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Artikel des Monats September
2012 Teil 5
Eine neue Marburger Studie -
tatsächlich über "CFS"?
Analyse und Kommentar von Regina Clos
Artikel hier als pdf-Datei
Einführung
Eine neue Studie über "CFS" steht uns ins Haus. Dem Titel nach sollen
"Biologische Marker des chronischen Erschöpfungssyndroms" erforscht werden. Der Fachbereich Psychologie, Abteilung Klinische
Biopsychologie, der Universität Marburg führt derzeit diese Studie unter Leitung
von Urs Nater durch.
Gefördert wird diese Studie mit einem Millionenbetrag von der
Volkswagenstiftung.
Ist es nicht das, was wir immer wollten - biologische Marker für
unsere Krankheit zu finden, mit der wir diese eindeutig diagnostizieren und damit
"beweisen" können, dass und warum wir krank sind? Sind biologische Marker nicht
genau das Instrumentarium, was uns aus unserer Lage der Entrechtung und permanenten Demütigung,
der Nicht-Versorgung durch Medizin- und Sozialsystem herausbringen könnte?
Wie verführerisch ist da der Satz aus der
Infobroschüre, die die
Studienmacher verbreiten: "Unser Ziel ist es,
biologische Prozesse beim chronischen Erschöpfungssyndrom zu untersuchen."
Der Wunsch danach war wohl auch der Grund, warum der Vorstand des
Fatigatio zunächst auf diesen
verführerischen Titel der Studie hereinfiel und die im weiteren Raum von Marburg
wohnenden Mitglieder zu einer Teilnahme an dieser Studie aufforderte - bis er
durch entsprechende Hintergrundinformationen aufmerksamer Vereinsmitglieder eines Besseren belehrt wurde und
diese Aufforderung zurückzog.
Schaut man sich nämlich den bisherigen Forschungsbereich des
Studienleiters, die Studien, in denen er bislang mitgearbeitet hat und vor allem
die in dieser und den Vorläuferstudien verwendeten Definitionskriterien für
"CFS" an, dann wird klar, dass diese Studie das genaue Gegenteil erreichen wird:
alle bestehenden Vorurteile und Falschinformationen, dass "CFS" eine
stressbedingte Erkrankung und durch psychische Faktoren verursachte Störung sei,
werden mit großer Wahrscheinlichkeit bestätigt werden. Es sieht also so aus, als
würde uns eine solche Studie mehr schaden als nützen.
In dieser neuen Marburg-Studie werden
-
wahrscheinlich überhaupt keine
ME/CFS-Patienten untersucht werden, allenfalls werden sie eine verschwindende
Minderheit in der ausgewählten Studienkohorte ausmachen,
-
nahezu alle bislang bereits erforschten biologischen
Anomalien ignoriert bzw. nicht miteinbezogen,
-
äußerst fragwürdige Testmethodenverwendet
-
und es soll allem Anschein nach eine bereits früher auf höchst
unwissenschaftliche Weise erstellte, psychologische Verursachungshypothese
(die besagt: "CFS" kommt von frühkindlichen Traumata) bestätigt werden.
Würde diese Studie von vorneherein klar sagen, was sie wirklich
tut, nämlich zu versuchen, die möglichen Auswirkungen von anzunehmenden
(allerdings unbewiesenen und nur durch Fragebögen mit Selbstauskunft
"ermittelten") frühkindlichen Traumata auf drei oder vier Elemente
der neuro-endokrin-immunologischen Steuerungsmechanismen zu untersuchen, wäre
dies eine ehrenwerte Studie.
Interessanterweise wird in dem englischen Studientitel "How
Stress gets in the Body - A Psychobiological Approach to the Pathophysiology of
Chronic Fatigue" auch nur von Chronic Fatigue, also von Chronischer
Erschöpfung gesprochen, während in allen Vorgängerstudien und auch in dem
Informationsblättchen für Patienten wird aus chronischer Erschöpfung ganz
plötzlich "CFS".
Sie wäre genauso wie ihre Vorgängerstudie [1]
zunächst eine ehrenwerte und wichtige Studie, insofern, als sie die verheerenden
Auswirkungen von frühkindlichem Stress bzw. frühkindlichen Traumata wie
Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung und Verlusterfahrungen untersucht,
die diese auf das Gehirn und evtl. auch bestimmte Elemente der neuroendokrinen
Steuerung haben können (Stressachse, d.h. die HPA-Achse, evtl. auch auf autonome
und immunregulatorische Systeme). Wenn ein solcher Zusammenhang wissenschaftlich
belegt wird und die Schlussfolgerung ist: frühkindliche Traumata können auch zu
körperlichen Veränderungen und Schädigungen führen, so ist das zunächst einmal
ein Fortschritt. Ein Fortschritt, der möglicherweise auch zu Behandlungsansätzen
für die armen Opfer solcher frühkindlichen Traumata führen kann.
ABER: Verspricht diese Studie auch für uns einen
Fortschritt? Eher nicht, denn bereits das Studiendesign enthält
mehrere katastrophale Fehler. Schauen wir sie uns genauer an.
Die Marburg-Studie: Welche Patienten werden hier tatsächlich
untersucht?
Schauen wir uns deshalb an, welche Patienten, d.h. welche Störung(en) hier denn tatsächlich untersucht werden sollen. D.h. nach welchen
Kriterien, nach welcher Krankheitsdefinition wird die Studienkohorte ausgewählt?
Es handelt sich dabei um eine Definition von
"CFS", die mit den ursprünglichen Definitionen etwa von Ramsay, mit der Fukuda-Definition oder gar mit der Kanadischen und der Internationalen
Definition des ME/CFS so gut wie nichts mehr zu tun hat. Von daher ist die
Studie vergleichbar mit dem Versuch, die Tuberkulose zu erforschen, indem man
alle Menschen mit Husten in die Studie einbezieht.
Sowohl aus der Vorgängerstudie [1] als auch aus einem Gespräch
mit einer der durchführenden Psychologinnen geht hervor, dass die verwendete
Krankheitsdefinition die sogenannte "empirische" Definition des CFS durch die
Centers for Disease Control and Prevention (CDC) ist, die von Reeves et al. erfunden
wurde und die vorgibt, einfach nur eine "operationalisierte" Form der
Fukuda-Kriterien von 1994 zu sein.
Die "empirische" Definition des "CFS" der CDC - ungeeignet bis betrügerisch
Leonard Jason hat in mehreren Artikeln nachgewiesen, wie
fehlerhaft diese sogenannte "empirische" Definition des "CFS" der CDC
ist:
Diese Definition schließt mehrheitlich
Menschen mit einer majoren Depression, mit anderen psychiatrischen Erkrankungen
und unspezifischen Erschöpfungszuständen ein, denen das entscheidende
Definitionskriterium des ME/CFS fehlt: die Zustandsverschlechterung nach
Belastung. Menschen mit neurologischen Störungen, wie sie für ME/CFS-Patienten
typisch sind, werden aus dieser Definition ausgeschlossen. Patienten, die mit
der sogenannten "empirischen" Definition von Reeves et al. identifiziert werden,
erfüllen die Kriterien der Kanadischen Definition in keiner Weise. Sie können deshalb nicht als ME/CFS-Patienten klassifiziert werden (die
Internationale Definition gab es zum Zeitpunkt des Erscheinens von Jasons
Artikel noch nicht, aber für diese gilt anzunehmenderweise das gleiche wie für
die Kanadische Definition).
Nach einem halbstündigen Gespräch mit einer der durchführenden
Psychologinnen dieser Studie hat diese eindeutig bestätigt, dass diese
"CFS"-Kriterien zur Auswahl der Studienkohorte verwendet werden sollen.
Und wenn man von vorneherein eine Gruppe von Menschen mit
psychischen Störungen aussucht, braucht man sich nicht zu wundern, dass man
darin dann einen hohen Prozentsatz mit negativen Kindheitserfahrungen findet -
wie das in den Vorgängerstudien der Marburg-Studie der Fall war.
Eine kleine
Auswahl von Artikeln und Studien über die Fehlerhaftigkeit der sogenannten
"empirischen" oder "operationalisierten" Definition finden Sie im Artikel des Monats
September-12-6.
Dass diese "empirische" CFS-Definition auf regelrechtem
wissenschaftlichen Betrug basiert - und damit Studien, die auf ihr beruhen,
keinerlei Aussagekraft haben - hat Mary Schweitzer in ihrer Analyse "CDC-Forschung
über CFS: Offener Betrug" nachgewiesen.
Kann eine Studie, die zentral auf diesen "operationalisierten"
Kriterien beruht, irgendetwas ergeben, was von wissenschaftlicher Relevanz ist?
