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Artikel des Monats August 2011
Teil 2
ME/CFS-Patienten - schlimmer als
die Taliban
„Ich gehe jetzt in
den Irak und nach Afghanistan, wo ich mich sehr viel sicherer fühle“
Professor Simon Wessely, Psychiater
und Begründer der sog. Wessely-School |
Sie finden auf dieser Seite zu diesem Thema folgende
Abschnitte:
BMJ: Patienten sind schuld an
mangelnder Forschung
Publikumsbeschimpfung des British Medical
Journal nach dem Besuch bei der Invest in ME Konferenz
Die Veranstalter der Invest in ME Konferenzen möchten mit
den Vorträgen der hochkarätigen Wissenschaftler stets das „medizinische
Establishment“ und die zuständigen Politiker erreichen. Deshalb wurden auch
immer wieder Redakteure der großen britischen medizinischen Fachzeitschriften
eingeladen - bislang vergeblich. Nun endlich, bei der 6.
Internationalen Invest in ME Konferenz, hat das British Medical Journal (BMJ) die Einladung angenommen.
vl.n.r.:
John Chia (USA), Simon Carding (GB), Trish Groves vom British Medical Journal, Olav Mella
und Øystein Fluge (beide Norwegen)
Aber warum schickten sie mit Trish Groves, der stellvertretenden Chefredakteurin, eine
Psychiaterin und
keinen Immunologen, Infektionsspezialisten, Endokrinologen, Biologen,
Internisten? Schon dies spiegelt die Sichtweise des BMJ des ME/CFS wider. Seit
Jahren vertritt die Zeitschrift in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit des
medizinischen Establishments in Großbritannien (und auch vielen anderen Ländern,
allen voran Deutschland) die These von der psychogenen Verursachung des ME/CFS.
Folgerichtig ist aus ihrer Sicht, dass die passende Fachrichtung für den Besuch einer
ME/CFS-Konferenz die Psychiatrie ist.
Trish Groves' Besuch nahm kein gutes Ende, weil sie
offensichtlich aufgrund ihrer starken Voreingenommenheit nicht zugehört und
nichts von dem mitbekommen hat, was ihr hier präsentiert wurde.
Sie äußerte sich in der Podiumsdiskussion am Ende der
Konferenz und
löste damit einige heftige Reaktionen und bei vielen Zuhörern Kopfschütteln aus.
Sie hatte laut ihrer eigenen Aussage von den Vorträgen
nichts verstanden, behauptete aber dennoch, dass es keine Studien zu ME/CFS
gäbe, die reif für klinische Studien wären. Sie kritisierte, dass es bei der
Konferenz nicht um die Patienten gegangen sei und betonte deshalb den Vorzug der
PACE-Trials.
Die PACE-Trials
Diese PACE-Trials sind Anfang des Jahres in der
bekannten Zeitschrift The Lancet erschienen und behaupten, dass
kognitive Verhaltenstherapie und ansteigendes körperliches Training
bei „CFS“ hilfreich seien. Sie sind von einem Anhänger der „Wessely-School“,
von dem Psychiater Peter White geleitet worden und beruhen auf der
Prämisse, das ME/CFS rein psychogener Natur sei und nur durch
falsche Krankheitsüberzeugungen, Überempfindlichkeit und zuviel
Schonung zustande käme. Eine biologisch-organische Ursache des
Krankheitsbildes wird darin bestritten, folgerichtig auch die
Notwendigkeit einer biologisch-organischen Behandlung. Diese PACE-Trials sind bei
den Patienten auf heftigen Widerstand gestoßen und wurden von
Professor Malcom Hooper, einem langjährigen Unterstützer der
Patientenbewegung, in einem 442 Seiten starken Dokument als
unwissenschaftlich und unhaltbar analysiert |
Drei Artikel im
BMJ
Aber das war erst der Auftakt. Kurz darauf veröffentlichte Trish
Groves im BMJ einen Artikel mit dem Titel „Heading for a therapeutic stalemate“ („Auf dem Weg in eine
therapeutische Sackgasse“). Dort schildert sie ihren Eindruck von der
Invest in ME Konferenz: Sie habe gewusst, dass die Laborwissenschaft noch
keine biologischen Beweise geliefert habe, die zu großangelegten, klinischen
Studien führen könnte, aber „ich hätte gehofft, mehr über Patienten-zentrierte
Forschung zu hören und gab zu, dass ich viele der Vorträge nicht verstanden
habe. Als ich dann das Studiendesign und die Ergebnisse der PACE Trials
verteidigte (…) und offen legte, dass ich einen beruflichen Hintergrund in
Psychiatrie habe, fingen mehrere Leute im Publikum an, aggressiv zu schreien.
