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    Artikel des Monats Juli 2013 Teil 2

    Fibromyalgie - Studien zeigen Anomalien der Nervenenden und im Immunsystem

     

    Aktualisierung: Ein Artikel vom 31. Juli 2013 erläutert die unten zitierten Studien und berichtet von einer weiteren, die ebenfalls Anomalien und eine Reduzierung der kleinen Nervenfasern gefunden hatte: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/55352/Small-Fiber-Neuropathie-moegliche-Ursache-der-Fibromyalgie

    Vorbemerkung: Zwei der hier vorgestellten Studien zu Fibromyalgie haben widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Beide haben Nervenfasern in der Haut der Hände von Fibromyalgiepatienten untersucht. Während die Würzburger Forschergruppe um Claudia Sommer (1) eine deutliche Reduzierung der kleinen Nervenfasern in der Hautstanzbiopsie fand, kamen US-Forscher um Frank Rice  (3) zu einem scheinbar gegensätzlichen Ergebnis: sie fanden eine enorme Zunahme von sensorischen Nervenfasern an spezifischen Stellen innerhalb der Blutgefäße der Haut an den Händen von Fibromyalgiepatienten, an den sogenannten Arteriole-Venole-Shunts, die an der Regulierung des Blutflusses in Händen und Füßen beteiligt sind, die aber auch Teil des Tastsinnes und damit der Schmerzwahrnehmung sind. Es ist unklar, ob es sich hierbei um die gleichen Nervenfasern handelt.

    Weitere Studien (2) ergaben Anomalien bei den Zytokinmustern, die auf eine Beteiligung des Immunsystems schließen lassen. Die Zusammenhänge zwischen o.g. Befunden hinsichtlich der Nervenfasern und dem Immunsystem sind ebenfalls unklar.

    Bei keiner der Fibromyalgiestudien wird die Ursache der Anomalien der Nervenfasern diskutiert oder gar geklärt. Möglicherweise ist der kritische Kommentar eines offenbar sachkundigen Forumsteilnehmers zur US-Studie (3) in dieser Hinsicht aufschlussreich. Er schreibt hier:

    "Ich glaube nicht, dass Fibromyalgie "nur" eine Dysfunktion des Gehirns ist, d.h. eine fehlerhafte Interpretation normaler Sinneswahrnehmungen, sondern es handelt sich um ein Wechselspiel zwischen dem peripheren Nervensystem und dem zentralen Nervensystem vermittelt über eine Dysfunktion des Immunsystems.

    Wir haben:

    • Veränderungen in den schmerz-bezogenen chemischen Transmittern in der Rückenmarksflüssigkeit wurden berichtet (z.B. Substanz P, Nervenwachstumsfaktor, Serotonin, Norepinephrin und dem Corticotropin-releasing Factor)

    • Erhöhte Spiegel an pro-inflammatorischen Zytokinen innerhalb des zentralen und des peripheren Nervensystems (siehe die Forschung von Prof. Light)

    • Unterschiedliche bildgebende Verfahren des Gehirns von mehreren Forschungszentren haben alle gezeigt, dass der Blutfluss und die Stoffwechselprozesse im Gehirn erheblich gestört sind.

    • Fast alle Menschen mit Fibromyalgie berichten über Probleme mit dem Durchschlafen (d.h., es gibt zu wenig Melatonin)

    • Das autonome Nervensystem funktioniert nicht richtig.

    • Forschungen am wichtigsten Schmerzkontrollsystem im Rückenmark lässt darauf schließen, dass es die eintreffenden schädlichen Signale von den peripheren Geweben nicht herausfiltert oder dämpft.

    • Verschiedene Forschungsstudien, die sich auf Gedächtnistests beziehen, zeigen, dass Menschen mit Fibromyalgie eine Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit haben.

    • Durchfall und eine Dysbiose des Darms sind bei Fibromyalgie sehr weit verbreitet.

