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Artikel des
Monats Februar 201 3
Teil 1
Die
PACE-Studie - Analyse 2. Teil
Sie finden auf dieser Seite:
Abriss der PACE-Studie
und Hauptkritikpunkte
Wie bereits im Januar-3-Artikel
auf dieser Seite dargestellt, wurde im März 2011
in der renommierten Medizinzeitschrift The Lancet eine Studie über
mögliche Behandlungsansätze für Patienten mit ME/CFS veröffentlich - die
sogenannte
PACE-Studie.
Hauptautoren sind Peter Denton White und Michael Sharpe, beide
Vertreter der sogenannten "biopsychosozialen" Schule nach Simon Wessely, einem
einflussreichen britischen Psychiater. Deren seit Jahrzehnten massiv propagierte Hypothese ist, ME/CFS
sei (ebenso wie das Golfkriegssyndrom) primär eine psychische Erkrankung, die
auf falschen Krankheitsüberzeugungen, übermäßiger Empfindlichkeit gegenüber
normalen körperlichen Empfindungen, einer übermäßigen Schonhaltung und daraus
folgender Dekonditionierung beruhe. Die richtigen Therapieansätze seien deshalb
kognitive Verhaltenstherapie gegen die "Bewegungsphobie" und die "dysfunktionalen
Krankheitsüberzeugungen" und ansteigendes körperliches Training - Graded
Exercise Therapie (GET) gegen die Dekonditionierung. Das würde den meisten
"CFS"-Patienten helfen, wieder ein normales Funktionsniveau zu erreichen.
Obwohl diese Hypothese samt ihrem Krankheitsmodell bereits vorher vielfach widerlegt
worden war, hat das Medical Research Council, eine staatliche Institution in
Großbritannien, diese 5 Millionen Pfund teure und acht Jahre dauernde
PACE-Studie mit öffentlichen Mittel finanziert. Ihre 2011 Ergebnisse wurden
bereits in zahlreichen Dokumenten heftig kritisiert.
(Auf dieser Seite finden Sie eine Anzahl von Links
zu diesen kritischen Analysen, die die die Behauptung, CBT/GET würden
bei ME/CFS helfen, widerlegen.)
Erneut wurde
kürzlich eine weitere
Auswertung dieser PACE-Studie veröffentlicht, nach denen angeblich 30% der
"CFS"-Patienten durch CBT/GET geheilt werden.
Die wichtigsten Kritikpunkte an der PACE-Studie
sind:
-
Die Auswahl der Patienten erfolgte nach
Krankheitsdefinitionen, die nicht dem klassischen ME/CFS (ICD-Schlüssel
G93.3) entsprechen (Oxford-Definition statt Fukuda- und Kanadische
Definition). Dadurch wurde eine große Anzahl von Menschen mit
psychiatrischem "Fatigue Syndrome" bzw. psychischen und Verhaltensstörungen
(ICD-10 F48.0) untersucht, nicht aber klassische ME/CFS-Fälle. Selbst Prof. Peter White, Hauptautor der Studie,
schrieb im März 2011 an The Lancet: "Der Artikel über die PACE-Studie
erhebt nicht den Anspruch, CFS/ME zu untersuchen, sondern CFS, das lediglich
als eine generelle Klage über Erschöpfung definiert ist, die behindernd ist."
("The PACE trial paper does not purport to be studying CFS/ME
but CFS defined simply as a principal complaint of fatigue that is disabling."
Zitat
hier zu finden.)
-
Bettlägerige ME/CFS-Patienten und Kinder mit
ME/CFS wurden in die Studie nicht miteinbezogen - aber dennoch werden die
Ergebnisse auch auf sie hochgerechnet.
-
Die Zielmarke für einen Erfolg der Behandlung
wurde in der laufenden Studie so herabgesetzt, dass sie unter
der Zugangsmarke für die Zulassung eines Patienten zur Studie lag - d.h. es
konnte Patienten durch die Therapien sogar schlechter gehen, und sie wurden
trotzdem als erfolgreich behandelt gewertet.
-
Was als "normale Funktionsfähigkeit" ("within
normal range") bzw. als Rückkehr zu einem normalen Funktionsniveau ("getting
back to normal") deklariert wurde, ist in
Wahrheit der Zustand von Menschen mit schweren Erkrankungen wie Chronisch
obstruktiver Lungenerkrankung, koronarer Herzerkrankung etc.
-
Es wird
nicht erläutert, was mit dem Begriff "recovery" gemeint ist. Mit
diesem Begriff wird suggeriert, dass eine Heilung oder substantielle
Erholung erreicht wurde. Tatsächlich haben die Autoren der PACE-Studie aber
jetzt selbst zugegeben, dass sie mit CBT oder GET keine Heilung erzielen und
dass es in der PACE-Studie keinen objektiv belegbaren Nutzen aus CBT gab:
Hier
schrieben sie: "Wir haben uns auf die Erholung von der gegenwärtigen
Krankheitsepisode konzentriert" ("We focussed on
recovery from the current episode of the illness.") D.h., der
Maßstab für "Heilung/Erholung" war nicht "gesund" oder "arbeitsfähig",
sondern eine vielleicht zu erreichende winzige Besserung im Vergleich zum
vorherigen, schlechten Zustand des Patienten.