Es endete dann etwas konstruktiver mit meinem Angebot, bei
der Konferenz im kommenden Jahr darüber zu sprechen, für welche Forschungsfragen
und Studiendesigns staatliche Mittel bereitgestellt werden könnten und die dann
in gängigen medizinischen Fachzeitschriften veröffentlich werden könnten.“
Diese Aussagen kann man durchaus, wie es auch die Zuhörer
bei der Invest in ME Konferenz taten, als Realitätsverleugnung und -verdrehung
werten - und als bodenlose Provokation. Denn nicht zuletzt ist es der Politik von medizinischen
Fachzeitschriften wie dem BMJ und The Lancet zu verdanken,
dass in Großbritannien (und auch in vielen anderen Ländern) seit Jahrzehnten ausschließlich psychiatrische Studien zu „CFS“ finanziert werden und für
klinische und biomedizinische Forschung kein Geld zur Verfügung gestellt wird.
Trish Groves Aussagen waren zudem gerade angesichts der Konzentration der
Konferenz auf Vorträge, die Argumente für die Notwendigkeit klinischer
Forschung zu Hauf lieferten, ein regelrechter Schlag ins Gesicht. Und das
großzügige Angebot an die anwesenden Spitzenforscher, ihnen im nächsten Jahr zu
erklären, wie man eine Studie „ordentlich“ aufbaut, damit sie auch finanziell
gefördert und dann im BMJ oder anderen Fachzeitschriften abgedruckt wird, haben
viele als arrogante Verhöhnung und Missachtung dessen empfunden, was sie gerade
vorgetragen hatten.
Was Trish Groves im Nachhinein als „aggressives Schreien“
verunglimpfte, war die von einigen Zuhörern geübte in der Tat lautstarke Kritik
an der bisherigen Politik des BMJ in Bezug auf ME/CFS. Angesichts der verdeckten
Aggression, Verleugnung und Verhöhnung und der Provokation in den Aussagen von Trish Groves
war es jedoch nur zu verständlich, dass einige der Teilnehmer, die sich an
Krücken zur Konferenz geschleppt hatten, laut wurden. Denn ihre Aussagen
spiegelten die seit Jahrzehnten bestehende Ignoranz des BMJ gegenüber der
biomedizinischen Forschung im Bereich ME/CFS wider und dem bevorzugten Abdrucken
von Artikeln der sogenannten „Wessely-School“, die eine psychogene Verursachung des ME/CFS
behauptet.
BMJ behauptet anschließend: Die Patienten sind schuld an
mangelnder Forschung!
In drei Artikeln, die nach dieser Konferenz im BJM zu dem
Thema erschienen, wird auf die Patientenbewegung aufs Übelste eingeschlagen und
diese mit ihrem „aggressiven Schreien“ für den Stillstand der Forschung
verantwortlich gemacht wird. (Gesamttext der drei Artikel unter
www.meassociation.org.uk/?p=6711)
Trish Groves stellt dort zunächst die ganz richtige Frage:
„Warum kann CFS/ME nicht so sein wie andere häufige
chronische Erkrankungen, wo Patienten, ihre Helfer, Ärzte und Forscher
zusammenarbeiten, um Fragen für die Forschung zu stellen, mehr Verständnis zu
gewinnen und - solange es noch keine eindeutigen Erklärungen und
Heilungsmöglichkeiten gibt - zumindest Möglichkeiten finden, wie man den
Bedürfnissen der Patienten entgegen kommen kann?"“
In der Antwort auf diese Frage dürften die Meinungen des
BMJ und anderer Anhänger der
„Wessely-School“ und die der ME/CFS-Patienten jedoch
auseinandergehen. Im BMJ sieht man die Ursache des von Trish Groves richtig
benannten Dilemmas
allerdings nicht im Mangel an biomedizinischer Erforschung
des ME/CFS, sondern darin, dass „aller Fortschritt immer wieder von zunehmend
aggressiver Einschüchterung von Forschern erstickt wird. Beschimpfungen im
Internet, persönliche Drohungen, Schikanen und Anzeigen beim General Medical
Council (einer Aufsichtsbehörde) haben das Feld für viele zu einem gefährlichen
Sperrgebiet gemacht.“
Das schreibt Fiona Godlee, Chefredakteurin, in der gleichen
Ausgabe des BMJ.