    • Muskelkrämpfe in der glatten Muskulatur kommen häufig vor und können mit Magnesium gelindert werden, aber nicht mit Chinin.

    • Morgensteifigkeit und leichte Ataxie (Störung der Bewegungskoordination, d.Ü.)

    Für mich riecht das alles sehr nach einer Dysregulation des Immunsystems."

     

    Interessanterweise gibt es auch hier, d.h. im Bereich Immunologie, Parallelen zu den Ergebnissen der Golfkriegssyndrom-Forscher  und vieler ME/CFS-Forscher (siehe Studie von Nancy Klimas et al. im Juli-13-1-Artikel zu charakteristischen Anomalien im Immunsystem beim Golfkriegssyndrom). Hier sind z.B. zu nennen

    • die sehr interessante Dissertation von Michael Knops an der Charité Berlin unter Prof. Carmen Scheibenbogen mit dem Titel "Charakterisierung des phänotypischen und funktionellen Immunstatus bei Patienten mit Chronischem Erschöpfungssyndrom", die "226 Patienten auf phänotypische und funktionelle Biomarker untersucht, die sich mit dem Verdacht oder einer gesicherten CFS-Symptomatik vorstellten" und dabei unterschiedliche, aber deutliche Anomalien im Immunsystem entdeckt hat,

    • das geplante Projekt zu Genexpressionsprofilen, Zytokinen, Virusinfektionen etc. im Rahmen des Biobankprojekts in Großbritannien, dem gerade von den US-amerikanischen Gesundheitsbehörden NIH 1,5 Millionen US-Dollar Forschungsgelder zugesprochen wurden - siehe Artikel Juli-13-3,

    • eine gerade veröffentlichte Langzeitstudie von Brenu/Marshall-Gradisnik zur Zytotoxizität der NK-Zellen und verschiedenen Zytokinen bei ME/CFS:  Longitudinal investigation of natural killer cells and cytokines in chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis Schlussfolgerung der Studie: "Diese Ergebnisse bestätigen eine Verminderung der Immunfunktion bei CFS/ME-Patienten, was auf eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber viralen und anderen Infektionen schließen lässt. Darüber hinaus kann die zytotoxische Aktivität der NK-Zellen ein geeigneter Biomarker für die Diagnose des CFS/ME sein, da sie während des gesamten Verlaufs der 12-monatigen Studie herabgesetzt war."

    • sowie die neue Studie des spanischen HIV-Forschungszentrums von Currio/Blanco: Screening NK-, B- and T-cell phenotype and function in patients suffering from Chronic Fatigue Syndrome. Die Forscher haben die Funktion von T-, B- und NK-Zellen sowie die jeweiligen Phänotypen bei 22 CFS-Patienten (nach Fukuda) und 30 gesunden Kontrollen untersucht. Ihre Schlussfolgerung: "Unsere Befunde lassen darauf schließen, dass Veränderungen des T-Zell-Phänotyps und die proliferierende Antwort zusammen mit der spezifischen Signatur des NK-Zell-Phänotyps für die Identifikation von CFS-Patienten geeignet sein kann. Die auffällige Herabregulierung der T-Zell-vermittelten Immunität kann helfen, die interkurrenten (gleichzeitig auftretenden, hinzukommenden) viralen Infektionen bei CFS zu verstehen."

