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Artikel des Monats September
2010 Teil 2
Varianten von
Mäuseleukämie-verwandten Viren entdeckt
Alter/Lo-Studie
findet nahe Verwandte des XMRV
Bitte beachten Sie:
2012 hat sich herausgestellt, dass dieses XMRV keine
Humaninfektion, sondern eine im Labor entstandene Chimäre war.
Näheres unter Artikel des Monats
Dezember 2012 - 1 auf dieser Website!
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Am 23. August erschien in den Proceedings of the National
Academy of Sciences (PNAS) die zunächst zurückgehaltene Studie von Harvey Alter und Shyh-Ching
Loa, die die Ergebnisse der
Original-Science-Studie von Lombardi/Mikovits zur
Prävalenz des XMRV bestätigt.
Am Abend des 23. August 2010 veranstaltete das
US-amerikanische National Institute of Health zusammen Vertretern der Food and
Drug Administration (FDA) und der Centers for Disease Control (CDC) eine
40-minütige
Online-Pressekonferenz über den möglichen Zusammenhang zwischen XMRV und
ME/CFS. (Ein Script der Pressekonferenz finden Sie
hier.)
Die Ergebnisse der FDA/NIH-Studie von Alter/Lo ergaben,
dass 86,5% der Blutproben von ME/CFS-Patienten (32 von 37 Proben) positiv auf
drei
Varianten des XMRV waren, verglichen mit "nur" 6,8% der gesunden
Kontrollgruppe (3 von 44 Proben).
Man hat nicht das XMRV gefunden, von dem in der
Original-Science-Studie die Rede ist, sondern Variationen des XMRV, deren
genetisches Material zu 96,6% identisch ist. Es handelt sich nicht um ein
Virus, sondern um eine ganze Gruppe von Retroviren, sogenannte Murine
leukemia viruses (MLVs). Harvey Alter sagte gegenüber
CFScentral, dass Viren dazu tendieren,
inhomogen zu sein. Sie würden sehr stark mutieren, und das beobachte man auch
bei HIV und Hepatitis C.
Judy Mikovits, Hauptautorin der Science-Studie, sagte, dass
auch sie im Nachhinein in ihrer Kohorte die X- und P-Varianten gefunden hätten,
die Alter beschreibt.
Laut einer
Presseerklärung des Whittemore Peterson Institutes erklärt die Tatsache,
dass die Autoren Varianten des XMRV gefunden haben, möglicherweise auch
die negativen Studien der letzten Monate.
Für ME/CFS-Patienten ist das eine bedeutende
Veröffentlichung, die zwar nicht beweist, dass das Retrovirus XMRV bzw.
Varianten dieses Mäuseleukämievirus das ME/CFS
verursacht, aber die ein zweiter Beweis für den starken Zusammenhang zwischen
mit Mäuseleukämie-Viren verwandten Retroviren und ME/CFS ist. Weitere Studien müssen jetzt durchgeführt werden, um
herauszufinden, ob das Retrovirus tatsächlich die Ursache für ME/CFS und/oder
andere Erkrankungen ist.
Endgültig vom Tisch dürfte mit der Alter/Lo-Studie auch der
immer wieder vorgebrachte Einwand sein, dass es sich bei der
Original-Science-Studie um eine Laborkontamination mit Mäuseviren gehandelt
habe: Man hat Blutproben von Patienten untersucht, die 15 Jahre alt waren und
mit aktuellen Blutproben dieser Patienten verglichen. Sieben der acht Patienten
waren noch immer positiv, und die jetzt gefundenen Mäuseleukämieviren waren
gegenüber den 15 Jahre alten genetisch leicht variiert - etwas, das typisch ist
für Retroviren. Und er betonte, dass die Variationen, die man gefunden hat,
belegen würden, dass es sich nicht um eine Laborkontamination handeln könnte,
denn in einem solchen Fall würde man nur eine Art und nicht mehrere finden.
