[In der Einführung
des Newsletters gibt David Bell Einzelheiten zu Ort, Zeit und Thema
seines
öffentlichen Vortrags am 6. Dezember 2009
in Batavia, NY über XMRV und ME/CFS bekannt.]
(...)
XMRV
Bei der Tagung des
CFS Advisory Committees am 19.10.2009 hat Dr. Dan Peterson einige
Informationen gegeben, die bislang noch nicht bekannt waren. Ich
werde einen Großteil dessen, was er berichtet hat, bei meiner Rede
am 6. Dezember in New York präsentieren. Aber hier ist schon einmal
der wichtige Teil:
XMRV-DNA wurde bei
68 von 101 Patienten (bei 67%) gefunden. Das war das, was in der
Veröffentlichung in Science stand. Es bleiben also 33
Patienten mit CFS, die negativ getestet wurden. Aber bei weiterer
Testung erwiesen sich 19 dieser 33 als XMRV-Antikörper-positiv, 30
von diesen 33 hatten einen übertragbaren Virus im Plasma und 10 von
diesen 33 zeigten eine Proteinexpression. Insgesamt ergaben sich
also bei 99 der 101 Patienten Beweise für eine XMRV-Infektion.
Diese Ergebnisse
führen zu interessanten Schlussfolgerungen. Die wichtigste ist, dass
es zur Zeit keinen einfachen Test gibt, der eine Aussage darüber
treffen kann, ob jemand XMRV hat oder ob das Virus in seinem Körper
aktiv ist. Und wir brauchen gute Kontrollstudien, in denen alle drei
Messverfahren eingesetzt werden, um die Präsenz des Virus genau
kontrollieren zu können. Das ist nichts, was man so eben auf die
Schnelle erledigen kann. Zur Zeit ist es notwendig, verschiedene
Tests durchzuführen, um den XMRV-Status zu ermitteln:
a)
DNA-Test mittels PCR (Polymerase chain reaction)
b)
Ansteckungsfähigkeit des Virus
c) Nachweis von
Virusproteinen
d) Antikörper auf
die Virushülle des XMRV
Nach einiger Zeit
und wenn wir mehr wissen wird dieser Prozess sicher einfacher
werden. Was wir nicht wollen ist schlechte Wissenschaft, die Zweifel
über eine Krankheit aufkommen lässt, die bereits mehr als genug
Zweifler hat. Wir müssen das von Anfang an richtig machen. Wenn sich
aus solchermaßen solider Wissenschaft ergibt, dass XMRV nicht die
Ursache ist, dann ist es eben so. Irgendetwas ist die Ursache.
Dr. Coffin von der
Tufts University und dem National Cancer Institute präsentierte
einige sehr interessante Beobachtungen. Er ist 45 Jahre dabei und
ein wahrer Veteran der Erforschung von Retroviren. Es gab Kommentare
von verschiedenen Leuten, die gesagt haben, es gäbe eine Menge
Viren, die mit CFS im Zusammenhang stünden, also sei das wohl keine
große Sache. Unter den von Dr. Coffin hervorgehobenen Punkten waren
auch diese:
A) Es ist relativ
schwierig, lebendes Retrovirus von Patienten mit einer HIV-Infektion
zu isolieren, aber es ist relativ einfach, lebendes XMRV bei CFS zu
isolieren. Es liegt ein hoher Prozentsatz infizierter Zellen vor.
B) Der Prozentsatz
von XMRV-positiven Kontrollpersonen ist bei CFS-Kontrollen und
Prostatakrebs-Kontrollen nicht sehr verschieden, etwa 4 oder 5%. Es
muss jedoch noch eine Menge geforscht werden, um die Verbreitung des
XMRV bei Kontrollpersonen zu verifizieren. Das ist insbesondere
deshalb nötig, weil die Blutkonserven des Landes möglicherweise
kontaminiert sind. (Übrigens, nach meiner persönlichen Meinung
sollte kein ME/CFS-Patient Blut spenden.) Das Japanische Rote Kreuz
hat gesagt, es gäbe eine „geringe Verbreitung“ des XMRV in ihren
Blutkonserven.
C) Könnte eine
Maus die Tests kontaminiert haben, indem sie ein wenig XMRV im Labor
verstreut hat? XMRV ist eine große Familie von “einfachen”
Retroviren. In den XMRV-Stämmen, die bei CFS-Patienten isoliert
wurden, gibt es im Vergleich zu den XMRV-Stämmen in Mäusen eine
0,3%ige Abweichung. Bei seiner Replikation verändert sich dieses
Virus nicht so stark wie HIV das tut. Wenn sich das HIV zwei Wochen
lang repliziert, ist die Abweichung höher als 0,3%. Und das ist
sowohl eine gute wie eine schlechte Nachricht. Es ist eine gute für
die Herstellung eines Impfstoffes, den wir irgendwann entwickeln
können. Diese Diversität ist ein großes Hindernis bei der Produktion
eines HIV-Impfstoffes. Und es ist eine schlechte Nachricht für die
Auswirkungen auf eine antivirale Therapie. Aber davon sind wir noch
weit entfernt.
D) Dr. Coffin
zeigte eine Folie mit den vielen Dingen, die wir über das XMRV NICHT
wissen. Es gibt noch sehr viel zu tun.
