An
Dr. Bruce Alberts Editor-in-Chief
Ms.
Monica Bradford Executive Ediitor
Science 1200 New York Avenue, NW Washington, DC
20005
30. Mai
2011
Betrifft:
Lombardi et al.
Lieber Dr.
Alberts, liebe Ms. Bradford,
als
Korrespondenzautorin der Lombardi et al.-Studie
möchte ich meine tiefe Besorgnis über die
beabsichtigte Erteilung Ihres „Ausdrucks der
Besorgnis der Herausgeber“ („Editorial
Expression of Concern“) in Bezug auf unsere
Forschungsergebnisse zu XMRV und dessen
Zusammenhang mit dem Chronic Fatigue Syndrom
ausdrücken. Das gilt insbesondere angesichts der
groben Missachtung der Unversehrtheit des
wissenschaftlichen Prozesses durch den
offensichtlich absichtlichen Bruch Ihres
Embargos durch einen der Autoren oder deren
Mitarbeiter. Dies hat augenscheinlich dazu
geführt, dass die Öffentlichkeit über den Inhalt
Ihrer Aufforderung, unsere bahnbrechende
Veröffentlichung zurückzuziehen, in Kenntnis
gesetzt wurde. Wir teilen Ihre tiefe Besorgnis
über die Zahl der negativen
Nicht-Replikations-Studien auf diesem neuen
Forschungsgebiet. Die Veröffentlichung Ihrer
„Editorial Expression of Concern“ über die
Gültigkeit der Forschungsergebnisse von Lombardi
et al. ist jedoch voreilig und könnten
verheerende Auswirkungen auf die Zukunft dieses
Wissenschaftsgebiets haben. Bitte verfolgen Sie
nicht einen Weg, der der wissenschaftlichen
Erforschung humaner Retroviren bei
Infektionskrankheiten und Krebs und damit dem
zukünftigen Gesundheitszustand von Millionen
Menschen auf der ganzen Welt schaden könnte.
Erstens sind Titel und Inhalt der Studie von
Lombardi et al. Detection of an Infectious
retrovirus, XMRV, in blood cells of patients
with Chronic Fatigue Syndrome korrekt, und
nicht eine der berichteten Studien war in der
Lage zu zeigen, warum das nicht so sei. Wir
haben Belege für eine humane
Gamma-Retrovirus-Infektion in mindestens 67 von
101 CFS-Patienten geliefert, nachdem wir vier
verschiedene Methoden eingesetzt haben: PCR (von
kultivierten und ko-kultivierten Zellen), die
Entdeckung von humanen Gamma-retroviralen (HGRV)
viralen Proteinen (mit Hilfe von Kultur und
Ko-Kultur, entdeckt durch Western Blot und
Flusszytometrie), anti-Gamma-Retrovirus
Env-Antikörper im humanen Serum (gemessen durch
7C10 monoklonale Antikörpern von Ratten) und
Virusisolation aus primären Zellen und Zellen
aus Ko-Kultur. Außerdem haben wir berichtet,
dass es auch bei 3,7% der Kontrollpopulation
Belege für eine Infektion gab.
Zweitens wurde diese bedeutende Studie über
einen Zeitraum von acht Monaten und in fünf
verschiedenen Labors durchgeführt. Sie
resultierte in der ersten Isolation eines
humanen Gamma-Retrovirus aus dem Blut von
Menschen und kam zu dem Schluss, dass dieses
Virus ein Faktor sein könnte, der zur
Pathogenese des CFS beiträgt. Die in der
Lombardi et al.-Studie gezeigten
elektronenmikroskopischen Fotografien von
Gamma-Retroviren, die aus Zellen von Patienten
isoliert worden waren, stützen diese
Schlussfolgerung. Diese Elektronenmikrographe
zeigen keine VP62 Plasmid-Kontamination.