Aus:
"Mouse retroviruses and chronic fatigue syndrome: Does X (or P) mark the spot?"
|
"Das vielleicht interessanteste Ergebnis
abgesehen von der Entdeckung viraler RNA bei
einem großen Teil der CFS-Patienten ist die
Beobachtung, dass das gefundene Virus nicht XMRV
ist. Eine Sequenzanalyse der Nukleotide von
PCR-amplifizierter DNA deckte eine 96,6%ige
Übereinstimmung der Nukleotide mit dem XMRV auf,
aber es sind ganz eindeutig unterschiedliche
Viren. Das RNA-Genom des XMRV ist eine
Rekombinante zwischen den Genomen des xenotropen
und des polytropen Mäuseleukämie-Virus (siehe
Abbildung). Das Genom der entdeckten Viren in
der neuen Studie scheint sich abzuleiten aus
polytropen MLVs und könnte als PMRV bezeichnet
werden. Diese Beobachtung weist darauf hin, dass
sowohl xenotropes als auch polytropes MLV die
Menschen in Nordamerika infizieren kann."
Aus dem Blog von Vincent
Racaniello:
http://www.virology.ws/2010/09/09/pmrv-joins-xmrv-as-possible-etiologic-agent-of-chronic-fatigue-syndrome/
|
Die Autoren schreiben: "Es ist noch zu klären, ob der
Zusammenhang, den wir mit den beschriebenen Methoden gefunden haben, auf eine
größere Gruppe von CFS-Patienten übertragen, d.h. verallgemeinert werden kann."
Und: "Selbst wenn Folgestudien den Zusammenhang zwischen MLV-ähnlichen Viren
und CFS bestätigen, wird das noch kein Beleg für eine ursächliche Rolle dieser
Viren in der Pathogenese dieser Krankheit sein."
Selbst wenn, so erklären die Forscher der Studie, weitere
Forschungsarbeiten eine hohe Rate an Retrovirus-Infektionen bei Menschen mit
ME/CFS bestätigen werden, heißt das nicht, das MLV-verwandte Viren die Krankheit
verursachen. Die Korrelation "könnte eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber
viralen Infektionen infolge einer zugrundeliegenden, mit dem CFS
zusammenhängenden Immundysfunktion widerspiegeln und nicht unbedingt besagen,
dass diese Viren eine primäre Rolle in der Pathogenese des CFS spielen."
Für die Frage des Nachweises, ob diese Mäuseleukämieviren
das ME/CFS verursachen ist die Auskunft von Judy Mikovits interessant:
„Wir haben Immunsystemprofile und wir können
anhand des Immunsystems sagen, auf welche Weise das XMRV die Schäden anrichtet.
Wir könnten also einen diagnostischen Test haben, der nach einer klinischen
Behandlung eingesetzt wird, und dann können wir zeigen, dass das Immunsystem der
Patienten wieder normal arbeitet. Das sind unsere neuesten Daten, die wirklich
erstaunlich sind. Und genau das ist es, was wir wollen."
Vincent Lombardi konzentriert sich derzeit darauf
zu untersuchen, wie XMRV das Immunsystem beeinträchtigt. Er geht davon
aus, dass das XMRV bei ME/CFS möglicherweise eine Dysfunktion des
Immunsystems verursacht, die zur Reaktivierung anderer latenter Viren im
Körper führt. Er wird demnächst ein Papier über inflammatorische
Prozesse bei ME/CFS veröffentlichen, die sich aus heraufregulierten
Zytokinen und Chemokinen ergeben. Er sagte, dass die verschiedenen
Stadien des ME/CFS anhand bestimmter Muster dieser Marker unterschieden
werden können.
Er sagte, dass sie noch nicht wüssten, wo das
Reservoir des XMRV im Körper infizierter Menschen sei. Es könne sein,
dass es nicht in den Lymphozyten, sondern vielleicht im Knochenmark sei.
Sie hätten auch Blutproben von Menschen mit diversen anderen Krankheiten
wie atypischer multipler Sklerose, Autismus, Fibromyalgie und
Lyme-Borreliose untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien würden
demnächst veröffentlicht.
Harvey Alter betont, dass das WPI weit voraus ist mit der Erforschung
der nächsten Frage, nämlich der nach der Übertragung des Virus zwischen
Menschen, was es in den Zellen anrichtet und welche Konsequenzen das für
den infizierten Menschen hat. Und die Entdeckung der Varianten des XMRV
bestätigt in der Tat die Ergebnisse des WPI vom vergangenen Jahr (Science-Studie).
