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Die Biologie des SchlafesEine dreiteilige Serie über die Mechanismen des Schlafes und seine Auswirkungen auf den KörperTeil IVon Pamela Young, Chefredakteurin der CFIDS Association
Schlafen ist etwas, das viele Menschen für selbstverständlich halten – etwas, das wir alle tun, ohne über die Gründe oder den Zweck dafür nachzudenken. Aber es ist offensichtlich, dass Schlaf eine lebenswichtige Funktion hat, da ihn beinahe jeder lebende Organismus braucht. Zweifelsohne kann schlechter Schlaf zu einer ganzen Reihe von körperlichen Problemen führen – was jeder, der an CFS-bedingten Schlafstörungen leidet, bestätigen kann. Aber was genau ist der Schlaf, und warum ist er so wichtig, damit alles richtig funktioniert? Bis in die 1950er Jahre glaubten die meisten Menschen, der Schlaf sei ein passiver und untätiger Teil unseres täglichen Lebens. Heute wissen wir, dass unser Gehirn während des Schlafes äußerst aktiv ist. Der Schlaf wirkt sich auf unser Funktionieren im Alltag und auf unsere körperliche und geistige Gesundheit auf so vielfältige Weise aus, die wir gerade erst zu verstehen beginnen.
EinschlafenUnser Körper veranlasst uns nach einem biologisch bestimmten Tagesrhythmus zu schlafen, einem inneren, zeitgesteuerten Mechanismus, der die Körpertemperatur und die Ausschüttung von bestimmten Hormonen reguliert. Diese vom zirkadianen Rhythmus gesteuerten Veränderungen der geistigen und körperlichen Zustände treten im Verlauf eines jeden Tages auf (zirkadian ist der lateinische Begriff für „im Tagesverlauf“). Die Mehrzahl der zirkadianen Rhythmen wird von der biologischen Uhr des Körpers gesteuert, dem Suprachiasmatischen Nucleus (SCN) – zweiseitig angeordneten, reiskorngroßen Gehirnkernen, die zusammen etwa 20.000 Neuronen umfassen. Schläfrigkeit tritt auf, wenn der zirkadiane Rhythmus, der hauptsächlich durch Lichteinfall gesteuert wird und entsprechende Signale des SCN veranlasst, zur Ausschüttung des Hormons Melatonin und zum allmählichen Abfall der Körpertemperatur führt. Das ist Bestandteil der sogenannten Schlafeinleitung. Ein weiterer biochemischer Prozess ist die Ausschüttung von Adenosin, einem Neurotransmitter, der viele physiologische Prozesse dämpft, die uns wach halten. Adenosin hilft, den Körper auf die Ruhephase einzustimmen. Das Adenosin wird den ganzen Tag über produziert, wenn unsere Zellen die Energie bereitstellen, die wir benötigen, um uns zu bewegen und zu funktionieren. In dem Maße, wie die Menge des Adenonis in unserem Gehirn ansteigt, fühlen wir uns schläfriger. Zusammen mit den entsprechenden Signalen der zirkadianen Uhr weist das unseren Körper darauf hin, dass es Zeit zum Schlafen ist. In der Schlafwissenschaft bezeichnet man die Zeitspanne zwischen Wachheit und Einschlafen als Schlaflatenz. Während des Tages wird eine Schlaflatenz von 15-25 Minuten als normal angesehen. Eine kürzere Schlaflatenz ist wahrscheinlich ein Zeichen von kürzlichem oder andauerndem Schlafmangel. Eine längere Schlaflatenz kann ein Zeichen für Einschlafstörungen sein.
Die verschiedenen Phasen des SchlafesWas geschieht eigentlich in der Zeitspanne zwischen dem Schließen der Augen in der Nacht und dem Aufwachen am nächsten Morgen? Wie sich gezeigt hat, eine Menge. Wenn wir schlafen, leitet unser Gehirn ein sich wiederholendes Muster von abgestuften Veränderungen in Körper und Geist ein. Man bezeichnet das als Schlafzyklus, und viele CFS-Patienten werden von Unterbrechungen oder Behinderungen dieses Zyklus’ geplagt. Schauen wir uns zunächst an, wie der Schlafzyklus im Normalfall abläuft. Bevor der erste Zyklus beginnt, verbringen wir einige Augenblicke in einem Stadium des „entspannten Wachzustands“. Die meisten Menschen verweilen in diesem Stadium bis zu 10 Minuten, bevor sie in die erste Schlafphase eintreten. Probleme mit der Schlaflatenz können die Zeitdauer beeinflussen, die man in diesem Vorschlafstadium verbringt. Stadium 1 (Einschlafphase): Während des 1. Schlafstadiums, auch als Somnolenz oder schläfriger Zustand bezeichnet, dämmern wir immer wieder ein und können leicht aufgeweckt werden. Unsere Augen bewegen sich sehr langsam und die Muskelaktivität verlangsamt sich. Wenn man Menschen aus diesem ersten Schlafstadium aufweckt, dann erinnern sie sich oft an bruchstückhafte bildliche Vorstellungen. Viele erleben auch plötzliche Muskelkontraktionen, die als Einschlafmyoklonie bezeichnet werden und denen oft ein Gefühl des Fallens vorausgeht. Dieses Stadium des Schlafes dauert normalerweise nur 5 bis 10 Minuten. Stadium 2 (Leichtschlafphase): Wenn wir in die 2. Schlafphase eintreten, hören die Augenbewegungen auf und die Hirnstromwellen (die Schwankungen in