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    Artikel des Monats Juni 2011 Teil 5

    Judy Mikovits' Brief an die Herausgeber von Science

    Eine Antwort auf die Aufforderung zur Rücknahme ihres Artikels

    Das Original finden Sie hier.

    Bitte beachten Sie: 2012 hat sich herausgestellt, dass dieses XMRV keine Humaninfektion, sondern eine im Labor entstandene Chimäre war. Näheres unter Artikel des Monats Dezember 2012 - 1 auf dieser Website!

     

    An

    Dr. Bruce Alberts Editor-in-Chief

    Ms. Monica Bradford Executive Ediitor

    Science 1200 New York Avenue, NW Washington, DC 20005

    30. Mai 2011

    Betrifft: Lombardi et al.

    Lieber Dr. Alberts, liebe Ms. Bradford,

    als Korrespondenzautorin der Lombardi et al.-Studie möchte ich meine tiefe Besorgnis über die beabsichtigte Erteilung Ihres „Ausdrucks der Besorgnis der Herausgeber“ („Editorial Expression of Concern“) in Bezug auf unsere Forschungsergebnisse zu XMRV und dessen Zusammenhang mit dem Chronic Fatigue Syndrom ausdrücken. Das gilt insbesondere angesichts der groben Missachtung der Unversehrtheit des wissenschaftlichen Prozesses durch den offensichtlich absichtlichen Bruch Ihres Embargos durch einen der Autoren oder deren Mitarbeiter. Dies hat augenscheinlich dazu geführt, dass die Öffentlichkeit über den Inhalt Ihrer Aufforderung, unsere bahnbrechende Veröffentlichung zurückzuziehen, in Kenntnis gesetzt wurde. Wir teilen Ihre tiefe Besorgnis über die Zahl der negativen Nicht-Replikations-Studien auf diesem neuen Forschungsgebiet. Die Veröffentlichung Ihrer „Editorial Expression of Concern“ über die Gültigkeit der Forschungsergebnisse von Lombardi et al. ist jedoch voreilig und könnten verheerende Auswirkungen auf die Zukunft dieses Wissenschaftsgebiets haben. Bitte verfolgen Sie nicht einen Weg, der der wissenschaftlichen Erforschung humaner Retroviren bei Infektionskrankheiten und Krebs und damit dem zukünftigen Gesundheitszustand von Millionen Menschen auf der ganzen Welt schaden könnte.

    Erstens sind Titel und Inhalt der Studie von Lombardi et al. Detection of an Infectious retrovirus, XMRV, in blood cells of patients with Chronic Fatigue Syndrome korrekt, und nicht eine der berichteten Studien war in der Lage zu zeigen, warum das nicht so sei. Wir haben Belege für eine humane Gamma-Retrovirus-Infektion in mindestens 67 von 101 CFS-Patienten geliefert, nachdem wir vier verschiedene Methoden eingesetzt haben: PCR (von kultivierten und ko-kultivierten Zellen), die Entdeckung von humanen Gamma-retroviralen (HGRV) viralen Proteinen (mit Hilfe von Kultur und Ko-Kultur, entdeckt durch Western Blot und Flusszytometrie), anti-Gamma-Retrovirus Env-Antikörper im humanen Serum (gemessen durch 7C10 monoklonale Antikörpern von Ratten) und Virusisolation aus primären Zellen und Zellen aus Ko-Kultur. Außerdem haben wir berichtet, dass es auch bei 3,7% der Kontrollpopulation Belege für eine Infektion gab.