    Nahezu zeitgleich zur Studie der Würzburger Forscher veröffentlichten deutsche Psychosomatiker einer Studie (4), in der Fibromyalgie als "Spektrumstörung" betrachtet wird, mit einem hohen Anteil an "somatoformen" oder "affektiven" Störungen, die die Kriterien der neuen Kategorie der "Körpersymptomstörung" im DSM-V erfüllen würden. Geschieht hier nicht das gleiche wie beim Golfkriegssyndrom und bei ME/CFS? Eine einflussreiche Gruppe von Psychosomatikern/Psychiatern ignoriert konsequent die biomedizinische Forschung und behauptet unbeirrt, diese Krankheiten seien somatoforme oder affektive oder Verhaltensstörungen bzw. vermischt die Gruppe der Patienten, bei denen eine organische Krankheit vorliegt mit Menschen, die vielleicht tatsächlich aufgrund anderer, möglicherweise sozialer oder psychischer Faktoren eine auf den ersten Blick ähnliche Symptomatik aufweisen. Mit dieser Vermischung unterschiedlicher Krankheitsbilder unter eine Einheitskategorie wird jedoch keiner der Untergruppen gedient, weder im Hinblick auf Therapieansätze noch im Hinblick auf einheitliche Studienkohorten, die die Voraussetzung für aussagekräftige Studienergebnisse sind.

    Wie lange noch werden diese Behauptungen und Vermischungen die Erforschung der wahren Ursachen dieser Krankheiten - ob Fibromyalgie, Golfkriegssyndrom oder ME/CFS - behindern oder gar verhindern?

    Regina Clos

     

    Die Studien:

    1. Würzburger Gruppe zur Schädigung der kleinen Nervenfasern und zu immunologischen Abweichungen:

      Small fibre pathology in patients with fibromyalgia syndrome, N. Üçeyler/C. Sommer: http://brain.oxfordjournals.org/content/early/2013/03/09/brain.awt053.abstract

      Dieser Artikel von N. Üçeyler und Claudia Sommer von der Universität Würzburg belegt Schäden im Bereich der kleinen Nervenfasern. Eine entsprechende Pressemitteilung findet sich hier, eine Meldung in der Ärztezeitung hier, die Welt berichtet hier, Focus hier. Aus der Pressemitteilung: „Wir haben bei Patienten mit einem Fibromyalgie-Syndrom deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern nachgewiesen“, sagt Nurcan Üçeyler, Hauptautorin der Würzburger Studie." Man hat drei Messverfahren eingesetzt: 1. die sogenannte quantitative sensorische Testung (QST), mit der man unter anderem thermische Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen der kleinen Nervenfasernbestimmt, 2. die Ableitung Schmerz-assoziierter evozierter Potenziale (PREP)die Auskunft über die elektrische Erregbarkeit der Nervenfasern gibt, und 3. Stanzproben aus der Haut, die eine Analyse der Morphologie unter dem Mikroskop ermöglichen. „Diese drei Methoden sind somit objektive Verfahren, die sich bei der Beurteilung der kleinen Nervenfasern ergänzen und deren mehrdimensionale Analyse erlauben“, sagt Üçeyler. Das Untersuchungsergebnis war eindeutig: „In allen drei Testverfahren fanden sich bei Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern“, erklärt die Medizinerin. unter dem Mikroskop fanden die Wissenschaftlerinnen deutliche Veränderungen: „In der Hautstanzbiopsie war die Anzahl der kleinen Fasern deutlich reduziert – ein Befund, der typisch ist für Erkrankungen mit small-fiber-Beteiligung“, so Nurcan Üçeyler.

      Eine Metaanalyse dieser Würzburger Forschergruppe von 2011 ergab folgendes: "Eine systematische Durchsicht der ausgewählten 25 Artikel zeigten, dass Fibromyalgiepatienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen höhere Serumspiegel an Interleukin (IL)-1 Receptorantagonist, IL-6, und IL-8 sowiehöhere Plasmaspiegel von IL-8 hatten. Für die Mehrzahl der untersuchten Zytokine ergab sich kein Unterschied zwischen Fibromyalgiepatienten und gesunden Kontrollpersonen." Die Schlussfolgerung: "Die pathophysiologische Rolle der Zytokine bei Fibromyalgie ist noch ungeklärt."

