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    Artikel des Monats April 2012 Teil 2

    Schweres ME/CFS kann töten -

    Emily Collingridge mit 31 Jahren gestorben

    Sie lesen auf dieser Seite:

    Emilys Appell

    Man hat gesagt, es sei anstrengend, das Folgende zu lesen. Aber das ist alles, worum wir Euch bitten: es zu lesen, es weiterzugeben, zu verbreiten und den vielen tausend Menschen, die wie Emily das DURCHLEBEN müssen, Eure Unterstützung zuzusagen.

    (Original hier)

     

     

     

     

    Emily Rose Collingridge, 1981 - 2012

    „Ich heiße Emily. Als ich 6 Jahre alt war, bin ich an der neurologischen Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis erkrankt. Im April 2011 bin ich 30 Jahre alt geworden. Ich leide noch immer an ME.

    ME hat jeden Aspekt meiner Kindheit geprägt; die Krankheit hat meine Teenagerjahre auf schmerzhafte Weise eingeschränkt und die Jahre zwischen 20 und 30 komplett zerstört. Jetzt am Übergang in die nächste Dekade meines Lebens bin ich von dieser schrecklichen Krankheit noch stärker lahmgelegt als je zuvor.

    Meine Ärzte sagen mir, dass ich in den extremsten Leidenszustand geworfen wurde, der überhaupt durch eine Krankheit hervorgerufen werden kann. Ich war mehr als einmal sehr nah daran zu sterben. Wenn Sie mich sehen würden, dann würden Sie wahrscheinlich denken, dass ich am Sterben bin – und so ist es jeden einzelnen Tag. Nach all diesen Jahren habe ich immer noch Mühe zu verstehen, wie es möglich ist, dass man sich so erbarmungslos krank fühlt.

    Ich reagiere extrem auf kleine Belastungen und sensorische Reize. Stimmen, die aus dem Erdgeschoss zu mir heraufdringen, ein kurzer Besuch eines Arztes, ein bisschen Licht - all das kann bei mir zu rasch anschwellenden Schmerzen führen, wobei ich mich fast übergeben muss, jeder Atemzug ein Kampf ist und ich das Gefühl habe, dass mich dieses Leiden gleich verrückt macht. Es kann natürlich auch ohne besonderen Grund so schlecht werden, und das tut es oft auch. Ich kann nicht gewaschen werden, ich kann meinen Kopf nicht heben, ich kann niemanden bei mir haben, ich kann nicht aus dem Bett gehoben werden, kann nicht aus dem Fenster schauen, kann nicht berührt werden, kann weder fernsehen noch Musik hören - die Liste ist lang. ME hat meinen Körper zu einem quälenden Gefängnis gemacht.

    Meine Tage und Nächte sind voller unruhigem Schlaf, unterbrochen von Injektionen, Wechsel der Nadeln (einer Spritzenpumpe), dem Wechsel meiner Inkontinenzeinlagen (außer dass ich zeitweise gelähmt und manchmal blind und taub bin, bin ich harn- und stuhlinkontinent) und dem Hineinpumpen von Medikamenten/Flüssigkeiten in meinen Magen durch einen Schlauch. Mein Leben könne einfacher sein, wenn ich für intravenöse Medikamente und Flüssigkeit einen Hickman-Katheter hätte (der in eine zentrale Vene am Herzen geht), aber so etwas würde mich wahrscheinlich umbringen. Ich nehme eine riesige Menge an Medikamenten, die helfen, aber trotzdem ist das Leiden die meiste Zeit unvorstellbar. In den schlimmsten Stunden muss ich ohne das extra Morphium auskommen, das ich brauche, weil ich so krank bin, dass allein der Gedanke, dass meine Mutter sich mir nähert, um mir diese Extraportion zu verabreichen, unerträglich ist - und das trotz so extremer Schmerzen, dass ich halluziniere.

    Ich lebe in der dauernden Angst vor einer Krise, die mich im Krankenhaus enden lässt; unsere Krankenhäuser haben einen solchen Mangel an Rücksicht gegenüber den besonderen Bedürfnissen von Patienten wie mir gezeigt, dass die im Krankenhaus verbrachte Zeit Folter ist (die nur durch die unglaubliche Freundlichkeit mancher Krankenschwestern und Ärzte erleichtert wird) und ausnahmslos eine weitere Verschlechterung verursacht.

    Oft empfinde ich nur blanke Verzweiflung.

    Aber anders als manch andere Betroffene habe ich im Verlauf der Jahre, in denen ich an schwerer ME leide (die Krankheit fing zunächst leicht an und wurde dann immer schlimmer), wenigstens immer wieder Zeiten gehabt, in denen ich eine Atempause von dem absolut schlimmsten Zustand hatte. In diesen Zeiten war ich immer noch sehr krank, aber es war möglich, das Leben wenigstens etwas zu genießen. Deshalb weiß ich in diesen dunklen Tagen, dass es eine reelle Chance gibt, dass die Zeiten wieder besser werden, und das gibt mir die Kraft, weiterzumachen.

