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     Artikel des Monats Januar 2011 Teil 5

    Das Xenotrope Mäuseleukämie-verwandte Virus (XMRV) bei Krebs des Menschen und dem Chronic Fatigue Syndrom (CFS): Ist eine Familie humaner Gamma-Retroviren daran beteiligt?

    Zusammenfassung des Vortrags von

    Dr. Judy Mikovits

    anlässlich  der Fatigatio-Fachtagung vom 24.-25. September 2010 in Dortmund

    von Regina Clos

    Bitte beachten Sie: 2012 hat sich herausgestellt, dass dieses XMRV keine Humaninfektion, sondern eine im Labor entstandene Chimäre war. Näheres unter Artikel des Monats Dezember 2012 - 1 auf dieser Website!

     

    Dr. Judy Mikovits sprach in ihrem Vortrag vorwiegend über die Schwierigkeiten der Bestimmung des Virus und weniger über die Rolle des Virus im Rahmen von Krankheitsprozessen. Man hat das Gammaretrovirus bisher im Prostatagewebe von Patienten mit Prostatakrebs gefunden (bei 6-27%), im Blut von Patienten mit ME/CFS (bei 67% im Vergleich zu 3,7% der gesunden Kontrollen) und im Atemwegstrakt von immunsupprimierten Patienten (9,9% im Vergleich zu 3,2% der Gesunden – dies war eine deutsche Studie von Nicole Fischer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

    Einige Studien haben das Retrovirus jedoch überhaupt nicht finden können, weder bei Patienten, noch bei Gesunden. In diesen Studien wurde hauptsächlich eine DNA-PCR der mononukleären Zellen des peripheren Blutes durchgeführt.

     Die mehrfach geäußerte Vermutung, dass ihre Befunde über das Vorkommen des XMRV bei ME/CFS-Patienten und gesunden Kontrollpersonen auf eine Laborkontamination mit Mäuseleukämieviren (also dem XMRV nahe verwandten Viren) zurückzuführen sei, ist mittlerweile widerlegt worden. Ebenso ist die Vermutung widerlegt, man habe lediglich ein sogenanntes endogenes (harmloses) Retrovirus gefunden, also eine virale Gensequenz, die sich irgendwann einmal vor langer Zeit in das menschliche Genom eingebaut hat, jetzt aber nicht mehr infektiös ist. Man hat nämlich in der DNA von CFS-Patienten keinerlei Mäuse-DNA gefunden.

    Es gäbe mehrere Gründe dafür, warum man in einigen Studien das XMRV überhaupt nicht habe finden können. Es könne eine höhere Sequenzvariation geben, als man ursprünglich angenommen hatte. D.h. das neue humane Gammaretrovirus hat wahrscheinlich mehrere Variationen, bei denen die genetische Information nicht zu 100% übereinstimmt. Vergleichbares findet man auch bei anderen Retroviren.

    Weiterhin könne es sein, dass das Blut, auf das man sich in der Bestimmung des Virus stützt, nicht das Hauptreservoir für das Virus sei, sondern andere Gewebe oder Organe.Bislang wurde das noch nicht untersucht. Es könne auch sein, dass das humane Gammaretrovirus ähnlich wie das Retrovirus HTLV-1 nur in manchen Gegenden der Erde auftritt. Außerdem könnten die Diagnosekriterien, mit denen man die Patientenpopulationen für Studien aussucht, unterschiedlich seien. Auch könnten sich die Untersuchungsmethoden für das XMRV unterscheiden bzw. ungeeignet sein.

    Man kann das Virus mit Antikörpern gegen XMRV-verwandte Viren entdecken wie etwa gegen Hüllproteine des Spleen Focus Forming Virus (SFFV) und Antikörper gegen Mäuseleukämieviren (MLV). Spezialisten für solche Antikörper sind Sandra und Frank Ruscetti, mit denen Judy Mikovits bereits sehr lange zusammenarbeitet. Man hat das Virus bzw. seine Gene mit sehr vielen verschiedenen Antikörpern gesucht.

    Judy Mikovits ging auf die verschiedenen Untersuchungsverfahren zur Bestimmung des XMRV ein. Sehr häufig findet man das Virus mit dem einen Verfahren nicht, mit dem anderen aber doch. Die Untersuchung eines Patienten mit nur einem Verfahren, insbesondere der PCR, ist also nicht verlässlich. Es können falsch-negative Ergebnisse herauskommen, obwohl der Patient tatsächlich infiziert ist. Außerdem ist es entscheidend, nach welchen Virussequenzen man sucht, nach welchen Genen, dem „env“-Gen oder dem „gag“-Gen. Und es ist ein großer Unterschied, ob man das Virus in den Blutzellen oder im zellfreien Blutplasma sucht. Im Plasma scheint man es wesentlich häufiger zu finden. Da die Anzahl der Viruskopien in den Zellen sehr gering ist, kann es sein, dass man das Virus nicht findet, wenn man die Proben nicht auf eine spezielle Art behandelt, durch die die wenigen vorhandenen Viruskopien freigesetzt und zur Vermehrung angeregt werden.

