Mitglied bei

 

  • Startseite

  • ME/CFS - was ist das?

  • Artikel des Monats

  • Kommentare des Monats 

  • Medienberichte

  • News

  • Broschüren zu Diagnose und Behandlung 

  • Häufig gestellte Fragen zu ME/CFS

  • Humor und Kreatives

  • Weiterführende Links

  • Impressum/Disclaimer

  • Spendenkonto

  •       

    Suche auf cfs-aktuell:

     

    Eine weitere Suchmöglichkeit besteht darin, z.B. bei www.google.de das Suchwort einzugeben und dann nach einem Leerzeichen den Zusatz site:www.cfs-aktuell.de

    Sie erhalten dann alle Seiten auf cfs-aktuell.de, auf denen der gesuchte Begriff vorkommt.

    Artikel des Monats März 2014 Teil 1

    Interview mit dem Kinderarzt Dr. Nigel Speight

    Wissenschaft für die Patienten

    Fragen und Antworten - ME/CVS Vereniging (Niederlande)

    Vorbemerkung:

    Dr. Nigel Speight hat etwa 30 Jahre Erfahrung in der Behandlung von Kindern mit ME und war als Facharzt für Pädiatrie für das University Hospital von North Durham in Großbritannien tätig. Er ist immer noch ein leidenschaftlicher Fürsprecher für Kinder mit ME, die von Sozialbehörden mit der Herausnahme aus ihren Familien bedroht werden. Abgesehen von vielen Vorträgen, die er überall hielt, spielte er eine wichtige Rolle in dem Dokumentarfilm Voices from the Shadows.

    Beachten Sie auch die Interviews 28 auf Januar-14-1, 29 und 30 auf Januar-14-2 und 31 bis 34 auf Februar-14-1.

    Wenn Sie zu diesem Interview Fragen haben, bitte schreiben Sie diese an diese E-Mail-Adresse: wvp@me-cvsvereniging.nl

    Es ist gestattet, alle Transkripte des Projektes Wetenschap voor Patiënten (Wissenschaft für die Patienten) weiterzuverbreiten, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, dass die Quelle klar und deutlich angegeben wird: ME/cvs Vereniging, http://www.me-cvsvereniging.nl/

    Übersetzung ins Deutsche: Regina Clos, Original hier, pdf-Datei der Übersetzung hier.

     

    Dr. Nigel Speight hat sich freundlicherweise zur Verfügung gestellt, bei drei verschiedenen Sitzungen Fragen von Patienten zu beantworten. Hier die Fragen und Antworten bei der dritten Sitzung, die für die gesamte globale Gemeinde am 14. Februar 2014 offen war:

     

    Frage: Ich bin Mutter zweier Kinder mit ME, einem Jungen von 14 Jahren, der seit zweieinhalb Jahren krank ist, und einem 12-jährigen Mädchen, die seit vier Jahren krank ist. Meine Frage ist:

    Wie sieht nach Ihrer Erfahrung die langfristige Prognose für diese Kinder aus? Bessert sich bei den meisten der Zustand oder bleiben sie auch krank, wenn sie erwachsen werden?

    Antwort: Vielen Dank. Sie haben mein tiefes Mitgefühl. Im Allgemeinen hat bei einer Reihe von Kranken, deren Krankheitsverlauf ich mitverfolgt habe, ein Drittel sich gut erholt. Es ist sehr schwer vorhersagbar, aber ganz allgemein ist die Prognose besser, je leichter die Krankheit ist.

    F: Was ist mit einem Kind, dessen Krankheit anfangs leichter ist und dann mit zunehmendem Alter schlimmer wird? Sollte es nicht mit der Zeit besser werden?

    A: Ich befürchte, dass dies manchmal passiert, und niemand ist daran schuld. Manchmal passiert das natürlich aufgrund von Falschbehandlung (wenn das Kind aufgefordert/gezwungen wird, zuviel zu tun).

    F: Es gab keine Falschbehandlung. Hat einen niedrigen C3-Wert, aber ansonsten ein normales Blutbild, obwohl der Vater an Systemischem Lupus erythematosus leidet.

    A: Das klingt danach, dass Sie wirklich Pech haben. Ein anderer häufiger Grund für eine Verschlechterung sind virale Infektionen.

    Frage: Das klingt nach einer plausiblen Erklärung. Gibt es irgendwas, was wir tun können, um gegen solche viralen Infektionen anzugehen? Unsere Tochter ist jetzt 23 und seit ihrem 3. Lebensjahr krank.

    A: Die schweren Fälle sind vor der Exposition gegenüber Viren anderer Menschen geschützt, weil sie zuhause bleiben. Eine Mutter, mit der ich zu tun hatte, war davon überzeugt, dass die Immunglobuline, die ich ihr für ihren Sohn gegeben hatte, ihn vor Virusinfektionen bewahrte (die sein Bruder von der Schule mit heim brachte).