Müssen nicht alle Ergebnisse, die sie liefert, von vorneherein ebenso falsch und
unwissenschaftlich sein wie die Reeves-Kriterien? Und vor allem: Sagt sie
IRGENDETWAS über ME/CFS-Patienten aus?
ME/CFS-Patienten werden durch die verwendete "CFS"-Definition und die
Teilnahmebedingungen weitgehend ausgeschlossen
Hinzu kommen die Anforderungen zur Teilnahme, die allenfalls
leicht erkrankte ME/CFS-Patienten bewältigen können: sie müssen zweimal nach
Marburg fahren und dort wahrscheinlich mehrere Stunden mit dem Ausfüllen von
Fragebögen, diversen Untersuchungen und der Teilnahme an einem "Stresstest"
verbringen. Dabei handelt es sich laut Auskunft der Psychologin um "eine Art
Schultest". Allein das schließt die Mehrheit der ME/CFS-Patienten aus, weil sie
weder körperlich noch von der geistigen Leistungsfähigkeit ein solches Pensum
bewältigen können.
Schaut man sich einen von diesem Marburger Institut unter
Leitung von Urs Nater erstellten Fragebogen an, dann wird klar, dass der
typische ME/CFS-Patient nicht iin der Lage ist, einen solchen Fragebogen ohne
massive Überschreitung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit
auszufüllen - und dieser
Fragebogen zur Erfassung funktioneller somatischer Syndrome (Auszug
über "CFS" siehe unten) ist
anzunehmenderweise auch Bestandteil der Erhebungen in dieser Studie.
Versuchen sie es trotzdem, so riskieren sie die für ME/CFS
typische Zustandsverschlechterung nach Belastung, die Post-exertional Malaise.
Übrigens: die o.g. Psychologin versicherte mir, dass die Studie
vom Ethikrat der Marburger Universität genehmigt worden sei und deshalb den
teilnehmenden Personen kein Schaden zugefügt würde.
Hätten Ethikrat oder Studienleiter wirklich eine Vorstellung von
ME/CFS, dann wüssten sie, dass allein die Teilnahme an der Studie für
ME/CFS-Patienten schädlich ist insofern, als die dazu notwendige Anstrengung die
Grenzen der Belastbarkeit dieser Patienten bei weitem überschreitet und
unausweichlich zu einem anschließenden Crash, einer Zustandsverschlechterung,
führen muss. Das gilt bereits für die leicht erkrankten Patienten, die überhaupt
in der Lage wären, das geforderte Pensum zu bewältigen (Anreise, mehrstündiger
Aufenthalt, Ausfüllen von Fragebögen, Untersuchungen irgendwelcher Art,
Teilnahme am "Stresstest" etc.)
Zusätzlich eingeschränkt wird der Teilnehmerkreis durch folgende
Bedingungen:
"Teilnehmen können
Frauen zwischen 18-45 Jahren, die nicht schwanger sind, nicht
hormonell verhüten und nicht stark übergewichtig sind."
ME/CFS
betrifft auch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und Erwachsene über 45
Jahren - und es betrifft vor allem auch Männer. Aus welchem Grund wird hier
schon einmal mindestens die Hälfte aller ME/CFS-Patienten ausgeschlossen?
Weiter hinzu kommt diese
Teilnahmebedingung:
"Einige körperliche und
psychische Erkrankungen werden beim 1. Termin untersucht und
führen möglicherweise zum Ausschluss der folgenden Untersuchung."
Zwar ist nicht spezifiziert,
welche körperlichen und/oder psychischen Erkrankungen zum Ausschluss führen.
Festzuhalten bleibt: zahlreiche ME/CFS-Patienten haben außer ihrer eigentlichen,
körperlichen, sprich: neuroimmunologischen Krankheit ME/CFS auch noch andere
körperliche Erkrankungen, die hinzukommen. Und viele ME/CFS-Patienten entwickeln
reaktiv, d.h. infolge der Verheerungen, die diese Krankheit anrichtet, auch
psychische Symptome wie depressive Episoden. Und sie haben vor allem jede Menge
neurologischer Symptome.
Hier
können Sie sich die Beschreibung der Symptome der schwer erkrankten
ME/CFS-Patientin Klara ansehen - eine Dimension von Leid, das vorzustellen
sich die Marburger Forscher wahrscheinlich nicht in der Lage sind.
Sonst hätte die o.g. Psychologin auf meinen Einwand, dass schwer (und auch
moderat) erkrankte ME/CFS-Patienten gar nicht teilnehmen können, nicht nur mit
der lapidaren Antwort "Schade" reagiert. Immerhin gestand sie ein, dass dies die
Studienergebnisse doch etwas einschränke.
Mein Urteil: Mit diesen Einschränkung
für die Teilnahme geht die Aussagekraft der Studienergebnisse im Hinblick auf
ME/CFS-Patienten von vorneherein gegen Null.
Und wir bräuchten uns eigentlich mit
den weiteren schweren methodischen Fehlern nicht mehr befassen und diese Studie
"abhaken". Dennoch forschen wir einmal weiter:
Was ist die zu testende Studienhypothese?
Da in dem "Informations"-Blatt für Patienten die Studienhypothese nicht
beschrieben wird, habe ich die o.g. Psychologin in einem Telefongespräch mehrfach danach gefragt. Sie
antwortete, man wolle bestimmte Parameter zwischen CFS, Schmerzpatienten und
Gesunden vergleichen. Sie verwies auf das, was in dem Infoblättchen für
Patienten steht:
"In unserer Studie wollen wir
Hormone, Immunzellen und die genetische Aktivität zwischen Frauen mit dem
chronischen Erschöpfungssyndrom und nicht erschöpften Frauen vergleichen. "
Mein Einwand, das sei ja doch der zweite Schritt, also die
Methode, mit der die Hypothese überprüft werden solle, aber wie denn der erste
Schritt, also die Hypothese aussähe, wird nach wiederholter Nachfrage
dahingehend beantwortet, dass man sich nach früheren Studien richten würde. Aber
auch hier bleibt die Auskunft schwammig, und erst eine gezielte Nachfrage, ob
sie sich nach Studien von Nater, Reeves, Heim et al. richten, ergab schließlich
ein entsprechendes Zugeständnis, dass man sich nach diesen Studien richten
würde.
Es ist stark anzunehmen, dass die Vorläuferstudie, auf der
die jetzige aufbauen soll, die von Heim/Nater/Reeves et al. ist:
"Childhood Trauma and Risk for Chronic Fatigue Syndrome – Association with neuroendocrine dysfunction." [1]
Die Vorgängerstudie
Die Hypothese dieser Vorläuferstudie ist:
"Wir
haben
bereits vorgeschlagen,
dass frühe
negative
Erfahrungen
wie Kindesmissbrauch,
Vernachlässigung, Verlust und ein
prädisponierender Faktor dafür sein könnte,
der eine
erfolgreiche
Anpassung an
Stress
beeinträchtigt und damit
das Risiko CFS, zu entwickeln
fördert." Aus [1], S. 72
("We previously suggested that early adverse
experience such as childhood abuse, neglect and loss might be a predisposing
factor that interferes with successful adaptation to stress, thereby conveying
risk to develop CFS." )
Als Literaturverweis für diesen Satz finden wir einen Artikel
von Reeves et al. von 2006 mit dem Titel
Early
adverse experience and risk for chronic fatigue syndrome: results from a
population-based study.
("Negative Kindheitserfahrungen und das
Risiko für Chronic Fatigue Syndrome: Ergebnisse aus einer bevölkerungsbasierten
Studie") [2]
Dieser Artikel von 2006 beruht jedoch ebenso auf der sogenannten
"empirischen" CFS-Definition von Reeves et al. - d.h., er sagt über
ME/CFS-Patienten so gut wie gar nichts aus. Da über die "empirische" Definition
eine große Anzahl von Menschen mit psychischen Störungen, etwa einer majoren
Depression, und anderen unspezifischen Erschöpfungszuständen ausgewählt und
untersucht werden, ist es deshalb kein Wunder, wenn man im Abstract der Studie von 2009, also der Vorläuferstudie
der Marburg-Studie, wir die folgende Schlussfolgerung finden:
"Diese Studie liefert Belege für ein erhöhtes Vorkommen
zahlreicher Arten von Kindheitstraumata in einer bevölkerungsbasierten
Stichprobe von klinisch bestätigten CFS-Fällen verglichen mit nicht-erschöpften
Kontrollpersonen. Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass
Kindheitstraumata ein wichtiger Risikofaktor für CFS sind. Das Risiko war zum
Teil mit einem veränderten emotionalen Status verbunden. Studien, die die
psychologischen und neurobiologischen Mechanismen untersuchen, die negative
Kindheitserfahrungen in ein Risiko für CFS übertragen, könnten unmittelbar Ziele
für eine rechtzeitige Prävention des CFS sein." Aus [1], S.
