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Kognitive Verhaltenstherapie und Aktivierung als Element der institutionellen Abwehr gegenüber CFS/ME-Patienten?
Mit den im Artikel des Monats Juli 07 I vorgestellten Studien erhebt sich ein weiteres Mal die Frage, warum CFS/ME-Patienten immer wieder "Aktivierung" und das systematische Überschreiten der subjektiven Belastungsgrenze verordnet wird (2), obwohl diese in vielen Fällen nachweislich die Krankheitsmechanismen anheizt und den Zustand der Patienten verschlechtert. Nicht nur Studien wie die hier vorgestellten belegen diese Tatsache, sondern auch große Umfragen von Patientenorganisationen unter ihren Mitgliedern (1). Obwohl die moderne Medizin den Anspruch erhebt, evidenzbasiert zu arbeiten, d.h. auf der Grundlage von wissenschaftlich gewonnenen Forschungsergebnissen, werden bestimmte Erkenntnisse, insbesondere die der biomedizinischen Erforschung des CFS/ME und anderer Multisystemerkrankungen, systematisch ignoriert. Selbst neueste Veröffentlichungen von führenden deutschen Professoren, die sich als Experten auf dem Gebiet ausgeben, enthalten in der Literaturliste oft nicht einen einzigen der vielen tausend Fachartikel über die Ergebnisse der relevanten Forschung zu CFS/ME (8). 1. Die TheseDie Frage erhebt sich, warum das so ist, wieso eine relativ mächtige Fraktion von Ärzten, Psychiatern und Gutachtern ihren eigenen Ansprüchen nach Evidenzbasierung hier nicht oder nur äußerst mangelhaft Genüge tut. Viele Hypothesen über die Gründe hierfür könnte man aufstellen, z.B. dass es einfach eine Frage der Zeit sei, bis sich die Erkenntnisse der Wissenschaft durchsetzen oder dass wirtschaftliche Interessen der Versicherungsindustrie oder politische Interessen dahinterstecken und vieles mehr. Aus meiner Erfahrung ergeben sich jedoch auch Anhaltspunkte für die folgende These: Sind therapeutische Empfehlungen zur "Aktivierung" und zu kognitiver Verhaltenstherapie bei CFS/ME eine psychologisch erklärbare Reaktion der "hilflosen Helfer"? Sind sie eher ein Element individueller und institutioneller Abwehrstrukturen als hilfreiche Maßnahmen für CFS/ME-Patienten? 2. "Verhaltenstherapie und behutsame Aktivierung helfen"Das ist der Titel eines erst kürzlich erschienenen Artikels von Martin Sack, Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover (3). Genauso wie er unterstützt eine ganze Schule von Verhaltenstherapeuten und Psychiatern die Theorie, dass Graded-Exercise-Programme (11) in Kombination mit Verhaltenstherapie ein erfolgreicher Behandlungsansatz für CFS/ME wären. Hierbei wird den Betroffenen eine stetig steigende Belastung "verordnet", manchmal ganz unabhängig von ihrer Reaktion. Man könnte sich nun angesichts der Studien, die die Schädlichkeit eines solchen Vorgehens ein weiteres Mal belegen, durchaus die Frage stellen, ob die gegenteiligen Empfehlungen nicht vielleicht Ausdruck von Ängsten und Abwehr seitens der Ärzte, Psychiater oder Angehörigen sind, die in ihnen wach werden, wenn sie mit einer so wenig nachvollziehbaren Entkräftung wie der von CFS/ME-Patienten konfrontiert werden. Denn sie sind weder "evidenzbasiert" noch logisch noch hilfreich. Es muss also einen Grund für die Widersprüchlichkeit des Vorgehens dieser Ärzte und Psychiater geben, ebenso wie für die immanenten Widersprüche, die man zuhauf in ihren Texten findet. Häufig vertreten sie lediglich "Meinungen", die auf nichts als Vorurteilen und einem äußerst negativen Bild von Patienten beruhen. Die zahlreichen Aufsätze und Bücher des bekannten Gutachters Wolfgang Hausotter legen hierfür ein beredtes Zeugnis ab (12).
