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    Sie erhalten dann alle Seiten auf cfs-aktuell.de, auf denen der gesuchte Begriff vorkommt.

     Artikel des Monats Januar 2011 Teil 1

    XMRV/MLVs - alles nur eine Labor-Kontamination?

    Bitte beachten Sie: 2012 hat sich herausgestellt, dass dieses XMRV keine Humaninfektion, sondern eine im Labor entstandene Chimäre war. Näheres unter Artikel des Monats Dezember 2012 - 1 auf dieser Website!

    Am 23. Dezember 2010 erschienen in der Zeitschrift Retrovirology vier Artikel und ein Kommentar (Artikel eins, zwei, drei, vier), die auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, die Entdeckung des dritten humanen Retrovirus XMRV/MLV sei nichts weiter als eine Laborkontamination mit Mäusezellen bzw. Mäuse-DNA gewesen. Auch ein Artikel im Ärzteblatt mit dem Titel "XMRV definitiv nicht die Ursache des Chronischen Müdigkeitssyndroms" legt diese Schlussfolgerung nahe. Bei diesem Artikel handelt es sich jedoch lediglich um die fast unveränderte Pressemitteilung des Sanger Welcome Trust bzw. des University College London.

    Man liest in diesem Ärzteblatt-Artikel: "Bei den vor einem Jahr im Blut von Patienten mit chronischem Müdigkeitssyndroms nachgewiesenen XMR-Viren handelt es sich um eine Kontamination im Labor. Sie sind definitiv nicht die Ursache der Erkrankung, schreiben die Forscher in Retrovirology."

    Bei näherem Hinsehen jedoch ergibt sich ein ganz anderes Bild - und diese Aussage erweist sich als schlicht nicht den Tatsachen entsprechend. Was die vier Studien in Retrovirology belegen, ist lediglich die MÖGLICHKEIT, dass es bei der Suche nach Viren zu Laborkontaminationen kommen kann, sie haben jedoch nicht nachgewiesen, dass die Proben der früheren Studien kontaminiert waren. Es wird zu Recht auf die tatsächlich vorhandene Möglichkeit einer Verunreinigung von Laborproben und Zelllinien hingewiesen, aber keiner der Artikel hat auch nur im Geringsten nachgewiesen, dass die Studien, die XMRV/MLV beim Menschen gefunden haben, etwa auf eine Laborkontamination zurückzuführen seien.

    In der Originalpressemitteilung heißt es:

    "Die Forschung zeigt, dass Zellproben, die in den früheren Studien verwendet wurden, mit dem Virus kontaminiert waren, der als XMRV identifiziert wurde und dass XMRV im Mausgenom vorkommt."

    Das ist genau nicht gezeigt worden. Zu diesem Zweck hätten die Autoren dieser Studie die Zellproben der „previous research“, der früheren Forschung, überhaupt erst einmal besitzen müssen, um sie untersuchen zu können, aber das war nicht der Fall. Sie haben mit keinem der Forscher des Whittemore-Peterson-Instituts, der Cleveland Clinic oder den National Institutes of Health zusammengearbeitet, geschweige denn, von diesen die Proben bekommen und untersucht, die die Grundlage der Studien von Lombardi et al. oder Lo/Alter et al. waren.

    Und die Schlussfolgerung, dass XMRV „definitiv nicht die Ursache der Erkrankung“, also des ME/CFS sei, ist demnach ebenso aus der Luft gegriffen.

    Die Autoren des Ärzteblattartikels haben hier offenbar sträflich ihre journalistische Sorgfaltspflicht vernachlässigt und ohne die geringste Hintergrundrecherche eine Pressemitteilung übernommen, die inhaltlich mehr als fragwürdig ist.

    Hätten die Autoren des Ärzteblatts die notwendige journalistische Arbeit zu diesem Forschungsfeld gemacht hätten, dann wäre ihnen aufgefallen, dass der Virusnachweis des XMRV inzwischen nicht nur auf PCR-Testung und der Anzüchtung in Zelllinien beruht, sondern dass man knospendes Virus unter dem Elektronenmikroskop fotografiert hat und dass die Patienten Antikörper gegen XMRV bzw. seine Varianten entwickelt haben. Gegen eine Laborkontamination entwickelt man keine Antikörper. Und eine Laborkontamination mit einem (auch noch endogenen) MÄUSE-Retrovirus kann sich auch nicht in die DNA eines MENSCHEN integrieren, wie dies für XMRV bereits 2008 nachgewiesen wurde (siehe Blog von Vincent Racaniello vom 4. Januar 2011). Das können nur HUMANE Retroviren.

    Auch haben die Ärzteblatt-Schreiber offenbar keine der folgenden Stellungnahmen gelesen oder verarbeitet:

    Stellungnahme von Ian Lipkin

    Ian Lipkin, der Virusjäger von Weltrang, der sich einen Namen bei der Entdeckung des SARS-virus gemacht hat, schrieb kürzlich in einer Email:

    „Diese Artikel betonen die möglichen Fallen, die es bei molekularen Assays gibt, und sie rufen Bedenken hervor. Dennoch ist es voreilig, XMRV oder damit verwandte Viren als Faktoren bei Prostatakrebs oder Krebs oder CFS auszuschließen. Diese Zusammenhänge wurden auch hergestellt auf der Basis von Serologie-Tests (Antikörpertests) und dem Vorhandensein von viralen Proteinen und sowie viralen Sequenzen. Deshalb brauchen wir dennoch angemessen ausgestattete, streng verschlüsselte Studien mit gut charakterisierten Patienten und Kontrollpersonen. Eine solche Studie läuft gerade unter der Schirmherrschaft der National Institutes of Health.“