72
Warum eine "neue"
Studie, wenn deren Hypothese doch als bereits bewiesen angesehen wird?
Diese Vorgängerstudie [1]
erhellt auch, warum die in Marburg jetzt
eine neue Studie dieser Art durchführen wollen: Diese frühere Studie ist
eine retrospektive Studie, d.h. die spätere Auswertung einer früher
durchgeführten Studie von Reeves et al. Und dass sie nur auf
selbstberichteten Kindheitserfahrungen beruht, nicht aber auf
"objektiven" (psychologischen) Testverfahren. Und sie wurde in Georgia und
Wichita durchgeführt.
Urs Nater will also jetzt eine deutsche Studie machen,
die überdies eine prospektive Studie, also eine in die Zukunft
gerichtete Langzeitstudie sein wird. In diesem Papier finden wir am Schluss
den Satz:
"Langzeitstudien sind nötig, um Informationen über den kausalen
Zusammenhang zwischen Kindheitstraumata, Hypocortisolismus und CFS zu
liefern und um systematisch Entwicklungslinien sowie abschwächende und
vermittelnde Faktoren dieses Zusammenhangs zu untersuchen."
Aus [1], S.79
("Longitudinal studies are needed to provide information on the
causal relationship between childhood trauma, hypocortisolism, and CFS to
systematically evaluate developmental trajectories as well as mediators and
moderators of this relationship.")
Über weitere Gründe
kann man nur spekulieren oder aus dem Zusammenhang, in dem diese Studie
stattfindet, Schlüsse ziehen, die Sie unten im
Fazit finden.
In dieser Vorläuferstudie finden wir auch Hinweise darauf,
welche psychologischen Testverfahren wahrscheinlich auch in der
Marburg-Studie eingesetzt werden und mit denen eine psychische Störung und Kindheitstraumata ermittelt
werden sollen. Man findet diese Testverfahren in der Literaturliste
unter den Ziffern 23 bis 31 ([1], S. 79).
Hier handelt es sich ausschließlich um Testverfahren, mit
denen organische Erkrankungen erstens gar nicht untersucht und erfasst werden
können, und zweitens deuten sie die Symptome bzw. die emotionalen Reaktionen auf eine organische
Erkrankung sofort in ein psychisches Problem um. Wenn man
beispielsweise die Frage "Machen Sie sich Sorgen über Ihren
Gesundheitszustand?" als ME/CFS-Patient mit "JA" beantwortet, so wird das
als Ausdruck von Hypochondrie oder falschen Krankheitsüberzeugungen
gewertet, sprich, als ein psychisches Problem...- denn man geht ja davon
aus, dass "CFS" keine organische, sondern eine "somatoforme" oder psychische
Erkrankung sei.
So "belegt" man seine eigenen Zirkelschlüsse
"wissenschaftlich".
Ob und in welchem Umfang in der Marburg-Studie andere
Untersuchungsmethoden verwendet werden, mit denen die zahlreichen
nachgewiesenen Anomalien bei ME/CFS nach der Fukuda- bzw. der Kanadischen
Konsensdefinition erfasst werden können, bleibt unklar. Nach Auskunft der
Psychologin werden die Patienten daraufhin untersucht, ob sie nicht gerade
eine Grippe haben. Ansonsten wird ein Blutbild erstellt und der Blutdruck
gemessen, mehr nicht.
Ich fragte diese Psychologin nach einer Untersuchung auf die
zahlreichen Erreger hin, die man immer wieder bei ME/CFS findet (diverse
Herpesviren wie Epstein-Barr-Virus, HHV-6, HHV-7 etc, Enteroviren etc.), ich
fragte nach einem MRT, mit dem man die bei der großen Mehrzahl der
ME/CFS-Patienten vorhandenen signalintensiven Läsionen im Gehirn erkennen
kann, nach einem funktionellen MRT, das die Durchblutungs- und sonstigen
Stoffwechselstörungen im Gehirn sichtbar machen kann, ob auf eine
Dysfunktion bzw. Aktivierung der Gliazellen hin untersucht würde, was alles
ja als Ursache neuroendokrinologischer Anomalien infrage käme und deshalb
untersucht werden müsste - das wird alles nicht untersucht.
Das Kardinalsymptom des ME/CFS und
seine molekularen und genetischen Korrelate werden außer Acht gelassen
Ein weiterer Knackpunkt dieser Studie ist
also die
absolute Einengung auf biologische Marker der Stressachse. Es
werden ansonsten KEINE der zahlreich nachgewiesenen Anomalien
untersucht, wie sie etwa
Malcom Hooper oder
Anthony Komaroff in seiner Broschüre aufzählen
oder wie sie in der Kanadischen
Konsensdefinition als Krankheitskriterien enthalten sind. Allein die aber würden zu
einer wirklichen Erfassung des ME/CFS und vielleicht sogar zu einer
Ursachenforschung beitragen. Das wird in dieser Studie alles außen vor gelassen.
Laut Auskunft der Psychologin werden Cortison, Alpha-Amylase, das Zytokin IL6, CRP und TNF
alpha gemessen - vor und nach dem Stresstest.
Den Ursachen eventueller Abweichungen dieser Parameter
wird
also nicht auf der Ebene der bereits vorhandenen Forschungsergebnisse in der
umfangreichen medizinischen Literatur über ME/CFS nachgegangen, sondern nur
unter der eingeschränkten Fragestellung, wie sich künstlich ausgelöster
"Stress" auf diese ebenfalls eingeschränkten Parameter auswirkt.
Die zahlreichen anderen Einflussfaktoren
auf diese Parameter werden offenbar überhaupt nicht untersucht.
Der für die Marburger Studienzwecke
künstlich ausgelöste "Stress" besteht in "einer Art Schultest", d.h. einem
psychologischen Stresstest. In dem Gespräch mit der Psychologin wandte ich
ein, das entscheidende Definitionskriterium des ME/CFS sei aber doch die
Reaktion auf körperliche und geistige Belastung und nicht die Reaktion auf
psychischen Stress. Deshalb müsse man dann doch eigentlich die Anomalien messen,
die sich infolge körperlicher und/oder geistiger Belastung ergeben.
Hierauf
bekomme ich als "Antwort" nur den Hinweis, sie würden nicht zwischen
körperlicher und geistiger Belastung trennen, weil das Gehirn bei dem
Stresstest ja auch belastet würde und arbeiten müsse.
Die Marburger Forscher können also das Kardinalsymptom des
ME/CFS, die Zustandsverschlechterung nach körperlicher und/oder geistiger
Belastung, gar nicht messen, denn einen solchen Belastungstest führen sie nicht durch. Ein
psychologischer Stresstest ist etwas anderes und hat wahrscheinlich auch
andere molekularbiologische Folgen.
Die entscheidenden Einflussfaktoren werden demnach nicht
berücksichtigt, und zwar die von der Gruppe um Alan Light und anderen
nachgewiesenen, für ME/CFS typischen Anomalien infolge
körperlicher/geistiger Belastung (siehe z.B.
[3],
[4],
[5], [6],
[7], [8], [9]). Wenn
diese Einflussfaktoren nicht gemessen werden, kann man schwerlich Schlüsse
daraus ziehen, was ein (zusätzlicher) psychologischer Stress bei
ME/CFS-Patienten an Veränderungen auf die von den Marburgern getesteten
Parameter hat.
Die Forscher berücksichtigen deshalb auch aller
Wahrscheinlichkeit nach auch einen weiteren Einflussfaktor nicht: nämlich die Auswirkungen der Belastung, die allein die
Reise nach Marburg und die Teilnahme an dieser Studie auf diese von Light et
al. untersuchten Parameter hätte - und damit auch auf die von den Marburger
Forschern gemessenen Parameter (Cortison, Alpha-Amylase,
das Zytokin IL6, CRP und TNF alpha). Es fehlt ihnen also von
vorneherein eine entscheidende Einflussgröße, die berücksichtigt werden
müsste, wenn die Ergebnisse der Messungen von Cortison,
Alpha-Amylase, das Zytokin IL6, CRP und TNF-alpha interpretiert werden.
Allein aus diesen äußerst eingeschränkten Parametern soll dann eine
Schlussfolgerung für die o.g. - wahrscheinliche - Studienhypothese gezogen
werden.
Aber da aufgrund der o.g. Teilnahmebedingungen und der
verwendeten "CFS"-Definition mit hoher Wahrscheinlichkeit keine oder nur
ganz wenige leicht erkrankte ME/CFS-Patienten daran teilnehmen, erübrigt
sich die Berücksichtigung der für ME/CFS typischen molekularbiologischen und
Genexpressionsanomalien ja sowieso...
