von
Cort Johnson vom 26. April 2010
Aus:
http://blog.aboutmecfs.org/?p=1481
Wenn es um den direkten Dialog
mit den Patienten geht, ist Dr. Mikovits anderen Forschern
meilenweit voraus. Vor ein paar Tagen hatte ich die Gelegenheit, mit
ihr über eine Reihe von Fragen zu sprechen.
Es sind einige Fragen über die
beiden anderen Institutionen aufgekommen, die mit dem Whittemore
Peterson Institute (WPI) zusammen die Science-Studie durchgeführt
haben, nämlich das National Cancer Institute (NCI) und die Cleveland
Clinic. Seit der Veröffentlichung der Studie in Science haben wir
von ihnen nichts mehr gehört. Dr. Ruscetti vom NCI hatte sich auf
dem Treffen des CFS Advisory Committees Ende Oktober 2009 geäußert,
aber seitdem nicht mehr. Haben sie sich etwa von dem Thema des
Zusammenhangs zwischen CFS und XMRV zurückgezogen? Haben sie uns
etwa in all den Kontroversen fallen gelassen? Ich fragte Dr.
Mikovits danach, und sie sagte, dass beide Institutionen weiterhin
am Thema CFS/XMRV arbeiten würden, wobei sich das NCI mehr auf CFS
konzentriert als die Cleveland Clinic. Sie zeigte mir eine Email von
Dr. Silverman von der Cleveland Clinic, die jedoch an einen
Patienten gerichtet war. Dort versprach er, dass er hart an der
Sache arbeiten würde. Keiner der beiden kooperierenden Institutionen
des WPI scheint sich also von dem XMRV/CFS-Zusammenhang abzuwenden –
sie halten sich nur gerade ein wenig zurück und arbeiten hart an der
Sache, so wie Forscher das manchmal tun.
WPI?
– aber was ist mit dem WPI? Wir haben gehört, dass sie fieberhaft
weiterarbeiten, aber werden ihre Ergebnisse auch irgendwann in
gedruckter Form zu sehen sein? Werden wir in nächster Zukunft
irgendwelche Veröffentlichungen sehen? Die Antwort ist ein
einfühlsames „Ja!“ Dr. Mikovits berichtete, dass sie seit Februar
2010 nicht weniger als fünf Manuskripte eingereicht haben (ja, das
sind fünf Artikel). Eines der Manuskripte ist bereits angenommen,
und sie warten jetzt auf Nachricht über die anderen. Es dauert immer
eine ganze Weile, bis Artikel veröffentlicht werden, aber diese hier
sind sozusagen schon im Kommen.
Artikel, Artikel
– Wir wissen, dass es am Ende nur darauf ankommt, dass Artikel
veröffentlicht werden. Wir haben jetzt schon seit über einem Monat
gehört, dass einige Artikel im Druck sind. Dr. Mikovits sagte, sie
wisse, dass die Artikel von Dr. Huber und den CDC beim Herausgeber
sind, und es klang so, als ob sie davon einen guten Eindruck hätte.
(Dr. Huber hat eine ganze Menge Geld von der CFIDS Association
bekommen, um nach aktiven endogenen Retroviren bei ME/CFS zu
suchen.) Man sagt, sie hätte sich bereits sehr früh für XMRV
interessiert. Weil sie eine Expertin für endogene Retroviren ist und
manche besorgt waren über endogene Retroviren, wäre es gut, einen
Artikel von ihr zu haben, der das bestätigt.
Was passiert im Labor des WPI?
– An was arbeitet das WPI zur Zeit? Also, sie stecken momentan
offensichtlich eine Menge Arbeit in die Frage, wie häufig XMRV bei
anderen neuroimmunologischen Krankheiten wie Autismus, Fibromyalgie
und atypischer Multipler Sklerose vorkommt. (Dr. Mikovits wird bei
einer Autismus-Konferenz in diesem Frühjahr eine Rede halten.) Sie
entwickeln ihren Antikörpertest, also ihren serologischen Test
(siehe unten) und ihren Infektiositäts-Test (also ihren
Ansteckungsfähigkeits-Test) und entwickeln Behandlungsprotokolle mit
bereits vorhandenen antiviralen Mitteln (wahrscheinlich Raltegravir
und AZT).