    Stellungnahme von Harvey Alter, Mitentdecker des Hepatitis-C-Virus

    Harvey Alter, Co-Autor der Lo/Alter-Studie vom August 2010, die die Ergebnisse der XMRV-Science-Studie vom Oktober 2009 bestätigt, gab bei einem kürzlichen Treffen der XMRV Blood Research Working Group des US-Gesundheitsministeriums diesen Kommentar ab:

    Wenn eine Forschergruppe ein neues Virus findet, fragen sie sich, ob es tatsächlich existiert. Wenn es von einem anderen Forscherteam nicht gefunden wird, dann denken sie um so mehr, dass es nicht wirklich existiert. Unser Ziel sollte darin bestehen, die Wahrheit herauszufinden. Die Wahrheit wird im Verlauf des nächsten Jahres (2011) herauskommen. Ich stimme zu, dass wir keine Beweise für eine Verursachung (des CFS oder anderer Krankheiten durch XMRV) gibt, insbesondere, wenn wir an der Nachweisgrenze sind und die Leistungsfähigkeit der Testverfahren so eine entscheidende Rolle spielt. Aber ich möchte trotzdem (dem Verunreinigungsargument) etwas entgegenhalten, indem ich sage, dass die gegenwärtig vorliegenden Beweise für einen Zusammenhang zwischen XMRV und Krankheit sehr überzeugend sind, dass es einen starken Zusammenhang zwischen XMRV oder MLVs und CFS gibt. In den Labors, die den Erreger (XMRV/MLV) finden, ist das Ergebnis sehr stark reproduzierbar. Jahr um Jahr, und bei den gleichen Patienten.

    Bestätigt durch Virus-Sequenzierung, die immer wieder reproduzierbar ist. Dr. Hanson hat gezeigt, wie entscheidend die Testverfahren (Assays) sind. Wenn die Assays optimiert werden, dann sind die Ergebnisse identisch mit denen des Labors von Shy-Ching Lo (Lo/Alter-Studie). Die verschiedenen XMRV/MLV-Varianten wurden vom WPI-Labor bestätigt, es wurde dort also nicht nur ein Erreger bestätigt. In Hunderten von negativen Kontrollen im gleichen Labor, die extrem negativ auf eine Kontamination waren, wurde das durchgeführt, was Coffin empfohlen hat, und sie waren auch negativ, immer negativ in Bezug auf eine Kontamination. Es ist unlogisch, etwas anderes zu schlussfolgern. Stoye nahm anektdotische Einzelfall-Berichte, um zu versuchen, (im Sinne einer Kontamination) zu argumentieren. Einfach nur, weil das in der Vergangenheit einmal passiert ist, ist es nicht zulässig, reproduzierbare Daten aus vier verschiedenen Labors zu negieren. Ich bin kein Arzt für CFS, aber ich habe in den vergangenen Monaten eine Menge gelernt. Ich bin absolut davon überzeugt, wenn man das (ME/CFS) mit exakten Kriterien definiert, dass es eine sehr ernste, organisch-medizinische Erkrankung ist. Sie hat die Charakteristika einer viralen Erkrankung. Wenn es nicht XMRV ist, dann müssen wir weiterforschen, um herauszufinden, was es dann ist.“

     

    Stellungnahme von Amy Dockser Marcus im Wall Street Journal:

    Amy Dockser Marcus schreibt unter dem Titel "XMRV: Raising the Issue of Contamination":

    „Aber es ist unwahrscheinlich, dass sie (die Artikel in Retrovirology) die Debatte darüber auflösen, ob XMRV mit Krankheiten wie dem Chronic Fatigue Syndrom oder Prostatakrebs zusammenhängen, insbesondere weil die Autoren der Artikel sich über die Interpretation ihrer Daten uneinig sind. (…) John M. Coffin, ein Retrovirologe und Co-Author von zwei der heute in Retrovirology veröffentlichten Artikel, sagte dem Health Blog, dass die Studien seiner Forschergruppe zwar gezeigt hätten dass Mäuse-DNA in Labors überall vorkommt, aber keiner der Artikel definitiv gezeigt hätte, dass irgendeine der zuvor veröffentlichten Studien falsch ist. (…) Robert A. Smith, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Washington-Universität in Seattle, der einen Kommentar in Retrovirology schrieb, in dem die Studien zusammengefasst werden, sagte dem Health Blog, die Möglichkeit der Kontamination bedeute, dass zukünftige Studien sehr sorgfältig durchgeführt werden müssen, bevor Schlüsse über einen Zusammenhang mit Krankheiten daraus gezogen werden. Aber er sagte, er scheue sich davor zu behaupten, dass der berichtete Zusammenhang zwischen XMRV und CFS und Prostatakrebs nicht länger haltbar ist. Die Artikel konzentrieren sich auf verschiedene Probleme, die bei einem spezifischen Test zur Entdeckung des XMRV auftreten können, aber sie haben nicht alle der eingesetzten Verfahren zur Bestimmung des Virus untersucht. Smith betonte, dass einige der früheren Artikel über Prostatakrebs herausgefunden hatten, dass das XMRV in die DNA der Patienten eingebaut war und sagte: „Ich kann mir keinen Mechanismus vorstellen, bei dem es hier um eine Kontamination gehen könnte.“

     

    Stellungnahme von Vincent Racaniello

    Vincent Racaniello schreibt am 22. 12. 2010 in seinem Virology Blog, mit dem er sein Fachwissen als Retrovirologe verständlich darstellt:

    „… die vier Artikel zeigen verschiedene Möglichkeiten auf, wie XMRV-Tests (Assays) mit viralen Sequenzen von Mäusen verunreinigt werden können. (Artikel eins, zwei, drei, vier).Nachdem ich drei der vier Artikel Retrovirology erneut gelesen habe, wurde mir klar, dass die Bestimmung des XMRV durch Kontaminationsprobleme belastet werden kann, aber sie besagen nicht, dass die zuvor veröffentlichten Studien durch solche Befunde beeinträchtigt sind.

    Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass diese vier Artikel zwar herausstellen, wie die Identifikation des XMRV aus Proben vom Menschen durch eine Verunreinigung erschwert werden kann, aber sie bedeuten nicht, dass frühere Studien dadurch beeinträchtigt worden wären. Diese vier Artikel sind eine wichtige Mahnung, dass zukünftige Versuche, das XMRV zu identifizieren, ordentlich kontrolliert werden müssen, um sicherzustellen, dass sie nicht durch eine Kontamination beeinträchtigt werden.

    Mit anderen Worten, diese vier Artikel sind NICHT der Anfang vom Ende von XMRV und CFS. Stattdessen muss die Forschung über die Rolle dieses Virus bei Krankheiten des Menschen voranschreiten, mit großen, Fall-kontrollierten, epidemiologischen Studien, wie sie verschiedene Forscher vorgeschlagen haben.“

     

    Seine anfängliche Irritation durch diese vier Kontaminations-Artikel und seine veränderte Meinung nach genauerem Studium derselben und die Irritation, die sie bei anderen auslösten, kommentiert er am Schluss seines Blogs so: „…wenn ich schon Schwierigkeiten damit hatte, diese Artikel zu interpretieren, wie sollen das dann Menschen, die keine Wissenschaftler sind, können?“

    Am 4. Januar 2011 schreibt Racaniello in seinem Virology Blog:

    Ein schlagkräftiges Argument dafür, dass das neue humane Retrovirus XMRV keine Laborkontamination ist, ist die Entdeckung, dass die virale DNA in die chromosomale DNA von Prostatatumoren integriert ist. Warum stellt dieses Ergebnis einen so schlagkräftigen Beweis für eine virale Infektion dar?

    Die Schaffung einer integrierten Kopie des viralen Genoms – des Provirus – ist ein entscheidender Schritt im Lebenszyklus des Retrovirus. Die provirale DNA wird von der zellulären RNA Polymerase II transkribiert, um das virale RNA-Genom und die Messenger RNAs zu produzieren, die benötigt werden, um den Replikationszyklus zu vervollständigen. Ohne die provirale DNA kann die retrovirale Replikation nicht stattfinden.

    Um provirale DNA zu produzieren, wird das retrovirale RNA-Genom durch das virale Enzym Reverse Transkriptase in eine doppelsträngige DNA überführt. Dieser Schritt geschieht im Zytoplasma. Das gezielte und einwandfreie Einfügen der viralen DNA in die DNA der Wirtszelle wird durch ein virales Enzym mit dem Namen Integrase katalysiert. Dieses Enzym erkennt die zwei Enden der viralen DNA und kerbt sie ein, und die neuen 3′-ends  werden dann kovalent an die Wirts-DNA angebunden an versetzten Einkerbungen, die von der Integrase hergestellt wurden."

    Er beschreibt dann auch mit einem Schaubild, wie sich die virale DNA in die Wirts-DNA einfügt. Diese Erkenntnisse stammen aus einem Artikel*, der bereits 2008 erschienen ist.

    *Kim, S., Kim, N., Dong, B., Boren, D., Lee, S., Das Gupta, J., Gaughan, C., Klein, E., Lee, C., Silverman, R., & Chow, S. (2008). Integration Site Preference of Xenotropic Murine Leukemia Virus-Related Virus, a New Human Retrovirus Associated with Prostate Cancer Journal of Virology, 82 (20), 9964-9977 DOI: 10.1128/JVI.01299-08

    Ila Singh schließt mit ihren Verfahren eine Kontamination aus

    Aus einer Patentanmeldung von Ila Singh, einer der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet des XMRV, beschreibt in ihrer Patentanmeldung zahlreiche Verfahren zur Bestimmung von RNA oder DNA des XMRV, von XMRV-Proteinen oder Antikörpern gegen XMRV sowie Verfahren zur Diagnose, zur Überwachung der Krankheitsentwicklung und der Wirksamkeit von Behandlungsverfahren bei zahlreichen Krankheiten, die mit XMRV zusammenhängen.

    Diese Patentanmeldung ist extrem kompliziert und belegt nicht nur die überragende Kompetenz dieser Forscherin, sondern auch, wie weit die Experten auf diesem Gebiet bereits in der Erforschung des XMRV und seiner Auswirkungen sind.

    Die Frage der Kontamination bzw. irrtümlichen Entdeckung von endogenen Mäuse-Retroviren ist in dieser Patentanmeldung ebenfalls berücksichtigt. Mit verschiedenen Verfahren wurde ausgeschlossen, dass mit dem angemeldeten qPCR-Verfahren versehentlich endogene Retroviren „entdeckt“ werden und dass diese hochspezifisch ist für XMRV.

