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Artikel des Monats März 2011 Teil 2 Interview mit Dr. Deckoff-Jones Leiterin der Klinischen Abteilung des WPI
Cort Johnson: Aus dem, was Sie in Ihrem Blog schreiben, kann man schließen, dass die Position als Leiterin der klinischen Abteilung des Whittemore Peterson Institutes für Sie genau passend ist – einmal abgesehen von Ihren eigenen gesundheitlichen Problemen? Jamie Deckoff-Jones: Ich habe mein Studium und meine weitere Ausbildung am Harvard Albert Einstein College of Medicine und dann am Queen’s Hospital in Honolulu absolviert. Ich bin auf Notfallmedizin spezialisiert und habe 16 Jahre als Notfallärztin gearbeitet. Ich habe zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn eine kleine Notfallambulanz in einem ländlichen Gebiet in Kalifornien geleitet. Ich war Mitglied des Qualitätssicherungsausschusses der Krankenhäuser, in denen ich gearbeitet habe, weil ich immer dachte, dass die Überprüfung von Fällen mit ungutem Ausgang entscheidend wichtig ist. Ich habe zehn Jahre als Belegärztin im Notfallzentrum des Santa Clara Valley Medical Center gearbeitet, einem der Universität Stanford angeschlossenen Bezirkskrankenhaus in San Jose. Es ist ein Traumazentrum der Maximalversorgung, spezialisiert auf Verbrennungen, Rückenmarksverletzungen und Intensivmedizin für Neugeborene. Ich bin am Ende dann stellvertretende Leiterin der Notfallambulanz und Leiterin des Notfallzentrums geworden. Ich war außerdem Teilhaberin der Emergency Medicine Gruppe, die diese und zwei andere Kliniken unter Vertrag hat, und besaß eine Tochterfirma für Abrechnungswesen im Medizinbereich. Die Emergency Medicine Gruppe behandelte etwa 150.000 Patienten im Jahr. Ich war verantwortlich für das Personal und für Einstellungen. Ich hatte 50 Ärzte und 20 Assistenzärzte unter mir. Nach dem Beginn meiner Erkrankung hatte ich eine private Klinik in Massachusetts. Dort behandelte ich die Spätfolgen von Gehirnverletzungen mit Hilfe von Sauerstoffüberdrucktherapie, Neurofeedback und Komplementär- und Alternativmedizin. In diesem Zusammenhang behandelte ich auch Patienten mit Lyme-Borreliose, CFS und Autismus. In den vergangenen sechs Jahren war ich zu krank, um weiterzuarbeiten. Diese letzte Erfahrung als Patientin und Mutter einer Patientin war möglicherweise die wichtigste Erfahrung von allen, die meine Vorstellungen von der Klinik in Reno geprägt haben. C. J.: Sie sind nicht gesund, aber Sie schrieben kürzlich in Ihrem Blog, dass „keine Ärzte aufgetaucht sind, die sich mit CFS bzw. neuro-immunologischen Krankheiten auskennen. Also scheint es mein Schicksal zu sein …,“ die Leiterin der klinischen Abteilung am WPI zu werden. Wir wissen, dass Sie jetzt für die Einstellung von Ärzten und Krankenschwestern zuständig sind, aber welche Rolle werden Sie dann haben, wenn die Klinik einmal eröffnet ist? Werden Sie dann vor Ort sein? Wird Ihr Gesundheitszustand das erlauben? J. D. J.: Ich habe familiäre Bindungen, die mich daran hindern, einfach nach Reno umzuziehen. Selbst wenn ich die Freiheit hätte, dass sofort zu tun, habe ich kein gutes Gefühl dabei, in der unmittelbaren Zukunft selbst Patienten zu behandeln, weil ich mich nicht auf meinen Gesundheitszustand verlassen kann. Wenn die Klinik eröffnet, werde ich die ersten Wochen ständig vor Ort sein und dann je nach Bedarf. Zurzeit beschränkt sich meine Rolle auf administrative und konzeptionelle Arbeiten. Meine zukünftige(n) Rolle(n) wird/werden