    Sie beschrieb die Tücken und Mängel der PCR-Untersuchung und dass man hier zwei Runden durchlaufen muss, um ein verlässlicheres Ergebnis zu bekommen. In einer zweiten PCR-Runde ergeben sich dann sehr viel mehr positive Befunde – wie die nachfolgende Tabelle eindrücklich zeigt.  (erste Tabelle) Und Belege für das Hüllprotein (env) finden sie so gut wie gar nicht, obwohl die Patienten infiziert sind.

    Deshalb sind Assays,(Tests), die das Virus im zellfreien Blutplasma suchen, möglicherweise eine empfindlichere Methode, das Virus zu entdecken. Wenn man das Blutplasma auf eine Art Nährmedium gibt, auf eine Zelllinie (mit dem Namen LNCaP), dann bilden sich dort wieder vollständige Viren aus – ein Beleg dafür, dass der Patient infiziert ist. Möglicherweise, so Mikovits, ist das Hauptreservoir des Virus in der Milz, den Lymphknoten oder im Lymphgewebe.

    Auch der im August veröffentlichte Artikel von Lo/Alter bestätigt, dass mehr Sequenzvariation des XMRV gibt, als ursprünglich beobachtet. Diese Forschergruppe hat Sequenzen von Mäuseleukämievirus-verwandten Viren (MRVs) entdeckt, die enger verwandt sind mit den polytropen Mäuseleukämieviren, also Mäuseleukämieviren, die sowohl Mäuse als auch andere Spezies infizieren können. Lo/Alter haben die Virusvariation, die sie gefunden haben, deshalb als PMRV bezeichnet – als polytropic murine leukemia virus-related virus. Sowohl das XMRV als auch das PMRV gehören jedoch zur gleichen Gruppe der Mäuseleukämievirus-verwandten Viren, der MRVs, und man fand bei nachträglichen Untersuchungen an XMRV-positiven Patienten auch diese PMRV-Variante. Judy Mikovits sagte, dass die Patienten, die beide Varianten hätten, häufig die am schwersten Erkrankten seien. Welche Sequenzvariationen vorhanden sind, kann möglicherweise etwas darüber aussagen, wie pathogen, also krankmachend, das MRV ist.

    Lo/Alter haben die DNA des PMRV in 86,5% der zwischen 1991 und 1994 gezogenen Blutproben von ME/CFS-Patienten gefunden – hingegen bei „nur“ 6,8% der gesunden Kontrollpersonen. Bei acht von neun Patienten fand man 15 Jahre später die gleichen gag-Sequenzen wie in dem eingefrorenen Blut. Das deutet darauf hin, dass das Virus nicht sehr stark mutiert. Andererseits ist das Auffinden von Sequenzvariationen des Virus – also die X- und die P-Variante – typisch für Retroviren, und außerdem ein weiterer Beleg dafür, dass es sich bei den Befunden nicht um eine Laborkontamination handeln kann, wie gelegentlich behauptet wird.

    Auch handelt es sich nicht um ein Mäusevirus, sondern ganz klar um ein humanes Virus. Das hat der Retrovirologe John Coffin bewiesen, indem er 70 verschiedene Mäusearten auf das bei Menschen gefundene MRV untersucht und es bei keiner gefunden hat.

    Inzwischen sind empfindlichere Methoden für die biologische und molekulare Vermehrung des Humanen MLV-verwandten Virus (HMRV) in Blutzellen und Plasma entwickelt worden. Diese Methoden wurden bei einer Studie an britischen ME/CFS-Patienten eingesetzt, die alle die Diagnosekriterien der Kanadischen Konsensdefinition erfüllten.

    In Großbritannien waren relativ kurz nach der Veröffentlichung der Science-Studie von Lombardi/Mikovits drei Studien herausgekommen, die überhaupt kein HMRV finden konnten. Deshalb war es besonders interessant zu erfahren, ob das Virus in Großbritannien überhaupt vorkommt. Es wurden rund 50 Blutproben von britischen ME/CFS-Patienten und 50 britische Kontrollpersonen untersucht. Alle Proben wurden verschlüsselt und in zwei verschiedenen Labors untersucht. Es wurden die Blutzellen und das Plasma auf das Vorliegen von Virus-RNA getestet, und zusätzlich wurde Blutplasma auf LNCaP-Zelllinien übertragen. Alle Proben wurden mit der Western-Blot-Methode nochmals bestätigt. Man untersuchte das Plasma auf Antikörper gegen Virusproteine des HMRV und es wurden genomische Sequenzen isoliert und charakterisiert.

    Insgesamt hat man mit den verschiedenen Methoden mehr als 70% der britischen Studienkohorte als HMRV-positiv getestet. Und die bei den britischen Patienten vorwiegend gefundene Variation des HMRV ist das XMRV.