    Meine gesamte Zukunft und die entscheidende Verbesserung meines Gesundheitszustandes, nach der ich mich so sehne, hängen gegenwärtig allein vom Glück ab. Das ist nicht richtig. Während ich hier liege, wünschend und hoffend und einfach nur versuchend, zu überleben, sollte ich (und die Tausenden anderen mit schwerer ME wie ich - schwer ME ist nicht selten) wenigstens den Trost haben, dass es da draußen viele, viele finanziell gut ausgestattete Wissenschaftler und Ärzte gibt, die alle Hebel in Bewegung setzen in dem Streben, eine Behandlungsmöglichkeit zu finden, mit der man meine Gesundheit wiederherstellen könnte, und dass der Nationale Gesundheitsdienst (NHS) alles nur Mögliche tut, um mir die Versorgung zu bieten, die ich brauche - aber diesen Trost habe ich nicht. Diese elende, hässliche Krankheit wird noch elender und hässlicher durch den skandalösen Mangel der Erforschung ihrer schwersten Ausprägungsformen und das Fehlen der notwendigen angemessenen Unterstützung derjenigen, die an ihr leiden. Das ist etwas, was sich ändern muss.

    Und das ist der Grund, warum ich meine Geschichte erzähle; warum ich gegen meinen schmerzhaften, gelähmten Körper kämpfe, um das hier auf einem Smartphone zu tippen, einen schwierig zu bewältigenden Satz nach dem andern, und um an die Regierungen, Geldgeber, medizinische Fachleute und andere zu appellieren:

    Bitte setzen Sie dem ein Ende, dass Menschen mit schwerer ME vollkommen verlassen sind und geben Sie uns einen wirklichen Grund zur Hoffnung."

     

    Vom 6. bis zum 30. Lebensjahr: Ein Leben mit ME

    Von Emily Collinridge,

    Autorin des Buches “The Essential Severe ME Handbook”

    Original hier

    Ich war ein sehr glückliches Mädchen von 6 Jahren. Ich liebte die Schule und meinen Freund. Ich konnte stundenlang im Schwimmbad verbringen und wollte auf alles hinaufklettern, was ich sah.

    Ich konnte es nicht erwarten, ein richtiges Fahrrad ohne Stützräder zu bekommen. Das Leben lag vor mir, und ich wollte es eigentlich voll auszukosten. Dann brach in meiner Klasse die Mumps aus.

    Meine Klassenkameraden rannten weiter auf dem Schulhof herum, aber ich lag wochenlang im Bett. Mit der Zeit ging ich wieder in die Schule, aber die Vitalität meiner Kindheit war weg. Wenn ich nach der Schule nachhause kam, musste ich so dringend schlafen, dass ich im Haus nicht mehr die Treppe hochkam und dann im Paterre für mehrere Stunden nur noch still daliegen konnte. Ich hatte rätselhafte Schmerzen, die durch meinen ganzen Körper wanderten, und eine „Reizblase“ machte mich wahnsinnig. Ich hatte Mühe, einen Stift festzuhalten, und meine Augen konnten nichts mehr richtig fokussieren. Mein scharfer Verstand wurde zunehmend benebelt – meine Lehrer waren bestürzt dass, ihre durchweg tüchtige und selbstsichere Schülerin jetzt ständig wiederholte: „Ich kann das nicht, ich kann das wirklich nicht.“ Ich war ein schüchternes, empfindliches Kind geworden, und diese rätselhaften Symptome waren so merkwürdig, so schwankend, so verwirrend, dass sie mir peinlich waren und ich mich sogar dafür schämte. Als die Ärzte sich keine ernsthaften Sorgen um meinen Gesundheitszustand machten, fing ich an zu verstecken, wie es mir ging und kämpfte mich alleine durch. Meine Mutter wusste, dass ich „anders“ war als andere Kinder, aber erst, als es kaum noch möglich war, meine Symptome zu verbergen, wurde jedem klar, dass mit meiner Gesundheit etwas ganz entscheidend nicht stimmte. Zu dem Zeitpunkt war ich dann schon kurz vor dem Übergang in eine weiterführende Schule. 

    Das war in den frühen 90er Jahren, und das Unwissen über ME war noch weit verbreitet. Da es keinen offensichtlichen Grund für meinen stetig schlechter werdenden Gesundheitszustand gab und ich immer noch keine Unterstützung durch die Ärzte hatte, war ich gezwungen, ein so normales Leben wie möglich zu führen. Normal bedeutete, dass ich morgens körperlich aus dem Bett in die Schule gezerrt wurde, nur um dort zusammenzubrechen und wieder nachhause geschickt zu werden oder, im schlimmeren Fall, mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gefahren zu werden. Normal bedeutete, am Fuße der Schultreppe zu stehen und zu weinen bei dem Gedanken, dass ich da jetzt hochsteigen musste. Normal bedeutete, dass meine beste Freundin meinen Schulranzen tragen musste, weil ich selbst dafür zu schwach war. Es bedeutete, dass ich schikaniert und dafür verachtet wurde, dass ich eine bis dato noch nicht benannte, aber schwerst behindernde Krankheit hatte. Es bedeutete schmerzhafte Selbstzweifel, die sich bald in Selbsthass verwandelten – wenn ich dann nicht krank war, so war ich wohl eindeutig ein fehlerhafter Mensch. Am meisten bedeutete es Isolation und Leid – sollte ich für den Rest meines Lebens so leiden müssen?