Die Klasse der Mäuseleukämie-Retroviren ist bei Tieren ausführlich
untersucht worden, aber bislang noch nicht beim Menschen.
Valerie Courgnaud und Kollegen schreiben in ihrem kommentierenden Artikel
zur Alter/Lo-Studie: "Da wir gegenwärtig keine Postulate haben, um einen
kausalen Zusammenhang mit einem vorherrschenden Erreger und einer chronischen
Krankheit mit genetischer Prädisposition zu beweisen, wäre es auch angebracht,
Interventionsstudien durchzuführen. Tatsächlich wurde die Helicobacter pylori
Hypothese über Magengeschwüre erst dann akzeptiert, nachdem Barry Marshall
gezeigt hatte, dass die Beseitigung der Bakterien mit Antibiotika die
Magengeschwüre heilen konnte." ... "In diesem kritischen Punkt sind Studien
zum Nachweis des Wirkprinzips (proof-of-principle) gerechtfertigt, um
herauszufinden, ob sichere antivirale Behandlungsansätze einen Einfluss auf CFS
haben und ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen xenotropen oder polytropen
MLVs und dieser lähmenden Krankheit gibt."
Und schließlich die Bemerkung des Universitätsprofessors
Andrew Mason aus der
Washington Post: "Wenn es den Patienten besser geht, dann hört ab einem
bestimmten Punkt die Debatte darüber auf, ob es (das Virus) die Krankheit
verursacht und man sagt, die Behandlung wirkt und wir setzen sie jetzt ein."
Die Veröffentlichung der Studie hat noch in derselben Nacht
eine Flut von Berichten in zahlreichen Zeitungen und im Internet nach sich
gezogen. Dieses enorme Interesse belegt, dass die Zweifel, ob ME/CFS eine
"wirkliche" Krankheit sei, nun endgültig begraben sind, auch wenn die Frage der
Verursachung noch nicht geklärt ist. Und die Studie wird eine Reihe weiterer
Studien nach sich ziehen, die zum Teil bereits in Arbeit sind.
Harvey Alter sagte, dass er sich jetzt noch weitere
ME/CFS-Patienten ansehen will, ebenso wie Patienten mit anderen Krankheiten wie
Hepatitis C, HIV, Fibromyalgie und Autoimmunkrankheiten, um herauszufinden, ob
dies MLVs auch hier zu finden sind. Außerdem will er größere Gruppen von
Blutspendern untersuchen, um die Gefahr der Übertragung der MLVs über Blut
abschätzen zu können.
Hier das Abstract der Studie -
den Gesamttext finden Sie
hier,
ergänzende Informationen
hier, einen Kommentar zur Studie
hier und den
Leitartikel von Randy Schekman, Chefredakteur der PNAS,
hier.
Entdeckung von MLV-verwandten Virus-Gensequenzen im Blut von
Patienten mit Chronic Fatigue Syndrom und gesunden Blutspendern.
Detection of MLV-related virus
gene sequences in blood of patients with chronic fatigue syndrome
and healthy blood donors
www.pnas.org/content/early/2010/08/16/1006901107.full.pdf+html
Shyh-Ching Loa,1, Natalia Pripuzovaa, Bingjie Lia,
Anthony L. Komaroffb, Guo-Chiuan Hunga, Richard Wangc, and Harvey J.