Testung
– Die Frage von Testung und Diagnose scheint sich jetzt fast nur um
die Frage von Antikörpern zu drehen, die die Immunfabriken der
B-Zellen produzieren und die mit den Erreger-infizierten Zellen
aggregieren, den Erregern die Arbeit erschweren und sie zum leichter
angreifbaren Ziel für die anderen Waffen des Immunsystems machen,
den zytotoxischen T-Zellen, die die infizierten Zellen
„aufsprengen“. Das Interessante an diesen Antikörpertests ist, dass
positive Ergebnisse schlicht und einfach nicht durch eine
Laborkontamination zustande kommen können – Antikörper werden vom
Körper als Reaktion auf eine Infektion produziert und sind keine
Verunreinigung in einem Reagenzglas. Es ist möglich, dass Antikörper
andere Viren angreifen, aber da diese Forscher sich mehr und mehr
auf das XMRV eingeschossen haben, ist es immer unwahrscheinlicher,
dass die Antikörpertests, die sie entwickeln, etwas anderes als XMRV
finden. Dr. Mikovits berichtete in einer ihrer früheren Vorträge,
dass Dr. Singh einen Antikörpertest entwickelt hat, der Anzeichen
für eine Infektion bei Menschen entdeckt, die mit der PCR (Polymerasekettenreaktion)
negativ getestet wurden. Wir wissen, dass sich das WPI auf
Antikörpertests konzentriert – ich fragte Dr. Mikovits, ob sie die
von Dr. Singh oder ihre eigenen einsetzen würden? Dr. Mikovits
sagte, dass die Antikörpertests, die sie benutzen, im WPI entwickelt
wurden und dass sie sie als mindestens ebenso empfindlich ansehen
würde wie die von Dr. Singh. Mein Eindruck war, dass sie sie sogar
als noch empfindlicher ansieht.
Die Untersuchung der
Blutkonserven durch
das DHHS (US-amerikanisches Gesundheitsministerium) – Es ist jetzt
um die fünf Monate her, dass das Department for Health and Human
Services angekündigt hatte, es würde die Blutkonserven auf XMRV
untersuchen. Die Washington Post berichtete, dass die Sache
vorangeht – und dass sie kurz davor wären, einen Test dafür zu
haben, aber Dr. Mikovits ist auch Mitglied dieses Teams und
überwacht die Studie, und sie berichtet, dass es länger dauern
würde, die Testverfahren zu validieren, weil dieses Team die
Blutproben auf andere Weise aufbewahrt, als man das in der
Original-Science-Studie gemacht hatte. Deshalb sollte man in der
nächsten Zukunft noch keine Ergebnisse erwarten können.
Der Brief
– Annette Whittemore hat vor einigen Wochen einen ziemlich scharfen
Brief an Dr. McClure geschrieben. Daraus ging hervor, dass die
Zusammenarbeit zwischen dem WPI und dem Kuppeveld-Team und dem
Groom-Team viel umfangreicher war als wir zunächst dachten.
Tatsächlich stellte sich heraus, dass Proben, die diese beiden Teams
an das WPI gesandt hatten, vom WPI-Labor XMRV-positiv getestet
wurden. Diese beiden Teams lehnten jedoch die Ergebnisse des WPI ab
und erwähnten sie auch nicht in ihren Artikeln. Dr. Mikovits
berichtete, dass 3 der 10 Proben, die Kuppeveld dem WPI geschickt
hatte, positiv auf XMRV waren, und eine davon war von einer gesunden
Kontrollperson. Nachdem Kuppeveld seine eigenen Testverfahren
durchgeführt hatte und kein XMRV finden konnte, zog er den Schluss,
dass es im WPI zu einer Verunreinigung im Labor gekommen sein
musste.
Kooperation in Gefahr
– Dr. Kerr hat in einem anderen Projekt mit Dr. Mikovits
zusammengearbeitet, aber es ist durchaus möglich, dass diese
Zusammenarbeit angesichts der Verärgerung des WPI über die Art und
Weise beendet wird, in der das Groom-Team die Leute vom WPI
behandelt hat. Mikovits ist der Meinung, dass das Groom-Team hätte
versuchen sollen, die Diskrepanz zwischen seinen Ergebnissen und
denen des WPI vor der Veröffentlichung seines Papiers hätte
abgleichen oder beilegen können. Außerdem hätte man das WPI-Team auf
dem Laufenden halten sollen über das Versagen des Groom-Teams, die
Ergebnisse des WPI zu duplizieren. Wie sich herausstellte, wurde das
WPI-Team über die Ergebnisse des Groom-Teams nur einen Tag vor der
Veröffentlichung ihres Artikels informiert. Es ist natürlich
möglich, dass Dr. Kerr seinerseits irgendwelchen Zwängen ausgesetzt
war. Wie auch immer, es ist bedauerlich.
Wir haben offensichtlich
natürlich weder Dr. Grooms noch Dr. Kerrs Interpretation der Sache
noch die irgend eines anderen Forschers, warum die Dinge so gelaufen
sind, wie sie gelaufen sind. Sogar in der Geschichte zwischen den
CDC und DeFreitas, die so viel Kontroversen ausgelöst hat
[beschrieben z.B. in Osler’s Web von Hillary Johnson], hatten die
beiden Parteien sich häufig über die eingesetzten
Untersuchungsmethoden ausgetauscht. Aber das hier war eindeutig eine
einseitige Interaktion.
Diese negativen Studien
– die negativen Studien der beiden Teams haben Auswirkungen. Türen,
die zuvor recht offen standen sind zwar noch nicht geschlossen, aber
es scheint, dass Projekte außerhalb des WPI, die zunächst recht
schnell in Gang kamen, jetzt gestoppt wurden, bis sich die Aufregung
gelegt hat. Das WPI ist in einer ziemlich merkwürdigen Lage; sie
haben viel zu tun, mehr als jemals zuvor, aber solange, bis die
XMRV-Ergebnisse bestätigt wurden, werden sie Probleme haben, von der
US-Regierung die finanziellen Mittel zu bekommen, die sie brauchen.