    Als ich 14 Jahre alt war, waren sowohl der Schulbesuch als auch Hausunterricht körperlich ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Da meine Beine kaum oder manchmal gar nicht mehr gehorchten, brauchte ich jetzt einen Rollstuhl. Schließlich wurden meine Ärzte dann doch aufmerksam. Endlich wurde ihnen klar, dass da etwas nicht stimmte. ME. Eine chronische neurologische Krankheit, ausgelöst durch ein Virus. In meinem Fall durch die Mumps. Ich war unglaublich erleichtert. Jetzt würde ich nicht mehr jeden Tag gegen meine Schmerzen ankämpfen und meine Behinderung ignorieren müssen. Und wenn es eine Krankheit war, dann würde sie sicher eines Tages auch wieder weggehen. Es ist kaum vorstellbar, wie ich mich gefühlt hätte, wenn ich damals gewusst hätte, dass ich 15 Jahre später nicht nur noch immer auf diese ausbleibende Gesundung warten würde, sondern dass ich noch viel kränker sein würde.

    Die Verschlechterung schritt immer weiter fort, und im Alter von 16 war ich dann ans Haus gefesselt. Aber ich war damals wild entschlossen, dass ME mein Leben nicht ruinieren würde. Die Association of Young People with ME (als AYME bekannt) suchte nach Freiwilligen, und ich ergriff die Gelegenheit. Ich wollte schon lange im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für Selbsthilfeorganisationen tätig werden und war selbst erstaunt darüber, dass ich das trotz meiner Bedingungen machen konnte. Und ich wurde von meiner Wahl der Beschäftigung nicht enttäuscht. Die nächsten fünf Jahre waren äußerst bereichernd, und ich fühlte mich geehrt, dass meine Leistungen zweimal mit einem Preis anerkannt wurden – dem Whitbread Volunteer Action Awards. Aber meine Behinderung war jetzt erheblich. Ich brauchte jemanden, um mich zu baden und manchmal auch, um mich anzuziehen, um zu essen und mir zur Toilette zu helfen. Abends hatte ich regelmäßig die Fähigkeit zu sprechen verloren, und die Schmerzen waren nachts so schlimm, dass meine Mutter aufstehen und mir noch mehr helfen musste. Das hat mich aber nicht daran gehindert, mich noch weiter in die Welt hinaus zu begeben. Mit 21 fing ich (immer noch aus dem Bett heraus) eine drei Jahre andauernde befriedigende Arbeit als Projektberaterin für verschiedene Selbsthilfeorganisationen an, darunter auch Home Start, die führende Organisation Großbritanniens zur Unterstützung von Familien.

    Aber im Jahr 2005, als ich 24 Jahre alt war, nahm mein Leben eine sehr grausame Wende. Eine Zeitlang wussten die Ärzte nicht, wie sie meine extremen Schmerzen behandeln sollten, und ich habe mich ein weiteres mal zu sehr angestrengt; ich bin in einen Abwärtsstrudel geraten und bin in einem Ausmaß krank geworden, das in seiner Schwere schockierend und überwältigend war. Ich hatte keine Vorstellung davon, dass die moderne Medizin ein solches Leid zulassen würde. Ich wusste, dass meine Familie und meine Ärzte genauso hilflos, verzweifelt und verängstigt waren wie ich selbst. Ich verlor die Fähigkeit zu schlucken, zu sprechen, zu sehen, mich zu bewegen. Ich war doppelt inkontinent, oft gelähmt, musste mit einer Sonde ernährt werden und hatte unglaubliche Schmerzen, die durch hohe Dosen Morphium nur teilweise gedämpft wurden. Meine Übelkeit war so extrem, dass sie mit Medikamenten behandelt werden musste, die normalerweise Patienten vorbehalten sind, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssen. Ich ertrug keinerlei Reize – und obwohl ich meine Augen nicht öffnen konnte und in einem abgedunkelten Raum lag, mussten meine Augen ständig abgedeckt bleiben; ich trug 23 Stunden am Tag Ohrenstopfen und die reine Anwesenheit eines Menschen in meinem Zimmer war für mich wie ein tätlicher Angriff. Es gab Zeiten, in denen ich nicht einmal mehr meine eigene Mutter erkannte und nicht wusste, wo ich war. Im Jahr 2006 gab es außerordentliche Komplikationen, an denen ich beinahe gestorben wäre. Die meiste Zeit des Jahres 2007, über das sich das Elend hinwegzog, bedauerte ich die lebenserhaltenden Maßnahmen und ich sehnte mich danach, der Hölle zu entkommen, die mein Leben war. Aber ich hatte unglaubliches Glück. Ende 2007, als ich wirklich das Gefühl hatte, nicht mehr weiterzukönnen, hat sich mein Körper erholt.