davon abhängen, wie ich gebraucht werde und wie ich durchhalte. Die Bedeutung der Klinik für die Gemeinde der Patienten steht über meinen persönlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Meine Familie hat dafür Verständnis und unterstützt mich dabei. Jeder, der an diesem Projekt beteiligt ist, muss seine persönlichen Bedürfnisse zur Seite schieben. Es ist für mich eine der fesselndsten Aufgaben. Ich habe noch nie an einem Arbeitsplatz gearbeitet, an dem sich jeder so aufrichtig für das große Ganze einsetzt. C. J.: Nach welchen Ärzten mit welchen speziellen Fähigkeiten suchen Sie? Es gibt ja sehr viele unterschiedliche Ärzte und viele unterschiedliche Behandlungsansätze, und jeder wird seine eigenen Ideen mitbringen. Werden Sie die Ärzte schulen? Wird es ein mehr oder weniger verbindliches, WPI-eigenes, standardisiertes Behandlungsprotokoll geben? Rechnen Sie damit, dass jemand neues in die ME/CFS-Gemeinde hinzukommt? J. D. J.: Ich suche nach Hausärzten, Internisten, Kinderärzten und Notfallmedizinern, die mitfühlend sind, die in der Lage sind, kreativ zu denken und deren Motivation sich aus dem Bedürfnis zu helfen ergibt. Und die auch ein Bedürfnis haben, Neues hinzuzulernen. Ich bin derzeit in Verhandlungen mit mehreren Ärzten, die teilweise Erfahrung in der Behandlung der anstehenden Krankheiten haben, teilweise aber auch nicht. Im Idealfall werden alle unterschiedliche Erfahrungen mitbringen, aber als eine zusammenhängende Gruppe arbeiten. Ich erwarte nicht, dass die Ärzte alle gleicher Meinung sind, ich erwarte, dass sie sich gegenseitig beeinflussen, so dass ihre Behandlungsansätze mit der Zeit konvergieren werden. Die Entscheidung über medizinische Maßnahmen wird sich natürlich aus der jeweils individuellen Begegnung zwischen Arzt und Patient ergeben, aber die Ärzte müssen jetzt nicht mehr alleine und isoliert arbeiten. Ich erwarte, dass wir am Ende hier auch eine spezielle Behandlung anbieten können. C. J.: Welcher Art Patienten planen Sie zu behandeln? Die Kategorie der neuro-mmunologische Krankheiten umfasst ein breites Spektrum, aber es gibt Grenzen, und ich kann mir vorstellen, dass Sie sich auf eine bestimmte Untergruppe konzentrieren wollen. Wer wird in der Klinik behandelt werden und wer nicht? J. D. J.: Unser Hauptinteresse richtet sich momentan auf ME/CFS und Lyme-Borreliose. Ich weiß von einigen Familien, bei den ein Elternteil an CFS leidet und das Kind an Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS), und die möchten behandelt werden. Ich rechne damit, dass uns mit der Zeit auch Patienten mit anderen neuro-immunologischen Krankheiten aufsuchen und um Behandlung bitten werden. C. J.: In Ihrem Blog haben Sie geschrieben: „Ob das WPI eine Klinik haben sollte, die eine Menge Patienten behandelt oder nur ein paar klinische Studien durchführt – diese Entscheidung ist bereits getroffen. Annette Whittemores Vision von translationaler Medizin schließt eine Behandlung von Patienten von Anfang an ein. Es soll ein unmittelbarer Austausch zwischen Forschung und der Behandlung am Krankenbett stattfinden. Die Klinik gibt es jetzt. Es gibt reichlich Räumlichkeiten, in denen man eine große Anzahl von Patienten behandeln kann.“ Das ist wirklich aufregend. Wenn Sie sagen: „Es gibt reichlich Räumlichkeiten, in denen man eine große Anzahl von Patienten behandeln kann.