3. Teufelskreise und andere MisslichkeitenÄrzte und andere Helfer werden durch CFS/ME-Patienten auf mehreren Ebenen mit ihrer eigenen Hilflosigkeit konfrontiert, denn die offizielle Medizin bietet, zumindest in Deutschland, keine brauchbaren Handlungsanleitungen und nur geringes Wissen, um mit CFS/ME-Patienten umzugehen - außer der unangemessenen Empfehlung zur Aktivierung und der Überweisung zum Psychiater.
CFS/ME ist nicht Gegenstand der medizinischen Ausbildung von Ärzten. Es gibt lediglich eine Reihe zertifizierter Fortbildungstexte, die allesamt auf den o.g. Prinzipien beruhen und die Erkenntnisse der CFS/ME-Forschung nicht berücksichtigen (siehe z.B. (3), (4)). CFS/ME wird fälschlicherweise immer noch als psychiatrische Erkrankung verstanden und abgehandelt, während es die Weltgesundheitsorganisation in ihrer Klassifikation der Erkrankungen als neurologische Erkrankung einordnet (ICD-10: G 93.3). Ungeklärt bleibt auch der Widerspruch, dass CFS/ME einerseits in weiten Kreisen der Medizin noch immer als somatoforme Störung, larvierte Depression, Neurasthenie o.ä., d.h. rein psychologisch-psychiatrische Erkrankung ohne ursächliches physiologisches Korrelat aufgefasst wird, andererseits aber das Robert-Koch-Institut (RKI), das Bundesinstitut für übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten, Blut- und Organspenden durch CFS-Patienten für bedenklich hält. Nicht einmal die Erkenntnisse der Centers for Disease Control and Prevention der USA (CDC), ihre umfassenden Informationen zum CFS werden hierzulande wahrgenommen. Gelegentlich werden die Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen der CDC sogar als "amerikanischer Mist" abgetan. Dementsprechend wird auch die seit einem Jahr laufende Informationskampagne der amerikanischen Gesundheitsbehörden ignoriert (10). Fazit: Wenn selbst in den USA eine solche Kampagne nötig ist, wie mag dann erst die Lage hierzulande sein. Man muss leider davon ausgehen, dass in Deutschland das Wissen der meisten Ärzte um CFS/ME mangelhaft oder gar falsch ist. D.h., sie wissen mit dieser "seltenen" Erkrankung nichts anzufangen, wenn sie in ihrer Praxis damit konfrontiert werden. Sie haben vielleicht einmal irgendetwas gehört, aber dann mit Sicherheit im Zusammenhang mit "somatoformen Störungen".
In den üblichen Diagnoseverfahren spiegelt sich CFS/ME nicht als eine Erkrankung mit "Krankheitswert" wider. Im Gegenteil - es scheint "alles in Ordnung" und "ohne Befund" zu sein. Der Arzt findet in seinen üblichen Diagnoseverfahren keinen Anhaltspunkt für eine ihm bekannte Erkrankung oder eine Indikation für weitere Untersuchungen. Der Zustand des Patienten muss ihm somit "harmlos" erscheinen und durch ein bisschen Gymnastik und die richtige seelische Haltung leicht zu beseitigen zu sein. Und hier schließt sich der Teufelskreis: Werden Patienten, die sowieso schon am Rand ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sind und die bereits alles tun oder getan haben, um ihren Zustand zu verbessern und ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen nachzukommen, mit der Empfehlung konfrontiert, Gymnastik zu machen und arbeiten zu gehen, und dann ginge das alles schon von alleine weg, müssen sich notwendigerweise vor den Kopf gestoßen fühlen. Wenn sie das könnten, wären sie schließlich nicht zum Arzt gegangen. Genau das ist doch das Problem: sie sind so schwach, dass sie nicht arbeiten können, dass sie sich nicht bewegen können, dass sie oft nicht mehr klar denken können - kurz: eben die Kontrolle über ihren Körper und damit ihre Lebensgestaltung verloren haben. Deshalb muss es ihnen als absurd erscheinen, wenn der Arzt ihnen genau das als "Therapie" empfiehlt. Sich mit Willenskraft durchzubeißen - das haben sie doch alles schon versucht - mit dem Effekt, dass es ihnen schlechter und schlechter geht. Für sie ist ihr Zustand alles andere als "harmlos".