    Eine Zusammenfassung dieser Patentanmeldung kann man hier nachlesen.

    Dort findet sich u.a. dieser Auszug:

    (ENSURING SPECIFICITY TO RULE OUT DETECTION OF MURINE ENDOGENOUS RETROVIRUSES

    To test for amplification of murine ERVs, genomic DNA of a C57BL/6 mouse was used as template. To rule out amplification of human ERVs or other human sequences related to XMRV, commercially available human placental DNA was used as template. Also mouse DNA was mixed with human placental DNA at different ratios. No amplification product was observed in any of the reactions, showing that the qPCR assay was highly specific for XMRV.)

    Aus Ila Singhs Patentanmeldung geht im übrigen auch hervor, dass sie das Retrovirus in 25% der Brustkrebsgewebe gefunden hat, die von ihr untersucht wurden.

    Stellungnahme des Whittemore Peterson Instituts

    Bei den Studien von Lombardi et al. sowie von Lo et al. wurden vier verschiedene Methoden zur Virusbestimmung verwendet. Es handelte sich dabei nicht nur einfach um PCR-Versuche wie bei den Studien von McClure et al. und anderen, die kürzlich über ihre Probleme mit einer Kontamination berichtet haben. Erfahrene Forscher wie Mikovits, Lombardi, Lo und ihre Mitarbeiter wissen um die Grenzen der PCR-Technology, insbesondere um die Möglichkeit der Verunreinigung von Proben.

    Deshalb haben wir und Lo et al. peinlich genaue Studien durchgeführt, um jegliche Möglichkeit von vorne herein auszuschließen, dass die Ergebnisse, über die wir berichtet haben, von einer Kontamination stammen. Zusätzlich zur PCR-Methode hat das Lombardi-Team zwei weitere wissenschaftliche Technologien eingesetzt, um herauszufinden, ob wir tatsächlich ein neues Retrovirus in den humanen Blutproben gefunden hatten. Wir haben eine humane Antikörperreaktion auf eine Gamma-Retrovirus-Infektion identifiziert und wir haben gezeigt, das lebendes Gamma-Retrovirus, das aus humanem Blut isoliert worden war, humane Zellen in einer Kultur infizieren konnte. Diese wissenschaftlichen Befunde können nicht mit einer Kontamination mit Mäusezellen, Mäuse-DNA oder humanen Tumorzellen, die mit XMRV-verwandten Viren kontaminiert sind, erklärt werden. Im Labor des WPI, in dem wir unsere PCR-Experimente durchgeführt haben, wurden zu keiner Zeit Mäusezelllinien oder die humanen Zelllinien kultiviert, über die heute von Hue et al. berichtet wurde, dass sie XMRV enthalten würden. Menschen können keine Antikörper gegen Viren, die mit Mäuseleukämieviren verwandt sind, entwickeln, wenn sie den Virusproteinen nicht ausgesetzt waren. Deshalb ändern die kürzlichen Veröffentlichungen über eine PCR-Kontamination nichts an den Schlussfolgerungen der Studien von Lombardi et al und Lo et al., die zu dem Schluss kommen, dass Patienten mit ME/CFS mit den humanen Gamma-Retroviren infiziert sind. Wir haben niemals behauptet, dass CFS von XMRV verursacht wird, wir haben nur behauptet, dass CFS-Patienten Antikörper auf XMRV-verwandte Proteine haben und infektiöses XMRV in sich tragen, das sich in das humane Chromosom integriert und deshalb eine humane Infektion von noch unbekanntem pathogenen Potential ist.

    „Die Co-Autoren stehen zu den Schlussfolgerungen von Lombardi et al. Bis zum heutigen Datum ist nichts veröffentlicht worden, das unsere Daten widerlegen würde.“ Judy A. Mikovits

    Das Original finden Sie hier.

    Interview mit Judy Mikovits und Annette Whittemore zu den Retrovirology-Artikeln über Kontamination

    Sam Shad, Nachrichtenmoderator beim Fernsehsender Nevada Newsmakers, hat am 22. Dezember 2010 Judy Mikovits und Annette Whittemore zur Veröffentlichung der vier Artikel zur möglichen Verunreinigung von Testverfahren auf XMRV mit Mäuseviren in der Zeitschrift Retrovirology interviewt. Die Originalsendung kann man sich hier ansehen, sie ist jedoch mit Werbeblocks durchsetzt, und das Interview fängt erst nach 3 Minuten an. Eine werbefreie Version finden Sie hier. Sie finden im Folgenden eine Übersetzung des Transkripts dieses Interviews.

     Sam:  Annette, können wir vielleicht mit einer kurzen, einfachen Erklärung anfangen, was neuro-immunologische Krankheiten sind, zu denen auch ME/CFS gehört?

     Annette:  Das sind systemische Krankheiten, die das Nerven- und das Immunsystem betreffen. ME/CFS ist eine sehr komplizierte Krankheit, und wir glauben, dass sie infektiös ist, dass sehr viele Organismen daran beteiligt sind und dass es ein umfassendes Arsenal an Behandlungsformen braucht

     Sam:  Das Retrovirus XMRV, auf das man in der Prostatakrebs-Forschung gestoßen ist, hat man nach Ihrer Forschung nicht nur bei Prostatakrebs, sondern auch bei der Mehrheit der Menschen gefunden, die an ME/CFS leiden. Was hat sich daraus ergeben im Sinne der weltweiten Reaktion darauf?