“ – was meinen Sie damit, bezogen auf eine atypische Klinik? Wieviel größer und wie viele Patienten? Wieviele Ärzte werden dort arbeiten? J. D. J.: Es gibt genügend Raum, um dort 10 oder 12 Ärzte unterzubringen. Es gibt einen großen Raum für Infusionen, zahlreiche Arbeitsräume und viele Räume, deren Verwendung noch nicht festgelegt ist und in denen wir alles tun können, was wir wollen. Es gibt genug Platz für Ärzte mit speziellen Fachrichtungen und dazugehörigen Dienstleistungen. C. J.: Sie haben gesagt: „Ich würde es bevorzugen, alle Behandlungsmöglichkeiten anbieten zu können und die Reaktion der Patienten darauf in Zusammenarbeit mit dem Forschungslabor zu verfolgen. … Mit einer großen Anzahl an Patienten und einer Gruppe von sich untereinander austauschenden Ärzten und einem Team an Wissenschaftlern sollte es möglich sein, diese Behandlungsoptionen systematisch zu untersuchen.“ Es ist frustrierend, wenn man daran denkt, wie viel Wissen und wie viele Daten die Ärzte, die ME/CFS-Patienten behandeln, über die Jahre angesammelt haben und die niemals in den wissenschaftlichen Mainstream eingehen werden. Wir könnten wirklich gut begründete Analysen über die Wirksamkeit von antiviralen Mitteln etc. bei dieser Krankheit gebrauchen. Auch wenn Sie gesagt haben, Sie hätten sowieso nicht die finanziellen Mittel, um großangelegte Behandlungsstudien zu finanzieren, aber das WPI kann doch trotzdem die Erfolgsraten quantitativ analysieren und darüber berichten? Wie werden Sie die verschiedenen Behandlungsoptionen systematisch untersuchen? J. D. J.: Das WPI hat Ressourcen für kleine klinische Studien, und wir fangen bereits an, unsere ersten Studien zu planen. Als Ärztin, die eine einzelne innovative Praxis hatte, kann ich Ihnen aus erster Hand sagen, dass es nicht möglich ist, auf diesem Niveau die Behandlungsansätze systematisch zu untersuchen, ganz gleichgültig, wie ernsthaft man versucht, dies wissenschaftlich begründet zu tun. Die Zahlen sind einfach zu klein. Eine große Anzahl von Patienten und die Tiefe der Analyse, die mit den modernen elektronischen Patientenakten möglich ist, wird statistische Analysen erlauben, die alles übertreffen, was bislang möglich war. Klinische Forschung ist so etwas wie ein Widerspruch in sich, aber wir sollten durchaus in der Lage sein, so schnell wie möglich Forschritte in der Richtung zu machen, wie wir nach unserem gegenwärtigen Verständnis am besten behandeln und dies überwachen, und „gegenwärtig“ heißt hier tatsächlich ganz aktuell und zeitnah. C. J.: Sie haben geschrieben, dass „Eine der am schwierigsten zu verdauenden Ergebnisse der epidemiologischen Studie ist, dass die Patienten, die Arztbesuche und teure Behandlungen vermieden haben, im allgemeinen besser dran sind als die vielen, die endlose, aggressive experimentelle Behandlungen verfolgt haben.“ Sie haben sich da auf Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose bezogen – und wir kennen alle die langfristigen Behandlungsprotokolle mit Antibiotika, denen manche Leute sich unterziehen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse um diese Problematik sind sehr unklar, und eine der schwierigsten Entscheidungen, die jemand mit einer dieser Krankheiten treffen kann, ist, ob er diese potentiell schädlichen (und teuren) Behandlungen ausprobieren soll. Wer sollte langfristig Antibiotika einnehmen? Und wer sollte das auf keinen Fall tun? Welche EBV-Patienten reagieren auf antivirale Medikamente und welche nicht? Nach welcher Zeit sollte Valtrex anfangen zu wirken? Muss man das wirklich ein Jahr lang einnehmen, bevor