Eine solche Empfehlung erfüllt deshalb alle Merkmale der paradoxen Kommunikation und muss bei Patienten, die voller Verzweiflung und Angst sind, aufgrund ihrer Schwäche Beruf, Familie, soziale und finanzielle Sicherheit zu verlieren, verständlicherweise Irritation, Wut, Verwirrung etc. auslösen. Und schon werden sie "schwierig", fordern weitere Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen, was aus Sicht der Ärzte ein weiterer "Beweis" für das Vorliegen einer "somatoformen Störung" gewertet wird - die man mit Psychotherapie und Aktivierung behandeln muss:
Statt also darüber nachzudenken, ob das "Abschieben in die psychiatrische Schublade" und die Empfehlung zur Aktivierung vielleicht der Krankheit des Patienten nicht gerecht werden und der Patient dies auch genau weiß, wird das Rad ein weiteres Mal in die falsche Richtung gedreht: die ablehnende Reaktion des Patienten wird als "frühzeitiger Hinweis auf eine somatoforme Störung gewertet". Die üblichen Verfahrensweisen, mit einer Krankheit oder Klage des Patienten umzugehen und die dem Arzt eine gewisse Sicherheit und das Gefühl von Kontrolle vermitteln, greifen bei CFS/ME in der Regel nicht: es ist "nichts" zu finden, keiner der üblichen Behandlungsvorschläge hilft, und die Patienten klagen hartnäckig weiter über eine lähmende Erschöpfung. Dem Arzt sind damit die üblichen Instrumentarien im Umgang mit der Klage eines Patienten umzugehen, aus der Hand geschlagen. Selbstverständlich löst das auf Seiten des Arztes Irritationen aus, vielleicht Verärgerung, vielleicht Hilflosigkeit. Wir CFS/ME-Patienten rütteln somit ungewollt am Selbstverständnis und der beruflichen Identität desjenigen, von dem wir Hilfe und Verständnis erwarten. Wir treiben ihn also in ein "psychologisches Problem". Statt aber die eigene Irritation zu reflektieren im Hinblick auf ein vielleicht unangemessenes Verhalten gegenüber dem Patienten, wird diesem unterstellt, er habe eine "dysfunktionale Kognition" (2) und ein "dysfunktionales Beziehungsverhalten" (4) - sprich: er hat nichts als Unsinn im Kopf und benimmt sich auch noch unmöglich. Reagiert der Arzt dann mit Ablehnung und der mehr oder weniger offen geäußerten Vermutung, der Patient stelle sich ein bisschen an, solle sich mal am Riemen reißen, sei gar ein Simulant, Hypochonder, "fauler Sack" oder "Rentenneurotiker", der seine Beschwerden mit starrem Blick auf die ach so bequeme soziale Hängematte künstlich aufbauscht, steigert das die Verzweiflung der Patienten ein weiteres Mal. CFS/ME-Patienten reagieren auf dieses Unverständnis im Angesicht ihres extremen Leidensdrucks vielleicht ihrerseits mit Wut, Verzweiflung, Angst und Aggression - und schon ist der Dialog entgleist: Für Ärzte und Psychologen ist die emotionale Reaktion ihrer CFS/ME-Patienten dann ein "Beweis" dafür, dass sie eine psychische Störung haben müssen, wenn sie sich angesichts der „ohne Befund“ verlaufenden Untersuchungen gar nicht freuen, sondern darauf beharren, dass sie krank sind. Damit schließt sich der Teufelskreis.