    Die Besserung kam langsam. Der erste große Meilenstein war, mein eigenes Gesicht waschen zu können. Schließlich ging es mir soweit besser, dass man die Vorhänge zurückziehen konnte. Als ich dann in der Lage war, im Bett aufzusitzen und später sogar an der Bettkante zu sitzen, konnten meine Familie und ich nicht aufhören, vor Begeisterung zu strahlen, dass ich meine Füße ohne unerträgliche Schmerzen auf den Boden aufsetzen konnte und ohne davon ohnmächtig zu werden. Mit der Zeit fing ich an, mit einem Gehgestell ein paar wackelige Schritte zu machen, mit Hilfe eines elektrischen Lifts ein Bad zu nehmen, mit einem Treppenlift ins Paterre herunterzukommen und ab und zu sogar für ein paar Minuten raus in die Sonne zu können, mit einem Rollstuhl, den man zu einer Liege verwandeln konnte. Am Ende konnte ich sogar mit meiner Familie zusammen sein – meine Eltern und ich fingen an, einmal in der Woche einen Filmabend zu machen, der trotz der körperlichen Anstrengung unglaublich viel Spaß machte. Und ich konnte regelmäßig einmal in der Woche ein Telefonat mit einer lieben Freundin führen. Ich habe es sogar geschafft, mein erstes Buch zu schreiben – Severe ME/CFS: A Guide to Living. Im Nachhinein weiß ich nicht, wie ich das geschafft habe, da ich ja immer noch so schrecklich krank war. Das Buch wurde von meinen Leidensgenossen, von meinen Pflegern und von den Ärzten positiv aufgenommen, und innerhalb weniger Tage nach Erscheinen kamen massenweise Bestellungen aus der ganzen Welt. Meine Träume schienen wahr zu werden; ich hatte schließlich das Gefühl, die Vorstellung wagen zu können, dass ich eines Tages ein Leben haben könnte, das nicht von einer lähmenden Krankheit beherrscht sein würde. Ich war so voller Hoffnung und Lebenslust. Aber dieses Glück sollte nicht lange andauern.

    Ein schwieriger und unvermeidbarer Krankenhausaufenthalt im Jahr 2009 brachte einen niederschmetternden Schlag mit sich: einen vernichtenden Rückfall. Ich wurde in die unbeschreibliche Hölle zurückgeworfen, die ME in seinen schlimmsten Ausprägungen ist, und ich wusste nicht, wie ich das ertragen sollte. Ich war erneut in einem Körper gefangen, der mich 24 Stunden am Tag quälte, und es gab kein Entkommen. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2010 war ich vier mal im Krankenhaus, weil mein Körper darum kämpfte, die intensiven Symptome zu überleben. Ich habe in diesem Zeitraum insgesamt neun Wochen im Krankenhaus verbracht; ich hätte noch länger bleiben sollen, aber bei meinem letzten Krankenhausaufenthalt war man nicht in der Lage, die für mich notwendigen Bedingungen zu gewährleisten, und so war ich gezwungen, mich selbst zu entlassen, bevor irreparable Schäden entstanden wären. Manche Tage im Krankenhaus gehörten zu den beängstigendsten in meinem ganzen Leben – und das alles, weil das Krankenhaus keine Umgebung bieten konnte, die für jemanden mit schwerer ME geeignet gewesen wäre, und so wurde mein Zustand noch hundert mal schlimmer (es war so schlimm, dass ich nicht weiß, wie ich es geschafft habe, nicht zu schreien – aber ich habe es nicht geschafft, nicht zu schluchzen). Man hat mir für die langfristige intravenöse Ernährung und Medikation einen zentralen Zugang gelegt, den man aber entfernen musste, als ich eine schwere Infektion bekam; allein das war ein weiterer schwerer Schlag, da andere Verfahren zur Verabreichung von Mitteln zur Erleichterung der Symptome, die für mich so lebensnotwendig sind, nicht so wirksam sind und es aufgrund von Komplikationen für mich gefährlich ist, mich mit einer Sonde zu ernähren. Alles was ich wollte war, die Uhr um ein Jahr zurückzudrehen. Die alte Floskel, dass die einfachen Dinge im Leben die besten sind, ist so wahr. Ich sehnte mich danach, frische Luft auf meiner Haut zu spüren, eine Mahlzeit zu mir zu nehmen, das Gefühl von frisch gewaschenem Haar zu genießen … aber am meisten sehnte ich mich danach, mich etwas weniger krank zu fühlen. Natürlich konnte niemand mir das ermöglichen. Irgendwie musste ich die Stärke aufbringen, den Alptraum zu akzeptieren, in dem ich gefangen war, und den Glauben daran aufrechtzuerhalten, dass mein Gesundheitszustand sich mit der Zeit wieder bessern würde.