Sowohl die Auswahl der Studienkohorte als
auch die äußerst eingeschränkte Auswahl zu messender neuroendokriner
Parameter und vor allem die scheuklappenähnliche Sicht auf die bereits
vorhandene biomedizinische ME/CFS-Forschung lassen diese Studie von
vorneherein als obsolet erscheinen.
Dennoch wird sie mit hoher
Wahrscheinlichkeit einen großen Einfluss haben, denn sie fällt auf ein
reichlich beackertes und fruchtbares Feld: das der Vorurteile und
Falschinformationen über ME/CFS in Medizin, Sozialwesen und allgemeiner
Öffentlichkeit. Und das der penetranten Vermischung von "Chronischer
Erschöpfung" mit ME/CFS (dem WHO-ICD-Code G93.3 und der Kanadischen/Internationalen
Konsensdefinition entsprechend).
Kaum jemand wird sich in die Hintergründe,
in die methodischen Fehler, in die Falschannahmen und Ursachen für falsche
Schlussfolgerungen vertiefen. Was in den Köpfen von Medizinern, Gutachtern,
Mitarbeitern von Rentenversicherungen und Arbeitsämtern und der allgemeinen
Öffentlichkeit hängen bleiben wird ist dieser Blödsinn: "CFS" kommt von Stress und
frühkindlicher Misshandlung, von Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen,
sexuell missbrauchen und anderweitig traumatisieren. Und
man kann das jetzt mit objektiven Messverfahren - niedriger Cortisolspiegel etc. -
ermitteln und bestimmen.
Das
hat es also auf sich mit der Erforschung "biologischer Biomarker des CFS",
wie der Studientitel so großspurig verspricht.
Solche (angenommenen) traumatischen
Erfahrungen, mit dem Risiko "CFS" zu
entwickeln zu verknüpfen, ist ein weiterer fundamentaler Fehler des Studiendesigns.
Denn es wird
aus einem statistischen Zusammenhang auch gleich eine Verursachungshypothese
gemacht - also: frühkindliche Traumata verursachen all diese
gemessenen Anomalien. Das bereits ist eine unzulässige Schlussfolgerung.
Und geradezu gefährlich ist die umgekehrte Schlussfolgerung, die
der naive Leser aus einer solchen unsauberen Studie zieht: Da "CFS" von
frühkindlichen Traumata kommt, von sexuellem Missbrauch, von körperlicher und
seelischer Misshandlung, von Vernachlässigung und Verlusterfahrungen, muss
jemand, der "CFS" hat, solche frühkindlichen Traumata erlebt haben. Und Kinder
und Jugendliche mit CFS werden von ihren Eltern sexuell missbraucht, misshandelt
und vernachlässigt. Eine solche Schlussfolgerung ist kompletter Unsinn.
Sie wird aber alle bereits vorhanden Vorurteile samt ihrer
grausamen Folgen bestärken. Es ist bereits jetzt so, dass in vielen Ländern Eltern erkrankter Kinder
und Jugendlicher von Behörden, von Ärzten und Psychiatern beschuldigt werden,
die Krankheit ihrer Kinder verursacht zu haben und folglich mit dem Entzug des
Sorgerechts bedroht werden, dass Jugendämter und Richter den Eltern die Kinder
wegnehmen und sie ihn Pflegefamilien, Psychiatrien oder andere Kliniken stecken,
in denen man ihrer Erkrankung nicht nur nicht gerecht wird, sondern ihnen durch
Überlastung und falsche Behandlung auch noch schadet.
Auch den Eltern kann eine solche Unterstellung extremen Schaden
zufügen. Der Vorwurf, die eigenen Kinder misshandelt, gar missbraucht zu haben,
kann zum Ende einer Berufslaufbahn und zur Zerstörung der Reputation der Eltern
führen, zu sozialer Isolation - und traumatischen Erfahrungen für Eltern und
Kinder gleichermaßen.
Es erscheint absurd und zynisch, dass das Ziel der Studie
die Erforschung der Folgen früher traumatischer Erfahrungen sein soll, sie
jedoch in ihrem Ergebnis sie dazu führen wird, dass - zumindest die
ME/CFS-Patienten und ihre Angehörigen - eine Menge der beklagten "adverse
experiences" machen werden, und zwar genau durch die Auswirkungen einer solchen
Studie.
Dass ein solch unwissenschaftliches Vorgehen solch dramatische -
traumatische - Auswirkungen auf die Betroffenen und ihre Familien haben kann,
scheinen sich die Autoren dieser Studien und auch der Marburg-Studie nicht vor
Augen geführt zu haben.
Auch das spricht dafür, dass sie keinerlei Erfahrung mit
ME/CFS-Patienten zu haben scheinen - oder diesen nicht zuhören. Denn nahezu alle
ME/CFS-Patienten, erst recht Kinder und Jugendliche und ihre Eltern, berichten
von solch grausamen Misshandlungen, Demütigungen und Bedrohungen durch Ämter,
Psychiater, Gutachter, Richter und Ärzte.
Eindrücklich dokumentiert sind sie in dem gerade
herausgekommenen Film "In engen Grenzen - Leben mit CFS" sowie der
anschließenden Expertenrunde im 1. Selbsthilfe-Treff der Autoren des Films. Und
wenn man sich den Film "Voices from the Shadows" ansieht, dann weiß man,
dass die Autoren der Marburg-Studie offenbar keine Vorstellung von ME/CFS haben
- oder vielleicht auch nicht haben wollen.
Ich habe die o.g. Psychologin gefragt, ob sie den Film "In engen
Grenzen - Leben mit CFS" denn kenne? Ganz unbeeindruckt sagte sie: Ja, den habe
ich gesehen. Ist eine solche Kälte Ausdruck "professioneller Distanz" oder
schlichter Zynismus?
Im Ergebnis wird diese Studie mit ihrem bereits vorher
festgelegten Ergebnis und einem Studiendesign, das ausschließlich dazu angelegt
ist, dieses zu "bestätigen", eher das Ende jeglicher Erforschung der
biomedizinischen Ursachen des ME/CFS in Deutschland besiegeln als diese, wie
proklamiert, voranzutreiben.
Noch einmal
- wer führt diese Studie durch? Und warum?
Die Studie findet an der "an
der Professur für Klinische Biopsychologie der Philipps-Universität Marburg "
statt. Biopsychologie setzen Autoren wie der Studienleiter Urs Nater in ihren
Schriften übrigens mit Psychiatrie gleich. Und in diesem von
ihm entwickelten Fragebogen
zählt er "CFS" zu den "funktionellen
somatischen Syndromen". (Welche Ideologie sich hinter diesem Begriff
verbirgt, können sie unten in
dem zitierten Artikel von Barsky und Borus lesen.)
Die Studie wird von
zwei Psychologinnen durchgeführt - laut Informationsblatt für Patienten
eine Frau Susanne
Fischer, M.Sc. und die Dipl.-Psych. Charlotte Markert.
Auch der Studienleiter Urs Nater ist Psychologe. Es ist also keine Studie, die von
Ärzten durchgeführt wird, die irgendeine Ahnung über die zahlreich nachgewiesenen und
komplexen Anomalien bei ME/CFS hätten.
Wenn
eine Studie auch nur irgendeinen Sinn für ME/CFS-Patienten haben sollte, dann
müssten Fachleute mit langjähriger Erfahrung in Erforschung und Behandlung
des ME/CFS wie etwa Kurt Müller, Wilfried Bieger, Wolfgang Huber oder Carmen
Scheibenbogen u.v.a.m. daran mitwirken oder diese durchführen. Sie haben
allesamt ein profundes Wissen über die molekularbiologischen Anomalien und
die Infektionen bei ME/CFS, und sie haben vor allem eines: Erfahrung mit
dieser schweren Erkrankung und Respekt vor ihren Patienten.
Für die Lösung des
Problems des ME/CFS brauchen die Betroffenen genau solche medizinische
Forschung und keine psychiatrische. Man würde auch nicht auf die Idee
kommen, AIDS, Krebs, koronare Herzerkrankungen, Multiple Sklerose oder
Lungenerkrankungen, die in ihren Auswirkungen ähnlich verheerend sind wie
ME/CFS, durch PSYCHIATRISCHE Studien erforschen zu wollen.
Ohne
Verschwörungstheorien anzuhängen, kann man sich schon fragen, welche Agenda
hinter einem solchen Vorhaben steckt. Geht es hier etwa darum, eine schwere
Erkrankung zu verleugnen, zu verharmlosen, damit Rentenversicherungen,
Krankenkassen und Sozialsystem nicht dafür bezahlen müssen, die Kranken
genauso wie alle anderen kranken Menschen zu versorgen?
