalen Konsenskriterien für
ME, die von 26 internationalen Experten aus 13 Ländern erstellt
wurden, weisen auf ein ausgedehntes Entzündungsgeschehen und eine
multisystemische Neuropathologie hin, die mit der Einordnung des ME
durch die WHO als neurologischer Krankheit, deren Hauptsymptom die
Zustandsverschlechterung nach Belastung ist, übereinstimmt. Die
Autoren erklären: „Die Myalgische Enzephalomyelitis (ME), die in
der Literatur auch als Chronic Fatigue Syndrome bezeichnet wird, ist
eine komplexe Erkrankung mit einer tiefgreifenden Dysregulation des
zentralen Nervensystems und des Immunsystems, einer Dysfunktion des
zellulären Energiestoffwechsels, des Ionentransports und
Herz-Kreislauf-Anomalien. Die zugrundeliegende Pathophysiologie hat
messbare Anomalien der körperlichen und kognitiven Funktionen zur
Folge und bietet eine Grundlage für das Verständnis der
Symptomatologie.“
Was
erstaunlich ist, ist die Tatsache, dass kein Arzt des NHS die
Autonomie hat, ME als eine somatoforme Erkrankung anzusehen, weil
die WHO sie als neurologische Erkrankung klassifiziert; das
britische Gesundheitsministerium hat schriftlich bestätigt, dass:
„Die ICD-10 ein Informationsmaßstab der NHS [ist]... Der NHS hat
eine lange Geschichte des Einsatzes der ICD. Es gibt eine rechtliche
Verpflichtung für das Gesundheitsministerium, der WHO ICD-Daten zum
internationalen Vergleich zu liefern. Der NHS wurde beauftragt, die
ICD-10 am 1. April 1995 zur Anwendung zu bringen, einem Zeitpunkt,
zu dem es eine formelle Beratung gab (Betonung hinzugefügt)… Die
Umsetzung obliegt den NHS-Organisationen und ihren Systemlieferanten
wie etwa den Acute and Foundation Trusts, den Primary Care Trusts
und dem NHS-Informationszentrum.“
Nicht nur die
Wessely-School selbst, sondern auch viele Ärzte und Neurologen des
NHS verletzen diesen Auftrag: im Jahr 2010 haben 84% der befragten
Neurologen ausgesagt, dass sie nicht glauben, dass ME eine
neurologische Erkrankung sei.
Wer
misshandelt hier wen?
Es ist seitens
der Wessely-School eine Misshandlung von Patienten mit dieser
Erkrankung, die wissenschaftlichen Beweise zu ignorieren, dass ME
eine biomedizinische Erkrankung ist; es ist eine Misshandlung
ihrerseits, die Entscheidungsträger beim britischen
Gesundheitsministerium dahingehend zu beraten und die
ATOS-Untersucher* dahingehend zu schulen, dass ME eine psychische
Erkrankung sei; es ist eine Misshandlung, ME-Patienten zwangsweise
in geschlossene psychiatrische Abteilungen einzuweisen und sie von
ihren verzweifelten Familien zu trennen; es ist eine Misshandlung,
kranke Menschen durch unangebrachte Interventionen noch kränker zu
machen; es ist eine Misshandlung, ihnen die finanzielle
Unterstützung zu verweigern, die sie zum Überleben brauchen; es ist
eine Misshandlung, sich über sie lustig zu machen und anderen
falsche Informationen über die Schwere ihrer Erkrankung zu geben; es
ist eine Misshandlung, darauf zu bestehen, dass sie an falschem
Denken und an Angst vor Aktivität leiden würden, wo sie doch an
einer äußerst ernsthaften und bedeutenden organischen Erkrankung mit
reproduzierbaren, multisystemischen Anomalien leiden.
[*Anm.d.Ü.: ATOS ist ein kommerzielles Unternehmen, das Patienten
auf ihre Berechtigung hin untersucht, staatliche Unterstützung im
Krankheitsfall zu beziehen und das durch oberflächliche und falsche
Begutachtung für die rigorose Ablehnung solcher Ansprüche
berühmt-berüchtigt ist.)