Alter c,1
a Tissue Microbiology Laboratory,
Division of Cellular and Gene Therapies and Division of Human
Tissues, Office of Cellular, Tissue and Gene Therapy, Center for
Biologics Evaluation and Research, Food and Drug Administration,
Bethesda, MD 20892; bDepartment of Medicine, Brigham and Women’s
Hospital, Harvard Medical School, Boston, MA 02115; and cDepartment
of Transfusion Medicine, The Warren Grant Magnuson Clinical Center,
National Institutes of Health, Bethesda, MD 20892
Contributed by Harvey J. Alter, May 25, 2010 (sent
for review March 23, 2010)
|
Zusammenfassung:
Das Chronic Fatigue Syndrom (CFS) ist eine ernsthafte systemische
Erkrankung unbekannter Ursache. In einer kürzlich veröffentlichten
Studie wurde
mit Hilfe von nPCR (nested polymerase chain reaction)
DNA eines Xenotropic murine leukemia virus-related virus
(XMRV) (eines mit dem xenotropen Mäuseleukämievirus verwandten
Virus) in den peripheren mononukleären Blutzellen (PBMCs) von 68 von
101 Patienten (67%) gefunden, verglichen mit 8 von 218 (3,7%) der
gesunden Kontrollpersonen. Vier darauf folgende Berichte jedoch
waren nicht in der Lage, irgendwelche Gensequenzen von mit
Mäuseleukämieviren verwandten Viren im Blut von CFS-Patienten zu
entdecken. Wir haben 41 DNA-Proben aus peripheren mononukleären
Blutzellen von 37 Patienten untersucht, die die anerkannten
diagnostischen Kriterien für CFS erfüllten, und fanden MLV-ähnliche
Virus-gag-Gensequenzen in 32 von 37 (86,5%) der Patienten,
verglichen mit nur 3 von 44 (6,8%) der gesunden, freiwilligen
Blutspender. Es wurden keine Hinweise auf eine Kontamination mit
Mäuse-DNA im PCR-Testverfahren oder den klinischen Proben entdeckt.
Sieben von acht gag-positiven Patienten wurden bei einer Probe, die
15 Jahre später als die erste Probe genommen wurde, erneut positiv
getestet. Im Unterschied zu den früher berichteten
Forschungsergebnissen über eine genetisch nahezu vollständige
Übereinstimmung aller XMRVs haben wir eine genetisch
verschiedenartige Gruppe von mit Mäuseleukämieviren verwandten Viren
identifiziert. Die gag- und env-Sequenzen, die man bei den
CFS-Patienten gefunden hat, waren denen von polytropen endogenen
Mäuseretroviren ähnlicher als den entsprechenden Sequenzen der XMRVs
und waren sogar weniger eng verwandt mit denen von ecotropen MLVs.
Weitere Studien sind erforderlich, um herauszufinden, ob der gleiche
starke Zusammenhang mit MLV-verwandten Viren bei anderen Gruppen von
Patienten mit CFS gefunden werden kann, ob diese Viren eine
verursachende Rolle in der Entwicklung des CFS spielen und ob sie
eine Gefahr für die Blutbanken darstellen.
Übersetzung R.C. |
Weitere
Informationen zur Studie:
Wer sich näher mit
Mäuseleukämieviren beschäftigen möchte, dem seien diese Doktorarbeiten aus
dem Jahr 2003 empfohlen:
Und bei
Wikipedia findet man auch
interessante
Erklärungen zum Murinen Leukämievirus
Medienberichte über diese Veröffentlichung finden Sie
hier:
-
Presseerklärung des Whittemore Peterson Institute zur Alter/Lo-Studie:
http://www.wpinstitute.org/news/docs/WPI_pressrel_082310.pdf
-
Kommentar von Judy Mikovits zur Studie:
http://www.youtube.com/watch?v=9ZEwQUg7o6I&feature=channel
-
WPI
und Annette Whittemore gratulieren Harvey Alter zur Veröffentlichung ihrer
Studie:
http://www.youtube.com/watch?v=ne7if7FKJFg&feature=channel
-
Presseerklärung der FDA - hier findet man Telefonnummern, unter denen
man sich das Telebriefing nochmals anhören kann:
http://www.nih.gov/news/health/aug2010/cc-23.htm
-
"Fragen und Antworten: Warum ich die Veröffentlichung hinausschob" - Artikel
in
http://www.the-scientist.com/blog/display/57628/
-
Auch
die
Washington Post berichtet
-
und
das Wall Street Journal mit einem
Bericht von Amy Dockser Martin
-
...
und die
New York Times
-
...