Statt das zu tun, was
sie vorgeben, nämlich:
"Dadurch
können wir zur Verbesserung der Erkennung und Behandlung dieser Erkrankung
beitragen."
wird diese Studie dazu benutzt werden, die vorhandenen Vorurteile über die
Entstehung des "CFS" jetzt auch noch mit "Biomarkern" zu "untermauern". Das ist noch schlimmer als die dümmlichen Aussagen
eines Herrn Wessely und seiner Anhänger, denn sie geben sich den Anstrich von solider
Wissenschaft. Objektiv gemessene Biomarker!
Tatsächlich ist es
aber Ideologieproduktion und der Versuch, eine schwere Erkrankung
unsichtbar zu machen - ob gezielt oder aus Versehen, sei hier noch
dahingestellt. Geschieht hier etwa das, was Malcom Hooper als magische
Medizin bezeichnet hat, mit der man eine Krankheit zum Verschwinden
bringt?
Lesen Sie z.B.
Malcom Hoopers gründliche Analyse solcher Ideologien in Form einer
Kritik an den PACE Trials, die in vielen Ländern und auch Deutschland
als Beweis dafür verwendet werden, dass "CFS" eine psychische Erkrankung
sei, die man am besten mit kognitiver Verhaltenstherapie und
körperlicher Aktivierung behandelt. In der Tat eine kostengünstigere
"Behandlung" als die, die bei einer schweren neuro-immunologischen
Krankheit angebracht wäre.
MAGICAL MEDICINE - HOW TO MAKE AN ILLNESS DISAPPEAR
Und lesen Sie hier etwas über das wahre Gesicht dieser
Erkrankung - in ihren schweren Formen:
Von Klara, einer
schwerkranken Patientin aus Großbritannien
Der unten
verlinkte Artikel wäre zu Lachen, wenn er nicht so traurig wäre. Ich
habe besonders den Abschnitt “genossen”, der empfiehlt, dass ein
“klinischer Ansatz, der die biomedizinischen Faktoren überbetont und
die psychosozialen ignoriert” nicht wünschenswert sei. Zu Ihrer
Information: es steht KEINE biomedizinische Behandlung für
Myalgische Enzephalomyelits (ME) zur Verfügung. Und es gibt seit
Jahrzehnten beinahe KEINE medizinische Forschung. Nur Verleugnung
und beleidigendes Psychogeschwätz. Und der unten verlinkte Artikel
ist keine “Wissenschaft”, sondern eine Ansammlung von Meinungen,
allerdings sehr schädlichen Meinungen, die dazu führen, dass
weiterhin Millionen von Menschen weltweit geschadet wird.
In den vergangenen zwei Wochen war ich inkontinent,
habe vorrübergehend meine Sehfähigkeit verloren, meine Fähigkeit zu
schlucken und zu sprechen, ich hatte Mühe zu atmen, bin aufgrund
schwerer Schmerzen ohnmächtig geworden (die Schmerzen sind überall
in meinem Körper: in den Muskeln, in den Haarfollikeln, den Knochen,
den Adern, in jedem Organ, in den Augen… an Stellen, von denen man
vorher nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt), und ich war die
ganze Zeit über unfähig mich zu bewegen, habe die Fähigkeit zur
Kontrolle meiner Körpertemperatur verloren, und mein Körper zuckte
unkontrolliert über Stunden hinweg. Ich war nicht in der Lage, so
viel zu essen, wie ich das gebraucht hätte, weil ich zu schwach bin,
um die Nahrung zu verdauen.
Wenn da nicht mein Mann wäre, der mich pflegt – bis dahin, dass er
mir flüssige Nahrung gibt oder mich wäscht, wenn dies nötig ist (und
wenn ich das aushalten kann, denn es ist bei dieser Krankheit
möglich, dass man so schwach wird, dass selbst das Gewaschenwerden
zu viel ist) – dann wäre ich schon lange tot.
Und ich „wähle“ mir nicht aus, in einem solchen
Zustand zu sein oder „ziehe“ dies „vor“ aufgrund des „Wunsches nach
Rechtsstreitigkeiten“ oder irgendwelcher anderer beleidigender
Blödsinn, der in der unten verlinkten „Forschungsstudie“ aufgezählt
wird. Wie jeder andere Mensch auch würde ich liebend gerne das Leben
führen, das ich vor beinahe einem Jahrzehnt verloren habe: ein
Leben, in dem man seinen Lebensunterhalt verdient, eine Familie
gründet und Hobbys hat. Niemand wählt sich ein Leben in Schmerzen
und Isolation und mit einer Unzahl an anderen grauenhaften Symptomen
aus.
Bitte helfen Sie mir, ein Bewusstsein darüber zu
schaffen, wie schrecklich diese Krankheit in ihren schweren Formen
ist (und es gibt Menschen, denen es noch VIEL schlechter geht als
mir). Das nächste Mal, wenn sich jemand Ihnen gegenüber über
ME-Patienten lustig macht, können sie sagen: „Ich kenne diese Frau,
die ein erfülltes Leben geführt hat, die hart gearbeitet und ihr
Leben genossen hat, und dann hat sie irgendein Virus eingefangen,
und ihr Leben war praktisch über Nacht in einen Alptraum verwandelt
worden, der immer schlimmer wird. Das hat nichts mit einer
Einstellung oder einem Mangel an Motivation zu tun. ME ist ganz
ähnlich wie Multiple Sklerose oder Lupus erythematodus, aber sie
kann zu noch stärkerer Behinderung führen. Und es hat in den letzten
beinahe drei Jahrzehnten keine bedeutende Forschung gegeben, um
herauszufinden, was da nicht stimmt geschweige denn, wie man diese
Krankheit behandeln kann. Und manchmal tritt sie in epidemischen
Ausbrüchen auf, und die Menschen können auch daran sterben.“
Danke!
Ann Intern
Med. 1999 Jun 1;130(11):910-21.
Barsky AJ,
Borus JF.
Source
Division of
Psychiatry, Brigham and Women's Hospital, Boston, Massachusetts
02115, USA.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10375340
Abstract
· The term functional somatic
syndrome has been applied to several related syndromes characterized
more by symptoms, suffering, and disability than by consistently
demonstrable tissue abnormality. These syndromes include multiple
chemical sensitivity, the sick building syndrome, repetition stress
injury, the side effects of silicone breast implants, the Gulf War
syndrome, chronic whiplash, the chronic fatigue syndrome, the
irritable bowel syndrome, and fibromyalgia. Patients with functional
somatic syndromes have explicit and highly elaborated
self-diagnoses, and their symptoms are often refractory to
reassurance, explanation, and standard treatment of symptoms. They
share similar phenomenologies, high rates of co-occurrence, similar
epidemiologic characteristics, and higher-than-expected prevalences
of psychiatric comorbidity. Although discrete pathophysiologic
causes may ultimately be found in some patients with functional
somatic syndromes, the suffering of these patients is exacerbated by
a self-perpetuating, self-validating cycle in which common, endemic,
somatic symptoms are incorrectly attributed to serious abnormality,
reinforcing the patient's belief that he or she has a serious
disease. Four psychosocial factors propel this cycle of symptom
amplification: the belief that one has a serious disease; the
expectation that one's condition is likely to worsen; the "sick
role," including the effects of litigation and compensation; and the
alarming portrayal of the condition as catastrophic and disabling.
The climate surrounding functional somatic syndromes includes
sensationalized media coverage, profound suspicion of medical
expertise and physicians, the mobilization of parties with a vested
self-interest in the status of functional somatic syndromes,
litigation, and a clinical approach that overemphasizes the
biomedical and ignores psychosocial factors. All of these influences
exacerbate and perpetuate the somatic distress of patients with
functional somatic syndromes, heighten their fears and pessimistic
expectations, prolong their disability, and reinforce their sick
role. A six-step strategy for helping patients with functional
somatic syndromes is presented here.
|
Literatur für diesen Artikel
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Childhood Trauma and
Risk for Chronic Fatigue Syndrome, Association With
Neuroendocrine Dysfunction
Christine Heim, PhD; Urs
M. Nater, PhD; Elizabeth Maloney, MS, DrPH;
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Volltext hier,
PubMed-Eintrag hier
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Volltext hier
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http://www.cfs-aktuell.de/juli07_1.htm
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from dysregulated inflammatory responses to physical activity. J Appl Physiol.