    Und wie sieht mein Leben jetzt aus? Dank der starken Medikamente, die mir rund um die Uhr mit einer Spritzenpumpe verabreicht werden und der Injektionen, die zur Zeit bestimmte Symptome in einem relativ stabilen Zustand halten, schaffe ich es, nicht ins Krankenhaus zu müssen. Es bräuchte jedoch nur wenig, um das zu verändern, und so leben meine Familie und ich mit der ständigen Angst, wann meine nächste gesundheitliche Krise zuschlagen wird. Es ist unmöglich zu beschreiben, wie krank ich mich jede Minute eines jeden Tages fühle – viele Leute würden das nicht glauben, aber es ist schlimmer als in der Zeit, in der ich auf der Intensivstation war, mein Körper in einem Schockzustand war und meine Organe versagten. Es scheint wirklich unglaublich zu sein, dass ich nicht tatsächlich am Sterben bin. Ich schlafe bis zu 20 Stunden am Tag, und die einzigen Menschen, die jemals mein abgedunkeltes Zimmer betreten, sind meine Mutter (die mich 24 Stunden m Tag pflegt und deshalb selbst praktisch ans Haus gefesselt ist) und die Gemeindeschwestern, die uns unterstützen; ich habe mit niemandem sonst unmittelbaren Kontakt, nicht einmal mit meinem Vater – obwohl wir unter einem Dach leben –, weil es mir dafür einfach nicht gut genug geht. Wenn man mich versorgt, so geschieht das meist in absoluter Stille, da ich selbst nur flüstern kann und ich mich noch viel schlimmer fühle, wenn ich andere Menschen sprechen höre. Aber wenn meine Mutter ins Zimmer kommt, dann kommen mir all die Gedanken, Gefühle und Ideen in den Sinn, die ich so gerne mit ihr teilen würde, und das nicht zu können, ist schlimmer als schlimm; noch schlimmer ist es, so viel Zeit damit verbringen zu müssen, alleine da zu liegen, weil ihre schlichte Anwesenheit meine Symptome auf ein unerträgliches Ausmaß steigern können.

    Ich vermisse es so sehr, mit meinen Freunden zu kommunizieren – ich hoffe immer, ihnen Nachrichten schicken zu können, aber ich habe nie die Kraft dafür. Ich bin seit Monaten nicht mehr richtig gewaschen worden, es ist einfach nicht machbar. Wir mussten die schwere Entscheidung treffen, meine Haare ganz abzuschneiden, weil sie sich dadurch, dass ich das Kämmen nicht ertrug, in einen dicken, festen Klumpen verfilzt hatten, der schrecklich unbequem war. Ich muss Nachthemden tragen, die vorne geknöpft werden, so dass meine Mutter mich hineinrollen kann, aber trotzdem muss ich sie mehrere Wochen lang tragen, weil es so anstrengend ist, sie zu wechseln (trotz der Tatsache, dass sie oft triefnass sind aufgrund der furchtbaren Schwitzanfälle, die ich fast täglich habe). Das Betttuch muss oft wochenlang drauf bleiben, weil die Reaktion meines Körpers auf ein Wechseln extrem ist: Anfälle, Atemprobleme, Zuckungen, Krämpfe, furchtbare Schmerzen und Übelkeit. Ich kämpfe darum, es zu verkraften, wenn meine Mutter meine Inkontinenzeinlagen wechselt, und ich fürchte mich regelrecht davor. Ich muss immer flach liegen und Kissen rundum meinen Körper haben, weil ich mich selbst nicht halten kann; allein meinen Kopf für ein paar Sekunden zu heben, kann mich – wenn ich es überhaupt schaffe – an den Rand einer Ohnmacht bringen. Jeden Tag ist mein Körper so überempfindlich, dass die Berührung mit der Bettdecke mich wahnsinnig vor Schmerzen machen kann. Ich brauche ein Medikament, dass hundert mal so stark ist wie Morphium, nur um in der Lage zu sein, ein wenig Eiskrem zu essen, und selbst das Schlucken verschlimmert meine Schmerzen und viele meiner anderen hundert oder mehr Symptome.

    Während ich früher einmal gefährlich untergewichtig war, kann ich jetzt nichts mehr tun, um meine ständige Gewichtszunahme aufzuhalten, die durch eine eingeschränkte Diät, durch Nebenwirkungen von Medikamenten und die Krankheit selbst verursacht wird. Ich habe andauernd Angst um meine Zähne, da es unmöglich ist, sie zu putzen – das würde mich auf dramatische Weise krank machen und ich würde wieder im Krankenhaus landen (und ich fürchte mich davor, daran zu denken, was passieren würde, wenn mein Körper eine weitere Einweisung durchmachen müsste). Die grundlegenden Notwendigkeiten des Alltagslebens sind so weit entfernt von meinen körperlichen Fähigkeiten, dass mein Gesamtzustand ständig schlechter wird durch den kumulativen Effekt chronischer Überanstrengung. Es scheint immer kaum vorstellbar zu sein, wie es mir noch schlechter gehen könnte, und dennoch ist das der Fall; es ist unmöglich, davor keine Angst zu haben. Der Höhepunkt meines Tages – und meine einzige wirkliche Ablenkung ist es, die Post durchzugehen, mit der mich liebe und fürsorgliche Freunde versorgen; an manchen Tagen schaffe ich das jedoch nicht, und oft bekomme ich von der Anstrengung Fieber.