    1. Neuere Studien zu immunologischen Abweichungen bei Fibromyalgie:

      - Unique immunologic patterns in fibromyalgia. Behm FG, Gavin IM, Karpenko O, Lindgren V, Gaitonde S, Gashkoff PA, Gillis BS: http://www.biomedcentral.com/content/pdf/1472-6890-12-25.pdf

      Diese Studie ergab, dass die Zytokinantworten der peripheren mononukleären Blutzellen von Fibromyalgiepatienten signifikant niedriger waren als die von gesunden Kontrollpersonen. Die Autoren schließen daraus auf eine Beeinträchtigung der zellvermittelten Immunität. Das von ihnen eingesetzte neue Zytokinassay deckt einzigartige und wertvolle immunologische Charakteristika auf, die in Kombination mit klinischen Mustern als diagnostisches Instrumentarium für Fibromyalgie dienen könnten.

      - Eine Dissertation aus Stockholm von Diana Kadetoff vom Karolinska Institutet, Abteilung für klinische Neurowissenschaften:

      Implications of autonomic nervous system and central inflammatory parameters for the perception of pain in fibromyalgia patients, http://www.dissertations.se/dissertation/99b4d292fa/

    2. Studie der US-Forscher zum übermäßigen Vorkommen von Nervenfasern an den Blutgefäßen der Hand von Fibromyalgiepatienten:

    Excessive Peptidergic Sensory Innervation of Cutaneous Arteriole-Venule Shunts (AVS) in the Palmar Glabrous Skin of Fibromyalgia Patients: Implications for Widespread Deep Tissue Pain and Fatigue.

    Albrecht PJ, Hou Q, Argoff CE, Storey JR, Wymer JP, Rice FL (2013).

    Pain Medicine, May 20. doi: 10.1111/pme.12139 [Epub ahead of print].

    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23691965

    Die entsprechende Presseerklärung dazu finden Sie unten in deutscher Sprache.

    Eine Beschreibung dieser Studie für die allgemeine Öffentlichkeit finden Sie hier: http://www.intidyn.com/Newsroom/Fibromyalgia Pathology for lay people 2013-06-24.pdf

    Den entsprechenden Leitartikel der Zeitschrift PAIN von Robert Gerwyn finden Sie hier: http://www.intidyn.com/Newsroom/Albrecht%20et%20al%202013%20editorial.pdf

    1. Studien der Psychosomatiker aus Deutschland:

    Fibromyalgia prevalence, somatic symptom reporting, and the dimensionality of polysymptomatic distress: Results from a survey of the general population. Wolfe, F, Brähler E, Hinz A, Häuser W. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23424058

    Diese Studie ist einen Tag vor der Studie der Würzburger Forschergruppe um Claudia Sommer erschienen. Sie ergab eine recht hohe Prävalenz von 2,1% in der deutschen Bevölkerung. Die Autoren betrachten die Fibromyalgie weitgehend als somatoforme und/oder affektive Störung, die entsprechend einer psychosomatischen bzw. einer psychopharmakologischen Behandlung bedürfe. 38% der Betroffenen entsprächen der neuen Kategorie der Körpersymptomstörung im DSM-V (Infos zu dieser neuen Kategorie, die die Kategorie der "somatoformen Störungen" ablösen soll, finden Sie z.B. hier). Der Tenor des Berichts der Ärztezeitung zu dieser Studie, der exakt einen Tag vor der Meldung zu o.g. Würzburger Studie erschien, ist demnach ein völlig anderer. "Beim Fibromyalgiesyndrom handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine scharf abgrenzbare Krankheitsentität, sondern um eine Spektrumstörung. Eine neue Studie aus Deutschland bestätigt diese Hypothese." - so der Titel des entsprechenden Artikels in der Ärztezeitung. Auch wenn diese Psychosomatiker Fibromyalgie als "Spektrumstörung" betrachten, hat man den Eindruck, sie würden die biomedizinische Forschung, die parallel an vielen Orten stattfindet, in keiner Weise berücksichtigen.