Private Spenden in der Höhe, die wahrscheinlich nötig wäre, sind bei
der gegenwärtigen Wirtschaftslage schwer zu bekommen. Geld, das über
die diagnostischen Tests hereinkommt, ist sicher hilfreich, aber die
Forschung ist sehr teuer, und was sie brauchen, sind finanzielle
Mittel und Studien. Sechs Monate nach der Veröffentlichung des
Science-Papiers haben sie nicht einen Dollar von der US-Regierung
bekommen. Dr. Mikovits sagte, dass sie Milliarden von Dollar für die
HIV-Forschung ausgeben würden, wobei weniger als eine Million
Menschen in den USA mit HIV infiziert sind, und dennoch hat das
NIAID (National Institute of Allergy and Infectious Diseases), das
große Institut innerhalb der National Institutes of Health, das sich
um Infektionen kümmert, absolut nichts im Hinblick auf XMRV
unternommen.
Die UK-Studie
– um etwas Positiveres zu berichten: 50 der 200 Patienten der
UK-Studie haben jetzt ihre Blutproben abgegeben, und es handelt sich
dabei wirklich um eine interessante Patientengruppe. Etwa 50% sind
ans Haus gefesselt und man kann annehmen, dass sie in keinster Weise
in der Nähe von Dr. Wessely und seiner Studienkohorte waren. Es wird
sicher spannend werden, herauszufinden, wie oft sich das XMRV bei
diesen schwer kranken Patienten nachweisen lässt.
Ein übles Virus
- Was auch immer die Probleme in den jetzt durchgeführten
Validierungsstudien waren – an manchen haben bekannte Retrovirologen
teilgenommen, die, wie es ein Kommentator ausdrückte, „in der Tat
wissen, wie man eine PCR macht“. Wie konnte es also zu so
unterschiedlichen Ergebnissen kommen? Eine Möglichkeit ist
natürlich, dass XMRV im Blut viel schwieriger zu finden ist, als die
Forscher vermutet haben, und dass kleine Unterschiede der
Methodologie der Studien den Unterschied ausgemacht haben. Andere
Bedenken drehen sich um die Zusammensetzung des Virus selbst. Ich
fragte Dr. Mikovits, ob geringfügig unterschiedliche Stämme des XMRV
in Europa einen Teil des Problems ausmachen könnten, und sie sagte,
nachdem man festgestellt hat, dass HIV zwei verschiedene Stämme hat
und HTLV nicht weniger als vier, es wohl „anmaßend“ wäre, diese
Möglichkeit auszuschließen. Sie stellte außerdem fest, dass die
Tatsache, dass Antikörpertests auf XMRV das Virus manchmal finden,
wenn das mit der PCR nicht gelang, darauf schließen lässt, dass sich
ein unterschiedlicher Stamm des XMRV dem Zugriff der PCR entzieht.
Tatsächlich, sagte sie, waren im Labor VIP Dx die PCR-Tests zu 50%
falsch negativ, d.h. 50% der mit PCR als XMRV-negativ getesteten
Proben stellten sich mit anderen Testverfahren dann doch als
XMRV-positiv heraus.
Immer noch überzeugt
– Dr. Mikovits ist ganz klar frustriert über den Mangel an positiven
Ergebnissen, über die finanziellen Belastungen, denen das WPI
ausgesetzt ist und die fehlende Finanzierung durch die US-Regierung,
aber sie ist immer noch überzeugt von den Ergebnissen des WPI und
sagt zum wiederholten Male, dass sie überhaupt keine Möglichkeit
sieht, dass eine Verunreinigung des Labors bei ihren Ergebnissen
eine Rolle gespielt haben könnte. Das WPI macht zwei verschiedene
Arten von Antikörpertests. Bei dem einen handelt es sich
offensichtich um den ELISA-Test, der Antikörper auf das Gesamtvirus
misst und weniger genau ist als der Western Blot Test, der nach
Antikörpern auf ein spezifisches Protein auf dem Virus sucht. Der
Western Blot ist im Wesentlichen eine Kontrolle für den ELISA-Test,
und Dr. Mikovits berichtete, dass beide Tests ähnliche Ergebnisse
lieferten, d.h. es ist das XMRV, das sie finden.
Viel beschäftigt
– Dr. Mikovits hat zwei Projektanträge an das
Verteidigungsministerium gestellt und machte sich dann auf die Reise
nach Europa, um dort bei der British Hematological Society einen
Vortrag zu halten, flog dann nach Spanien, um dort an einer
XMRV-Studie mitzuarbeiten, und dann zu einer Feier anlässlich der
Entdeckung der Retroviren vor 100 Jahren. Dieser Science-Artikel
sollte übrigens in etwa zwei Wochen erscheinen. |