     Judy:  Wir haben ein sehr aufregendes Jahr hinter uns. Es gab einen Austausch mit Norwegen, Spanien, Belgien, mit verschiedenen Gruppen überall in den USA, im Südosten und im Nordosten der USA. Viele Gruppen forschen jetzt zu XMRV, fasziniert über die Forschungsergebnisse, und sie finden das XMRV tatsächlich in ihren Patientenpopulationen.

     Sam:  In der Zeitschrift Retrovirology sind in dieser Woche vier Artikel erschienen, und laut dem Wall Street Journal haben die Forscher gezeigt, wie leicht es passieren kann, dass eine Kontamination mit Mäuse-DNA die Ergebnisse zum XMRV verfälschen kann. Was denken Sie über diese Retrovirology-Artikel?

     Judy:  Wir haben in dem Science-Artikel, den wir vergangenes Jahr (2009) veröffentlicht haben, gezeigt, dass es nötig ist, verschiedene Arten von Tests durchzuführen und dass ein einzelnes Testverfahren (PCR) keine eindeutige Bestimmung des XMRV ermöglicht. Die Bestätigungsstudie von Harvey Alter und Shyh-Ching Lo von den National Institutes of Health (NIH)und der Food and Drug Administration (FDA) hat das ebenfalls gezeigt. Und weil XMRV mit einigen Mäuseviren so nah verwandt ist, ist es sehr wichtig, in einem Labor zu arbeiten, in dem nicht an Mäusen geforscht wird und das Virus tatsächlich zu isolieren und eine Immunreaktion der Patienten auf das Virus nachzuweisen. Um das Virus zu entdecken, braucht man mehrere Testverfahren. Wir waren uns sehr wohl immer der Gefahr bewusst, dass es möglich ist, die Ergebnisse potentiell durch eine Kontamination (Verunreinigung) zu verfälschen. Und deshalb sind zahlreiche Testverfahren nötig.

     Sam:  Hat Sie die Reaktion auf diese Artikel überrascht?

     Annette:  Ja, ich war überrascht. Ich dachte, das war ein ganz gezielter Versuch dieser Gruppe, sicherzustellen, dass alle über die Artikel Bescheid wussten, bevor wir in der Lage sein würden, darauf zu antworten. Man hat uns nicht darüber informiert und keine Gelegenheit gegeben, darauf zu reagieren. Wir danken Ihnen für diese Gelegenheit, hier zu antworten und alle Leute zu beruhigen. Diese Artikel verändern in keiner Weise die Befunde (zu XMRV bei ME/CFS). Sie ändern nichts an der Arbeit, die wir gemacht haben, aber auch gar nichts. Und wir kommen weiter voran und haben sehr gute Ergebnisse.

     Sam:  Was glauben Sie war die Motivation, dass die Autoren Sie nicht kontaktiert haben, obwohl Sie doch das primäre Forschungszentrum auf diesem Gebiet sind?

     Judy:  Es ist schwierig, sich über die Motivation anderer zu äußern. Ich denke, es ist ein Versuch, sicherzustellen, dass die Patienten nicht versorgt werden und XMRV als unwichtig darzustellen. Ich glaube, es gibt große Ängste über das Risiko, das von diesem Virus für die öffentliche Gesundheit ausgeht, und zwar bei dieser Krankheit (ME/CFS) und bei verschiedenen Krebsarten.

     Sam:  Könnten Sie das bitte noch etwas näher erläutern?

     Judy:  Wenn sich unsere Forschungsergebnisse und die Ergebnisse der Bestätigungsstudie, die im August 2010 veröffentlicht wurde, bewahrheiten, dann könnten bis zu 20 Millionen Amerikaner mit einem neuen humanen Retrovirus mit unbekanntem pathogenen Potential infiziert sein. Das heißt, Sie müssen nicht unbedingt krank werden, aber Sie könnten erkranken. Das sind 20 Millionen Amerikaner, und das sind 20 mal so viele wie auf dem Höhepunkt der AIDS-Epidemie im Jahr 1995 mit HIV infiziert waren. Es gibt also eine große Beunruhigung im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit. Und das ist der Grund, warum alles, was zu XMRV veröffentlicht wird, jedes Mal so viel Aufmerksamkeit erregt.

     Sam:  Die einfachste Möglichkeit, dieses Retrovirus zu verstehen ist, sich AIDS anzusehen, stimmt’s?

     Annette:  Das ist ein gutes Beispiel, und das andere ist HTLV1 – und wenn wir uns diese Viren ansehen, können wir mit Sicherheit lernen, wie sie sich integrieren und so weiter. Aber dieses (XMRV/MRVs) ist eine ganz neue Familie humaner Retroviren, die man zuvor noch nie beim Menschen gefunden hat. Es gibt also eine Menge Neues zu lernen, und bevor wir irgendwelche eindeutigen Aussagen treffen, möchten wir gute und solide Forschung machen. Ich bin sehr stolz auf unsere Forschergruppe und die Tatsache, dass sie nicht gleich hergegangen sind und ihre ersten Ergebnisse einfach veröffentlicht haben, sondern sehr lange und sehr intensiv weitergeforscht und vier verschiedene Verfahren eingesetzt haben, um absolut sicher zu sein, dass sie wussten, was sie da gefunden hatten.

     Sam:  Immer wenn es eine neue Entdeckung wie diese gibt – und das hier ist eine gewaltige Entdeckung –, gibt es heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Medizin über die Veränderungen.