Die
verbreitete Misshandlung von ME-Patienten in Großbritannien geht
unvermindert weiter.
Robin McKie
unterstellt, dass es diese Wissenschaftler selbst seien, die von
genau den Patienten misshandelt werden, denen sie zu helfen
versuchen. Wenn das stimmt – und wenn das von der Polizei bestätigt
wird und nicht nur ein weiterer öffentlicher Angriff auf Menschen
mit ME ist, wie er von der Wessely-School in der Vergangenheit schon
so oft gefahren wurde, wenn noch wieder einmal Forschungsergebnisse
erscheinen, die ihre eigenen Überzeugungen null und nichtig machen –
dann ist es ein ganz unakzeptabler Zustand und muss uneingeschränkt
verurteilt werden.
Jedoch sollten
verantwortliche Journalisten die nötige journalistische Neutralität
walten lassen, wenn sie eine „Story“ bringen, und sie sollten die
ganze Geschichte berichten und nicht nur unkritisch wieder
ausspucken, was man ihnen seitens derer eingetrichtert hat, die
bestens bekannte einschlägige Interessen haben. McKie würde gut
daran tun, das Gleichgewicht wiederherzustellen, indem er über den
Vortrag von Catriona Courtier beim Treffen der Royal Society of
Medicine in der Folge von „Medicine and me“ vom 11. Juli 2009
berichten würde, in dem sie die skandalöse Lage herausstellte, mit
der ME-Patienten in Großbritannien konfrontiert sind:
”In den
zwanzig Jahren, in denen ich diese Krankheit habe, ist das, was die
Lage der Patienten mit ME wirklich verhext gemacht hat, der Glaube,
der ständig verbreitet wurde, dass wir nicht an einer körperlichen
Krankheit, sondern an einer Krankheitsüberzeugung leiden. Das ist
die Quelle aller Probleme, die wir erleben: des Mangels an
finanziellen Ressourcen, der Feindseligkeit und des Unglaubens
einiger Ärzte, der Ignoranz und des Desinteresses gegenüber unseren
Symptomen, der unwirksamen Behandlungen, der schädlichen
Behandlungen und in den schlimmsten Fällen der aufgezwungenen
psychiatrischen Behandlung gegen den Willen der Patienten.
Diejenigen,
die die Ansicht verbreiten, dass ME eine Krankheitsüberzeugung ist,
haben das gegenseitige Vertrauen und den Respekt untergraben, den es
zwischen Arzt und Patient geben sollte. Sie haben sowohl den
Patienten als auch der Ärzteschaft einen äußerst schlechten Dienst
erwiesen.
Ich habe
anfangs die schwer Betroffenen als die Schwächsten unter uns
beschrieben. In gewisser Weise sind es aber die Stärksten … viele
Jahre mit einer Erkrankung wie ME zu leben ist eine riesige Leistung
an menschlichem Durchhaltevermögen und Mut, aber das wird als
solches nur selten anerkannt. Menschen mit ME verdienen auf allen
Ebenen Respekt. Sie verdienen es, dass man ihnen zuhört.“
Dass Menschen
mit ME weiterhin nicht zugehört wird, dass man sie weder angemessen
untersucht noch angemessen für sie sorgt, sondern dass sie
misshandelt und effektiv alleingelassen werden, betrachten viele als
das beschämende Erbe der Wessely-School.
Anmerkungen
für Herausgeber:
-
Alle oben
gemachten Aussagen können durch entsprechende Literaturverweise
untermauert werden.
-
Eine Menge
weiterer Informationen wurde aus reinen Platzgründen
ausgelassen; es gibt viele erschütternde Geschichten, wie sie
etwa von Natalie Boulton in ihrem Buch „Lost Voices“ und ihrer
DVD „Voices from the Shadows“ dokumentiert wurden, die bei einem
internationalen Filmfestival im Herbst gezeigt werden wird.
Übersetzung: Regina Clos, Wiedergabe und Übersetzung mit
freundlicher Genehmigung des Autors |