Zusätzlich haben wir die Virusisolate von fünf
Patienten erhalten, von denen die
Elektronenmikrographe abgeleitet waren. Darüber
hinaus lassen die in Lombardi et al.
präsentierten Daten darauf schließen, dass
zusätzliche Stämme von Gamma-Retroviren und
virale Gag-Proteine direkt aus dem Blut von
Patienten immunpräzipiert werden konnten, was
den Befund stützt, dass zusätzliche Stämme des
HGRV isoliert wurden. Tatsächlich stützen
Folgearbeiten von Jones et al., die in
Cold Spring Harbors präsentiert wurden, das
Vorliegen von mehr als einem HGRV-Stamm. Das
Original-Manuskript, das bei Science eingereicht
wurde, diskutierte DG75, eine humane
B-Zelllinie, aus der heraus ein MLV-verwandtes
Virus vollständig sequenziert wurde. Das lässt
die Möglichkeit aufkommen, dass viele Viren aus
Rekombinationsereignissen entspringen, da
humanes Gewebe seit mehr als fünf Jahrzehnten
durch Mäuse passiert wird. Mit PCR hätte man ein
DG75-Isolat nicht entdeckt, aber der monoklonale
Env-Antikörper von Ratten, der in diesen Studien
verwendet wurde, kann die DG75-Isolate
entdecken. Daraus erhebt sich die Frage, wie
viele Gamma-Retroviren mit dem Potential, zu
humanen Erkrankungen beizutragen, in der
Humanpopulation kreisen.
Drittens hat diese Studie gezeigt, dass humane
Gamma-Retroviren übertragen werden können, und
mehr als eine der neueren Studien hat diese
Daten im Rahmen eines Tiermodells bestätigt und
gezeigt, dass es verschiedene Eintrittswege gibt
und sich das Reservoir im Blut unterscheidet, je
nach dem, ob die Infektion akut oder chronisch
ist.
Viertens wurde in der Studie die folgenden Tests
durchgeführt, um sicherzustellen, dass die
berichteten Daten nicht das Ergebnis einer
Kontamination sind: Überprüfung aller Reagenzien
und Zelllinien auf jegliche Belege für eine
Kontamination mit Gamma-Retroviren, ob humanen
oder anderen Ursprungs einschließlich der
Entdeckung einer humanen Antikörper-Antwort auf
das Virus. Die Antikörper, die in der Lombardi
et al.-Studie zur Bestimmung der Virusproteine
verwendet wurden, waren monoklonale Ratten- und
Ziegen-Antisera, die alle negativ waren im
Hinblick auf eine Mäuse-Kontamination. Alle
Reagenzien, die bei der PCR und in
Gewebekulturen verwendet wurden, sind immer
wieder auf eine Kontamination hin getestet
worden. Außerdem wurde in den Supplemental
Methods eindeutig beschrieben, welche der
Hersteller von Taq-Enzymen als frei von
Kontamination gezeigt werden konnten. Keiner der
Negativ-Artikel, die eine Kontamination gezeigt
haben, hat die Enzyme oder Antikörper-Reagenzien
verwendet, die von Lombardi et al. verwendet und
empfohlen wurden.
Alle Proben
und Kontrollen wurden auf genau die gleiche
Weise verarbeitet und in einem sauberen Labor
platziert, das frei von jeglicher anderen
Zelllinie war. Nur fünf humane Zelllinien wurden
in der Zeit, in der diese Studien durchgeführt
wurden, in den Labors des WPI gezüchtet: Raji,
SupT1, HFF, LNCaP und HSB2, und für alle wurde
zu Beginn und im gesamten Verlauf der Studien
wiederholt gezeigt, dass sie frei waren von XMRV/VP62,
und alle wurden als negative Kontrollen
wöchentlich mit jeder Methode getestet
(einschließlich Pelletierung des Überstands über
Glycerol zum Zwecke der Virusisolierung).