     Judy:  Allerdings. Es ist eine gewaltige Entdeckung, die, wie ich schon sagte, potentiell eine große Bedeutung für die öffentliche Gesundheit hat. Es ist also immer eine Frage des allgemeinen Verständnisses – wir müssen lernen, wie wir das Virus entdecken können und was wir zu erforschen haben. Wir müssen noch eine Menge lernen. Und es gibt immer eine Menge Rückschläge. Die beste Wissenschaft führt immer zu mehr Fragen als Antworten, und das ist mit Sicherheit das, was hier passiert ist.

     Sam:  Andere Forscher rund um den Globus haben Probleme, die Ergebnisse zu reproduzieren, die Sie im vergangenen Jahr veröffentlicht haben, weil sie die Forschung nicht in der gleichen Weise durchführen. Warum nicht? Das erscheint mir unlogisch. Warum führen sie die Forschung nicht auf die gleiche Art durch?

     Judy:  Die Forscher machen gewöhnlich die Dinge, die sie gut können. Und die Fortschritte, die wir in den letzten zehn Jahren gemacht haben, also molekulare Testverfahren, Hochdurchsatz-Untersuchungen, bei denen sehr viele Proben sehr schnell getestet werden können und mit Instrumentarien, mit denen man messen kann, ob ein Virus vorliegt oder nicht, haben die altmodischen Verfahren der Kultivierung ersetzt. Es ist sehr schwierig, Viren zu kultivieren, Antikörpertests zu entwickeln – was wir getan haben –, und man braucht eine Menge Zeit und erhebliche Ressourcen. Andere Forscher haben gehofft – und sie waren vielleicht darauf fixiert, dass wir das XMRV genauso wie das HIV mit diesen Tests auf Nukleinsäuren finden könnten. Aber das ist momentan einfach nicht der Fall. Dafür sind wir noch zu sehr am Anfang des Prozesses der Entdeckung des XMRV. Deshalb müssen wir die arbeitsintensive Isolierung des Virus aus den Patientenproben durchführen, und das ist sehr kompliziert.

     Annette:  Ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen, von dem ich denke, dass es in diesen letzten Artikeln (über die Kontamination) unterschlagen wurde. Wir reden hier über Forscher an den NIH, die diese Arbeiten durchgeführt haben, an der Cleveland Clinic, der Universität von Utah, der Cornell University, der FDA und dem WPI. Es gibt also andere Forscher, die hierbei erfolgreich waren und die ihre Forschungsarbeiten genauso vorantreiben. Wir sind also in der glücklichen Lage, dass diese bedeutenden Wissenschaftlergruppen an der Sache arbeiten.

     Sam:  Welche Rolle spielen hier Politik, Machtinteressen, Intrigen? Das ist immerhin eine große Sache.

     Annette:  (lacht) In der Medizin gibt es sicher eine Menge Machtinteressen und Politik. Ich glaube, wann immer es um Geld, Prestige, Macht und Veränderungen geht, geht es auch um Interessen. In diesem Fall geht es um eine Menge Geld. Im Prinzip hat man hier die Pharmaindustrie, die Berufsunfähigkeitsversicherungen und andere Versicherungen und die staatlichen Gesundheitssysteme. Die sind hier alle betroffen und haben bestimmte Interessen. Diese Sache wird massive Veränderungen mit sich bringen im Hinblick darauf, wie Dinge geregelt und wie diese Menschen behandelt werden. Und das wird eine Menge Geld kosten. Deshalb kann man den derzeitigen Rückschlag durchaus mit politischen Fragen in Verbindung bringen.

     Sam:  Was ist mit den weltweiten Blutkonserven? Die Leute spenden Blut, und sie werden zur Zeit nicht auf dieses Virus getestet.

     Judy:  Blutspender werden derzeit nicht getestet, weil wir die Hochdurchsatz-Testverfahren noch nicht entwickeln konnten. Die Artikel, die in dieser Woche veröffentlicht wurden, beruhen auf dem Versuch, solche Hochdurchsatz-Schnelltests zu entwickeln, die man braucht, um die Blutvorräte zu überprüfen. Man kann das nicht so machen, wie wir momentan testen. Wir haben mit dem NHLBI (National Heart, Lung and Blood Institute) und der Arbeitsgruppe Blut zusammengearbeitet, die einen Tag nach der Veröffentlichung unseres Artikels im vergangenen Jahr gebildet wurde, und wir hatten gerade letzte Woche ein sehr erfolgreiches Treffen, bei dem entschieden wurde, dass es genügend Bedenken und ausreichend Daten gibt, die den Schluss nahe legen, dass CFS-Patienten KEIN Blut spenden sollten.

    Bis wir mehr herausgefunden haben, werden die Blutspender befragt, und wenn sie jemals CFS gehabt haben, dann dürfen sie kein Blut spenden. Im Angesicht neuer Entdeckungen gehen wir lieber auf Nummer sicher und arbeiten deshalb sehr hart daran, diese Hochdurchsatztests zu entwickeln.

     Sam:  Es gibt also jetzt schon Tests auf XMRV?

     Annette:  Ja, das Labor für klinische Untersuchungen heißt VIP Dx. Sie können auf die Website von VIP Dx gehen und sich informieren (www.vipdx.com). Unser Labor ist ein Forschungslabor am WPI, das klinische Labor am WPI ist noch im Aufbau, wird aber bald eröffnet werden. VIP Dx ist das Labor, das gegenwärtig zur Verfügung steht, wenn ein Arzt einen Test auf XMRV durchführen lassen will.