4. Überweisung zum Psychiater oder Psychologen - eine Lösung?Allzuhäufig entgleist hier die Kommunikation: Ärzte haben das diffuse Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt, sie können mit dem Patienten nicht umgehen, und viele neigen dann dazu, solche Irritationen ursächlich den Patienten zuzuschreiben. Nicht die Kommunikation ist das Problem - auf die ja auch der Arzt und die Behandlungssituation einen Einfluss haben - sondern der Patient hat ein Problem, und zwar ein psychologisches. Dafür sind sie dann selbstverständlich "nicht zuständig". Einen scheinbaren Ausweg aus dieser Irritation bietet dann das im Medizinsystem für "solche Fälle" vorgesehene Gleis: die Überweisung zum Psychologen oder Psychiater oder in eine psychosomatische Abteilung (siehe auch (2) (3) (4)). Und in der Tat kann eine solche Empfehlung bzw. die Überweisung zum Psychiater/Psychologen für den Arzt eine Art "Lösung" sein: entweder glaubt der Patient dem Arzt und dem Psychologen, dass die Ursache seines Leidens in ihm selbst, in seinem unangemessenen Verhalten läge, dann behelligt er den Mediziner nicht weiter und geht zum Psychologen oder Psychiater. Oder er glaubt es nicht und hat damit das Vertrauen zu seinem Arzt verloren. Auch dann wird er diesen nicht weiter behelligen und sich möglicherweise einen anderen suchen. In beiden Fällen war der Arzt also für sich gesehen "erfolgreich", denn der Patient verschwindet aus seinem Blickfeld. Deutlich wird, dass in der Tat psychologische Probleme vorliegen: und zwar unabhängig von denen, die der Patient allein durch die Reaktion auf sein extremes Leiden schon "mitbringt" oder die er vielleicht ebenso hat wie viele Menschen, die krank oder gesund sind. Es sind psychologische Probleme, die innerhalb des Arzt-Patient-Verhältnisses erst entstehen. Sie betreffen beide Dialogpartner, werden aber aufgrund des strukturellen Ungleichgewichts der Situation (der Patient ist der Abhängige, Hilfesuchende, der Arzt ist idealerweise der Helfende, aber auf jeden Fall gegenüber dem Patienten in der Machtposition) und der Tatsache, dass beide die Beziehungsdynamik nicht begreifen, oft allein dem Patienten im Sinne einer Schuldzuweisung "in die Schuhe geschoben". Die unten zitierten Passagen aus den AWMF-Leitlinien und diversen Fachartikeln geben hiervon beredtes Zeugnis (2) (3) (4). Viele Patienten lassen sich auf psychotherapeutische Behandlungen, etwa den Aufenthalt in psychosomatischen Kliniken, ein. Auch wenn sie dort bessere Erfahrungen machen, als das z.B. hier geschildert wird, kommen sie dort in der Regel in wesentlich schlechterem Zustand heraus, als sie hineingegangen sind. Das haben mir viele meiner Leidensgenossen berichtet. Sie sind dem Klinikalltag und den dortigen Anforderungen von Frühgymnastik bis Gruppentherapie körperlich einfach nicht gewachsen und erleben durch die Belastung teilweise schwere, Monate andauernde Rückfälle. CFS/ME-Patienten wären mehr als glücklich, wenn Verhaltens- oder andere Psychotherapien und Aktivierung ihr teilweise unsägliches Leid lindern oder gar beseitigen würde. Ihre Erfahrung mit diesen Verfahren ist jedoch im Hinblick auf die angekündigte Besserung ihres Zustandes meist äußerst enttäuschend. Erzählt man ihnen dann, dass sie nur deshalb so krank seien und sich ihre Erkrankung chronifiziert habe, weil sie von Anfang an eine "übermäßige Schonhaltung" an den Tag gelegt hätten, so müssen sie das als absurde und absolut unangemessene Schuldzuweisung begreifen. 