In den Labors des WPI wurde vor der Einreichung
des Lombardi et al. Manuskripts nie eine
Mäuse-Zellline gezüchtet. Die Mäuse-Zelllinie
BAF wurde nach dem 22. Juli 2009 kultiviert und
eingesetzt, dem Datum der Klausurtagung am
National Cancer Institute über XMRV, bei dem
alle der Daten der Lombardi et al.-Studie
vorgelegt worden waren, und zwar nicht nur einem
der Begutachter des Original-Manuskripts,
sondern auch John Coffin, der den
Begleitkommentar geschrieben hat. Wir wurden
damals gebeten, ein Mäuse-Mitochondrien-Assay
einzusetzen, um zu zeigen, dass keine
Mäuse-Kontamination vorliegt. Wir haben dieses
Assay bei allen der 101 Patientenproben der
Lombardi et al.-Studie durchgeführt und
haben diese Daten in dem dann folgenden
Virulence-Ergänzungen publiziert, von denen hier
eine Kopie beigefügt wird. Auch wenn wir von
Ihnen ermahnt wurden, dass Paprotka et al.
den Ursprung eines XMRV in einem
Rekombinationsereignis unterstellen, sagt das
nichts über die in Lombardi et al. in
Patientenprogen entdeckten und isolierten
humanen Gamma-Retroviren aus. Paprotka et al.
können keinerlei Daten haben, die die
Schlussfolgerung stützen, „dass eine
Laborkontamination mit XMRV, die durch eine
Zelllinie (22Rv1) produziert wurde, die von
diesen frühen Experimenten mit
Xenotransplantation abgeleitet wurde, die
wahrscheinlichste Erklärung für die Entdeckung
des Virus in den Patientenproben ist.“
Tatsächlich wissen die Autoren dieses Aufsatzes
ganz genau, dass diese Erklärung nicht die
Integration des XMRV in humanem Gewebe, bei in
situ-Hybridisierung oder Antikörper erklären
kann, über die bei Prostatakrebs- oder
CFS-Patienten berichtet wurde. Außerdem wurden
nicht alle Stämme von wilden Nagetieren
untersucht, und es können andere Beispiele von
Ur-XMRV gefunden werden. Weder 22Rv1 noch eine
andere der als kontaminiert berichteten,
genannten Zelllinien, in denen das infektiöse,
molekular geklonte Virus VP62 wächst, war jemals
in den Labors, in denen die Zellen der Patienten
isoliert wurden. Das kann auch in keiner Weise
die Env-Antikörper erklären, die von Lombardi
et al. im Plasma der Patienten nachgewiesen
wurden. Die aufgezeigte Reaktivität auf Spleen
Focus Forming Virus (SFFV)-Env wurde gemessen am
monoklonalen Rattenantikörper, der alle
bekannten xenotropen, polytropen und ecotropen
MLVs entdeckt. Auch das lässt wieder darauf
schließen, dass wir in der Tat mehr als einen
Stamm von humanen Gamma-Retroviren in diesen
Patientenproben entdeckt haben. Ohne Frage
stützen die Daten, die in Lombardi et al.
dargestellt wurden und bei denen Proben nach PCR
negativ, aber nach Western Blot positiv waren
(hier wurde der 7C10-Antikörper eingesetzt),
weiterhin die Auffassung von einer Familie von
Gamma-Retroviren. Diese Daten müssen als
Gesamtheit der Beweismittel wahrgenommen und
bewertet werden, und nicht im Kontext einzelner
Versatzstücke wie etwa einer PCR-Amplifikation,
bei der Primer verwendet werden, die für einen
beliebigen Referenzstamm entwickelt wurden.
Alle diese Daten haben Harvey Alter beim NIH
State of Knowledge Workshop im April 2011 zu dem
Schluss geführt, dass es keine Belege für eine
Kontamination gibt, „weder in den Labors von
Mikovits, noch in den Labors von Lo“.