    F: Ist es nicht einfach dadurch möglich, dass sich der Gesundheitszustand eines Kindes über die Jahre hinweg verschlechtert, weil es nicht behandelt wird?

    A: Es gibt keine „Behandlung“, und ich sehe nicht viele Patienten, die durch gutartige Vernachlässigung kränker werden!

    F: Sind in den letzten Jahren neue Tests hinzugekommen, oder sind andere inzwischen veraltet?

    A: In der vergangenen Woche habe ich einen interessanten Vortrag von Dr. Mark VanNess aus Kalifornien gehört. Er hat objektive wissenschaftliche Beweise über die Verschlechterung des Energieniveaus und anderer Symptome infolge körperlicher Belastung, die die Basis für einen diagnostischen Test bilden könnten.

    F: Haben Sie irgendwelche Unterschiede bei den Symptomen zwischen Jungen und Mädchen beobachtet? Ich habe gelesen, dass mehr Mädchen ME bekommen und dass sie schwerere bzw. unterschiedliche Symptome haben.

    A: Nicht wirklich. Ich habe beobachtet, dass Jungen in der Pubertät insgesamt schwierigere Patienten sind als Mädchen. Viele kämpfen gegen ihren Zustand an oder verleugnen ihn hartnäckig. Sie schließen sich nicht gerne Patientengruppen zur Unterstützung an. Es gibt natürlich Ausnahmen.

    F: Aber wie sieht die Statistik für das Verhältnis von Jungen und Mädchen im Vergleich zum Verhältnis Männern/Frauen aus?

    A: Bei Erwachsenen liegt das Verhältnis glaube ich irgendwo bei 3:1, bei den Kindern, die ich gesehen habe, lag es näher bei 3:2 (also das Verhältnis von Frauen/Männern, Mädchen/Jungen).

    F: Die Körper von Mädchen und Frauen müssen für Fremd-DNA offen sein, um schwanger zu werden. Kann das ein Grund dafür sein, dass das Immunsystem von Mädchen/Frauen anfälliger ist?

    A: Eine gute Frage, aber darauf habe ich keine Antwort!

    F: Oder der Abfall an Energie, der jeden Monat davon verbraucht wird, um potentiell ein neues menschliches Lebewesen zu schaffen und der deshalb nicht in das Immunsystem einfließt. Ich habe das komisch ausgedrückt, ich weiß… verdammter Brainfog.

    A: Viele Mädchen entwickeln ME vor Beginn der Pubertät.

    F: Deshalb habe ich gefragt – ist das Auftreten vor der Pubertät zwischen den Geschlechtern gleich verteilt?

    F: Empfehlen Sie “Behandlungen” wie Vitamin B12, Vitamin C, Vitamin D, Melatonin, 5HTP, Omega-3-Fettsäuren etc., um die Symptome abzuschwächen zu versuchen, oder bringt es nichts, einem Kind alle diese Pillen zu geben? (Meine Kinder nehmen das alles.)

    A: Mein Ansatz war immer, hier die elterlichen Vorschläge zu begleiten und diese auf vernünftige Weise auszuprobieren. Manche bekommen B12 usw. Ich habe häufig Melatonin eingesetzt. Manche Patienten haben mir beigebracht, dass L-Glutamin bei Übelkeit hilft.

    F: Meine 12-jährige Tochter möchte oft etwas unternehmen wie mit einer Freundin spielen, obwohl es ihr davon schlechter geht. Wie können wir hier ein Gleichgewicht finden? Sie sagt oft „das war es wert“, wenn sie tagelang ausruhen muss, wenn sie etwas Schönes unternommen hat. Wie denken Sie darüber?

    A: Das ist glaube ich sehr schwierig. Ich habe mich immer geirrt, wenn ich hier nachgiebig war und einen Rat in Richtung „mach was Du willst“ gegeben habe. Vielleicht hätte ich hier etwas strenger sein sollen, aber es ist schließlich das Leben der Patienten. Ich habe immer sanft auf den möglichen Zusammenhang hingewiesen zwischen einem, sagen wir, Mini-Rückfall und dem vorangegangenen Popkonzert oder Camping-Wochenende, während ich versucht habe, nicht so sehr nach „ich hab’s Dir ja vorher gesagt“ zu klingen. Die Hauptsache ist, dass man nicht so viel tut, dass man tatsächlich einen richtigen Rückfall verursacht.

    F: Glauben Sie, dass Karina Hansens Ärzte sich von der Petition überzeugen lassen?

