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Die Biologie des SchlafesEine dreiteilige Serie über die Mechanismen des Schlafes und seine Auswirkungen auf den KörperTeil IIVon Pamela Young, Chefredakteurin der CFIDS Association
Im ersten Teil dieser vierteiligen Serie haben wir uns mit den grundlegenden Mechanismen des Schlafes beschäftigt – wie der Körper den Schlaf und die verschiedenen Schlafphasen einleitet, die wir im Laufe einer Nacht durchlaufen. Wir haben auch einige der wichtigen körperlichen Prozesse angesprochen, die vom Schlaf beeinflusst werden. In diesem Teil der Serie werden wir uns näher damit beschäftigen, wie der Schlaf und der Mangel an Schlaf die internen Prozesse des Körpers beeinflusst, insbesondere die Gehirnaktivität und die Hormonsteuerung. In dem Maße, wie die Schlafwissenschaft voranschreitet, entdecken die Forscher, dass der Schlaf eine entscheidende Rolle spielt, um die internen Prozesse des Körpers intakt und am Laufen zu halten. Das Gefühl von Ruhe und Erholung durch den Schlaf hängt mit bestimmten zellulären und biochemischen Prozessen zusammen, die dem Körper helfen, sich selbst zu regenerieren und zu regulieren. Diese Wiederherstellung und Regulierung geschieht auf vielfältige Weise. Im Gehirn hängt diese Wiederherstellung und Erneuerung hauptsächlich mit dem Stoffwechsel und der Aktivität der Neurotransmitter zusammen. Im Körper wird die Regulierung durch die Art und Weise beeinflusst, in der der Schlaf sich auf die endokrinen Funktionen und die Hormone auswirkt. Wiederherstellung und Erfrischung des GehirnsNeuere Studien haben nahegelegt, dass das Gehirn, das während des Tages so aktiv ist, die Auszeit des Schlafes nutzt, um Schäden zu reparieren, die von unserem regen Stoffwechsel verursacht werden, um die Aktivität der Neurotransmitter zu regenerieren und sogar neue Neuronen wachsen zu lassen. Zunächst einmal scheint der Schlaf der Entgiftung des Gehirns zu dienen. Schon lange haben die Wissenschaftler festgestellt, dass große Tiere weniger Schlaf benötigen als kleine. Frettchen beispielsweise benötigen fast 15 Stunden Schlaf täglich, während Elefanten nur 3 oder 4 Stunden brauchen. (Menschen sollten zwischen 7 und 9 Stunden schlafen.) Die Forschung hat diesen Schlafbedarf mit dem Umwandlungsprozess für Energie in Verbindung gebracht, dem Stoffwechsel also. Je kleiner ein Tier ist, desto höher ist seine Stoffwechselrate und desto mehr Schlaf benötigt es. Aber warum? Durch den Stoffwechsel entstehen hochreaktive chemische Verbindungen, die freien Radikalen, die in den Zellen Schäden verursachen, die man als oxidativen Stress bezeichnet. Der Schlaf hilft nun dabei, diese Schäden zu reparieren, besonders im Gehirn. Der herabgesetzte Stoffwechsel bzw. die niedrigeren energetischen Anforderungen an das Gehirn während der (non-REM) Schlafphasen mit langsamen Gehirnwellen geben dem Gehirn die Möglichkeit, mit den zellulären Schäden fertig zu werden, die in der wachen Zeit entstanden sind. Im Schlaf produziert das Gehirn auch erhöhte Mengen eines bestimmten Enzyms, der Superoxid-Dismutase, die freie Radikale neutralisieren hilft. Wenn dem Gehirn der Schlaf entzogen wird, dann produziert es weniger von diesem Enzym und hat weniger non-REM-Schlaf zur Verfügung, um die Zellen zu reparieren. Für Menschen mit CFS ist diese Verbindung zwischen schlechtem Schlaf und oxidativem Stress von großer Bedeutung. Studien unter Einsatz von abbildenden Verfahren des Gehirns, Belastungstests, genomischen Analysen und Untersuchung von Proteinen in der Rückenmarksflüssigkeit haben allesamt Hinweise auf exzessiven oxidativen Stress oder eine Dysfunktion der Mitochondrien bei CFS ergeben – was auf Zellschäden und Probleme mit der Umwandlung von Energie hinweist. Je mehr oxidative Schäden vorliegen, desto größer ist der Bedarf