Die Autoren kennen die zehn negativen
CFS-Artikel, die bei PubMed zum Thema XMRV
aufgelistet sind. Die meisten der negativen
Studien waren nicht in der Lage, auch nur
irgendeinen Beleg für XMRV in irgendeiner Art
von Proben zu entdecken. Das lässt darauf
schließen, dass die Methoden und Materialien,
die in den Nicht-Replikationsstudien verwendet
wurden, ungenügend sind, wenn man versucht,
humane Gamma-Retroviren im Blut von humanen
Proben zu entdecken. Die Methoden, Verfahren und
Materialien der Lombardi et al.-Studie
müssen genau befolgt werden. Die Alter/Lo-Studie
ist die einzige Studie, die eine teilweise
Replikation der Methoden und Materialien der
Lombardi-Studie versucht hat, und sie
bestätigte die Belege für das Vorhandensein
MLV-verwandter Viren. Studien, die zahlreiche
verschiedene Methoden verwenden, sind keine
Replikationsstudien, und Studien, die optimiert
wurden, um murine Gamma-Retroviren und nicht
humane Gamma-Retroviren zu entdecken, müssen
ernsthaft infrage gestellt werden. Vergleiche
den Anhang zur Virulenz.
Die wissenschaftliche Erforschung der humanen
Gamma-Retroviren ist noch ganz am Anfang.
Studien über XMRV und Rhesusaffen beginnen
langsam Informationen zu liefern über den
Lebenszyklus und verschiedene Gewebereservoirs
des Virus sowie eine Beschreibung von Faktoren,
die die Aktivierung des Retrovirus induzieren.
Diese Studien sind entscheidend, um die
Gamma-Retroviren bei Krankheiten des Menschen zu
verstehen. Andere Humanstudien wie die von
Fischer et al. haben die Entdeckung des XMRV
im Atemwegstrakt von immunkompromittierten
Patienten entdeckt, was auf die Möglichkeit
hinweist, dass Gamma-Retroviren leichter
übertragen werden könnten als alle anderen
bekannten Retroviren. Die Forscher des WPI
tragen – zusammen mit anderen Mitgliedern der
Arbeitsgruppe Blut – zur Entwicklung von
genaueren klinischen Testverfahren bei. Ohne die
Teilnahme von Dr. Alter, Dr. Lo und dem WPI, die
bewährte Methoden zur Entdeckung von
Gamma-Retroviren haben, ist es vielleicht
unmöglich herauszufinden, ob oder ob nicht
Gamma-Retroviren eine Bedrohung für die
Transfusions- und Transplantationsmedizin beim
Menschen sind.
Um es zusammenzufassen – es ist bekannt, dass
Retroviren die Menschen nicht entsprechend ihrem
Geschlecht oder Alter infizieren, und deshalb
kann es keine Entschuldigung dafür geben, warum
es akzeptabel ist, die Viren bei Krebs zu
untersuchen, aber nicht bei den Menschen, die an
einer infektiösen, neuro-immunologischen
Krankheit leiden. Diese Viren führen zu einer
lebenslangen Infektion ihrer Wirte, indem sie
sich in das Genom ihrer Opfer integrieren.
Dreißig Jahre Forschung an murinen
Gamma-Retroviren haben überzeugende Beweise
dafür geliefert, dass diese Viren bei
Säugetieren Immundefekte, neurologische
Krankheiten und Krebs verursachen und deshalb
mögliche Faktoren sind, die zu humanen
neuro-immunologischen Krankheiten wie CFS
beitragen. Jedoch ist gute wissenschaftliche
Arbeit schwierig und braucht Zeit. Die Studien,
die hier im Gange sind, verdienen im Prozess des
Peer-Reviewing eine faire und objektive
Bewertung. Die entscheidende Frage, die bleibt,
ist nicht einfach, ob Gamma-Retroviren bei CFS
oder Krebs eine Rolle spielen, sondern: bei wie
vielen anderen Krankheiten des Menschen spielen
sie noch eine Rolle? Deshalb glauben wir, das
dies eine extrem voreilige Aktion ist, die nicht
im besten Interesse der wissenschaftlichen
Gemeinde oder der Gesundheit des Menschen ist,
und wir fordern Sie erneut mit allem Respekt
auf, dem wissenschaftlichen Prozess seinen Lauf
zu lassen, ungehindert von Vorurteilen.
Herzlichen Dank für Ihre sorgfältige Betrachtung
dieser Angelegenheit.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Judy A Mikovits
Director of Research Whittemore Peterson
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