2007;103:700–709.
http://jap.physiology.org/content/early/2007/05/10/japplphysiol.00225.2007.full.pdf
Literatur von Urs Nater und
seinen Forschungskollegen
finden Sie
hier -
nach unten scrollen, dort ist eine Literaturliste von und mit Urs Nater
Interessant ist hier auch die Beschreibung der sogenannten
Lichtenberg Professur, in deren Rahmen auch diese Studie stattfinden.
Dort lesen wir über die Forschungsinteressen dieser Gruppe:
"Ausgangspunkt und
Schnittstelle unserer
Forschungsvorhaben ist das Thema
Stress, durch Stress ausgelöste
psychologische und
physiologische Veränderungen,
die unter kurzfristigen
Bedingungen eine förderliche
Anpassung an die Situation
erlauben, unter chronischen
Bedingungen jedoch pathologische
Störungen zur Folge haben
können.
Unsere
Arbeitsgruppe ist daran
interessiert, die Mechanismen
stress-bezogener Erkrankungen in
einer Kombination aus
verschiedenen Methoden und
Strategien unterschiedlichster
Forschungsrichtungen näher zu
beleuchten. Hierbei vereinen
sich die Erfassung
psychologischer Messungen,
peripherphysiologischer
Stressmarker (z.B. die
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse,
das Autonomie Nervensystem, das
Immunsystem) und modernster
Technologien der funktionellen
Genomanalyse.
Neben der Anwendung
zahlreicher bereits etablierten
Methoden geht es uns auch um die
Entwicklung, Evaluierung und
Etablierung neuer Methoden zur
Erfassung psychologischer und
physiologischer Reaktionen auf
Stress.
Die Bestimmung
zugrundeliegender biologischen
Mechanismen bietet vielfältige
Möglichkeiten der verbesserten
Diagnostik und Klassifikation
auf der einen Seite und der
Entwicklung erfolgreicher
therapeutischer Interventionen
(z.B. Stressmanagement-Training,
musiktherapeutische
Interventionen,
sporttherapeutische
Interventionen)."
Aus:
http://www.uni-marburg.de/fb04/team-nater/forschung
|
|
KEINE EMPFEHLUNG
Auszüge aus einer der neuesten Veröffentlichungen von
Urs Nater über das, was er unter "Chronic Fatigue Syndrome" versteht
Chronic fatigue syndrome. 2012: Urs M Nater; Christine M Heim;
Charles Raison, Handbook of clinical neurology / Neurobiology of
Psychiatric Disorders (Handbook of Clinical Neurology): Series, 106
Thomas E Schlaepfer Elsevier 2012, edited by P.J. Vinken and G.W.
Bruyn 2012;106():573-87.
http://www.amazon.de/dp/0444520023/ref=rdr_ext_tmb
Definition
In letzter
Zeit wurden Anstrengungen unternommen, die Falldefinitions-Symptome
des CFS objektiv zu untersuchen. Personen wurden als CFS-Patienten
klassifiziert, wenn sie die folgenden drei empirisch abgeleiteten
Kriterien erfüllen, wie sie von psychometrisch evaluierten
Fragebögen untersucht wurden (Reeves et al., 2005): (1) schwere
Erschöpfung, (2) beträchtliche funktionelle Beeinträchtigung und (3)
Vorhandensein von substantiellen Begleitsymptomen.
Kognitiv-verhaltensmäßige Faktoren S. 579-580
Kognitive-verhaltensmäßige Faktoren sind häufig mit der Ätiologie
und der Aufrechterhaltung des CFS in Verbindung gebracht worden
(Suraway et al., 1995), wobei sich die Forschung primär auf zwei
breite Kategorien von Krankheitswahrnehmungen und Coping-Stilen
konzentriert hat. Was die Krankheitswahrnehmung betrifft, so
berichten CFS-Patienten oft, dass sie glauben, ihre Erkrankung sei
die Folge einer körperlichen Krankheit (Clements et al., 1997; Deale
et al.; 1998). Es konnte gezeigt werden, dass Patienten, die ihre
Erkrankung als eine schwerwiegende Krankheit betrachteten und die
glaubten, sie hätten keinerlei Kontrolle über ihre Erkrankung und
die nur geringe Möglichkeiten für eine Heilung sahen, über stärkere
Beeinträchtigungen und eine erhöhte Symptomlast berichteten
(Heijmans, 1998). In ähnlicher Weise führte nach einer weiteren
Studie (Cathebras et al.; 1995) die Neigung, die
Erschöpfungssymptome somatischen Ursachen zuzuschreiben zu mehr
Symptomen. Eine geringe Selbstwirksamkeit [= die Überzeugung, in
einer bestimmten Situation die angemessene Leistung erbringen zu
können, d.Ü.] (Findley et al., 1998) sowie eine eigennützige, mit
Schutzbehauptungen durchsetzte Art der Zuschreibung und der
Krankheitszuschreibung (Cresswell und Chalder, 2003) sind ebenfalls
als typisch für CFS-Patienten ermittelt worden. Interessanterweise
können die Krankheitsüberzeugungen die spätere Entwicklung der
Erschöpfungssymptome beeinflussen. Eine Studie von Candy et al.
(2003) hat gezeigt, dass die Ausprägung der Erschöpfung 3 und 6
Monate nach einer infektiösen Mononukleose [Pfeiffer’sches
Drüsenfieber, d.Ü.] durch die subjektiven Erwartungen prognostiziert
werden konnten, wie lange es dauern würde, bis sich der Betroffene
wieder erholen würde. CFS kann aber nicht nur mit einer veränderten
Krankheitswahrnehmung auf Seiten des Patienten in Verbindung
gebracht werden, sondern auch mit der veränderten
Krankheitswahrnehmung auf Seiten derjenigen, die den Kranken
versorgen. Eine Studie von Lehrman et al. (2002) hat gezeigt, dass
das Fehlen einer Legitimierung der Krankheit durch den Arzt bei
CFS-Patienten zu höheren Werten an Depressivität und Angst führen
kann. Was noch wichtiger ist, eine kürzlich durchgeführte Umfrage
unter Allgemeinärzten deckte auf, dass etwa die Hälfte der befragten
Ärzte nicht glaubte, dass es die Krankheit überhaupt gäbe (Thomas
und Smith, 2005). Deshalb – wenn CFS-Patienten und ihre Ärzte beide
kein angemessenes Wissen über CFS haben und glauben, dass die
Krankheit durch organische Faktoren verursacht würde, dann kann das
Ergebnis ungünstig sein.
Es gibt eine
umfassende Literatur über dysfunktionale Coping-Stile bei
CFS-Patienten, wobei etliche Studien einen maladaptiven [schlecht
angepassten] Coping-Stil bei CFS dokumentieren (Ax et al., 2002). Es
wurde gezeigt, dass Patienten mit CFS beträchtlich mehr
Flucht-/Vermeidungsstrategien einsetzen als gesunde Kontrollen
(Blakely et al., 1991; Cope et al., 1996). Zu den
Flucht-/Vermeidungsstrategien gehört es, sich von stressigen
Situationen und ihren verhaltensmäßigen und kognitiven/emotionalen
Folgen freizumachen oder sie zu vermeiden. In Übereinstimmung mit
diesem Forschungsergebnis haben Afari und Kollegen (2002)
beobachtet, dass Zwillinge mit CFS oder anderer chronischer
Erschöpfung mehr Vermeidungsstrategien einsetzten als ihre
nicht-erschöpften Geschwister. Eine weitere Studie zeigte dass
CFS-Patienten häufiger abwehrende Coping-Stile einsetzten als
gesunde Kontrollen oder Patienten mit anderen chronischen
Krankheiten (Cresswell und Chalder, 2001), und eine
bevölkerungsbezogene Studie fand heraus, dass CFS-Fälle häufiger
Flucht-/Vermeidungsstrategien einsetzten als nicht-erkrankte
Kontrollen (Nater et al., 2006). Interessanterweise gab es einen
Zusammenhang zwischen kognitiven Bewertungen und maladaptiven
Coping-Stilen mit den klinischen Merkmalen des CFS (d.h. der Schwere
der Erschöpfung, der Beeinträchtigung, der Krankheitslast,
psychosozialen Problemen und psychiatrischer Komorbidität) (Antoni
et al., 1994), wobei eine weitere Studie mit einer
bevölkerungsbezogenen Stichprobe von CFS-Fällen spezifisch gezeigt
hat, dass das Flucht-/Vermeidungsverhalten zusammenhing mit der
Schwere der Erschöpfung, Schmerzen und Behinderung (Nater et al.,
2006). Trotz dieser relativen Übereinstimmung der Ergebnisse hat
eine andere gemeindebasierte Studie von chronischer Erschöpfung
ergeben, dass es keine Unterschiede bei den Coping-Stilen von
CFS-Patienten und gesunden Kontrollen gibt (Jason et al., 2003).