der elektrischen Aktivität des Gehirns) werden langsamer, wobei gelegentlich Ausbrüche von schnellen Hirnstromwellen auftreten, die man Schlafspindeln nennt. Das Bewusstsein für die Außenwelt schwindet. Stadium 3 und 4 (Tiefschlaf): Wenn unser Körper in die Tiefschlafphasen mit den langsamsten Gehirnwellen eintritt, produziert unser Gehirn die sogenannten Deltawellen. Der Hauptunterschied zwischen Stadium 3 und 4 besteht in der Menge der Deltawellen-Aktivität, die mehr als die Hälfte der Gehirnwellen im Stadium 4 ausmachen. In den Stadien 3 und 4 sind wir nur schwer erweckbar. Wenn wir geweckt werden, können wir uns nicht gleich zurechtfinden und fühlen uns zerschlagen und desorientiert. Dies sind die Schlafphasen, in denen auch Phänomene wie das Schlafwandeln oder Nachtangst auftreten. REM-Schlaf (Traumschlaf): Etwa 70 bis 90 Minuten nach Beginn des Schlafzyklus’ tritt der sogenannte REM-Schlaf auf – REM steht hier für rapid eye movement, also schnelle Augenbewegungen. Wenn wir in die REM-Schlafphase überwechseln, wird unsere Atmung schneller, unregelmäßig und flach, unsere Augen bewegen sich schnell und ruckartig in alle Richtungen, und die Muskeln unserer Gliedmaßen sind zeitweise „stillgelegt“. Puls und Blutdruck steigen in dieser Phase des Schlafzyklus' an. Dies ist das Stadium, in dem die meisten Träume auftreten. Im Verlauf der Nacht durchläuft der Körper mehrere dieser Schlafzyklen. Ein vollständiger Schlafzyklus dauert normalerweise zwischen 90 und 110 Minuten. Die ersten Schlafzyklen der Nacht haben relativ kurze REM-Perioden und lange Tiefschlafphasen. Im weiteren Verlauf der Nacht werden die REM-Phasen länger, während die Tiefschlafphasen kürzer werden. Gegen Morgen verbringen wir beinahe die gesamte Schlafzeit in den Stadien 1, 2 und im REM-Schlaf. Die Unfähigkeit, einen vollständigen Schlafzyklus zu durchlaufen oder wieder einzuschlafen, wenn der Schlafzyklus unterbrochen wurde, nennt man Durchschlafstörungen – eine weitere Form der Schlafstörung, unter der viele CFS-Patienten leiden. Jede der Schlafphasen ist für den Schlafenden von Nutzen. Aber der REM-Schlaf und der Tiefschlaf scheinen lebenswichtiger zu sein, denn wenn uns der Schlaf entzogen wird, dann versucht unser Gehirn, den REM-Schlaf und den Tiefschlaf nachzuholen, wenn wir das nächste Mal schlafen können. So folgt unser Körper beispielsweise nicht dem normalen Verlauf des Schlafes, wenn der REM-Schlaf in der Nacht zuvor unterbrochen wurde. Stattdessen durchlaufen wir ausgedehnten REM-Schlafperioden, bis wir diese Schlafphase sozusagen wieder aufgeholt haben. Wenn sowohl der Tiefschlaf als auch der REM-Schlaf zu kurz waren, dann versucht unser Gehirn, zuerst den Tiefschlaf nachzuholen. Tatsächlich versucht das Gehirn, den gesamten Tiefschlaf nachzuholen, an dem es ihm gemangelt hat, während es nur die Hälfte des REM-Schlafes nachholt. Die Forschung über den Schlaf bei CFS-Patienten hat gezeigt, dass die charakteristischen Deltawellen des Tiefschlafes von Einbrüchen von Alphawellen gestört werden, die ansonsten eher im entspannten Wachzustand auftreten. Eine Studie, die 2008 im American Journal of Physiology veröffentlicht wurde, weist darauf hin, dass bei Menschen mit CFS der Übergang zwischen den Schlafphasen verändert ist, insbesondere in den Phasen des leichten und des REM-Schlafes.
Sinn und Zweck des SchlafesObwohl die Wissenschaftler immer noch herauszufinden versuchen, warum genau der Mensch den Schlaf braucht, zeigen zahlreiche Studien bereits, dass der Schlaf viele Körperfunktionen beeinflusst und in der Tat überlebensnotwendig ist. Tierversuche haben gezeigt, dass Ratten normalerweise zwei bis drei Jahre leben. Wenn man ihnen jedoch den REM-Schlaf entzieht, dann leben sie durchschnittlich nur fünf Wochen, und Ratten, denen man den Schlaf vollkommen entzog, starben bereits nach drei Wochen. Die Forschung zeigt auch mehr und mehr, auf welche Weise der Schlaf viele der Körperfunktionen wiederherstellen und regenerieren kann:
AusblickDer Schlaf ist ein dynamisches Geschehen, das unsere Zeit im Wachzustand erheblich beeinflusst und das entscheidend ist für die Aufrechterhaltung wichtiger Körperfunktionen. Es ist deshalb nicht überraschend, dass schlechter oder mangelnder Schlaf sich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt – etwas, das sich Menschen mit CFS kaum leisten können. Es gibt wachsende Belege dafür, dass ein Mangel an Schlaf das Risiko für eine ganze Reihe von gesundheitlichen Problemen erhöht, darunter Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Depressionen, hoher Blutdruck, Fettsucht und Infektionen. Aber Hilfe ist möglicherweise in Sicht.
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