man erkennen kann, ob es wirkt oder nicht? Das zu klären, ist eine wichtige Aufgabe, die aber gelöst werden muss. Wird das WPI in der Lage sein, einige dieser Fragen aufzuklären? J. D. J.: Das ist geplant. C. J.: Sie haben geschrieben: „Wir werden Ärzte haben, die nicht an ihrem speziellen Blackbox-Protokoll festkleben und die bereit sind, alle therapeutischen Optionen für jede einzelne Person, die sie betreuen, in Betracht zu ziehen, in welche Gruppe von neuro-immunologischen Krankheiten sie auch immer fallen mag.“ Das lässt darauf schließen, dass diese NEIDs (Neuro-Immune Disorders – CFS, Fibromyalgie, Autismus, Lyme-Borreliose, atypische MS….???) bestimmte zentrale Merkmale teilen. Das klingt für mich so, als ob Sie vielleicht im Falle eines CFS-Patienten sagen würden, gut, Sie mögen durchaus an CFS leiden, aber das heißt nicht, dass wir nicht nach einer Behandlungsmöglichkeit für, sagen wir, atypische Multiple Sklerose gucken. Es scheinen immer mehr neue Behandlungsmöglichkeiten aufzutauchen; Wir haben kürzlich von einer Studie gehört, bei der ME/CFS-Patienten ein Chemotherapeutikum bzw. ein Medikament gegen Autoimmunkrankheiten einnahmen, und vor anderthalb Jahren sprach Annette Whittemore davon, dass man nicht nur neue Medikamente finden müsse, sondern auch solche untersuchen müsse, die bei anderen Krankheiten eingesetzt werden und die bislang noch nicht mit ME/CFS in Verbindung gebracht wurden. Wird das WPI eine konzertierte Aktion machen, um nach Behandlungsmöglichkeiten außerhalb der üblichen Begrenzungen auf bestimmte Krankheiten zu suchen? J. D. J.: Ich denke, dass die Wissenschaft letztendlich beweisen wird, dass die zentralen Ähnlichkeiten bei den Krankheiten, die Sie erwähnt haben, die Folge einer gemeinsamen Ätiologie sind, die wahrscheinlich die gleichen zugrundeliegenden pathogenen Prozesse haben: und zwar solche retroviralen Ursprungs. Aber selbst wenn sich herausstellen sollte, dass dies nicht der Fall ist, wäre unsere Datenbank immer noch äußerst hilfreich dafür, zu analysieren, wie man die fraglichen Krankheiten diagnostizieren, kontrollieren und behandeln kann. Wir werden in der Lage sein, mit jedem Parameter, den wir wählen, nach den Tatsachen zu suchen – ob das abweichende Testergebnisse, Symptome, Interventionen, Behandlungsergebnisse oder was auch immer ist. Außerdem bietet die Software viele andere ausgeklügelte Möglichkeiten wie elektronische Rezepte, Terminplanung, die Möglichkeit der Verkopplung mit kommerziellen Labors, sicheren Emailverkehr mit Fachärzten und den Hausärzten unserer Patienten, die Möglichkeit, in früheren und außerhalb gelagerten Krankenakten zu suchen, wozu auch bildgebende Verfahren zählen, und viele andere Möglichkeiten, die arbeitssparend sind und zu einer detaillierten Dokumentation anregen. Ja, ich komme mir vor wie ein Kind im Süßwarenladen! Etwas, was mir besonders am Herzen liegt, ist die Ermutigung zu detaillierter Dokumentation. Ich bin alt genug, dass ich noch vor der Zeit computergestützter Scans und moderner bildgebender Verfahren ausgebildet wurde. Ich habe noch gelernt, dass die Antworten sich aus der Kunst der Erhebung der Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung ergeben. Insbesondere letzteres ist seitdem immer mehr unter den Tisch gefallen. Ich habe selbst erlebt, dass ich quer durch das ganze Land geflogen bin, um einen Arzt aufzusuchen, der sich eine ganze Stunde mit mir beschäftigt