an Zellreparatur. Deshalb ist es um so wichtiger, die CFS-bezogenen Schlafstörungen zu behandeln, insbesondere weil bei manchen CFS-Patienten genau die Schlafphasen mit den langsamen Gehirnwellen von den Schlafstörungen betroffen sind. Es scheint, als ob auch der REM-Schlaf, der durch schnelle Augenbewegungen und Gehirnaktivität ähnlich wie im Wachzustand gekennzeichnet ist, eine Rolle bei der Erneuerung bestimmter Teile des Gehirns spielt. Obwohl während des REM-Schlafs große Bereiche des Gehirns sehr aktiv sind, schalten die Gehirnzellen , die bestimmte Neurotransmitter ausschütten, ab. Neurotransmitter sind chemische Verbindungen, die physikalisch die Signale zwischen den Gehirnzellen übermitteln. Während des REM-Schlafes stellen die Transmitter (Serotonin, Norepinephrin und Histamin) ihre Tätigkeit ein, die im Wachzustand die Bewegung kontrollieren und das Bewusstsein für die Umgebung vermitteln. Abgesehen davon, dass dieser Stillstand uns während wir träumen ruhig hält, glaubt man, dass er für die Funktion dieser Gehirnzellen und der entsprechenden Rezeptorzellen lebenswichtig ist, indem er ihnen Ruhe verschafft und die notwendige Sensibilität wiederherstellt. Das ist auch etwas, das für Menschen mit CFS von Bedeutung sein könnte, denn Studien haben Unregelmäßigkeiten in der Serotonin-Transporter-Funktion (5-HTT) und bei anderen serotonergen Mechanismen aufgedeckt (siehe auch den Artikel über die CFS-Forschung in Japan in diesem Heft). Auch das Norepinephrin wird mit den Schmerzen in Verbindung gebracht, die bei CFS und Fibromyalgie auftreten. Ebenso wird die Bildung neuer Nervenzellen im Gehirn vom Schlaf beeinflusst. Wir wissen heute, dass einige Areale des Gehirns das ganze Leben über neue Zellen produzieren. Neuere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass Schlafentzug das Wachstum neuer Neuronen behindern kann und dass die Gehirnzellen, die in Zeiten des Schlafmangels gebildet werden, häufig nicht normal reifen. Schlaf ist wichtig für die Reparatur der Gehirnzellen, für ihre Regeneration und Erneuerung, und zwar so, dass sich diese Prozesse gegenseitig ergänzen. Aber der Schlaf beeinflusst auch das System, das viele der übrigen Körperfunktionen reguliert: das endokrine System.
Regulation der Körperfunktionen und Ausschüttung von HormonenHormone sind Substanzen, die produziert werden, um bestimmte Körperfunktionen zu regulieren oder auszulösen. Die Ausschüttung von Hormonen durch den Hypothalamus – das „oberste“ Steuerungsorgan des endokrinen Systems, das die Absonderungen der peripheren Drüsen zentral steuert – ist oft zeitlich so eingestellt, dass er den Schlafzeiten entspricht. Wachstumshormone beispielsweise, die für Kinder im Wachstum lebensnotwendig sind, aber auch für Regenerationsprozesse wie die Wiederherstellung der Muskelzellen, werden während des Schlafes ausgeschüttet, und das Corticotropin freisetzende Hormon (CRH), das an der Stressantwort beteiligt ist, wird unterdrückt. Fehlender Schlaf kann dieses Timing ausschalten und damit die Hormonwerte im Körper durcheinanderbringen. Ein weiterer Weg, auf dem der Schlaf die peripheren endokrinen Funktionen beeinflusst, führt über Veränderungen der Aktivität des autonomen Nervensystems. Während des Schlafs ist das sympathische Nervensystem, das die Stressantwort reguliert, weniger aktiv, während das parasympathische Nervensystem, das Ruhe und Verdauung reguliert, beherrschend ist. Die meisten Organe des endokrinen Systems reagieren äußerst empfindlich auf dieses Gleichgewicht. Fehlender oder mangelnder Schlaf kann die Dynamik umkehren und zu einer dysfunktionalen Hormonproduktion führen. Das könnte für CFS-Patienten, die bereits unter neuroendokrinen Dysfunktionen und aus dem Gleichgewicht geratenen, abnormen Hormonwerten leiden, von besonderer Bedeutung