    Mein Leben ist hart, voll ständiger körperlicher Schmerzen und beinahe unerträglichem Leiden, aber ich versuche, mich nicht länger damit zu befassen. Erstaunlicherweise bin ich zur Zeit nicht deprimiert, obwohl ich natürlich unvermeidlich schlechte Tage habe, und ich werde wütend, wenn ich an die massiven negativen Auswirkungen denke, die das Unwissen von Ärzten und falsche Behandlungen auf meinen Körper hatten. Ich habe immer noch diese intensive Lust zu leben, die ich hatte, als ich vor all den vielen Jahren noch ein gesundes, kleines Mädchen war, und ich kann den Tag nicht erwarten, an dem ich aus dem Bett herauskomme, aus meinem Zimmer gehe und jede Gelegenheit ergreife, die sich mir bietet. Leider sehe ich nicht, wie das noch vor meinem 30. Geburtstag im Frühjahr 2011 etwas werden soll. Es ist schwer zu glauben, dass ich auf ein solches entscheidendes Datum zugehe. Jeder fragt sich, wo die Jahre zwischen 20 und 30 geblieben sind, weil das Leben so schnell vorbeifliegt, aber ich habe wirklich das Gefühl, dass mir diese Jahre gestohlen wurden. Und nicht nur die Jahre zwischen 20 und 30, sondern auch der größte Teil meiner Kindheit und der Teenager-Zeit.

    ME hat mir so viel genommen und mir so viel Schmerzen bereitet. Nach 23 Jahren ist immer noch kein Ende in Sicht. Das ist wirklich eine grauenhafte Krankheit.

     

    Anmerkung: Ein großer Teil des Textes hier wurde vor meinem Rückfall geschrieben. Zu berichten, was seit meinem Rückfall passiert ist, war ein riesiges Unterfangen, das 15 Wochen gedauert hat, in denen ich jedes Mal nur einen Satz verfassen konnte, und das hat jedes Mal schlimme Auswirkungen auf meine Symptome gehabt. Jedoch habe ich den Eindruck, dass dies eine sehr wichtige Aufgabe war. ME wird extrem unterschätzt. Wenn die Chance besteht, dass die Beschreibung meines gegenwärtigen Lebens sowie meiner früheren Erfahrungen den Menschen helfen wird, das enorme Ausmaß dieser weitgehend versteckten Krankheit zu verstehen, wenn sie Ärzte und Gesundheitswesen dazu veranlassen wird, die Versorgung zu verbessern, die man den Betroffenen anbietet oder den kleinen Trost bietet zu wissen, dass man mit dieser Krankheit nicht alleine ist und dass es auch noch andere gibt, die mit schwerer ME kämpfen, dann mache ich das gerne, ganz egal, wie schwierig es auch ist.

     

    Meine Symptome

    Schmerzen: Muskeln/Gelenke/Knochen/neuropathische Schmerzen/Adern (überall im Körper), Kopfschmerzen/Migräne, Bauch- und Unterbauchschmerzen, Zahnschmerzen, Ohrenschmerzen (und Jucken in den Ohren)

    Muskeln: Schmerzen, Schwäche (obwohl manchmal die natürliche Kraft offensichtlich bestehen bleibt), Erschöpfung, Anspannung, Steifigkeit, Krämpfe (einschließlich Dystonien), Zuckungen, Zittern, Steifheit, Krallenbildung von Händen und Füßen, vorübergehende Lähmungen, Unfähigkeit, die Augen zu öffnen, Koliken, extreme Schwierigkeiten, Muskeln ausdauernd einzusetzen

    Gelenke: Schmerzen, Steifigkeit

    Grippeähnlich: Krankheitsgefühl, Erschöpfung, Schmerzen, geringgradiges Fieber zwischen 37,5 und 38.0°C (nach Belastung), Halsschmerzen, druckempfindliche/geschwollene Lymphknoten

    Sensorisch: Überempfindlichkeit gegenüber Licht/Geräuschen/Berührung/Gerüchen/ Chemikalien/Geschmack/Erschütterung/Bewegung/Medikamenten (z.B. Antibiotika)/ Wetterwechsel, extreme Reaktion auf plötzliche Geräusche/Bewegungen (z.B. Türklingel oder Öffnen der Tür), extreme Schmerzreaktion auf nur leicht schmerzhafte Reize, extreme Schmerzreaktion auf schmerzlose Reize, plötzliche sensorische Überlastung, Unfähigkeit, unnötige sensorische Informationen herauszufiltern (was zu extremer Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und einer Steigerung des Krankheitsgefühls führt), merkwürdige Empfindungen (z.B. Kribbeln), Gefühlsverlust, Unfähigkeit, die Lage der Extremitäten einzuschätzen.