-
Dr. Charles Shepherd, medizinischer Berater der ME Association, schreibt
hier:
"Es ist wirklich ziemlich bizarr, dass es in diesem Artikel absolut keinerlei
Daten darüber gibt, was die Mehrheit der Menschen als drei objektive Marker für
eine Heilung/Erholung ansehen würde:
1. Eine Rückkehr zu einer bedeutsamen Vollzeitbeschäftigung oder
Vollzeit-Ausbildung (bzw. die Fähigkeit, hierzu zurückzukehren),
2. keine Ansprüche mehr auf soziale Leistungen/Renten für Behinderte zu haben,
3. eine Einschätzung, wie weit eine Person laufen kann.
Ebenso
überraschend ist das Fehlen jeglicher Diskussion über den Einsatz von
Sozialleistungen/Renten als einem Marker für Erholung/Heilung zusammen mit dem
äußerst unbefriedigenden Begründung, warum man weder den Beschäftigungsstatus
noch einen objektiven Maßstab für das Aktivitätsniveau eingesetzt hat."
-
Es wurden keinerlei Tests über die physiologischen
Anomalien durchgeführt, weder vor noch nach der "Behandlung".
-
Es wurde kein einziges objektives Messverfahren für
den Erfolg der Therapien eingesetzt.
Die PACE-Studie zeigt, dass durchschnittlich nur 13% der CFS/ME-Patienten auf eine Behandlung mit CBT oder GET ansprechen,
und das auch nur auf sehr moderate Weise, die keinesfalls bedeutet, dass
diese Patienten wieder gesund und arbeitsfähig geworden wären. Das bedeutet, dass etwa
87% der Patienten
keinen Nutzen aus CBT oder GET gezogen haben.
Die behauptete Rate an Heilung/Erholung von 30%
der so behandelten Patienten lässt sich aus den Daten der Studie in keiner
Weise ableiten. Was
Prof. Peter Henningsen in einer Pressemitteilung des renommierten
Medizinverlages Thieme kürzlich behauptet - "Unter der aktiven
Psycho- und Physiotherapie erreichten etwa 30 Prozent der Patienten
Normalwerte..." - entbehrt jeglicher Grundlage.
(Eine umfassende
(schriftliche) Kritik an der PACE-Studie von Malcom Hooper mit dem Titel "Magical
Medicine - How to make a disease disappear" finden Sie
hier.)
Eine anschauliche
Darstellung der Hauptkritikpunkte finden Sie in diesen kurzen Videos:
(Ein herzliches Dankeschön an den Sprecher Thomas Wenke,
der seine Stimme für die deutsche Version der Videos zur Verfügung gestellt hat!
Und auch an die anderen Helfer, die mitgeholfen haben!)
Die Originale der Videos finden Sie hier:
1: The Pace Race:
http://youtu.be/Sa3LyYxu49s
2: 60 - the new 75:
http://youtu.be/PJf27ExfyMA
3: Not So Bad:
http://youtu.be/qXMZv0MzFCo
4: The force of LOGic:
http://youtu.be/b3_mjQe-t1M
5: zu den
Forschungsgeldern, die für ME/CFS bereitgestellt wurden:
http://www.youtube.com/watch?v=eZkoKObgvfs
Diese Videos stammen von den
Autoren der Facebook-Seite "ME Analysis"
Auch diese beiden Schautafeln zeigen deutlich, dass die
angeblichen Heilungs-/Genesungsraten durch die objektiven Daten nicht gestützt
werden und dass die mit GET und CBT behandelten ME/CFS-Patienten (oder wen immer
sie untersucht haben) nach einem Jahr Behandlung immer noch unter der Leistung
von 80-89-Jährigen oder Lungentransplantierten liegen:
Die neueste
Veröffentlichung der Raten an "Erholung/Heilung" durch die PACE
Trial: (keine Empfehlung...)
Auszüge aus der
Pressemitteilung
zu der o.g. neuen Auswertung der PACE-Studie:
Rehabilitationstherapien können
zu einer Erholung vom Chronic Fatigue Syndrome führen.
http://www.qmul.ac.uk/media/news/items/smd/89978.html
Donnerstag, 31. Januar 2013
Forschungsarbeiten unter
der Leitung von Queen Mar, University of London, haben gezeigt, dass
beim Chronic Fatigue Syndrome (CFS) für manche Patienten eine
Erholung möglich ist, und man hat zwei Behandlungsformen gefunden,
die am wahrscheinlichsten zu einer Erholung führen.