E) Dr. Coffin
erwähnte, dass es in der wissenschaftlichen Gemeinde der
Retrovirus-Forscher einige Aufregung gibt – eine sehr gute Nachricht
für die ME/CFS-Gemeinde. Wir werden von vielen guten
Wissenschaftlern eine Bestätigung der Ergebnisse erhalten – oder
auch nicht. Es wird für einseitig ausgerichtete Wissenschaftler
schwer werden, diese Erkenntnisse zu unterdrücken, wenn sie sich
tatsächlich als richtig erweisen.
Eine Bemerkung,
die mir etwas die Schuhe auszog, war eine Antwort auf eine Frage aus
dem Committee. Dr. Coffin sagte: "Diese Studie war so gut wie sie
für eine erste Studie nur sein konnte, aber es ist immer noch eine
erste Studie.“
Eine Theorie über
den Wirkungsmechanismus von XMRV und ME/CFS
Dr. Peterson
präsentierte eine neue Version einer Theorie über den
Wirkmechanismus, der bereits seit vielen Jahren die Runde macht. Es
ist eine Ironie, dass diese Theorie einst als „X-Faktor-Theorie“
bezeichnet wurde.
Schritt 1: Infektion mit XMRV.
Ist unklar, wie diese zustandekommt. Könnte sein, dass das
winzige XMRV huckepack auf einem großen, schwerfälligen Virus wie
EBV oder HHV6 eindringt. Es ist bekannt, dass solche Mechanismen
vorkommen. Es gibt eine Menge anderer Möglichkeiten.
Schritt 2: Infektion der B-
und T-Lymphozyten und der natürlichen Killerzellen (NK-Zellen).
Dr. Klimas sagte, das bis zu 70% der Lymphozyten “aktiviert” seien.
Irgendetwas geht vor sich.
Schritt 3: Verminderung der
Zahl und der Aktivität der natürlichen Killerzellen. Aufgrund
der retroviralen Infektion sind die NK-Zellen beeinträchtigt. Das
entspricht dem, was bei HIV mit den CD4-Lymphozyten geschieht.
Als Ergebnis der Verminderung der Zahl und Funktion der NK-Zellen
(und anderer T- und B-Zell-Probleme) hat die betroffene Person jetzt
einen Immundefekt. Die NK-Zellen sind wichtig, um Herpesviren und
andere Erreger unter Kontrolle zu halten.
Schritt 4: Reaktivierung
anderer Erreger. Eine Erhöhung der Viruslast von EBV und anderen
Erregern verursacht die Produktion von Zytokinen, die Aktivierung
der 2'-5'A Synthetase, RNAse L, was dann zu den Symptomen beiträgt.
Es ist interessant, sich zu vergegenwärtigen, dass AIDS-Patienten
sich besser fühlen, wenn man die sekundären Infektionen unterdrückt.
Das könnte erklären, warum eine Behandlung mit Antibiotika,
antiviralen Medikamenten, Gammaglobulinen und anderen Substanzen
dazu führen, dass sich manche ME/CFS-Patienten für eine Weile besser
fühlen.
Geschichte
Eine Videoaufzeichnung von Dr.
Daniel Petersons Präsentation bei der Tagung des CFS Advisory
Committees vom 29.10.2009 sollte unter dieser Webadresse zu finden
sein:
http://videocast.nih.gov/PastEvents.asp. [Tag 1, 29.10.2009:
http://videocast.nih.gov/Summary.asp?File=15408 Tag 2,
30.10.2009:
http://videocast.nih.gov/Summary.asp?File=15409 ] Meiner
persönlichen Meinung nach wird hier gerade Geschichte geschrieben.
Die Zeit wird es erweisen, ob dem so ist.
Und solange ich hier vorschnelle
Prognosen abgebe, sollten wir über den Namen der Krankheit sprechen.
Das war eines meiner wichtigsten Themen seit der Veröffentlichung
von "Disease of a Thousand Names" (Die Krankheit mit den tausend
Namen). Chronic fatigue syndrome ist ein verächtlicher Name. Ich
glaube, dass sich XMRV als Drahtzieher herausstellen wird, der die
Fäden bei Krankheiten in der Hand hält, die wir mit verschiedenen
Namen belegen wie CFS, ME, Fibromyalgie, atypische Multiple
Sklerose, Chronische Mononukleose... Und wenn XMRV die Fäden zieht,
dann sollte der Name XAND sein, was für Xmrv Associated Neuroimmune
Disease steht. Ich habe gehört, dass Annette Whittemore diesen Namen
benutzt hat, und das hört sich richtig an. Geschichte.
(...)
Frage und Antwort
Es gab zahlreiche Fragen dazu, wie man sich auf XMRV testen lassen
kann.
Antwort: Ich bin sehr
zurückhaltend, irgendjemandem vorzuschlagen, zur Zeit viel Geld für
einen kommerziellen Test auszugeben. Wir wissen nicht, ob ein
spezieller Test genau ist, und selbst wenn er genau ist, wissen wir
nicht, was es bedeutet, und selbst wenn wir das wüssten, würden wir
nicht wissen, was wir damit anfangen sollen. Ich würde mich in
Geduld üben. Es wird bald Antworten geben, deshalb bleiben Sie am
Ball!
Kontakt: Wenn Sie mit Dr. Bell
in Kontakt treten möchten, schreiben Sie eine Email an
lynnews@davidsbell.com Es können nur wenige Anfragen beantwortet
werden, aber Kommentare sind immer willkommen.
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