sein. So haben Menschen mit CFS tendenziell unterdurchschnittliche Werte des Wachstumshormons, das hauptsächlich während der Schlafphasen mit langsamen Gehirnwellen ausgeschüttet wird – also genau der Schlafphasen, die sich bei CFS in einigen Studien als gestört erwiesen haben. Die Forschung hat auch gezeigt, dass Menschen mit CFS Abweichungen im autonomen Nervensystem haben, die ihr sympathisches Nervensystem in einem Zustand der Übersteuerung halten – einem Zustand, der sehr wahrscheinlich die normalen endokrinen Funktionen beeinträchtigt. Mehr und besserer Schlaf haben bergen also die Möglichkeit, die endokrinen Funktionen zu stabilisieren. Der Schlaf und die Hormonproduktion sind mehr und mehr in das Zentrum wissenschaftlicher Aufmerksamkeit gerückt. Eine kürzlich durchgeführte Studie des Medical Center der Universität Chicago, bei der die hormonellen Auswirkungen von einer Woche partiellen Schlafentzugs untersucht wurde, ergab eine Erhöhung der abendlichen Werte des Cortisols, eine Aufsplitterung in der zeitlich abgestimmten Ausschüttung des Wachstumshormons und einen erstaunlichen Abfall der nächtlichen Werte des schilddrüsenstimulierenden Hormons TSH und der Hormone Leptin und Insulin. Der Abfall der Insulin- und Leptin-Werte ist ein besonders beunruhigender Hinweis darauf, dass schlechter Schlaf zu Übergewicht und Typ-2-Diabetes führen kann. Tatsächlich hat eine wachsende Zahl von Studien gezeigt, dass die Werte der appetitregulierenden Hormone von der Schlafdauer erheblich beeinflusst werden. In der oben genannten Studie hat bereits eine Woche Schlafmangel (4 statt 10 Stunden) zu Leptin-Werten geführt, die so niedrig waren, dass sie dem Körper einen Zustand von Hungersnot signalisierten, obwohl die Menge der aufgenommenen Kalorien völlig ausreichend war. Eine Follow-up-Studie zeigte außerdem signifikant erhöhte Werte des Hormons Ghrelin (Growth Hormone Release Inducing, d. h. Wachtumshormon freisetzend), einem appetitanregenden Hormon. Forscher von den Universitäten in Stanford und Wisconsin berichteten über vergleichbare Ergebnisse in einer großangelegten Studie mit 1000 Teilnehmern. Es ist nur plausibel, dass diese Kombination von abfallenden Leptin-Werten und Spitzenwerten des Ghrelins zu übermäßiger Nahrungsaufnahme und ungesunder Gewichtszunahme führen kann. In einer weiteren Studie des Chicagoer Forscherteams – das die Unterdrückung des Schlafes mit langsamen Gehirnwellen untersucht hat – haben nur drei Nächte veränderten Schlafes bei 16 jungen, gesunden Versuchspersonen zu einem 30-prozentigen Abfall ihrer Fähigkeit geführt, Insulin zu produzieren und darauf zu reagieren. Eine solche verminderte Glucosetoleranz ist normalerweise ein Anzeichen des Typ-2-Diabetes. Die gute Nachricht ist, dass in all diesen Studien die Teilnehmer innerhalb einer Woche zu normalen Hormonwerten zurückkehrten, wenn sie wieder gesunde Schlafmuster hatten. Obwohl es sich als schwieriger erweisen kann, die Schäden auszugleichen, die bei chronischem Schlafmangel entstehen, verspricht die Fähigkeit, sich von den unmittelbaren Auswirkungen schlechten Schlafes zu erholen, Hoffnung für diejenigen, denen es gelingt, mit ihrem Hausarzt zusammen diese Schlafprobleme anzugehen. Grund zur HoffnungSchlaf dient dem Gehirn und dem Körper auf entscheidende Art und Weise, die wir mit jeder neu durchgeführten Studie besser verstehen. Und in dem Maße, wie die Auswirkungen des Schlafes besser erforscht werden, werden auch Medikamente und andere Behandlungsansätze besser erforscht, die bei der Einleitung und Verbesserung des Schlafes helfen können. Für Menschen mit CFS ist das ein Bereich, der wichtig und potentiell behandelbar ist, wobei in der Zukunft weitere Fortschritte und bessere Behandlungen zu erwarten sind.
************** Teil III dieser Serie finden Sie hier. |