    Zweitens wurde diese bedeutende Studie über einen Zeitraum von acht Monaten und in fünf verschiedenen Labors durchgeführt. Sie resultierte in der ersten Isolation eines humanen Gamma-Retrovirus aus dem Blut von Menschen und kam zu dem Schluss, dass dieses Virus ein Faktor sein könnte, der zur Pathogenese des CFS beiträgt. Die in der Lombardi et al.-Studie gezeigten elektronenmikroskopischen Fotografien von Gamma-Retroviren, die aus Zellen von Patienten isoliert worden waren, stützen diese Schlussfolgerung. Diese Elektronenmikrographe zeigen keine VP62 Plasmid-Kontamination. Zusätzlich haben wir die Virusisolate von fünf Patienten erhalten, von denen die Elektronenmikrographe abgeleitet waren. Darüber hinaus lassen die in Lombardi et al. präsentierten Daten darauf schließen, dass zusätzliche Stämme von Gamma-Retroviren und virale Gag-Proteine direkt aus dem Blut von Patienten immunpräzipiert werden konnten, was den Befund stützt, dass zusätzliche Stämme des HGRV isoliert wurden. Tatsächlich stützen Folgearbeiten von Jones et al., die in Cold Spring Harbors präsentiert wurden, das Vorliegen von mehr als einem HGRV-Stamm. Das Original-Manuskript, das bei Science eingereicht wurde, diskutierte DG75, eine humane B-Zelllinie, aus der heraus ein MLV-verwandtes Virus vollständig sequenziert wurde. Das lässt die Möglichkeit aufkommen, dass viele Viren aus Rekombinationsereignissen entspringen, da humanes Gewebe seit mehr als fünf Jahrzehnten durch Mäuse passiert wird. Mit PCR hätte man ein DG75-Isolat nicht entdeckt, aber der monoklonale Env-Antikörper von Ratten, der in diesen Studien verwendet wurde, kann die DG75-Isolate entdecken. Daraus erhebt sich die Frage, wie viele Gamma-Retroviren mit dem Potential, zu humanen Erkrankungen beizutragen, in der Humanpopulation kreisen.

    Drittens hat diese Studie gezeigt, dass humane Gamma-Retroviren übertragen werden können, und mehr als eine der neueren Studien hat diese Daten im Rahmen eines Tiermodells bestätigt und gezeigt, dass es verschiedene Eintrittswege gibt und sich das Reservoir im Blut unterscheidet, je nach dem, ob die Infektion akut oder chronisch ist.

    Viertens wurde in der Studie die folgenden Tests durchgeführt, um sicherzustellen, dass die berichteten Daten nicht das Ergebnis einer Kontamination sind: Überprüfung aller Reagenzien und Zelllinien auf jegliche Belege für eine Kontamination mit Gamma-Retroviren, ob humanen oder anderen Ursprungs einschließlich der Entdeckung einer humanen Antikörper-Antwort auf das Virus. Die Antikörper, die in der Lombardi et al.-Studie zur Bestimmung der Virusproteine verwendet wurden, waren monoklonale Ratten- und Ziegen-Antisera, die alle negativ waren im Hinblick auf eine Mäuse-Kontamination. Alle Reagenzien, die bei der PCR und in Gewebekulturen verwendet wurden, sind immer wieder auf eine Kontamination hin getestet worden. Außerdem wurde in den Supplemental Methods eindeutig beschrieben, welche der Hersteller von Taq-Enzymen als frei von Kontamination gezeigt werden konnten. Keiner der Negativ-Artikel, die eine Kontamination gezeigt haben, hat die Enzyme oder Antikörper-Reagenzien verwendet, die von Lombardi et al. verwendet und empfohlen wurden.

    Alle Proben und Kontrollen wurden auf genau die gleiche Weise verarbeitet und in einem sauberen Labor platziert, das frei von jeglicher anderen Zelllinie war. Nur fünf humane Zelllinien wurden in der Zeit, in der diese Studien durchgeführt wurden, in den Labors des WPI gezüchtet: Raji, SupT1, HFF, LNCaP und HSB2, und für alle wurde zu Beginn und im gesamten Verlauf der Studien wiederholt gezeigt, dass sie frei waren von XMRV/VP62, und alle wurden als negative Kontrollen wöchentlich mit jeder Methode getestet (einschließlich Pelletierung des Überstands über Glycerol zum Zwecke der Virusisolierung).