    Judy:  Und wir kultivieren das Virus und bestimmen, ob der Patient Antikörper gegen das Virus entwickelt hat. Das ist der Goldstandard beim Testen. Der Kulturtest kann bis zu 45 Tage dauern, aber wir haben es nicht eilig. Entscheidend ist, die richtige Antwort zu erhalten.

     Sam:  Wie ist es in dem neuen Institut?

     Annette:  Sehr aufregend. Es hat ein bisschen länger gedauert, dort einzuziehen, als wir ursprünglich dachten. Wir haben in der vergangenen Woche intensiv mit den Ärzten zusammengearbeitet, um die Praxis für die Patienten aufzubauen. Währenddessen hat der Aufbau und die Installierung des Forschungslabors auch etwas Zeit erfordert. Aber jetzt läuft alles. Wir sind sehr gespannt. Jeder, der vorbeikommen möchte, um zu sehen, was dort passiert, kann kommen. Wir finden es sehr aufregend, dass wir jetzt alles unter einem Dach und Fach haben.

     Sam: Ich nehme an, die Quintessenz dieser Diskussion heute ist, dass die Menschen nicht in Panik geraten sollten. Die Sache geht weiter voran. Nichts hat sich geändert – es gibt einfach nur unterschiedliche Meinungen.

     Annette: Allerdings.

     Judy: Dass es unterschiedliche Meinungen gibt, ist nicht anders zu erwarten. Und dies ist wirklich eine Zeit der Hoffnung, weil wir bei unserer Forschung in diesem Jahr auch feststellen konnten, WARUM das XMR-Virus das Immunsystem schädigt – und das wird sehr bald veröffentlicht werden. Wir verstehen jetzt, welche Schäden entstehen, die die Betroffenen krank machen, und das ist ein weiterer Schritt, um den Menschen zu helfen, dass es ihnen wieder gut geht. Es ist also eine Zeit großer Aufregung und Forschung überall in der Welt. Wir erwarten für das kommende Jahr (2011) Behandlungsmöglichkeiten.

     Sam: 2011.  Ich kann es kaum erwarten!

    Stellungnahme von Annette Whittemore

    Die Entdeckungen von heute in die Behandlung von morgen verwandeln

    1. Januar 2011

    XMRV: ein humanes Retrovirus mit unbekanntem pathogenen Potential - und keine Laborkontamination

    Die jüngste Proklamation, dass „XMRV nicht die Ursache des CFS“ sei, kam von einer Person, die Laborversuche gemacht hatte, um zu zeigen, wie PCR-Versuche kontaminiert werden können. Diese Ergebnisse haben nichts zu tun mit der Realität einer Krankheit oder den Methoden, die von denjenigen verwendet wurden, die das XMRV im Blut und im Gewebe von Patienten entdeckt haben, die als infiziert ermittelt wurden. Bei den positiven Studien, die von PCR-Versuchen nicht wegerklärt werden können, wurden mehrere Methoden eingesetzt, um zu zeigen, dass XMRV ein lebendes, sich replizierenden Gamma-Retrovirus in humanem Blut und Gewebeproben ist, und zusätzlich zur PCR wurden bei diesen positiven Studien die Goldstandardmethoden der Virusisolation und der Antikörpertestung verwendet.

    Unbewiesene Schlussfolgerungen wie die von einem Sprecher des Wellcome Trust angebotene führen oft zu Sensationsmeldungen, bringen die Wissenschaft aber nur wenig voran. Die Autoren der positiven XMRV-Studien waren äußerst bedacht darauf, keine Ursachenzusammenhänge zu proklamieren, weil ihnen klar ist, dass für eine solche Feststellung noch mehr Forschung vonnöten ist. Es bleibt jedoch eine eindeutige Tatsache: Keine der negativen Studien hat irgendetwas an den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung von Lombardi et al, Lo et al., Urisman et al., Schlaberg et al. geändert.

    Die vom WPI geleitete wissenschaftliche Studie, die eine Kontamination rigoros ausschloss, deckte einen starken Zusammenhang zwischen Gamma-Retroviren und ärztlich diagnostizierten CFS-Patienten auf. Dabei wurden vier verschiedene Methoden der Virusbestimmung verwendet. Die jüngsten Kommentare, die sich auf die negativen XMRV-Studien bezogen, bei denen nur eine Testmethode verwendet wurde, behaupteten, dass diese Studien bewiesen hätten, dass XMRV nicht die Ursache von Krankheiten des Menschen sei. Im Gegenteil, was die Autoren der „Kontaminationsstudien“ bestätigten, ist etwas, was die meisten erfahrenen Wissenschaftler bereits wissen: dass es beim Einsatz von PCR Risiken gibt, wenn man nicht sorgfältig eine Kontamination verhindert. Sie können daraus nicht den Schluss ziehen, dass andere Forschergruppen die gleichen Probleme hatten oder dass „XMRV nicht die Ursache des CFS“ sei.