Sprich: die PATIENTEN sind Schuld daran, dass es keine
Forschung gibt! Weil sie so aggressiv sind und jeden fürsorglichen
Wissenschaftler vertreiben! Wenn das nicht ein Beweis dafür ist, dass sie eine
psychische Störung haben...- das will man wohl im BMJ vermitteln.
Trish Groves droht folgerichtig in der gleichen Ausgabe unter dem Titel
„Heading
for a therapeutic stalemate“ („Auf dem Weg in eine therapeutische Sackgasse“):
„Es könnte bald in einer
therapeutischen Sackgasse enden, in der die meisten Patienten und Aktivisten
glauben, dass nur medikamentöse Behandlungsansätze auf basierend auf einer
biologischen Ursache helfen können und in der die meisten Ärzte glauben, dass
Patienten, die ansteigende körperliche Belastung und kognitive
Verhaltenstherapie nicht ausprobieren, unbehandelbar sind.“
Das könnte man auch so verstehen: Friss, Vogel, oder stirb.
Wenn Ihr kognitive Verhaltenstherapie und Graded-Exercise ablehnt, dann bekommt
Ihr gar nichts! In der Tat sehr fürsorglich.
Auch in den beiden anderen Artikeln des BMJ werden die
ME/CFS-Patienten regelrecht beschimpft und die Realität verdreht. Simon Wessely,
dem Begründer der
„Wessely-School“, der nachweislich mit großen Versicherungskonzernen und dem
britischen Ministerium für Arbeit und Renten zusammenarbeitet, wird eine breite
Plattform für seine Aussagen geboten. Wir lesen dort seine Zitate:
„Viele Forscher werden bedroht, wenn sie die ‚falschen'
Ergebnisse liefern. Und deshalb hören die meisten einfach auf.“
„Es ist eine erbarmungslose, bösartige, niederträchtige
Kampagne, die verletzen und einschüchtern soll," sagt Professor Wessely. "Meine
gesamte Post wird seit Jahren durchleuchtet. Ich habe auf Bitten der Polizei
Telefone mit schneller Wählfunktion und Panikschaltern und ich werde regelmäßig
im Hinblick auf meine Sicherheit und spezielle Drohungen geschult.“
„Seit der Veröffentlichung von PACE ist das schlimmer
geworden, und zur Zeit untersucht die Polizei zwei Fälle, bei denen spezielle
Drohungen im Hinblick auf meine körperliche Unversehrtheit ausgesprochen wurden.
Diese Leute sind hitzig, bösartig, grauenhaft.“
„Sie haben alle Persönlichkeitsstörungen. Sie sind
geschädigt und gestört, mit fixen Ideen über Psychiatrie. Mit diesen Leuten ist
es nicht etwa so, dass sie nicht wollten, dass es ihnen besser geht, aber wenn
der Preis dafür ist, dass sie die psychiatrische Grundlage der Krankheit
anerkennen müssen, dann ziehen sie es vor, dass es ihnen nicht besser geht.“
„Was Professor Wessely betrifft, so hat er die aktive
Forschung über CFS/ME vor 10 Jahren aufgegeben. Er spezialisiert sich jetzt auf
die Probleme von Kriegsveteranen. ‘Ich gehe jetzt in den Irak und nach
Afghanistan, wo ich mich sehr viel sicherer fühle’, sagt er.“
Ergo: ME/CFS-Patienten sind schlimmer als die Taliban.