     

    Presseerklärung zu Studie 3:

    Englisches Original: http://www.intidyn.com/Newsroom/article-0009.html

     

    Neue Forschungen bestätigen: Fibromyalgie findet nicht nur im Kopf statt

    Forscher entdecken eine biologische Quelle der Schmerzen in der Haut von Fibromyalgiepatienten

     

    14. Juni 2013, Rensselaer, NY - Fibromyalgie, eine schmerzhafte Erkrankung, an der etwa 10 Millionen Menschen in den USA leiden, ist tatsächlich keine eingebildete Krankheit wie manche Ärzte glauben. Eine Entdeckung, die in diesem Monat in PAIN MEDICINE, der Zeitschrift der American Academy of Pain Medicine, veröffentlicht wurde, zeigt eindeutig auf, dass Fibromyalgie eine begründete biologische Basis hat, die in der Haut lokalisiert ist.

    Fibromyalgie ist eine Krankheit mit schwerwiegender Beeinträchtigung, die charakterisiert ist durch ausgedehnte tiefe Schmerzen im Gewebe, Schmerzempfindlichkeit in den Händen und Füßen, Erschöpfung, Schlafstörungen und kognitive Einschränkungen. Bei Routineuntersuchungen hat man jedoch in der Regel keine biologische Basis für die Fibromyalgie finden können, und die Standarddiagnose beruht auf der subjektiven Bewertung der Schmerzen durch die Patienten, was weitere Fragen über die wahre Natur dieser Krankheit aufwirft. Viele Jahre hat man geglaubt, die Krankheit sei psychosomatisch („finde nur im Kopf statt“), und man hat sie oft der Einbildung der Patienten zugeschrieben oder diese gar als Simulanten beurteilt. Im Hinblick auf kürzlich entwickelte Medikamente, die zumindest einigen Fibromylagie-Patienten Erleichterung verschaffen, nahm man an, sie wirkten ausschließlich innerhalb des Gehirns, wo bildgebende Verfahren eine Hyperaktivität unklarer Ursache zeigten, die als „zentrale Sensibilisierung“ bezeichnet wurde. Eine zugrundeliegende Ursache ist jedoch nicht gefunden worden, was viele Ärzte immer noch an den wahren Ursachen der Krankheit oder gar ihrer Existenz an sich zweifeln lässt.

    Jetzt hat eine bahnbrechende Entdeckung von Wissenschaftlern von Integrated Tissue Dynamics LLC (Intidyn) als Teil der Fibromyalgie-Studie am Albany Medical College eine biologische Begründung für diese rätselhafte Krankheit geliefert. Die kleine Firma für Biotechnologieforschung, die von den Neurowissenschaftlern Dr. Frank L. Rice und Dr. Phillip J. Albrecht gegründet wurde, berichtet über eine einzigartige periphere neurovaskuläre Pathologie, die durchgängig in der Haut von Fibromyalgiepatientinnen vorkommt und die die treibende Kraft hinter den berichteten Symptomen sein könnte.

    „Statt im Gehirn lokalisiert zu sein besteht die Pathologie in übermäßigen sensorischen Nervenfasern rund um spezialisierte Blutgefäßstrukturen, die sich in den Handflächen befinden,“ sagt Dr. Rice, Präsident von Intidyn und leitender Forscher der Studie. „Diese Entdeckung bietet konkrete Beweise für eine Fibromyalgie-spezifische Pathologie, die jetzt für die Diagnose der Krankheit verwendet werden und als neuer Ansatzpunkt für die Entwicklung wirksamerer Therapeutika dienen kann.“

    Nervenenden kommen in vielen Formen vor

    Vor drei Jahren haben Wissenschaftler von Intidyn in der Zeitschrift PAIN über die Entdeckung einer unbekannten Nervensystemfunktion in den Blutgefäßen der Haut publiziert.