ebenso wie
The Wall Street Journal und
-
...die
Business Week sowie
-
die
Los Angeles Times,
-
die
britische Zeitung
Daily Mail,
-
WebMD berichtet auch,
-
sogar
der
Scientific American,
-
der
britische
Guardian,
-
jetzt
auch deutsche Medien wie
Welt online (schrecklicher Artikel mit Schwerpunkt "Müdigkeit"),
-
Der STERN und
-
SPIEGEL-ONLINE (da scheint unser heftiger Protest gegen den letzten
grottenschlechten und diskriminierenden Artikel über "CFS" offensichtlich
was bewirkt zu haben...),
-
auch
die
Süddeutsche
-
und
das
Ärzteblatt mit einem zunächst sehr guten Artikel, der dann aber endet
mit dem Zitat eines britischen Virologen (vom Imperial College - wo auch
Wessely und Kollegen ihr Unwesen treiben), der XMRV und MLVs als "humane
Gerüchte-Viren" lächerlich macht. Einen Leserbrief der Autorin zu
diesem Artikel bzw. der Diskussion, die sich in den Kommentaren dazu
anschloss, finden Sie hier
- und lesen Sie unbedingt die interessante und aufschlussreiche Diskussion
unter dem Artikel! Sie enthält viele zusätzliche Informationen und macht die
Unmenschlichkeit und Dummheit einer Haltung deutlich, die da sagt, solange
wir keine bewiesene Ursache für eine Krankheit haben, ist sie
"psychosomatisch".
-
...
und auch die Ärztezeitung berichtet - na, über was? Über die sinnreiche
Frage
"Machen Viren chronisch müde?" Einen Leserbrief der Autorin dieser
Website finden Sie hier.
-
Die
National Institutes of Health (USA) berichten ebenfalls.
Wichtige Konferenzen, die sich auf diese Studien
beziehen:
Unter diesem Titel wird die CFIDS Association ein Webinar mit Dr. Anthony
Komaroff, ausstrahlen. Komaroff ist seit beinahe 2 Jahrzehnten in der
ME/CFS-Forschung tätig und hat an der PNAS-Studie mitgearbeitet. Er wird
über die zahlreichen Erreger berichten, die man im Laufe der Zeit mit ME/CFS
in Verbindung gebracht hat, einschließlich XMRV und MLVs.
12.-14. Okt. 2010: Department
of Health & Human Services CFS Advisory Committee Meeting.
(Sitzung des Beratungsgremiums des US-Gesundheitsministeriums zu CFS)
Leserbriefe
an die Ärztezeitung und ans Ärzteblatt
Leserbrief an die
Ärztezeitung zum Artikel
"Machen Viren chronisch müde?"
"Wenn Deine Arme schwer wie Blei sind und Du nicht einmal
einen Teelöffel oder Deine Kaffeetasse hochheben kannst, wenn Du versuchst zu
laufen und es sich anfühlt, als hättest du hüfthohe Gummistiefel voller Wasser
an, wenn Du versuchst zu lesen und das nicht geht, weil Deine Augen sich
anfühlen, als ob sie im Kopf herumrollen würden oder Du alles verschwommen
siehst und Du nicht ein einziges gedrucktes Wort klar sehen kannst, wenn Du
Kopfschmerzen hast, dass es sich anfühlt, als ob Dein Kopf platzt und Dein
Nacken und Dein Rücken davon steif werden und deine Augen so schmerzen, dass Du
nicht wagst, sie zu bewegen - dann ist "Müdigkeit" sicher nicht das erste Wort,
was Dir einfällt, um diesen Zustand zu beschreiben. Das geht weit über Müdigkeit
hinaus, es geht sogar weit über das Gefühl von Erschöpfung hinaus. Tatsächlich
fehlen Dir die Worte, um diese beinahe lähmende Schwere zu beschreiben, die Dir
den Atem nimmt und Dich sprichwörtlich in die Knie zwingt oder ans Bett fesselt.
Das Wort "Müdigkeit" zu benutzen, um die
neuro-immunologische Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis (hier
auch als Chronic Fatigue Syndrom bekannt) zu beschreiben, ist
tödlichste und oberflächlichste Untertreibung der Wissenschaft der
vergangenen drei Jahrzehnte."
Das schreibt Lajla, die seit über 20 Jahren an
ME/CFS leidet, und deren Symptomatik typisch für die Erkrankung ist.
Wer redet hier immer noch von "Chronischer Müdigkeit"? Ausgerechnet
das Deutsche Ärzteblatt?