Offensichtlich hat Professor Wessely, der Herr Psychiater,
jedes Maß verloren. Es mangelt ihm nicht nur an Realitätssinn, sondern offenbar
auch vollkommen an Sensibilität, was für eine Missachtung eine solche Aussage
gegenüber allen jungen Menschen ist, die täglich im Irak und in Afghanistan ihr
Leben riskieren. Und ihrer Angehörigen, die täglich bangen müssen, ob sie heil
wieder nachhause kommen oder in einem Zinksarg.
Jetzt also will er sich um das Golfkriegssyndrom „kümmern“!
Wie willkommen er da sein wird, geht aus diesen Aussagen hervor, die einst
ebenfalls im BMJ zu lesen waren:
Die
Psychiater der Wessely-Schule wurden im eBMJ (N Portman,
3rd December 2003) als „eine kleine Clique
von undemokratischen, unverantwortlichen, eigennützigen
Psychiatern" beschrieben, "denen es gelungen ist, den Großteil
der Forschungsgelder auf diesem Gebiet an sich zu reißen und
die, dank ihrer Vorurteile, seitdem der Niedergang dieses
Gebiets sind.“
In
seiner Zeugenaussage vor öffentlichen Anhörung zum
Golfkriegssyndrom, die im Palace of Westminster im Jahr 2004
unter der Leitung von The Rt Hon
The Lord Lloyd of Berwick, Robert Haley, Professor und Direktor
der Abteilung für Epidemiologie und Präventivmedizin an der
University of Texas South Western Medical Centre, Dallas,
einer weltweit anerkannten Autorität in Bezug auf das
Wesen und die Ursachen der neurologischen Krankheit bei
Golfkriegsveteraten, abgehalten wurde, sagte über Wessely et
al.: „Das wichtigste Beispiel des unproduktiven Gebrauchs einer
unspezifischen zusammengeschusterten Falldefinition war die
Reihe von Studien der Gruppe vom Kings College in London.
Aus: Wessely's Way: Rhetoric or Reason?
von Malcom Hooper und Margaret Williams von 2008, siehe
http://www.meactionuk.org.uk/Wesselys_Way.htm
Siehe auch: The Mental Health Movement:
Persecution of Patients? A consideration of the role of Professor
Simon Wessely and other members of the "Wessely School" in the
perception of Myalgic Encephalomyelitis (ME) in the UK
http://www.meactionuk.org.uk/SELECT_CTTEE_FINAL_VERSION.htm
|
In welchem Ausmaß wir nicht nur von Wessely als
gefährliche, neurotische, unerträgliche Menschen dargestellt werden, macht auch
der dritte Artikel des BMJ von Nigel Hawkes deutlich. Er beginnt so:
„Nigel Hawkes berichtet, wie Drohungen gegenüber
Forschern von Aktivisten in der CFS/ME-Gemeinde die Erforschung der Krankheit
ersticken.
Es gibt Jobs, mit denen ein Risiko verbunden ist, wenn man
sich beispielsweise auf einem Jahrmarkt zur menschlichen Kanonenkugel machen
lässt. Es gibt Jobs, bei denen man Schimpf und Schande auf sich zieht,
beispielsweise, wenn man Immobilienmakler ist, einen weißen Van fährt oder am
Telefon Doppelverglasungen verkauft. Und dann gibt es da den Job, zu versuchen,
Forschung zum Chronic Fatigue Syndrom/Myalgischer Enzephalomyelitis (CFS/ME)
durchzuführen.“
Fazit:
Man fragt sich, ob mit solchen paradoxen und
realitätsfernen Aussagen nicht die Opfer zu Tätern und die Täter zu Opfern gemacht werden.
Nicht wir ME/CFS-Patienten werden von solchen Hetzkampagnen in Verruf gebracht, sondern wir bringen
demnach gute Forschung in Verruf - Nigel Hawkes schreibt, „dass
die Menge an kritischen Briefen, die die Zeitschrift zu den PACE-Trials bekommen
hat, nach einer aktiven Kampagne roch, um die Forschung in Verruf zu bringen.“ Das BJM macht mit solchen Artikeln genau das, was uns als Patienten
vorgeworfen wird: verunglimpfen und bedrohen. Lesen Sie dazu auch die
hervorragenden Analysen von Malcom Hooper im
August-2011-3-Artikel.