    Wie Dr. Rice erklärte, „haben wir die Haut einer besonders interessanten Patientin untersucht, der all die zahlreichen Variationen von sensorischen Nervenenden in der Haut fehlten, die angeblich für unseren hochempfindlichen und sehr nuancierten Tastsinn verantwortlich sind. Interessanterweise funktionierte diese Patientin im Alltag jedoch überraschend gut. Aber die einzigen sensorischen Nervenenden, die wir in ihrer Haut entdeckten, waren die um die Blutgefäße herum.“ Dr. Rice fuhr fort: „Zuvor haben wir geglaubt, dass diese Nervenenden nur an der unbewussten Regulierung des Blutflusses beteiligt seien, aber hier hatten wir nur Beweise, dass die Nervenenden um die Blutgefäße ebenfalls zu unserem bewussten Tastsinn beitragen könnten … und auch zu Schmerzen.“

    Jetzt wurden die klinischen Forschungsvorhaben von Forest Laboratories und Eli Lilly finanziert. Sie sollten in Zusammenarbeit mit dem renommierten Neurologen und Schmerzspezialisten Dr. Charles E. Argoff vom Albany Medical Center, dem leitenden Forscher, sowie seinen Mitarbeitern  Dr. James Wymer, ebenfalls am Albany Medical College, und Dr. James Storey von Upstate Clinical Research Associates in Albany, NY durchgeführt werden. Beide Pharmaunternehmen haben von der FDA zugelassene Medikamente mit ähnlichen Funktionen entwickelt, die für viele Fibromyalgiepatienten zumindest eine gewisse Erleichterung bringen.

    „Da wir wussten, wie diese Medikamente vermutlich auf die Moleküle im Gehirn wirken,” fügte Dr. Albrecht hinzu, „hatten wir Beweise dafür, dass ähnliche Moleküle an der Wirkung der Nervenenden auf die Blutgefäße beteiligt sind. Deshalb haben wir die Hypothese aufgestellt, dass bei der Fibromyalgie an dieser Stelle pathologische Prozesse ablaufen.“ Wie die Ergebnisse zeigen, lagen sie mit ihrer Hypothese richtig.

    Um diese Nervenenden zu analysieren, haben Dr. Rice und der Postdoktorand Dr. Quanzhi Hou ihre einzigartige Mikroskopiertechnologie eingesetzt, um kleine Hautbiopsien (kleiner als die halbe Größe einer Radierstiftspitze) aus den Händen von Fibromyalgiepatientinnen zu untersuchen, die von den Dres. Argoff, Wymer und Storey diagnostiziert und behandelt wurden. Die Studie beschränkte sich auf Frauen. Zwei Drittel aller Fibromyalgiepatienten sind weiblich. Was das Forscherteam herausfand, war eine enorme Zunahme von sensorischen Nervenfasern an spezifischen Stellen innerhalb der Blutgefäße der Haut. Diese entscheidenden Stellen sind winzige muskuläre Ventile, sogenannte Arteriole-Venole-Shunts (AV), die eine direkte Verbindung zwischen den Arteriolen und Venolen bilden (siehe Abbildung).

    Wie Dr. Rice deren Funktion beschreibt, „ist uns allen beigebracht worden, dass das sauerstoffreiche Blut von den Arteriolen in die Kapillargefäße fließt, die dann das sauerstoffarme Blut in die Venolen befördern. Die AV-Shunts in der Hand sind insofern einzigartig, als sie eine Umgehung des Kapillarbettes darstellen mit dem Hauptziel der Regulierung der Körpertemperatur.“

    Ein Thermostat für die Haut

    Beim Menschen kommen diese Shunts ganz besonders in den Handflächen und den Fußsohlen vor, die wie ein Kühler im Auto funktionieren. Unter warmen Umgebungsbedingungen schließen sich diese Shunts, um den Blutfluss in die Kapillaren auf der Hautoberfläche zu erzwingen, um die Hitze des Körpers abzustrahlen, und dann werden unsere Hände schweißnass. Unter kalten Umgebungsbedingungen öffnen sich die Shunts weit und ermöglichen dem Blut, die Kapillaren zu umgehen, um die Körperwärme zu erhalten, und unsere Hände werden kalt und wir ziehen Handschuhe an.