    In den Labors des WPI wurde vor der Einreichung des Lombardi et al. Manuskripts nie eine Mäuse-Zellline gezüchtet. Die Mäuse-Zelllinie BAF wurde nach dem 22. Juli 2009 kultiviert und eingesetzt, dem Datum der Klausurtagung am National Cancer Institute über XMRV, bei dem alle der Daten der Lombardi et al.-Studie vorgelegt worden waren, und zwar nicht nur einem der Begutachter des Original-Manuskripts, sondern auch John Coffin, der den Begleitkommentar geschrieben hat. Wir wurden damals gebeten, ein Mäuse-Mitochondrien-Assay einzusetzen, um zu zeigen, dass keine Mäuse-Kontamination vorliegt. Wir haben dieses Assay bei allen der 101 Patientenproben der Lombardi et al.-Studie durchgeführt und haben diese Daten in dem dann folgenden Virulence-Ergänzungen publiziert, von denen hier eine Kopie beigefügt wird. Auch wenn wir von Ihnen ermahnt wurden, dass Paprotka et al. den Ursprung eines XMRV in einem Rekombinationsereignis unterstellen, sagt das nichts über die in Lombardi et al. in Patientenprogen entdeckten und isolierten humanen Gamma-Retroviren aus. Paprotka et al. können keinerlei Daten haben, die die Schlussfolgerung stützen, „dass eine Laborkontamination mit XMRV, die durch eine Zelllinie (22Rv1) produziert wurde, die von diesen frühen Experimenten mit Xenotransplantation abgeleitet wurde, die wahrscheinlichste Erklärung für die Entdeckung des Virus in den Patientenproben ist.“ Tatsächlich wissen die Autoren dieses Aufsatzes ganz genau, dass diese Erklärung nicht die Integration des XMRV in humanem Gewebe, bei in situ-Hybridisierung oder Antikörper erklären kann, über die bei Prostatakrebs- oder CFS-Patienten berichtet wurde. Außerdem wurden nicht alle Stämme von wilden Nagetieren untersucht, und es können andere Beispiele von Ur-XMRV gefunden werden. Weder 22Rv1 noch eine andere der als kontaminiert berichteten, genannten Zelllinien, in denen das infektiöse, molekular geklonte Virus VP62 wächst, war jemals in den Labors, in denen die Zellen der Patienten isoliert wurden. Das kann auch in keiner Weise die Env-Antikörper erklären, die von Lombardi et al. im Plasma der Patienten nachgewiesen wurden. Die aufgezeigte Reaktivität auf Spleen Focus Forming Virus (SFFV)-Env wurde gemessen am monoklonalen Rattenantikörper, der alle bekannten xenotropen, polytropen und ecotropen MLVs entdeckt. Auch das lässt wieder darauf schließen, dass wir in der Tat mehr als einen Stamm von humanen Gamma-Retroviren in diesen Patientenproben entdeckt haben. Ohne Frage stützen die Daten, die in Lombardi et al. dargestellt wurden und bei denen Proben nach PCR negativ, aber nach Western Blot positiv waren (hier wurde der 7C10-Antikörper eingesetzt), weiterhin die Auffassung von einer Familie von Gamma-Retroviren. Diese Daten müssen als Gesamtheit der Beweismittel wahrgenommen und bewertet werden, und nicht im Kontext einzelner Versatzstücke wie etwa einer PCR-Amplifikation, bei der Primer verwendet werden, die für einen beliebigen Referenzstamm entwickelt wurden.

    Alle diese Daten haben Harvey Alter beim NIH State of Knowledge Workshop im April 2011 zu dem Schluss geführt, dass es keine Belege für eine Kontamination gibt, „weder in den Labors von Mikovits, noch in den Labors von Lo“.