Man hat den Eindruck, dass die Vertreterin des BMJ, Trish Groves, zur Konferenz mit vorgefassten Meinungen über die Widerwärtigkeit
von ME/CFS-Patienten gekommen ist und sich durch ihr Verhalten genau jenes Vorurteil
bestätigt hat. Die Antwort auf die vom BMJ gestellte Frage, wie denn
Pattsituation zu beenden sei, könnte vielleicht lauten, dass wichtige Vertreter
des „medizinischen Establishment“ endlich einmal anfangen zuzuhören - etwas, das Trish Groves bei dieser Konferenz nicht getan zu haben scheint.
Der Versuch, das „medizinische Establishment“ mit dieser
Konferenz zu erreichen, kann somit getrost als gescheitert betrachtet werden. Aber er
machte erneut die tiefe Kluft zwischen der herrschenden Meinung der Medizin über
das „CFS“ und den von ME/CFS betroffenen Patienten deutlich - etwas, unter dem
wir auch hier in Deutschland leiden. Die gerade in einer überarbeiteten Fassung
erscheinenden deutschen Leitlinien „Müdigkeit“ legen hierfür ein beredtes
Zeugnis ab. Lesen Sie dazu mehr
hier.
Lesen Sie auch die Gedanken von
Danny de Zog über unsere vertrackte Lage und wie wir vielleicht einen Ausweg
daraus finden können.
***********
Hier zwei von
zahlreichen Leserbriefen, die das BMJ anschließend erhielt.
Weitere äußerst lesenswerte Briefe bzw. Stellungnahmen
finden Sie
hier von "Dr. Speedy" und
hier von Louise Gunn
von der International ME Association.
Ein Funken an Anstand
Leserbrief von Andrea Pring, Patientenvertreterin und Autorin, hat als
Antwort auf die drei BMJ-Artikel einen bemerkenswerten Leserbrief geschrieben,
dessen wichtigste Teile vom BMJ jedoch gestrichen wurden. Sie schreibt u.a.:
Was wollte das BMJ eigentlich erreichen mit dem Abschießen
dieser Scud-Rakete auf eine Gemeinde von bereits am Boden liegender Patienten?
Was sind Ihre Motive und Ziele? Als stellvertretender Herausgeberin des BMJ
würde es sich für Trish Groves ziemen, sich mit den Fakten zu bewaffnen, bevor
sie den Mangel an Einvernehmen zwischen bestimmten Forschern und
Patientenvertretern beklagt. (…) Wenn Patienten sehen, dass kein Geld für die
Erforschung einer von der WHO als neurologisch klassifizierten Krankheit
bereitgestellt wurde, die entkräftet und tötet, dann sind sie erbost. Wenn sie sehen,
dass die größte finanzielle Spritze an psychiatrische Forscher gegeben wird, die
nicht nur die Neigung haben, ihre Ziele zu verschieben und die diagnostischen
Kriterien zu verwässern, so dass das Spielfeld vollständig von Widersprüchen und
Unzulänglichkeiten getrübt ist, sondern die auch noch nachgewiesene Verbindungen
mit Versicherungsunternehmen haben, (die ein Interesse daran haben, die
Krankheit weiterhin zu psychologisieren) -- dann sind sie empört. (...) Ist es
zuviel verlangt, um Mitgefühl zu bitten? Wenn so viele Leben zum Stillstand
kommen und in einem quälenden Zustand der Reglosigkeit gehalten werden; wo die
Zeit verstreicht, wie sie das bei jedem tut, aber unsere Leinwand bleibt leer,
wir haben keine Farbe, mit der wir malen können, keinen ersten Kuss, keine
erfolgreiche Karriere, kein Zuhause, keine Ehe, keine Kinder - eine leere
Zukunft. Ist es zuviel verlangt darum zu bitten, dass manche Forscher ein
Fünkchen an Freundlichkeit und Anstand zeigen?
Wir sind nicht nur mit dem Schicksal geschlagen, diese
Krankheit zu ertragen, für die es keine Behandlung oder Versorgung gibt, sondern
wir müssen auch noch jeden Tag um grundlegenden Anstand und Menschlichkeit
kämpfen. Das BMJ sollte sich schämen, ein solches Monster auf die Bühne zu
bringen.