Wann begreift man endlich, dass es sich um eine
schwere neuro-immunologische Krankheit handelt? Wenn auch die
anderen 3,2% der deutschen Bevölkerung, die laut einer Studie von
Nicole Fischer und Kollegen von der Universitätsklinik Hamburg
Eppendorf mit dem dritten humanen (infektiösen) Retrovirus infiziert
sind, wahlweise an schwerem ME/CFS, an Prostatakrebs, an anderen
Krebsarten, an Rheuma, an atypischer Multipler Sklerose oder anderen
Folgen des 2006 entdeckten XMRV (Xenotropic murine leukemia
virus-related virus) erkrankt sind? Bei all diesen Krankheiten
findet man das Retrovirus - und bei ME/CFS-Patienten fand man es bei
99 von 101 Probanden einer US-amerikanischen Studie. Wann wird man
endlich begreifen, dass Menschen mit ME/CFS nicht "chronisch müde",
sondern schwer erkrankt sind, an einem Virus, das zur gleichen
Gruppe wie HIV gehört? Und dass sie nur die Spitze eines Eisbergs
sind, der den Tanz auf der Titanic sehr schnell beenden kann?
Wenn Sie sich informieren wollen, was die heute
Nacht bekanntgegebene Replikationsstudie der US-amerikanischen
Gesundheitsbehörden über die Verbreitung des XMRV aussagt, dann
schauen Sie auf
http://www.nih.gov/news/health/aug2010/cc-23.htm oder auf
www.pnas.org oder
http://www.prnewswire.com/news-releases/study-presence-of-murine-leukemia-virus-related-gene-sequences-found-in-cfs-patients-101316939.html
oder www.cfs-aktuell.de.
Wenn Sie noch einmal ruhig schlafen wollen, dann lassen Sie es
besser.
Regina Clos
Eberleinstraße 1
65195 Wiesbaden
|
Leserbrief an
das Deutsche Ärzteblatt zum Artikel über die Alter/Lo-Studie:
ME/CFS-Patienten sind nur
die Spitze eines Eisbergs,
den man nicht ignorieren
sollte
@
Adonis und alle seine
Sympathisanten
Das Schlimme ist, dass eben
nicht nur selbstverliebte,
uninformierte Adonisse die
Situation der Menschen mit
ME/CFS und die Gefahr, in
der sich inzwischen die
gesamte Bevölkerung
befindet, völlig verkennen,
sondern auch immer noch die
Mehrheit der Ärzte in
Deutschland – trotz 25
Jahren biomedizinischer
Erforschung der Krankheit
und 5000 peer-reviewten
Artikeln dazu.
Auch sie sind wahlweise der
Meinung, dass ME/CFS gar
nicht existiere, weil es
doch in keinem ihrer
schlauen Bücher steht und
deshalb eine „amerikanische
Erfindung“ sein müsse, oder
sie glauben – fehlgeleitet
von völlig veralteten und
ebenso fehlgeleiteten
Leitlinien der AWMF und der
Rentenversicherung Bund
sowie Standardwerken eines
gewissen Wolfgang Hausotter
oder Artikeln von Martin
Sack oder Wolfgang
Henningsen zur Begutachtung
„somatoformer Störungen“ –,
dass ME/CFS eine primär
psychiatrische Erkrankung
sei, hervorgerufen durch „dysfunktionale
Krankheitsüberzeugungen“
(wohlgemerkt, auf Seiten der
Patienten), durch "Anlesen
der Symptome im Internet“
und entsprechend angeheizter
Katastrophisierungsneigungen,
durch „übermäßige
Schonhaltungen“, die dann
zur Dekonditionierung und
folglich zur „Müdigkeit“
führen.
Leider hat nicht nur ein
Herr Doktor Adonis „dysfunktionale
Krankheitsüberzeugungen“
bezüglich des ME/CFS,
sondern leider die Mehrheit
der Ärzte, mit denen die
Patienten in ihrem Alltag
und ihrer verzweifelten
Suche nach Hilfe
konfrontiert werden – diese
Patienten leiden in so
unvorstellbarer Weise, dass
sie alles tun, um wieder
gesund werden und sie wollen
sich gerade nicht, wie ihnen
immer wieder unterstellt
wird, im „sekundären
Krankheitsgewinn" und der
ach so komfortablen sozialen
Hängematte suhlen.
