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Hier zunächst ein paar Zitate aus STERN Heft Nr. 50 vom 8.12.2005 mit dem Titel: "Der eingebildete Kranke"(weiter unten finden Sie hierzu vorläufige Anmerkungen) "Jeder zehnte Patient ist ein Hypochonder. Wie sie leiden, obwohl sie körperlich gesund sind." "Hypochondrie ist ein schweres psychisches Leiden, das gezielt behandelt werden muss." S. 215, a.a.O.: „Die Übergänge auf der Skala vom narzisstischen Gesundheitsschwätzer über den leicht hypochondrischen Menschen bis hin zu psychisch Schwerkranken sind fließend. Als echte Hypochonder bezeichnet die Medizin körperlich gesunde Patienten, die sich sicher sind, an einer schweren organischen Erkrankung zu leiden – nach strenger Definition über mindestens sechs Monate hinweg. Die Betroffenen quälen sich mit diffusen Beschwerden, die sie als Vorboten oder Symptome lebensbedrohlicher Zustände deuten... Häufiger noch sind leichte Fälle, die so genannten Somatisierer: Menschen mit etwas geringerer Krankheitsfurcht. Sie haben eine deutliche, aber noch keine pathologische Angst, siech zu sein.“ Weiter auf S. 216, a.a.O.: „Eines aber ist allen eingebildeten Kranken gemein: Sie belasten nicht nur sich und die Geduld ihrer Ärzte. Vor allem echte Hypochonder und Somatisierer strapazieren mit häufigen Praxisbesuchen und Untersuchungen das Gesundheitssystem. Nach einer aktuellen dänischen Untersuchung sind knapp zehn Prozent der Patienten, die mit Verdacht auf Neuerkrankungen Hausarztpraxen aufsuchen, echte Hypochonder. ... Studien zeigen: Somatisierer verursachen bis zu neunmal höhere ambulante Behandlungskosten als „Normalkranke“. Im Jahr koste ein solch eingebildeter Kranker die Solidargemeinschaft im Durchschnitt 25000 Euro, ein organisch Kranker nur 2800 Euro, sagt der Hypochondrie-Experte Winfried Rief...“ „Leichter leiden von A-Z“ von Peter Pursche, S. 226, a.a.O. „Burn-Out-Syndrom, das: Während man vor 20 Jahren bei Erschöpfung noch undifferenziert sagte: „Ich bin völlig fertig“, sind Ärzte heute in der Lage, das B. zu diagnostizieren. Nicht zuletzt durch den Druck Hundertausender P(seudokranker) hat die Medizin eine Reihe neuer Krankheiten entwickelt. Neben dem B(urn-Out-Syndrom) erfreuen sich das Sick-Building-Syndrom und das Chronic-Fatigue-Syndrom großer Beliebtheit.“ „Cyberchondriac, the: im englischen Sprachraum inzwischen gängige Bezeichnung für Leidenswillige, die sich im Internet mit Symptomen und potenziellen Maladien versorgen. Dt. Übersetzung: e-Patient.“ „Internet, das: läuft dem Buchladen immer mehr den Rang als wichtigste medizinische Informationsquelle ab – auch, weil sich P(seudokranke) über Chatrooms gleich gegenseitig infizieren können.“ „Selbsthilfegruppe, die: regelmäßiger Treffpunkt für P(seudokranke) zum Austausch von Krankheiten, Rezepten, Adressen und zum Auffrischen der Symptome.“ Dies sind die Leserbriefe, die im STERN Nr. 52 vom 22.12.2005 zu dieser Titelgeschichte abgedruckt wurden:
Die ungekürzte Fassung dieses letzten Leserbriefes fährt fort: "Wenn Ärzte die Beschwerden der Patienten nicht erklären können, so kann das viele Ursachen haben: z.B. Fehldiagnosen oder noch unbekannte Krankheitsmechanismen. 10% aller Patienten schlicht zu Hypochondern zu erklären, ist natürlich viel einfacher, als darüber nachzudenken, wieso eine so hohe Anzahl an Kranken letztlich ohne Hilfe bleibt. Mit dieser Art übelster Diffamierung genügen auch für schwere Krankheitsbilder wie Lyme-Borreliose, das Chronic Fatigue Syndrom oder andere Multisystemerkrankungen ein wenig Spott und zur Not ein paar Stunden Verhaltenstherapie. Das ist in der Tat billiger als angemessene Forschung und Behandlung. Würden wir, wie der „Pionier“ und „Experte“ Winfried Rief dies an anderer Stelle fordert, tatsächlich auf den Stand der Medizin von vor 100 Jahren zurückgehen, dann würden wir Multiple Sklerose wieder als hysterische Lähmung und die Tuberkulose als Folge exzessiver Onanie betrachten – und ungeklärte Krankheitsbilder einfach als „eingebildet“ deklarieren. Soll uns ein solcher Unsinn jetzt etwa als Heilmittel für unser marodes Gesundheitswesen verkauft werden? Oder ist das die „moderne“ ideologische Begleitmusik für Kosteneinsparungen, Klinikschließungen und überlastete, schlecht bezahlte Ärzte und Krankenschwestern? Statt eine große Gruppe von Kranken für unzurechnungsfähig und die Solidargemeinschaft schädigend zu erklären, sollte man lieber die Ursachen für „ungeklärte“ Krankheitsbilder erforschen und den Betroffenen beistehen." AnmerkungenEine vertieftere Darstellung des Hintergrunds der Theorien des "Marburger Hypochondrie-Experten Professor Winfried Rief" ist für einen späteren Zeitpunkt geplant. Rief arbeitet eng mit einer Psychiatergruppe aus Großbritannien zusammen, die sich als sogenannte "Wessely-Schule" einen Namen gemacht hat und bei Patientenorganisationen und auf dem Gebiet des ME/CFS engagierten Ärzten als äußerst umstritten gilt. Diese Psychiatergruppe ist sowohl in Großbritannien als auch auf internationaler Ebene sehr einflussreich und versucht z.B., in die neue internationale Klassifikation der Krankheiten der WHO (ICD) die Kategorie der "somatoform disorders" einzuführen. Auch hat sie sich einen erheblichen Teil der in Großbritannien bereitgestellten Forschungsgelder für ME/CFS gesichert (nähere Informationen dazu finden Sie hier). Nach Meinung dieser Gruppe beruht z.B. ME/CFS nur auf einer falschen Krankheitsüberzeugung und kann durch kognitive Verhaltenstherapie "geheilt" werden. Die "wissenschaftliche Logik" hinter den Theorien und Behandlungsvorschlägen dieser Gruppe erscheint an vielen Stellen so fragwürdig und paradox, dass die Frage erlaubt ist, welche gesellschaftliche Funktion sie erfüllen, um trotzdem eine so wichtige Rolle in einem ansonsten "evidenzbasierten" und den Regeln der Logik folgenden Medizinsystem einzunehmen. Dieser Frage soll in einem späteren Artikel auf dieser Website nachgegangen werden. Nachtrag:Einen Eindruck des "Ansehens", das Simon Wessely bei vielen britischen ME/CFS-Patienten genießt und wie man ihm seitens der Patienten begegnet, bekommt man durch den Bericht von Barbara Robinson, den sie über eine Rede angefertigt hat, die Wessely am 25.1.06 zum Thema Golfkriegssyndrom am Gresham College in London hielt. Er kann - in englischer Sprache - hier heruntergeladen werden. Ein Video dieser Veranstaltung ist unter dieser Adresse zu finden: http://www.gresham.ac.uk/event.asp?PageId=39&EventId=448
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