Vollständige Version dieses Leserbriefs unter:
http://dancingwiththesandman.blogspot.com/2011/06/modicum-of-decency-full-version-of-my.html
|
Malcolm
Hooper,
Emeritus Professor of Medicinal
Chemistry
University of Sunderland
Leserbrief zu:
Ending the stalemate over CFS/ME. Godlee 342:doi:10.1136/bmj.d3956
Die Herausgeberin
des BMJ bezieht sich auf die „unproduktive Pattsituation“ hinsichtlich der seit
langer Zeit bestehenden Differenzen über die Natur des ME zwischen der
evidenzbasierten biomedizinischen Schule auf der einen Seite, die mindestens bis
ins Jahr 1956 zurückreicht (wobei die WHO ME im Jahr 1969 als neurologische
Krankheit klassifiziert hat) und der „psychosozialen“ Schule auf der anderen
Seite, deren einschlägige Interessen in der Aufrechterhaltung ihrer
eigentümlichen Kategorisierung des ME als einer psychischen Erkrankung
Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung waren (1).
|
Hier verliest Professor Malcom Hooper bei der
Invest in ME Konferenz im Mai 2011 einen Brief von Peter White, dem
leitenden Psychiater der PACE-Trials, in dem dieser als Antwort auf
eine 42-seitige Kritik Hoopers an diesen PACE-Trials schreibt, dass
diese doch gar nicht ME/CFS untersucht hätten (!). Gleichzeitig wird
von ihnen weltweit - und bevorzugt auch in deutschen Medien -
verbreitet: "Verhaltenstherapie und Sport hilft bei CFS" z.B.
hier oder
hier. Diese PACE-Trial-Autoren nehmen es mit der Wahrheit also
offensichtlich nicht sehr genau. |
Zu dieser
Pattsituation gehört, dass die psychosoziale Schule im Jahr 1992 angeordnet hat,
dass die erste Pflicht des Arztes bei Patienten mit ME ist, die Legitimierung
der Symptome zu vermeiden (2); im Jahr 1994 wurde ME durch sie als nur „ein
Glauben“ beschrieben (3); im Jahr 1996 haben sie empfohlen, dass keine
Untersuchungen durchgeführt werden sollten, um die Diagnose zu bestätigen (4);
im Jahr 1997 haben sie von ME als einer „Pseudo-Krankheits-Diagnose“ gesprochen
(5) und im Jahr 1999 sagten sie über ME-Patienten: „Diejenigen, die in kein
Schema von objektiver körperlicher Erkrankung passen und dennoch ablehnen, eine
psychiatrische Erkrankung zu haben und das damit verbundene Stigma zu
akzeptieren, bleiben die unverdienten Kranken unserer Gesellschaft und unseres
Gesundheitssystems“(6).
In seinem Brief an
das BMJ (7) weist Peter White et al. die Schlüsselsymptomatologie des ME ab, und
die zugehörigen Ataxien, das Herzklopfen mit Herzrhythmusstörungen und der
Verlust der thermostatischen Stabilität seien von fraglicher Gültigkeit, wobei
diese Symptome jedoch ausdrücklich erforderlich sind für die Diagnose des ME,
wie es von 26 internationalen Experten aus 13 Ländern festgelegt wurde –
Experten, die zusammen über 400 Jahre Erfahrung in der Diagnose von über 50.000
Patienten haben (8).
Diese Experten
gründen ihre neuesten Kriterien auf die biomedizinische Forschung und klinische
Erfahrung hinsichtlich der ausgedehnten Entzündungsprozesse und der
multisystemischen Neuropathologie, die man bei ME findet.
Obwohl er das
behauptet, untersuchen Peter White et al. gar nicht das ME; sie benutzen ihre
eigenen Oxford-Kriterien, die Patienten mit psychiatrischen Krankheiten
auswählen und bei denen chronische Erschöpfung ein Merkmal ist (9).
White sagt, dass
ihre eigenen Kriterien leichter anzuwenden seien und besteht darauf, dass sie
die Patienten mit ME nicht ausschließen, einfach deshalb, weil er glaubt, dass
ME eine psychiatrische Erkrankung sei.
Darüber hinaus
beklagt sich Peter White in seinem Brief an das BMJ, dass die Kriterien, die
Menschen mit klassischem ME definieren, für die Ärzte zu lästig in der Anwendung
sind.