hat, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu berühren. Das wird bei uns nicht passieren. Jeder Patient wird eine umfassende körperliche Untersuchung bekommen, die so dokumentiert wird, dass sie uns ermöglicht, subtile Befunde über die Zeit hinweg und quer durch unsere Patientendatenbank zu verfolgen. C. J.:Wir hören oft den Begriff ‚bench to bedside’ – worauf bezieht sich das? J. D. J.: ench-to-bedside (etwa: vom Labortisch ans Krankenbett) ist ein Begriff aus der translationalen Forschung, mit dem der Prozess beschrieben wird, durch den die Ergebnisse der Forschung im Labor unmittelbar genutzt werden, um neue Behandlungswege für die Patienten zu entwickeln. Wir planen, noch einen Schritt weiterzugehen insofern, als wir mit dem, was wir auf der klinische Ebene finden, den Verlauf der Forschung steuern. C. J.: Sie haben geschrieben: “Der Prozess der medizinischen Entscheidungsfindung wird von der ständigen Kommunikation zwischen dem Forschungslabor und den Ärzten auf der ganzen Welt beeinflusst werden. Wir werden eine große Anzahl von Patienten verfolgen, so dass dies eine Möglichkeit ist, einen Beitrag für das Wohl der gesamten Patientengemeinde zu liefern. Die Ärzte an der vordersten Front werden sich mit den besten und erfahrendsten Klinikern und wissenschaftlichen Köpfen auf der ganzen Welt austauschen. Sie werden darüber informiert sein, wie die aktuellen Möglichkeiten aussehen und wie man sie bezogen auf einen individuellen Patienten beurteilen muss.“ Das klingt beinahe so, als ob sie ein formelles Netzwerk von Ärzten aufbauen wollen? Wie planen Sie Ihre Ergebnisse mit anderen Ärzten auszutauschen? Weißbücher? Konferenzen? Webinare? WIKI? Haben Sie schon ausgearbeitete Pläne für den Austausch mit anderen interessierten Ärzten? J. D. J.: Das WPI hat ein Clinical Advisory Board (ein klinisches Beratungsgremium) gebildet, um sich für die Interpretation der klinisch relevanten Forschungsergebnisse mit dem Forschungsteam zu koppeln, und zwar in Echtzeit. Außerdem bilden wir eine Ärzte-Arbeitsgruppe mit talentierten Ärzten aus dem ganzen Land und der ganzen Welt, deren Mitglieder an Diskussionen im Internet und an Konferenzen vor Ort teilnehmen können. Die Notwendigkeit, sozusagen im Nebel zu praktizieren, hat das Denken all der voneinander isolierten Ärzte in der Praxis geprägt, die versuchen, ihre Patienten zu versorgen. Fürsorgliche Ärzte haben bislang schon versucht, diese speziellen Defekte zu identifizieren und sie mit Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten zu beeinflussen. Ein einfacherer Behandlungsansatz, der geprägt ist vom Verständnis der grundlegenden Mechanismen, die dieser Krankheit zugrunde liegen, ist dringend nötig. Unser Ziel ist, diese Mechanismen zu klären und es damit den Ärzten zu ermöglichen, gezielte Behandlungsprotokolle zu entwickeln statt sich nur auf die Symptome zu konzentrieren. Es wird immer wieder gesagt, dass ME/CFS eine heterogene Erkrankung sei, aber das ist sie gar nicht. Es ist eine ganze Palette von Zeichen, Symptomen und abweichenden Laborwerten. Keiner hat alle davon, und es kann durchaus sein, dass es bei zwei verschiedenen Patienten kaum eine Übereinstimmung hinsichtlich ihrer Symptome gibt. Wir haben jeder eine ganze Liste an Symptomen, aufgrund derer es so aussehen kann, als ob wir verschieden wären, aber die scheinbar so verschiedenen Symptome fallen häufig in breitere Kategorien, wenn man diese von den zugrundeliegenden Mechanismen her betrachtet. So