    A: Karinas Ärzte klingen sehr sicher in dem Wissen über ihre eigene Richtigkeit und deshalb wahrscheinlich nicht einverstanden sein. Das Gericht/der Richter sollte jedoch gegenüber Argumenten zum bzw. Appellen an das Naturrecht offener sein.

    F: Wenn Sie es schaffen, sie [aus der Psychiatrie, d.Ü.] herauszukriegen, dann werden Sie Ihr Leben lang treue Anhänger haben. Sie haben sie seit einem Jahr, und es geht ihr schlechter, sie sind offensichtlich gescheitert.

    F: Ich habe gelesen, dass „das Ausmaß der Konzentration auf die Symptome durch die Mutter“ die Prognose des Kindes beeinflussen kann (FITNET-Studie). Was sagen Sie dazu? (Als Mutter fühlt sich das für mich wirklich ungerecht an!)

    A: Wahrscheinlich meinen sie einen Einfluss in Richtung Verschlechterung. Das klingt für mich ein bisschen nach Blödsinn oder Psychogeschwätz.

    F: Ein Arzt, der Psychogeschwätz sagt…♥

    F: Ein Rheumatologe hat für meine Tochter eine Immunglobulin-Behandlung vorgeschlagen. Ein Facharzt war der Meinung, das sei nicht sicher. Meine Tochter hat einen niedrigen IgG-Subklassen-1-Wert. Wenn sie sehr zu Infektionen neigt und oft subfebrile Temperatur hat, würden Immunglobuline eine gute Idee und sicher sein?

    F: Ich würde dem Rheumatologen trauen. Wenn Ärzte sagen, dass etwas „unsicher“ sei, aber dafür keine Begründung abgeben, dann heißt das gewöhnlich, dass sie persönlich das nicht gerne verordnen würden. (Sie denken auch: „Wenn ich das diesem einen Patienten gebe, dann wollen es die anderen auch alle haben – was das für eine zusätzliche Arbeit bedeutet!“) Wenn sie zu Infektionen neigt, dann können Immunglobuline einen Versuch wert sein. Ich glaube, ich habe Ihnen das letzte Mal über das norwegische Mädchen erzählt, die wunderbar auf Immunglobuline reagiert hat.

    F: Ein jetzt 15-jähriges Mädchen hat sich bis vor einem Jahr langsam aber stetig erholt. Dann war sie vier Wochen zur „Reha“. Mit dem Schwerpunkt auf Steigerung der Aktivität und Motivation. Ein bis zwei Monate danach wurde uns klar, dass es ihr immer schlechter ging. Ein dreiviertel Jahr später geht es ihr immer noch weiter schlechter, und sie ist jetzt mehr oder weniger ans Haus gefesselt. Ich glaube, es gibt da einen Zusammenhang. Würden Sie mir da ganz allgemein zustimmen?

    A: Ich stimme da zu. Das ist es, was wir mit diesen Trainingsbehandlungen erlebt haben. Natürlich stimme ich zu! Ich habe diese Geschichte so oft gehört. Ich wünsche mir, dass jemand die Ärzte, die ihren Zustand verschlechtert haben, sie für den Schaden verklagt, den sie angerichtet haben.

    F: Das ist erschreckend, wir dachten, der Arzt (ein Kinderneurologe) würde wissen, was er tut, als er sie dorthin schickte. Ich weiß von noch weiteren, ähnlichen Fällen. Das ist auch das einzige Angebot für die unter 18-jährigen ME-Patienten im Land. Sie vermengen es mit CFS und haben, so sieht es aus, sich bei der Wessely-School informiert. Ich wünschte, wir hätten das damals gewusst. Vielen Dank, Dr. Speight. Wir werden Sie zitieren.

    Wie können wir die negative Entwicklung wieder zurück in eine positive drehen? Abgesehen davon, im Bett zu bleiben…

    A: Ich habe von vielen sehr vernünftigen Eltern gehört, die die gleiche Vermutung haben, nämlich dass Ärzte wissen, was sie tun, auf Kosten ihrer Kinder. Es könnte hilfreich sein, wenn wir das Wort „Graded“ („abgestuft“) von „Graded Exercise Treatment“ wieder in Besitz nehmen könnten, nämlich in dem Sinne, dass „abgestuft“ bedeutet in Reaktion auf einen Fortschritt oder eine Verschlechterung und die Aktivität vermindert wird, wenn sich der Zustand des Patienten verschlechtert.

    F: Dieser Neurologe ist kein Anfänger und als einer der Besseren angesehen.

    A: Denken Sie daran, ME ist eine Krankheit, die sogar gute Ärzte verrückt machen kann.

    F:  Aber alle Ärzte, die eine Weile mit ME-Patienten zu tun hatten, sollten sehr vorsichtig sein, um sie nicht an Orte zu schicken, an denen GET eingesetzt wird. Pacing wäre in Ordnung gewesen!