    Gastrointestinal: Übelkeit/Erbrechen, Sodbrennen, Steigerung oder Verlust des Appetits, schwer beeinträchtigte Motilität des Darmes, die zu Verstopfung führt, paradoxe Diarrhö, Darmkrämpfe/-schmerzen, Blähungen, Verdauungsschwierigkeiten, Stuhlinkontinenz

    Urologisch: Schwierigkeiten mit der Blasenentleerung (was zu häufigem und unkontrolliertem Wasserlassen führt), schmerzhafte Krämpfe, Schmerzen beim Wasserlassen, Blasenschmerzen, Inkontinenz

    Kognitiv: Beeinträchtigung des Gedächtnisses (einschließlich zeitweiligem Verlust wichtiger Informationen aus der Vergangenheit, Vergessen von Dingen, die kürzlich gesagt wurden und mitten im Satz aufhören zu reden, weil ich nicht mehr in der Lage bin, mich daran zu erinnern, wovon ich gerade gesprochen habe), (gelegentliche) Unfähigkeit, vertraute Personen zu erkennen, schlechte Konzentration, geistige Erschöpfung, beeinträchtigter Intellekt, Verwirrung/Desorientierung, Gefühl, von der Umwelt losgelöst zu sein, „Einfrieren“ des Gehirns, kognitive Verlangsamung, Schwierigkeiten, die normalerweise mit Lese-Rechtschreibschwäche/Rechenschwäche/Schreibschwäche/Dyspraxie (Störung, Bewegung und Handlung in Einklang zu bringen, d.Ü.), Schwierigkeiten, ganz neue Informationen zu erlernen, Schwierigkeiten oder Unfähigkeit, Sprache zu verstehen (oft plötzlicher Beginn), Leseschwierigkeiten (einschließlich Wortblindheit), beim Schreiben das falsche Wort benutzen, Schwierigkeiten/Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen (der Versuch, Entscheidungen zu treffen, kann ein überwältigendes Krankheitsgefühl und eine geistige Lähmung auslösen, was manchmal zu Panikgefühlen führt), Schwierigkeiten, mehrere Dinge auf einmal zu tun (trotz natürlich vorhandener Fähigkeit zum Multitasking!), Verlust der Bedeutung von Zeit, Schwierigkeiten mit Telefongesprächen

    Augen: verschwommenes Sehen, „fliegende Mücken“, andere Sehstörungen, Schmerzen, Zuckungen, Unfähigkeit, die Augen zu öffnen, Wässern der Augen

    Schlaf: übermäßiges Schlafbedürfnis (bis zu 20 Stunden am Tag), Schlaflosigkeit (bis zu 60 Stunden ohne Schlaf), häufiges Erwachen, Störung des Tag-Nacht-Rhythmus, Einschlafschwierigkeiten, leichter/nicht erholsamer Schlaf, Veränderungen beim Träumen

    Körpertemperatur: extreme Schwankungen der Körpertemperatur (weitgehend unabhängig von der Umgebungstemperatur), kalte Hände und Füße/schlechte Durchblutung, geringgradiges Fieber zwischen 37,5 und 38,0°C (nach Belastung), Schweißausbrüche

    Andere Symptome: übermäßiger Durst, starkes Verlangen nach Salz, Benommenheit, Schwindel, orthostatische Intoleranz/Schwierigkeiten, ruhig zu stehen, Ohnmacht, myoklonische Zuckungen, klonische Krampfanfälle, Absencen, Halluzinationen, Herzklopfen, Erhöhung der Pulsrate im Ruhezustand/Tachykardien, geschwollene Füße/Knöchel, extreme Blässe, Blaufärbung der Haut, Tinnitus, Panikgefühle (hängen mit dem Ausmaß der Krankheit zusammen und nicht mit Gedanken/Umständen), Schwierigkeiten zu sprechen, Schwierigkeiten zu kauen/zu schlucken, Allergien, schlechte feinmotorische Fähigkeiten, Schwierigkeiten mit körperlichen Aufgaben, die eine Abfolge von Bewegungen/Aktionen erfordern, Ungeschicktheit/schlechte Koordination, Probleme mit dem Gleichgewicht, Episoden von Hochgefühlen/hyperaktiven Gedanken/hyperaktivem Verhalten, Gewichtszunahme unabhängig von der Menge der aufgenommenen Kalorien, Unterzucker-artige Symptome, Atemprobleme, Geschwüre im Mund, bakterielle oder Pilzinfektionen auf der Haut, Veränderungen der Menstruation, schmerzhafte Menstruation.

     <©>Emily Collingridge, 2010

     

    Den folgenden Kommentar schrieb Scott Jordan Harris am 30. März in der Tageszeitung The Guardian zum Tod von Emily Collingridge

    ME wird häufig abgetan – aber Betroffene wie Emily Collingridge sterben

    Wie viele junge Menschen müssen noch sterben, bevor das „Chronic Fatigue Syndrome“ ordentlich finanzierte biomedizinische Forschung verdient?

    Am Sonntag, den 18 März 2012 ist Emily Collingridge, eine hübsche 30 Jahre alte Aktivistin und Autorin gestorben, nachdem sie offensichtlich nicht länger in der Lage war, gegen die chronische Krankheit zu kämpfen, von der sie betroffen war, seitdem sie 6 war. Die großen Nachrichtenagenturen haben ihren Tod beinahe ausnahmslos ignoriert – den Tod einer bemerkenswerten Aktivistin, die selbst an jener Krankheit litt, von der sie die Welt zu überzeugen versuchte, dass sie existiert – genauso, wie sie die vielen bedeutenden Berichte über die Krankheit ignorieren, an der sie litt.

    Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine neurologische Krankheit mit dem Namen Myalgische Enzephalomyelitis oder abgekürzt ME. Es gibt viele, die glauben, sie das sei keine wirkliche Krankheit, und es gibt viele andere, sogar unter den Medizinern, die glauben, es sei eine psychologische Erkrankung, die man am besten mit forciertem körperlichen Training behandelt, das aber die Auswirkungen der Krankheit nur verschlimmert. Selbst Ärzte und Laien, die die Krankheit anerkennen, bezeichnen sie oft mit dem lächerlichen Namen „Chronic Fatigue Syndrome“ („Chronisches Erschöpfungssyndrom“), der für die ME-Patienten beinahe genauso zerstörerisch ist wie die Symptome, unter denen wir leiden.

    Erschöpfung ist das, was ein Mensch nach einem harten Arbeitstag oder nach einem intensiven Training im Fitnesscenter empfindet. Es ist eine sanfte Müdigkeit, bei der der Rücken ein wenig weh tut und die Augenlider ein bisschen schwer werden. Diese Form der Erschöpfung kann man mit einem Nickerchen oder einem belebenden Espresso bekämpfen. Collingridge war nicht nur ans Bett gefesselt, sondern von unaufhörlichen starken Schmerzen gequält und auf Morphium angewiesen. Sie wurde mit Hilfe eines Schlauches ernährt und ihr Körper konnte keine Geräusche, kein Licht und keine Bewegung ertragen. Sie war doppelt inkontinent und war zeitweise blind und gelähmt.

    Etwa vor einem Jahr schrieb sie: “Ich war mehr als einmal sehr nah daran zu sterben. Wenn Sie mich sehen würden, dann würden Sie wahrscheinlich denken, dass ich am Sterben bin.“ Jetzt ist sie tot. Die Krankheit, die sie zerstört hat, als „Chronisches Erschöpfungssyndrom“ zu bezeichnen ist so, als ob man Magenkrebs „chronisches Magengrummeln“ nennen würde.

    Bemerkenswerterweise war sie – in ihren gesünderen Phasen – in der Lage, ein Buch zu schreiben mit dem Titel „Severe ME/CFS: A Guide to Living“, das für viele ME-Patienten von unschätzbarem Wert ist. Es wurde von AYME, der Association for Young People with ME herausgegeben, bei der Collingridge ein bedeutendes Mitglied war. Ihre wichtigste Arbeit bestand jedoch darin, sich für die biomedizinische Erforschung des ME einzusetzen.

    Ich habe kürzlich einen Artikel für die Website der Chicago Sun-Times geschrieben, in dem ich sowohl die Geschichte meines ME als auch meine Reaktion auf den neuen Dokumentarfilm „Voices from the Shadows“ beschreibe. Für jeden, der verstehen möchte, welche Höllenqualen ME auslösen kann und das gefährliche Unwissen begreifen will, unter dem so viele Betroffene leiden, ist der Film ein Muss. Eine der portraitierten Patientinnen ist Sophia Mirza, die erste, deren Tod offiziell als durch Chronic Fatigue Syndrome verursacht bescheinigt wurde. Eine weitere Patientin ist meine Freundin Lynn Gilderdale, deren Mutter ihr half, sich das Leben zu nehmen, nachdem Lynns Zustand unerträglich wurde.

    Sowohl Sophia Mirza als auch Lynn Gilderdale litten – und starben vielleicht –, aufgrund der unverzeihlichen Taten und vielleicht auch der unverzeihlichen Untätigkeit der medizinischen Profession. Mirza wurde in die Psychiatrie zwangseingewiesen, um eine rein körperliche Krankheit zu behandeln, und sie hat sich nie wieder von dem Schaden erholt, der dadurch entstand. Auch Gilderdale wurde an einen Psychiater überwiesen, als sie eigentlich Ärzte gebraucht hätte, die auf der Basis des neuesten Stands der Wissenschaft arbeiten. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist offensichtlich: wie viele junge Menschen wie sie müssen noch sterben, bevor ihre Krankheit ernst genommen wird und bevor umfangreiche und gezielte Anstrengungen gemacht werden, um sie durch finanziell ordentlich ausgestattete biomedizinische Forschung zu heilen?

    Collingridge war ein großer Lichtblick für Tausende von Opfern schwerer ME, deren Leben in beinahe vollkommener Dunkelheit verläuft. Es ist unerlässlich, dass ihre Tragödie nicht übersehen wird. Wir müssen alle verstehen, dass die Sache, für die sie sich zu ihren Lebzeiten einsetze – die dringende Notwendigkeit einer entsprechenden Anerkennung und Erforschung des ME – durch ihren Tod noch dringender gemacht wird.

     

    Das Buch von Emily Collingridge:

    Severe ME/CFS: A Guide to Living

     

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