    Laut Dr. Albrecht „kann die übermäßige sensorische Innervation als solche erklären, warum Fibromyalgiepatienten typischerweise besonders schmerzempfindliche und schmerzhafte Hände haben. Aber zusätzlich werden sie, da diese sensorischen Nervenfasern für die Öffnung der Shunts zuständig sind, unter kalten Umgebungsbedingungen besonders aktiv, und kalte Umgebungsbedingungen sind für Fibromyalgiepatienten im Allgemeinen besonders unangenehm.“

    Die Rolle bei der Regulierung des Blutflusses im gesamten Körper

    Obwohl sie hauptsächlich auf die Hände und Füße beschränkt sind, haben diese Shunts wahrscheinlich eine weitere wichtige Funktion, die für die ausgedehnten, tiefen Schmerzen, die Schmerzhaftigkeit und Erschöpfung, die bei Fibromyalgiepatienten auftritt.

    „Abgesehen von der Beteiligung an der Temperaturregulation geht ein enormer Teil unseres Blutflusses durch unsere Hände und Füße, weit mehr als für den Stoffwechsel benötigt wird,“ merkt Dr. Rice an. „Somit fungieren die Hände und Füße als ein Reservoir, von dem der Blutfluss in andere Körpergewebe abgeleitet werden kann wie beispielsweise die Muskeln, wenn wir anfangen, uns zu bewegen. Von daher könnte die Pathologie, die an den Shunts in den Händen entdeckt wurde, den Blutfluss zu den Muskeln im gesamten Körper beeinträchtigen. Dieser gestörte Blutfluss könnte die Ursache für die Muskelschmerzen und Schmerzhaftigkeit und das Gefühl der Erschöpfung sein, von dem man vermutet, es sei die Folge der Ansammlung von Milchsäure und geringgradigen Entzündungsprozessen bei den Fibromylagiepatienten. Das wiederum könnte zu der Hyperaktivität im Gehirn beitragen.“

    Dr. Albrecht weist auch darauf hin, dass Veränderungen des normalen Blutflusses weiteren Symptomen der Fibromyalgie zugrundeliegen könnten wie etwa dem nicht erholsamen Schlaf oder kognitiven Dysfunktionen. „Die Daten scheinen mit anderen publizierten Belegen übereinzustimmen, die Veränderungen des Blutflusses in höheren Gehirnzentren und dem zerebralen Kortex der Fibromyalgiepatienten aufzeigen,“ sagt er.

    Der Forschungsvorsitzende des Alan Edwards Center for Pain Research an der McGill University, Dr. Gary Bennett, kommentierte die Ergebnisse so: „Es ist aufregend, dass schließlich doch etwas gefunden wurde. Wir können hoffen, dass diese neuen Forschungsergebnisse zu neuen Behandlungsformen für Fibromyalgiepatienten führen werden, die zurzeit wenig oder gar keine Erleichterung durch die Medizin erfahren.“

    Diese Entdeckung einer eindeutigen Pathologie im Gewebe zeigt, dass Fibromyalgie „nicht nur im Kopf” stattfindet. Und das sollte für die Fibromyalgiepatienten eine enorme Erleichterung sein, derweil sie die Meinung der Ärzte über die Krankheit verändert und eine Anleitung für zukünftige Ansätze für eine erfolgreiche Behandlung sein kann.

     

    Nachricht dazu: http://chronicfatigue.about.com/b/2013/07/02/too-many-nerves-new-pathology-discovered-in-fibromyalgia.htm

    Kritischer Kommentar eines Rheumatologen: http://rheumatologe.blogspot.de/2013/06/fibromyalgia-and-excessive-peptidergic.html