    Die Autoren kennen die zehn negativen CFS-Artikel, die bei PubMed zum Thema XMRV aufgelistet sind. Die meisten der negativen Studien waren nicht in der Lage, auch nur irgendeinen Beleg für XMRV in irgendeiner Art von Proben zu entdecken. Das lässt darauf schließen, dass die Methoden und Materialien, die in den Nicht-Replikationsstudien verwendet wurden, ungenügend sind, wenn man versucht, humane Gamma-Retroviren im Blut von humanen Proben zu entdecken. Die Methoden, Verfahren und Materialien der Lombardi et al.-Studie müssen genau befolgt werden. Die Alter/Lo-Studie ist die einzige Studie, die eine teilweise Replikation der Methoden und Materialien der Lombardi-Studie versucht hat, und sie bestätigte die Belege für das Vorhandensein MLV-verwandter Viren. Studien, die zahlreiche verschiedene Methoden verwenden, sind keine Replikationsstudien, und Studien, die optimiert wurden, um murine Gamma-Retroviren und nicht humane Gamma-Retroviren zu entdecken, müssen ernsthaft infrage gestellt werden. Vergleiche den Anhang zur Virulenz.

    Die wissenschaftliche Erforschung der humanen Gamma-Retroviren ist noch ganz am Anfang. Studien über XMRV und Rhesusaffen beginnen langsam Informationen zu liefern über den Lebenszyklus und verschiedene Gewebereservoirs des Virus sowie eine Beschreibung von Faktoren, die die Aktivierung des Retrovirus induzieren. Diese Studien sind entscheidend, um die Gamma-Retroviren bei Krankheiten des Menschen zu verstehen. Andere Humanstudien wie die von Fischer et al. haben die Entdeckung des XMRV im Atemwegstrakt von immunkompromittierten Patienten entdeckt, was auf die Möglichkeit hinweist, dass Gamma-Retroviren leichter übertragen werden könnten als alle anderen bekannten Retroviren. Die Forscher des WPI tragen – zusammen mit anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe Blut – zur Entwicklung von genaueren klinischen Testverfahren bei. Ohne die Teilnahme von Dr. Alter, Dr. Lo und dem WPI, die bewährte Methoden zur Entdeckung von Gamma-Retroviren haben, ist es vielleicht unmöglich herauszufinden, ob oder ob nicht Gamma-Retroviren eine Bedrohung für die Transfusions- und Transplantationsmedizin beim Menschen sind.

    Um es zusammenzufassen – es ist bekannt, dass Retroviren die Menschen nicht entsprechend ihrem Geschlecht oder Alter infizieren, und deshalb kann es keine Entschuldigung dafür geben, warum es akzeptabel ist, die Viren bei Krebs zu untersuchen, aber nicht bei den Menschen, die an einer infektiösen, neuro-immunologischen Krankheit leiden. Diese Viren führen zu einer lebenslangen Infektion ihrer Wirte, indem sie sich in das Genom ihrer Opfer integrieren. Dreißig Jahre Forschung an murinen Gamma-Retroviren haben überzeugende Beweise dafür geliefert, dass diese Viren bei Säugetieren Immundefekte, neurologische Krankheiten und Krebs verursachen und deshalb mögliche Faktoren sind, die zu humanen neuro-immunologischen Krankheiten wie CFS beitragen. Jedoch ist gute wissenschaftliche Arbeit schwierig und braucht Zeit. Die Studien, die hier im Gange sind, verdienen im Prozess des Peer-Reviewing eine faire und objektive Bewertung. Die entscheidende Frage, die bleibt, ist nicht einfach, ob Gamma-Retroviren bei CFS oder Krebs eine Rolle spielen, sondern: bei wie vielen anderen Krankheiten des Menschen spielen sie noch eine Rolle? Deshalb glauben wir, das dies eine extrem voreilige Aktion ist, die nicht im besten Interesse der wissenschaftlichen Gemeinde oder der Gesundheit des Menschen ist, und wir fordern Sie erneut mit allem Respekt auf, dem wissenschaftlichen Prozess seinen Lauf zu lassen, ungehindert von Vorurteilen.

    Herzlichen Dank für Ihre sorgfältige Betrachtung dieser Angelegenheit.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Judy A Mikovits

    Director of Research Whittemore Peterson Institute