Zusammengenommen lassen diese Studien darauf schließen, dass CFS
zusammenhängt mit dysfunktionalen Krankheitsüberzeugungen und
Coping-Stilen, die potentiell zu unangemessenen
Behandlungsbemühungen und regulativer Anpassung auf
Herausforderungen führen, mit der Folge von andauernder Erschöpfung
und weiteren, damit zusammenhängenden Symptomen. Die Identifikation
von kognitiven-verhaltensmäßigen Faktoren könnte letztendlich zu
einer weiteren Entwicklung von Interventionsstrategien auf der Basis
von kognitiven und verhaltensmäßigen Veränderungen führen.
Behandlung
(a.a.O., S. 580-81)
Im Einlang mit dem Fehlen von
eindeutig identifizierten pathophysiologischen Mechanismen bei CFS
bleibt die Behandlung der Störung kontrovers und weit davon
entfernt, angemessen zu sein. Tatsächlich bezeugt die verwirrende
Ansammlung von verhaltensmäßigen, pharmakologischen und alternativen
Behandlungen, die bei CFS-Patienten eingesetzt werden, wie viel noch
getan werden muss im Sinne der Entwicklung, Überprüfung und
Umsetzung von voll wirksamen Therapien für diese oft verheerende
Erkrankung (Whiting et al., 2001). Von allen Behandlungsansätzen werden am besten gestützt durch
randomisierte Doppelblindstudien sowie durch Metaanalysen dieser
Studien kognitive Verhaltenstherapie (CBT) und Graded-Exercise
[allmählich gesteigertes körperliches Training]. Die Strategien der
kognitiven Verhaltenstherapie bei CFS umfassen typischerweise die
Organisation von Aktivitäts- und Ruhezyklen, die Einleitung
allmählicher Steigerung der Aktivitäten, die Einführung eines
durchgängigen gesunden Schlafverhaltens und den Versuch, die
Überzeugungen über das Selbst sowie die Krankheitszuordnungen
umzustrukturieren (Chalder, 2005). Es wurde gezeigt, dass kognitive
Verhaltenstherapie die Erschöpfung vermindert und die
Funktionsfähigkeit bei Erwachsenen und Jugendlichen verbessert,
verglichen mit abwartenden und aktiven (häufig entspannenden)
Interventionen. (Sharpe et al., 1996; Deale et al., 1997, 2001;
Prins et al., 2001).Eine Studie fand heraus, dass der Nutzen über 5
Jahre erhalten blieb(Deale et al., 2001), während eine andere Studie
keinen langfristigen Nutzen für kognitive Verhaltenstherapie fand
(Leone et al., 2006). Eine weitere Studie lässt darauf schließen,
dass kognitive Verhaltenstherapie auch die Selbstwahrnehmung der
kognitiven Probleme verbessert, ohne die tatsächliche kognitive
Leistungsfähigkeit bei CFS-Patienten
zu verbessern (Knoop et al., 2007).
Graded-Exercise-Therapie [ansteigendes körperliches Training] zielt
darauf ab, den Patienten zu helfen, ein strukturiertes
Aktivitätsprogramm zu entwickeln, dass die aerobe Aktivität
allmählich steigern soll, üblicherweise in Form von Laufen (Rimes
and Chalder, 2005). Genauso wie für die kognitive Verhaltenstherapie
lassen randomisierte Studien hier auf eine Wirksamkeit schließen
(Fulcher and White, 1997; Wearden et al., 1998; Powell et al., 2001,
2004; Wallman et al., 2004). Jedoch unterliegt auch die kognitive
Verhaltenstherapie beträchtlichen Einschränkungen, u.a. einer
niedrigen Rate von Krankheitsremission [Besserungsrate], einer
größeren Auswirkung auf die Selbstwahrnehmung der Behinderung als
auf die Funktionalität als solcher (Knoop et al., 2007) und der
Unbeliebtheit bei vielen CFS-Patienten (Abbot and Spence, 2006).
Außerdem scheint die Rate positiver Reaktionen auf kognitive
Verhaltenstherapie in der klinischen Praxis deutlich niedriger zu
sein als die, die in kontrollierten Studien beobachtet wurde. Im
Einklang damit scheinen die Raten positiver Reaktion sogar in
kontrollierten Studien niedriger zu sein, wenn vergleichsweise wenig
erfahrene Therapeuten die Intervention durchführen. (Prins et al.,
2001). Die Ergebnisse sowohl bei kognitiver Verhaltenstherapie als
auch bei ansteigendem körperlichen Training können wahrscheinlich
optimiert werden, wenn man eine angemessene Auswahl der Patienten
vornimmt. Im Allgemeinen ist es unwahrscheinlicher, dass
Patientenauf eine der verhaltensmäßigen Interventionen ansprechen,
die eine schlechte soziale Funktionsfähigkeit haben, ein geringes
Gefühl der Kontrolle in Bezug auf ihre Symptome und einen hohen Grad
an somatischer Voreingenommenheit und/oder Zuschreibung der
Erkrankung zu ausschließlich somatischen Ursachen haben (Rimes and
Chalder, 2005).
Die Reaktion auf alle Arten pharmakologischer Interventionen waren
bei Patienten mit CFS durchweg enttäuschend. Im Unterschied zu
komorbiden Erkrankungen wie etwa majorer Depression und
generalisierter Angststörung führt keine gegenwärtig verfügbare
pharmakologische Strategie verlässlich zu einer Remission der
Symptome, und selbst das bescheidenere Ziel einer symptomatischen
Besserung war nur schwer erreichbar, wenn die Substanzen in einer
plazebokontrollierten Doppelblindstudie untersucht wurden.
Antidepressiva sind beinahe sicher die am häufigsten verschriebenen
Medikamente, und dennoch lassen die mageren kontrollieren Daten, die
vorliegen, darauf schließen, dass sie bei der Erkrankung nicht
wirksam sind (Natelson et al., 1996; Vercoulen et al., 1996), und
soweit sie vielleicht helfen, lindern sie wahrscheinlich eher die
komorbiden Veränderungen der Stimmungslage als Kernmerkmale des CFS
(Wearden et al., 1998). Von den Antidepressiva haben die Substanzen,
die die Wiederaufnahme sowohl von Norepinephrin als auch Serotonin
blockieren, möglicherweise eine höhere Wirksamkeit als Substanzen,
die nur auf das Serotonin abzielen – angesichts von mehreren großen,
neueren Doppelblindstudien, die nahe legen, dass der
Norepinephrin-Serotonin-Hemmer Duloxetin die Kernsymptome der
Fibromyalgie vermindert, einer Erkrankung, die beträchtliche
Überlappungen zu CFS hat (Anrold et al., 2004, 2005). Andere
psychopharmakologische Substanzen, die möglicherweise für
CFS-Patienten von Nutzen sind, umfassen Psychostimulantien,
Schlafmittel und den neuen, die Wachheit fördernden Stoff Modafinil,
obwohl der Einsatz dieser Substanzen als empirisch betrachtet werden
muss. Einige Daten lassen darauf schließen, dass eine
Glucokortikoidtherapie bei CFS-Patienten möglicherweise einen Nutzen
hat (Cleare et al., 1999), aber die Ergebnisse sind nicht eindeutig
(Rowe et al., 2001). Obwohl Nahrungsergänzungsmittel und
komplementäre/alternative Behandlungsformen von CFS-Patienten häufig
eingesetzt werden, hat keine einen Nutzen gezeigt, wenn sie gut
strukturierten klinischen Studien unterzogen werden (Rimes and
Chalder, 2005).
Es gibt erhebliche Überschneidungen zwischen CFS und psychiatrischen
Erkrankungen. Zum Beispiel liegt die Prävalenz für aktuelle
generalisierten Angststörungen bei CFS zwischen 15% und 56,6%
(Buchwald et al,. 1997; Fischler et al, 1997;. Skapinakis et al,
2003a). Im Einklang mit der Tatsache, dass Müdigkeit ein häufiges
Symptom bei depressiven Störungen ist, wurde eine beträchtliche
Überlappung der Diagnosen CFS und Depressionen berichtet, wobei etwa
15-67% der CFS-Patienten die Diagnose einer depressiven Störung
erfüllen (Wessely et al., 1996 ; Buchwald et al,. 1997; Fischler et
al, 1997;. Skapinakis et al,. 2003a). Obwohl es einige
Überschneidungen in den Symptomen zwischen diesen psychiatrischen
Erkrankungen und CFS gibt, gibt es auch unterscheidende Symptome wie
etwa Selbstmordgedanken bei der Depression und Panikattacken bei
Angststörungen, die bei CFS-Patienten nicht häufiger vorkommen als
in der Allgmeinbevölkerung. Tatsächlich erfüllen zwischen
einem Drittel und der Hälfte aller Patienten mit CFS nicht die
gegenwärtigen Kriterien für irgendeine andere [!!! Sic!!]
psychiatrische Störung (Buchwald et al.; 1997; Fischler et al.,
1997), was darauf schließen lässt, dass CFS nicht nur eine
psychiatrische Begleiterscheinung ist.