Wann begreift man
hierzulande in Ärztekreisen,
bei Rentenversicherungen und
Arbeitsämtern endlich, dass
sie Menschen mit einer
extrem behindernden
Krankheit vor sich haben,
die laut soliden Studien so
krank sind wie Menschen mit
chronisch obstruktiver
Lungenerkrankung,
Herzinsuffizienz oder AIDS
im Endstadium?
Wann begreift man endlich,
dass es sich um eine schwere
neuro-immunologische
Krankheit handelt – ICD-10
G93.3? Wann endlich hören
die falschen
Krankheitsüberzeugungen auf
Seiten der Ärzte auf? Wollen
sie weiter die Augen
verschließen und der
Epidemie mit dem dritten
humanen Retrovirus, die
bereits voll im Gange ist,
weiter freien Lauf lassen?
Wollen Sie weiter
ignorieren, dass man dieses
Gamma-Retrovirus auch bei
Prostatakrebs, bei
Lymphomen, bei Fibromyalgie
und anderen Krankheiten
findet?
Wollen sie weiter
ignorieren, was die
alarmierenden Befunde von
Lombardi/Mikovits und Lo/Alter
und Nicole Fischer vom UKE
Eppendorf über die immense
Verbreitung eines mit
Mäuseleukämie-Viren
verwandten Gamma-Retrovirus
in der (noch) gesunden
Bevölkerung von zwischen 3,2
und 6,8% bedeuten könnten –
ein infektiöses Retrovirus,
das ein Leben lang in der
DNA seines Wirts eingebaut
bleibt und dessen pathogenes
Potential zwar noch nicht
bekannt ist, aber
fürchterlich sein kann? Und
von dem man noch gar nicht
weiß, wie es übertragen
wird? Wollen sie weiter eine
sich anbahnende Epidemie
ignorieren?
Wohlgemerkt, hier geht es
nicht um das, was Sie gerne
als Katastrophisieren
irregeleiteter, psychisch
gestörter Patienten abtun
wollen, sondern einfach nur
um die Wahrnehmung solider
wissenschaftlicher
Erkenntnisse, die jetzt von
den amerikanischen
Gesundheitsbehörden FDA und
NIH und Harvey Alter, dem
Entdecker des
Hepatitis-C-Virus, bestätigt
wurden: das dritte humane
Retrovirus, ein mit
Mäuseleukämieviren
verwandtes Virus, hat sich
in der Bevölkerung
verbreitet, mit unbekannten
Folgen.
Machen Sie nur weiter so,
Herr Doktor Adonis und alle,
die mit seinen Ansichten
sympathisieren. Wir
ME/CFS-Patienten sind nur
die Spitze eines Eisbergs,
die weiter zu ignorieren und
zu psychiatrisieren
schneller als Ihnen lieb
ist, den Tanz auf Ihrer
größenwahnsinnigen Titanic
beenden kann – und Sie
finden sich im eiskalten und
tödlichen Wasser einer nicht
mehr einzudämmenden
Massenepidemie mit einem
Retrovirus wieder, die alles
in den Schatten stellt, was
wir gerade mit HIV/AIDS in
Afrika und Asien erleben.
Oder fangen Sie endlich an,
sich zu informieren und der
Realität ins Auge zu sehen!
Und seien Sie froh, dass
ME/CFS-Patienten, die oft
besser informiert sind, als
selbstverliebte Adonisse,
Ihnen dabei helfen können,
schnell die richtigen und
soliden Informationen zu
bekommen. Ich empfehle Ihnen
beispielsweise die Website
cfs-aktuell.de. Da müssen
Sie nicht einmal Englisch
sprechen können, um zu
verstehen, was da zu finden
ist.
Es grüßt Sie herzlich eine
seit fast 24 Jahren
erkrankte Patientin, die die
Unwissenheit und Arroganz so
vieler Mediziner gründlich
satt hat, die lieber
Seminare besuchen, in denen
sie lernen, wie sie
"schwierige Patienten" wie
Menschen mit ME/CFS,
Fibromyalgie und MCS
"abwimmeln", als ihre
Energie in Fortbildung und
menschlichen Umgang mit
schwerkranken Patienten zu
stecken.
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