    Judy Mikovits berichtete dann noch über CFS-Patienten, die später T-Zell-Leukämien und und andere Krebsarten entwickelten – bei allen, die man testen konnte (einige waren bereits verstorben), fand man das XMRV. Bei Mäusen verursachen XMRV-verwandte Viren B-Zell-Lymphome sowie chronische neurologische Krankheiten. Sie stellte den Fall der Entwicklung eines solchen B-Zell-Lymphoms bei einem CFS-Patienten vor, der nach langer Krankheit im Jahr 2008 daran verstorben war. Ebenso berichtete sie noch über Einzelheiten der Befunde bei XMRV-positiven Prostatakrebspatienten. Man hat antivirale Antikörper in den Flüssigkeiten von XMRV-positiven Prostatakrebspatienten gefunden, man hat das XMRV im Stützgewebe, aber nicht in den Tumorzellen gefunden, und man konnte Zelllinien mit den Flüssigkeiten von Prostatakrebsgewebe infizieren.

    Die Schlussfolgerung ihres Vortrags: wenn man komplementäre Methoden zur Entdeckung der HMRVs einsetzt, ist es möglich, diese bei CFS und Prostatakrebs exakt zu bestimmen. Und die HMRV-Forschung ist noch ganz am Anfang – es müssen noch viele ungeklärte Fragen erforscht werden.

    Zu den Methoden zur Bestimmung des HMRV gehören die Reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR), eine vollständige Sequenzierung des Genoms, ein Western-Blot-Test zur viralen Expression in aktivierten mononukleären Zellen des peripheren Blutes (PBMCs), der Durchtritt von infektiösem Virus aus dem Plasma und den PBMCs in Indikator-Zelllinien und das Vorliegen von Antikörpern gegen XMRV im Plasma. Entscheidend ist außerdem die Behandlung der Blutproben nach der Entnahme – eine verzögerte Bearbeitung ist wichtig. Diese Kombination von Untersuchungsmethoden stützt die Belege für eine Infektion von mehr als 90% der untersuchten CFS-Patienten mit dem XMRV.

    Verschiedene Testverfahren für XMRV

    Kokultivierung

    Das Anlegen einer Viruskultur auf einer dafür geeigneten Zelllinie ist ein sehr empfindlicher und wichtiger Test. Er ist der einzige, mit dem zwischen einer aktiven und einer latenten Infektion unterschieden werden kann. Da er jedoch mit Hilfe von Blutzellen angelegt wird, kann nicht entdeckt werden, ob das Virus in anderen Geweben wie etwa dem Magen-Darm-Trakt oder der Milz vorhanden ist. Für die XMRV-Testung wurde eine spezielle Zelllinie entwickelt, auf der sich das Virus vermehren bzw. aus Virusbruchstücken zusammensetzen kann. Auch wenn wahrscheinlich die meisten Varianten des Virus in der Lage sind, diese Zelllinie zu infizieren, kann es sein, dass damit bestimmte Viren dennoch nicht entdeckt werden können.

    Serologietest

    Mit einem Serologietext werden Antikörper bestimmt. Das funktioniert auch, wenn das Virus sich in anderen Geweben als dem Blut aufhält. Wahrscheinlich können damit die meisten Varianten des XMRV und der MLV-verwandten Viren entdeckt werden. Der Nachteil des Antikörpertests ist jedoch, dass man damit nicht das Stadium der Infektion erkennen kann. Außerdem können auch falsch-negative Ergebnisse herauskommen, wenn der Patient einen Immundefekt hat, der verhindert, dass passende Antikörper gegen das Virus gebildet werden.

    Polymerase-Kettenreaktion (PCR)

    Die PCR mit dem Gesamtblut kann sehr wertvolle Informationen liefern, wenn man danach eine Virussequenzierung, d.h. eine Analyse des genetischen Materials durchführt, denn damit kann man sehr genau die jeweiligen Virusvarianten bestimmen. Ein quantitativer PCR-Test ist in der Entwicklung, um die Virustiter zu messen. Eine PCR kann man mit jeder Art Gewebe durchführen, also mit Biopsien, Speichel oder Rückenmarksflüssigkeit.

    Eine Kombination der verschiedenen Testverfahren ist wahrscheinlich der beste Weg, um auf XMRV und/oder andere MLV-verwandte Viren zu testen. Wenn man zuerst eine Kokultivierung auf einer Zelllinie durchführt, kann das auf diese Weise vervielfältigte Virus dann mit den anderen Testverfahren, der PCR oder einem Western Blot, leichter entdeckt werden.

    Ein negatives Testergebnis heißt nicht unbedingt, dass man nicht doch infiziert ist. Es kann sein, dass man mit einer speziellen Variante des Virus infiziert ist, die von keinem der bislang verfügbaren Testverfahren entdeckt werden kann oder dass der Virustiter zum Zeitpunkt der Testung einfach zu gering war.