    Bezeichnenderweise haben die jüngsten Publikationen in Retrovirology es versäumt, sich mit den wichtigsten Elementen des wissenschaftlichen Beweises in den früheren XMRV-Studien über eine Infektion des Menschen zu beschäftigen, wozu auch die Tatsache gehört, dass XMRV-positive Patienten humane Antikörper gegen Gamma-Retroviren produzieren, dass XMRV sich in humanes Gewebe integriert und dass aus dem Blut von Hunderten von Patienten mit der Diagnose Chronic Fatigue Syndrom und ME infektiöses Virus kultiviert werden konnte. Menschen produzieren keine Antikörperreaktion auf Sequenzen von Mäuse-DNA aus kontaminierten Laborversuchen. Die Studien in Retrovirology machen lediglich darauf aufmerksam, dass XMRV-Forschung in einem Labor, in dem auch mit Mäusen gearbeitet wird, nur unter extremer Vorsicht durchgeführt werden und dass sie sich nicht ausschließlich auf PCR-Verfahren verlassen kann.

    Vielen Forschern ist klar geworden, dass die Frage des Zusammenhangs von Gamma-Retroviren und Krankheiten des Menschen nicht leichtfertig vom Tisch gewischt werden kann. Retroviren bauen sich in die DNA des Wirts ein und verursachen eine lebenslang anhaltende Infektion. Humane Retroviren wie HIV und HTLV-1 verursachen Immundefekte, neurologische Krankheiten und Krebs. Tierversuche mit XMRV haben gezeigt, dass das Virus sich schnell aus dem Blut entfernt und in zahlreiche Organe des Körpers wandert wie etwa die Milz, die Lymphknoten, den Magen-Darm-Trakt und die Reproduktionsorgane. Das erklärt, warum das Virus so schwer im Blut zu entdecken ist, selbst wenn es sich in den Geweben der infizierten Personen vermehrt. Andere Studien, bei denen Mäusemodelle einer Infektion mit Mäuseleukämieviren, nahen Verwandten des XMRV, eingesetzt wurden, haben gezeigt, dass es bald nach der Infektion andere Gewebe erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden, was zu vielen körperlichen Krankheitssymptomen führt, zu denen auch kognitive Einschränkungen und Immundefekte gehören, Symptome, die bei Patienten mit XMRV-assoziierten Krankheiten sehr gut dokumentiert sind.

    Viele verunsicherte Patienten haben gefragt: „Was machen wir jetzt?“ und „ Ist das das Ende der XMRV-Forschung?“. Die Antwort auf die zweite Frage ist ein eindeutiges „Nein“. Was die erste Frage betrifft, so bestätigt eine schnelle Prüfung der derzeit laufenden Forschung in zahlreichen Labors, dass die Forschergruppen, die im vergangenen Jahr mit XMRV gearbeitet haben, immer noch sehr damit beschäftigt sind, bessere Assays (Testverfahren) zu entwickeln, um die weltweiten Blutvorräte auf das neue Retrovirus hin zu testen, dass sie Zusammenhänge mit Immundysfunktionen finden, dass sie sich mit Tierversuchen beschäftigen, dass sie ihre Forschungsergebnisse auf andere Patientengruppen ausdehnen und dass sie ganz allgemein ihre Forschung mit Begeisterung fortsetzen. Sie wissen, dass neue wissenschaftliche Entdeckungen, die gegenwärtig gültige Dogmen bedrohen, solange bestritten werden, bis die Beweise nicht mehr länger verleugnet werden können. Es gibt beispielsweise immer noch Leute, die die Tatsache infrage stellen, dass HIV die Ursache von AIDS ist. Der Nobelpreisträger Dr. Barry Marshall hat 17 Jahre gebraucht und drei Versuche durchführen müssen, bei denen er sich selbst mit Helicobacter Pylori infizierte und dann von den dadurch verursachten Magengeschwüren heilte, bevor man in der Welt der Medizin die Tatsache akzeptierte, dass dieses Bakterium die Krankheit hervorruft. Heute stecken wir in einem neuen Kampf, um zu beweisen, dass humane Gamma-Retrovirus-Infektionen wie beispielsweise mit XMRV die zugrundeliegenden Pathogene bei neuro-immunologischen Krankheiten und ungezählten Krebsarten sind.

    Es ist vollkommen klar, dass weitere Forschung vonnöten ist, um die Rolle der Gamma-Retroviren bei Krankheiten des Menschen zu klären. Wenn jedoch ein Erreger wie das XMRV bei mehr als 80% der getesteten Personen mit der gleichen Diagnose gefunden wird, dann ist es eine begründete Hypothese, von Kausalität zu sprechen, die dringend weiterer wissenschaftlicher und medizinischer Erforschung bedarf. Es ist eine bekannte Tatsache, dass entscheidende Fragen zur Kausalität oft durch gut geplante und durchgeführte Studien beantwortet werden können. Für diejenigen, die seit Jahren unter diesen lähmenden Erkrankungen leiden, können neue Arzneimittelstudien nicht früh genug beginnen.

    Die gemeinschaftlichen Forschungsprojekte des WPI zeigen die infektiöse und inflammatorische Natur neuro-immunologischer Krankheiten auf und liefern überzeugende Beweise gegen den Einsatz von kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) und ansteigendem körperlichen Training (GET – Graded Exercise Therapie) als sinnvolle „Behandlungsformen“ für die Erkrankten. Dieses Wissen unterstreicht die dringende Notwendigkeit für mehr private und staatliche Finanzierung von biologischer Forschung, um diagnostische Tests und wirksame medikamentöse Behandlungsformen für die Millionen erkrankter Menschen zu liefern, um die weitere Verbreitung infektiöser Retroviren zu stoppen und den zerstörerischen Kreislauf von Krankheit zu beenden.

    Annette Whittemore

    Präsidentin des Whittemore Peterson Instituts

    Das Original finden Sie hier.

    Übersetzungen R.C.