können diffuse Entzündungsprozesse bei dem einen Magen-Darm-Probleme verursachen und bei dem anderen Blasenstörungen. Eine Person mag unter Migräne leiden und eine andere unter Raynaud Syndrom, und beides ist eine Manifestation von Gefäßspasmen. Die zugrundeliegende Homogenität der Krankheitsmechanismen sollte als solche einen Entscheidungsweg herbeiführen, der je nach statistischer Analyse unserer Forschungs- und Behandlungsergebnisse modifiziert werden kann. C. J.: Als eine neue Einrichtung, die über keine großen finanzielle Reserven verfügt, unterliegen Sie einer Menge finanzieller Beschränkungen. Sie haben angemerkt, dass das Forschungsinstitut nicht dabei helfen wird, die Klinik zu finanzieren, aber dass „die finanziellen Mittel tatsächlich in die andere Richtung fließen müssen, von der Klinik zum Forschungsinstitut. Tatsache ist, dass die Patienten die Forschung werden finanzieren müssen. Das ist nicht fair, aber leider die Wahrheit. Also ja, es sind wieder einmal die Patienten, die angeschmiert sind.“ Das ist schade, aber ich denke, dass die Patienten Verständnis dafür haben, wie entscheidend notwendig die Forschung und die Forschungsabteilung auch für ihre Versorgung ist. Wird die Notwendigkeit zur Unterstützung der Forschungsabteilung die Klinik in irgendeiner Weise einschränken? J. D. J.: Die Klinik ist sehr gut ausgestattet. Am Anfang werden wir das brauchen, was in jeder Praxis der Primärversorgung gebraucht wird, nichts besonderes, außer der Software. Die Praxis wird personalintensiv arbeiten, nicht unbedingt ausstattungsintensiv, zumindest nicht am Anfang. Eine der wichtigsten Dinge, die vorwärts gebracht werden müssen, ist die bereits vorhandene Möglichkeit, Proben in eine Biobank für die Zukunft aufzunehmen. Die Unterstützung durch das klinische Labor vor Ort ist ein einzigartiges Merkmal der Praxis. Dr. Lombardi ist in der Lage, unsere Ärzte mit den notwendigen Tests zu versorgen, selbst wenn sie ungewöhnlich sind. C. J.: Sie haben geschrieben: „Später dann würde ich gerne in der Lage sein, eine umfassende Versorgung anzubieten, zu der auch ein längerer Aufenthalt gehört, um mit der Rehabilitation zu beginnen, obwohl ich daran momentan nur am Rande denken kann. Für jemanden, der in Reno ein Ronald McDonald-Haus aufbauen möchte, wäre das eine wunderbare Gelegenheit. Vielleicht liest das ja irgendjemand da draußen.“ J. D. J.: Ich weiß nicht, warum das nicht eine reale Möglichkeit sein sollte. Das ist eine große Einrichtung, und deshalb sollten da jede Menge Patienten sein. Sie brauchen einen Ort, an dem sie sich sicher und wohl fühlen können, der nicht mit Chemikalien belastet ist und an dem man Verständnis für ihre Bedürfnisse hat. Es gibt bestimmt Patienten, die in der Nähe der Klinik bleiben möchten, um eine fortgesetzte Behandlung zu bekommen. Das klingt wie eine wunderbare Chance. Da stimme ich Ihnen zu. Aber daran denke ich zurzeit nur am Rande. Ich habe schon ziemlich viel anderes zu tun. Die Antworten, die ich Ihnen hier gegeben habe, sind zu diesem Zeitpunkt noch konzeptioneller Art. Wir arbeiten an allem, und wir müssen in dem Maße, wie sich die Praxis entwickelt, flüssig sein, um den Bedürfnissen der Patienten gerecht werden zu können. Sie wird Gestalt annehmen und dabei beeinflusst werden von den kollektiven Erfahrungen und den sich entwickelnden Ideen des Teams, das voranschreitet. Ich bin auf nichts festgelegt, außer darauf, herauszufinden, wie man das Leid lindern kann. |