Die neuesten Ergebnisse
aus der PACE-Studie zeigen, dass kognitive Verhaltenstherapie (CBT)
und Graded Exercise Therapie (GET) als zusätzliche Maßnahmen zur
Behandlung eines Facharztes die Wahrscheinlichkeit der Erholung vom
CFS - verglichen mit anderen Behandlungsansätzen - um das Dreifache
erhöhen.
(...)
Die früher bereits
veröffentlichten Ergebnisse zeigten, dass CBT und GET zu einer
größeren Verminderung der Symptome und der Behinderung führen als
angepasstes Pacing oder die Behandlung durch einen Facharzt. In
dieser Analyse sind die Forscher noch einen Schritt weitergegangen
und haben untersucht, wieviele Patienten nach diesen Behandlungen
wieder gesund geworden sind. Die Patienten wurden als wieder
gesundet klassifiziert, wenn sie mehrere Kriterien für eine
Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes nicht mehr erfüllten, die
ursprünglich als Zugangsvorraussetzung für die Teilnahme an der
Studie eingesetzt worden waren. Dazu gehörten nicht mehr an
beträchtlicher Erschöpfung oder körperlicher Behinderung zu leiden
und nicht mehr den diagnostischen Kriterien für CFS zu entsprechen.
Und die Patienten mussten ihren Gesundheitszustand selbst als "viel"
oder "sehr viel besser" einschätzen.
Die Ergebnisse zeigten,
dass diejenigen, die CBT oder GET zusätzlich zur Facharztbehandlung
erhielten, dreimal wahrscheinlicher die Kriterien für eine Erholung
erfüllten als diejenigen, die nur Facharztbehandlung oder
Facharztbehandlung in Kombination mit angepasstem Pacing erhielten.
Insgesamt erfüllten 22 Prozent derjenigen, die entweder CBT oder GET
zusätzlich zur Facharztbehandlung erhielten, die Kriterien für eine
Erholung, verglichen mit acht Prozent nach angepasstem Training in
Kombination mit Facharztbehandlung und sieben Prozent mit nur
Facharztbehandlung.
(...)
Professor White sagte:
"Das sind gute Nachrichten, und das zeigt, dass eine Heilung von
dieser lähmenden Erkrankung für einige Patienten möglich ist. Wir
müssen nun weiterforschen, um zu verstehen, warum nur ein relativ
kleiner Prozentsatz der Patienten sich wieder erholt, was die
starken Schwankungen in der Ausprägung dieser Erkrankung zwischen
verschiedenen Patienten zeigt; es ist unwahrscheinlich, dass eine
einzige Behandlungsform für alle gleichermaßen wirksam ist.
Manche Leute mögen den
Gebrauch des Begriffes 'Heilung/Erholung' infrage stellen, und die
zentrale Frage, mit der wir konfrontiert waren, war, wie definieren
wir das, dass sich ein Patient erholt hat. Wir haben uns
konzentriert auf die Erholung von der gegenwärtigen
Krankheitsepisode und benutzten mehrere Maßstäbe für die Symptome
und die Behinderung, um uns das bestmögliche komplette Bild zu
liefern. Eine weitere Analyse ist notwendig, um zu erkennen, ob
diese Erholung/Heilung langfristig aufrechterhalten wird."
Professor Michale Sharpe,
University of Oxford, 2. leitender Forscher der PACE-Studie und Co-Autor
der neuesten Veröffentlichung, sagte: "Die Rehabilitationsbehandlungen CBT und GET bei CFS waren umstritten.
Diese Analyse der Daten der PACE-Studie zeigen, dass sie nicht nur
bei der Mehrheit eine Besserung erbringen, sondern dass sie auch bei
einer beachtlichen Minderheit zu einer Erholung/Heilung führen."
Professor Trudie Chalder
vom King's College London's Institute of Psychiatry sagte: "Die Tatsache, dass Menschen sich vom Chronic Fatigue Syndrome erholen
können, ist eine großartige Nachricht. Ärzte können ihren Patienten
jetzt sehr viel überzeugter diese Möglichkeit mitteilen, von denen
viele verständlicherweise besorgt sind im Hinblick auf ihre Zukunft."
Der
Artikel ist unter dieser Webadresse frei zugänglich:
http://journals.cambridge.org/psm/White |
Literatur und Links:
P. Henningsen, A.
Martin: Das chronische Erschöpfungssyndrom. DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift 2013: 138 (1/2): S. 33-38
Eine kritische Würdigung dieses Artikels finden
Sie
hier.
1.
https://www.thieme.de/de/presse/erschoepfungssyndrom-34792.htm
2.http://www.medizinauskunft.de/artikel/diagnose/krankheiten/Weitere/chronisches-erschoepfungssyndrom-29-01-13.php
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