CFS tritt häufig zusammen mit anderen medizinisch ungeklärten
Syndromen auf wie Fibromyalgie, multiple Chemikaliensensitivität,
Reizdarmsyndrom und Kiefergelenkstörungen. Diese Störungen haben mit
CFS gemeinsam, dass sie nach einer angemessenen medizinischen
Untersuchung nicht im Sinne einer konventionell definierten
medizinischen Krankheit erklärt werden können (B.arsky und Borus,
1999)
CFS ist am besten untersucht worden im Zusammenhang mit
Fibromyalgie, einem Syndrom mit charakteristischen Druckpunkten und
chronischen, diffusen Körperschmerzen (Wolfe, 1990). Man schätzt,
dass 21-80% der Fibromyalgie-Patienten auch die Kriterien für CFS
erfüllen (Aaron und Buchwald, 2003). Bei einer anderen lähmenden
Erkrankung, dem Reizdarmsyndrom, tritt ebenfalls häufig eine
Erschöpfung auf (Whitehead et al., 2002; Piche et al.; 2007). Trotz
der unterschiedlichen primären Symptomfoci jeder dieser Störungen
fand eine Metaanalyse eine beträchtliche Symptomüberscheidung
zwischen diesen Erkrankungen (Wessely et al., 1999). Die
Überschneidung der Krankheitsdefinitionen, der berichteten Symptome,
der Charakteristika der Patienten und der Behandlunsformen für viele
medizinisch ungeklärte Syndrome hat manche Forscher zu dem Vorschlag
geführt, dass diese Störungen willkürlich klassifiziert sind und als
unterschiedliche Manifestationen der gleichen biomedizinischen und
psychosozialen Prozesse betrachtet werden sollten. Eine logische
Konsequenz dieser Sichtweise ist die Tendenz, das Fallenlassen von
unterschiedlichen Krankheitskategorien zu befürworten zugunsten
eines dimensionalen, symptom-basierten Ansatzes (Wessely et al.,
1999). Es jedoch beachtenswert, dass es starke Gefühle auf beiden
Seiten der Kontroverse um den dimensionalen symptom-basierten Ansatz
einer Krankheitskategorie gibt, und dass das Problem wahrscheinlich
in der nächsten Zukunft nicht zu lösen ist (Barsky and Borus, 1999;
Wessely and White, 2004). |
Weitere Literatur von Urs Nater und Kollegen:
Diesen Vortrag "Der Einfluss
psychosozialer Faktoren auf chronische Erschöpfung: ein Strukturgleichungsmodell
Urs M. Nater, Brian Gurbaxani, Christine Heim und William C. Reeves (Atlanta,
USA)" hielt Urs Nater auf dem 28.
Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen
Gesellschaft für Psychologie (DGPs) 12.05.2010-15.05.2010 Programm hier:
http://www.symposium-klinische-psychologie-2010-mainz.de/a/pdf/Programm_Internet.pdf
u.nater@psychologie.uzh.ch
Aus:
Fragebogen zur Erfassung funktioneller somatischer Syndrome S. 24-26, von
Urs Nater, Letzte Aktualisierung: 05.12.2011
Der "Fragebogen zur Erfassung funktioneller
somatischer Syndrome" - ein Instrument zur Nicht-Diagnose von ME/CFS
Wenn man sich den Abschnitt dieses Fragebogens
zur "Diagnose" eines "CFS" ansieht, wird klar, dass jemand die
"CFS"-Kriterien erfüllen kann, ohne das Kernsymptom des ME/CFS zu
haben: die Zustandsverschlechterung nach Belastung, die
post-exertional malaise. Nach dieser wird zwar gefragt (Punkt
15), aber sie ist nicht Bedingung für die Erfüllung der Kriterien.
(Interessant ist auch, dass Nater in Frage 15
den Begriff "Unwohlsein" für "malaise" verwendet, was zwar dem
Wörterbuch nach keine falsche Übersetzung ist, jedoch eine zynische
Beschreibung der massiven Symptome des ME/CFS ist - also eine im
Bedeutungszusammenhang eklatant falsche Übersetzung.)
Um diese Nater-Fragebogen-Kriterien zu
erfüllen, reicht es z.B. aus, wenn jemand sagt, die
Erschöpfung beeinträchtige ihn bei Freizeitaktivitäten und sozialen
Kontakten und er habe in den letzten 6 Monaten unter nicht
erholsamem Schlaf, Konzentrations- oder Gedächtnisproblemen, an
Muskelschmerzen und Gelenkschmerzen gelitten.
Somit wird deutlich, dass dieser Fragebogen zur
Erfassung funktioneller somatischer Syndrome eine ganz andere
Patientenpopulation erfasst als etwa die Kanadischen Kriterien,
dagegen jedoch potentiell eine große Anzahl unspezifischer
Erschöpfungszustände und psychiatrischer Krankheitsbilder
"diagnostiziert".
Wird dieser Fragebogen in einer Studie über
"CFS" verwendet, sagt diese mit hoher Wahrscheinlichkeit über
Patienten mit ME/CFS (Kanadische Kriterien, ICD-10 G93.3) nichts
aus, denn ME/CFS-Patienten machen dann allenfalls eine kleine
Minderheit der Studienkohorte aus und verschwinden vollends bei der
Auswertung der Daten im statistischen Rauschen. Magische Medizin,
mit der man eine Krankheit zum Verschwinden bringt?
Interessant sind auch die "Zur
Routinediagnostik nicht empfohlene(n) Laboruntersuchungen" auf
S. 26: Epstein-Barr-Serologie, Enteroviren-Serologie,
Retroviren-Serologie, HHV-6-Serologie, Candida Albicans-Test,
Immunologische Verfahren wie NK-Zellen-Analyse, Zytokin-Bestimmung,
T-Zell-Aktivierungsmarker-Bestimmung und bildgebende Verfahren.
Es werden also genau alle die Untersuchungen
nicht gemacht, bei denen sich laut vorhandener, umfangreicher
Forschungsliteratur immer wieder charakteristische Abweichungen
gegenüber Gesunden und anderen Erkrankungen ergeben. Mit diesen
Parametern wäre eine labordiagnostisch bestätigte Identifizierung
von ME/CFS-Fällen durch einen einigermaßen informierten und mit
ME/CFS-Patienten vertrauten Arzt möglich. Sie fällt aber unter die
Kategorie "nicht empfohlen".
Wenn man sich ansieht, welche
Laboruntersuchungen hingegen empfohlen werden, so wird klar, dass
genau diese das ME/CFS nicht erfassen können (S. 26, erste
Tabelle linke Spalte), weil sie viel zu unspezifisch sind. Es ist
längst bekannt, dass man ME/CFS nicht mit einem kleinen oder großen
Blutbild, mit einer Urinanalyse oder Schilddrüsenhormonen bestimmen
kann.
Nahezu absurd erscheint es, dass auf dieser
Seite 26 als "Mögliche Ursachen chronischer Erschöpfung"
(sic.) auch neurologische Erkrankungen aufgezählt werden. Es scheint
dem Autor dieses Fragebogens, Herrn Prof. Urs Nater, entgangen zu
sein, dass ME/CFS von der WHO seit 1969 als neurologische Erkrankung
klassifiziert ist.
Schlussfolgerung: Dieser Fragebogen ist
geradezu dazu angetan, wirkliche ME/CFS-Fälle nicht zu
diagnostizieren, während unspezifische und/oder psychische
"chronische Erschöpfung" eingeschlossen werden. Einmal abgesehen von
dem grundlegenden Fehler dieses Fragebogens, der "CFS" als
funktionelles somatisches Syndrom bezeichnet.
Man fragt sich, wie es sein kann, dass ein
Universitätsprofessor und angesehener Psychologe solche gravierenden
Fehler macht? Dass er nicht einmal die unterschiedlichen
Definitionen des "CFS" kennt und zu unterscheiden weiß zwischen
"Chronischer Erschöpfung", CFS nach den "empirischen" oder "operationalisierten"
Kriterien der CDC bzw. des William Reeves und ME/CFS nach der
Kanadischen bzw. der Internationalen Konsensdefinition? Und dieser
Fragebogen mit Sicherheit Eingang in die Diagnostik vieler
Universitäten und Studien findet? Z.B. auch in die oben analysierte
Studie?
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S. 26 
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