Wann hat die
sorgfältige Untersuchung von kranken Menschen aufgehört, ein Teil der
medizinischen Praxis zu sein, insbesondere, wenn die infrage stehende Krankheit
als komplexe Multisystemerkrankung bekannt ist?
Literatur:
1.
http://erythos.com/gibsonenquiry/Docs/ME_Inquiry_Report.pdf
2.
Medical Research Council Highlights of the CIBA Foundation Symposium on CFS,
12-14th May 1992, reference S 1528/1 (section entitled "The Treatment Process"),
now held in the MRC secret files on ME at the National Archive, Kew, and closed
not for the customary 30 years but for the unusually lengthy period of 73 years
3.
"Microbes, Mental Illness, The Media and ME - The Construction of Disease".
Simon Wessely; 9th Eliot Slater Memorial Lecture, Institute of Psychiatry, 12th
May 1994 (transcript and Wessely's own working notes)
4.
Chronic Fatigue Syndrome.
Report of a Joint Working Group of the Royal Colleges of Physicians,
Psychiatrists and General Practitioners; Royal Society of Medicine (CR54),
October 1996
5.
"Chronic Fatigue Syndrome and Occupational Health"; A Mountstephen & M Sharpe;
Occupational Medicine 1997:47:4:217-227
6. "ME.
What do we know - real physical illness or all in the mind?" Lecture given in
October 1999 by Michael Sharpe, hosted by the University of Strathclyde
(transcript)
7. BMJ
2011:343:d4589
8.
Journal of Internal Medicine: Accepted Article: doi:10.1111/j.1365-
2796.2011.02428.x
9. JRSM
1991:84:118-121
Interessenkonflikte: Ich setze mich
seit vielen Jahren für die Interessen von Menschen mit ME ein und habe ausgiebig
über die Misere und die Ungerechtigkeiten veröffentlicht und gelehrt, die
Menschen mit ME und diejenigen, die sie versorgen als Konsequenz der
ideologischen Sichtweisen einiger Psychiater und der Regierungsbehörden erleben
müssen, die die gewaltige Menge an geprüften und veröffentlichten
biomedizinischen Belegen durchgängig verleugnet oder ignoriert haben.
|
Danny Ze-dog hat bei Facebook diese äußerst bemerkenswerten Gedanken
formuliert:
Nachdem ich ein wenig über
die neueste von Wessely inszenierte Provokation und die darauf
folgenden Reaktionen der Patienten gelesen habe, ist mir die Art und
Weise, in der wir uns als Patientenvertreter oft verpflichtet
fühlen, unsere Argumente zu formulieren, noch stärker als sonst
üblich aufgestoßen. Wir neigen dazu, jedes neue biomedizinische
Forschungsergebnis als einen weiteren „Beweis dafür, dass sich die
Krankheit nicht nur in unserem Kopf abspielt/psychisch bedingt ist“
anzupreisen.
Wir sind durch einen Trugschluss
im zeitgenössischen medizinischen Denken in diese permanente
Verteidigungsposition gedrängt worden, und auch durch vorsätzlichere
Bemühungen, positive biomedizinische Forschungsergebnisse in
Misskredit zu bringen und unsere Krankheit als psychologisch
verursacht abzutun. Aber ich glaube, es ist ein Problem dass wir
diese Verteidigungsposition überhaupt annehmen, da sie dem irrigen
Argument unserer Gegner „keine körperlichen Beweise =
psychosomatisch“ stillschweigend Glaubwürdigkeit verleiht.
Die Machenschaften der
DSM-5-Arbeitsgruppe der American Psychiatric Association haben mir
klar gemacht, dass kein noch so großes Ausmaß an biomedizinischen
Beweisen, die kurz davor sind, die Ursache festgestellt zu haben,
niemals wirklich genug sein wird, uns von der „Psycholobby“ zu
befreien. Zum Teufel, selbst wenn humane Gammaretroviren
unzweifelhaft als die Ursache festgestellt werden, sind wir
vielleicht nicht von der psychosomatischen Schule befreit, die sich
seit einiger Zeit als Parasiten im Medizinsystem festgesetzt haben.