    A: Da stimme ich zu, ich empfehle das nie. Was ich sage ist, dass mein sanftes Pacing-Regime wie sanftes GET ist, es gibt also keine Notwendigkeit einer Überweisung!

    F: Haben Patienten von Ihnen über Druck in ihrem Gehirn geklagt, nachdem sie antibiotische oder antivirale Medikamente genommen hatten? Oder über ein äußerst merkwürdiges Zittern?

    A: Nicht mit so vielen Worten. Meinen Sie „Kopfschmerzen“?

    F: Nein, wie ein Ballon, den man innerhalb des Kopfes aufbläst. Wenn der Druck zu lange andauert, dann verursacht das Kopfschmerzen. Und ich habe direkt danach schwere Kopfschmerzen gehabt, zusammen mit einem Monat lang Übelkeit und Benommenheit. Und 40°C Fieber.

    F: Haben langfristig eingesetzte Antibiotika in der Behandlung junger Menschen mit ME eine Rolle zu spielen? Ich spreche hier von Mycoplasma pneumonia- und Chlamydien-Infektionen – Bluttests positiv.

    A: Ich glaube schon. Die Arbeit von Garth Nicholson aus den USA rechtfertigt einen Versuch mit einem Breitbandantibiotikum für mögliche atypische Infektionen wie Mycoplasmen – jetzt verstehe ich, das ist es, was Sie in Betracht ziehen. Einige Ärzte aus den USA setzen auch antivirale Mittel wie Gancyclovir ein (Dr. Montoya).

    F: Haben Sie Patienten, die nach der Schweinegrippe in 2009 ME bekommen haben? (Nicht die Impfung, sondern die tatsächliche Krankheit.) Wir vermuten, dass dies einer der Auslöser bei meinen Kindern war.

    A: Ich habe persönlich keine Fälle gesehen, da ich keine feste Anstellung mehr habe, seit ich im Ruhestand bin. Ich würde jedoch denken, dass die Schweinegrippe ein gut möglicher Erreger für die Verursachung der ME ist.

    F: Könnte deshalb ein beeinträchtigtes Immunsystem Co-Infektionen begünstigen? Kann eine langfristige Einnahme von Antibiotika ME schlimmer machen?

    A: Ich würde sagen, das erste ist möglich, das zweite unwahrscheinlich. Ich glaube jedoch, dass die antibiotische Behandlung von Lyme-Borreliose im dritten Stadium dazu führen kann, dass sich der Patient mit der Ausschüttung von Produkten der Spirochäten schlechter fühlt, wenn der Erreger abgetötet wird. Das könnte ein gutes Zeichen sein. Und natürlich kann Lyme-Borreliose so ähnlich aussehen wie ME.

    F: Es wäre deshalb sinnvoll, ME-Patienten regelmäßig auf Co-Infektionen oder andere Erkrankungen zu testen.

    A: Leider sind das ganz spezielle Tests. Es ist viel einfacher, auf empirischer Basis einfach ein Breitbandantibiotikum auszuprobieren. Ich hatte eine sehr kreative Ärztin (Hausärztin), die Doxycyclin gegen das ME eines jungen Mannes verschrieb und vorgab, es sei gegen seine Akne! Leider hat es nicht geholfen.

    F: Wie sieht es mit Impfungen als Auslöser aus? (Zweiter Verdacht im Fall meiner Tochter, 6 Monate nach der Schweinegrippe) Sollten Impfungen nach Ausbruch der ME vollkommen vermieden werden?

    A: Impfungen werden sehr häufig als Auslöser gesehen. Die Regierungen wollen das nicht untersuchen oder gemeldet bekommen – für den Fall, dass sie dafür haftbar gemacht werden.

    F: Wir haben versucht, ihn (den Impfstoff) der Regierung zu melden, aber sie verneinten die Möglichkeit eines Zusammenhangs. Zumindest haben wir versucht, es ihnen zu sagen.

    A: Wie ich schon sagte. Wir hatten einen Arzt in Großbritannien, der einen Zusammenhang zwischen MMR und Autismus andeutete. Seine berufliche Karriere war ruiniert.

    F: Spielt eine genetische Anfälligkeit bei der Entwicklung eines ME eine Rolle?

    A: Fast sicher. Es gibt große Familiencluster, in denen jedes Familienmitglied ME zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt bekam. Ich hatte gerade mehrere Patienten, die mit einem Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III diagnostiziert wurden, und ich bin mir immer noch über die Bedeutung dessen unsicher. 

    ------------------------------------

    Video von Nigel Speight's Rede in Bristol im Februar 2014:

    https://www.youtube.com/watch?v=208JacsB5kM