Das DSM-5 (das Handbuch für psychiatrische Diagnosen, das in den USA
und weitgehend auch in Großbritannien und anderswo benutzt wird) hat
eine Kategorie „Complex Somatic Symptom Disorder“ vorgeschlagen, aus
der potentiell zu beinahe jeder körperlichen Erkrankung eine
Diagnose hinzugefügt werden kann: „Aber sicher, Sie haben AIDS, aber
Sie haben auch irgendetwas Psychiatrisches, was die Dinge schlimmer
macht, als sie wirklich sind…“ und so weiter, und so weiter.
Wenn dieser DSM-V-Vorschlag Wirklichkeit wird,
dann werden Menschen mit ME/CFS sehr in Gefahr sein, eine primäre
oder sekundäre Diagnose einer „Chronic Somatic Symptom Disorder“ zu
bekommen. Es ist leicht, kognitive Verhaltenstherapie (CBT) oder gar
ein gewisses Maß an Graded-Exercise Therapie (GET) so darzustellen,
als ob sie als „angebracht“ angesehen würden, selbst dann, wenn Du
erwiesenermaßen eine retrovirale Infektion hast, von der man weiß,
dass sie Deine Krankheit verursacht. In dem Fall sind die Chancen,
die Wesselys, Sharpes, Creeds und Reeves' dieser Welt von den gesammelten biomedizinischen
Beweisen zu überzeugen, wahrscheinlich gleich Null.
Nichts wird wirklich genug sein, und zwar wegen
der irrationalen Ideologie, die sie befürworten. Deshalb schlage ich
vor, dass wir uns nicht gestatten, in eine Haltung zu verfallen, zu
beweisen, dass unsere Krankheit sich nicht in unserem Kopf abspielt,
sondern stattdessen fordern, dass andere zu beweisen haben, dass
dies so sei. Die Wissenschaft hat nicht bewiesen, dass der Geist ein
allmächtiger Erzeuger von somatischen Symptomen sei, und das
Akzeptieren dessen, dass der Geist das sein könnte, läuft auf einen
gleichsam religiösen Glauben hinaus. Wo ist der empirische Beweis
dafür, dass die „Psyche“ tatsächlich in der Lage ist, somatoforme
Erkrankungen zu produzieren? Tatsache ist, dass es dafür kaum einen
Beweis gibt, und selbst wenn, dann nur in sehr speziellen Fällen –
und definitiv nicht bei ME/CFS.
Dennoch ist das endgültige
Problem, dem wir in dieser Hinsicht gegenüberstehen, dass die
Medizin im Laufe der Jahre psychosomatische Krankheiten als einen
„Standardwert“ akzeptiert haben, wenn Ärzte nicht finden können, was
sie als ausreichende klinische Erklärung für die Symptome eines
Patienten betrachten. Das ist eine komplette und äußerst faule
intellektuelle Ausrede und ein Verrat an Wissenschaft und Logik, und
dennoch ist dies ein Stützpfeiler der modernen medizinischen Praxis
geworden.
Was können wir dagegen tun? Ich
glaube, die Antwort ist, dass wir in die Offensive gehen müssen
gegenüber denen, die unsere Krankheit „psychologisieren“:
-
Fordern, dass die Beweislast auf die Psychologisierer verlagert
wird, statt auf diejenigen, die bereits die biologischen
Anomalien bei ME/CFS-Patienten bewiesen haben.
-
Sie
herausfordern, einen einzigen Beweis von reproduzierbaren
empirischen Belegen vorzulegen – der durch die wissenschaftliche
Methode erbracht wurde – dass ME/CFS dem Wesen nach
psychosomatisch sei.
Ich rate Patientenvertretern und
–organisationen dringend, das zu den zentralen Themen bei neuen
Botschaften an das medizinische Establishment zu machen, und
besonders beim Umgang mit der „Psycho-Lobby“ auf der ganzen Welt.
ME/CFS ist, unter anderem, das Paradebeispiel für die Korruption von
Praxis und Wissenschaft der Medizin durch die psychiatrische
Mythologie des 19. Jahrhunderts geworden. Es ist lange überfällig,
das medizinische Establishment aufzufordern, die psychosomatische
Ideologie als den Schwindel anzusehen, der er ist, und zu zwingen,
sich zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft zu entscheiden. |
Übersetzung: © Regina Clos
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