5. Arzt und Patient begegnen sich auf vermintem GeländeNicht nur der unmittelbare Dialog zwischen Arzt und CFS/ME-Patient birgt also jede Menge "Tretminen", sondern auch die Entwicklungen in unserem Gesundheitswesen, durch die beide Partner zunehmend als Maschinen betrachtet und entmenschlicht werden. Eine wirkliche Begegnung im Sinne der gegenseitigen Wahrnehmung scheint immer schwieriger - und unbezahlbar - zu werden. Hat man das Pech, eine Krankheit zu haben, die in keines der vorgesehenen Raster fällt - auch nicht in das psychiatrische -, dann haben beide Pech gehabt. Es liegt in der Natur der Sache, dass das Pech des Patienten größer und folgenreicher ist als das des Arztes. Wenn das stimmt, was der Präsident der Berliner Ärztekammer Ellis Huber einmal in einem Interview über die Geisteshaltung seiner Kollegen sagte, so muss man sich nicht nur über unbewusste emotionale Reaktionen von Ärzten und Psychiatern wundern, die dann in einer projektiven Bewegung den Patienten als "seelische Störung" zugeschrieben werden, sondern muss sogar bewussten Zynismus hinter solchen "Diagnosen" vermuten. Ellis Huber, Präsident der Berliner Ärztekammer, charakterisierte seine ärztlichen Kollegen in einem Interview aus dem Jahr 2001 so:
Ärzten, die chronisch überlastet und damit durch ihre unerträglichen Arbeitsbedingungen vielleicht selbst chronisch erschöpft sind, mit der für sie wenig nachvollziehbaren Klage zu kommen, man sei ständig "erschöpft", löst bei diesen verständlicherweise Wut, Verachtung, Spott oder vielleicht auch (unbewusste) Ängste und Abwehr aus. Dass das heutige Medizinsystem Ärzten, Krankenschwestern und anderen professionellen Helfern extrem schwierige, wenn nicht gar unerträgliche Arbeitsbedingungen zumutet, zeigen jüngste Aussagen von Ärzten nur allzu deutlich (siehe z.B. (5)). Bernd Hontschik, niedergelassener Arzt in Frankfurt am Main, schrieb in einem Kommentar in der Frankfurter Rundschau vom 16. Juni 2007 zum Thema "Ärztehass" über die Arbeitsbedingungen von Ärzten folgendes:
Über ungehaltene Ärzte, die mit "schwierigen" und "anspruchsvollen" Patienten umzugehen haben, wie es CFS/ME-Patienten aufgrund der Natur ihrer Erkrankung gelegentlich sind, ja sein müssen um Hilfe zu finden, muss man sich wohl nicht mehr wundern. Dass sie diese gelegentlich aus reiner Not heraus an Kollegen überweisen, seien es Psychiater oder andere Fachkollegen, um sie einfach loszuwerden, scheint im Angesicht solcher miserablen Arbeitsbedingungen nur allzu verständlich. 6. Exkurs: Was erleben Ärzte und Psychologen mit CFS/ME?Es wäre an dieser Stelle interessant zu wissen, welche Erfahrungen Ärzte machen, die an CFS/ME erkranken: in welcher Weise kollidiert ihr "einfach-nicht-mehr-können" mit ihrer beruflichen Identität als Arzt oder Ärztin, der vielleicht keine Schwäche zeigen darf? Wie reagieren die Kollegen auf ihre Entkräftung und ihre Arbeitsunfähigkeit? Unterscheiden sich ihre Erfahrungen noch einmal von denen anderer CFS/ME-Patienten? Was sagt die Reaktion der Kollegen über die "deformation professionelle" von Ärzten aus, also über die berufliche Identität, die sie einnehmen müssen, um in diesem System bestehen zu können? Dann könnte man leichter verstehen, welche Abwehrmechanismen bei ihren gesunden Kollegen ausgelöst werden, wenn sie mit einer so "unverständlichen" und behandlungsresistenten Erkrankung wie CFS/ME konfrontiert werden. 7. Unbewusste Emotionen statt Evidenzbasierung handlungsleitend?Schaut man sich die Erfahrungen von Patienten an, die diese immer wieder schildern, dann findet man zahlreiche Belege dafür, dass hier nicht evidenzbasierte Medizin handlungsleitend war, sondern überwältigende, nicht beherrschte emotionale Reaktionen seitens der Ärzte, Gutachter, Psychiater, Angehörigen und Freunde von CFS/ME-Patienten. Vielleicht ist die zwischen Patienten(-verbänden) und Psychiatern/Ärzten so extrem umstrittene Empfehlung zur Aktivierung und zu Graded-Exercise-Programmen in Hinweis darauf, dass der Alltag in der medizinischen Praxis weniger von Logik und Wissenschaft als von "Psychologik" und der Beziehungsdynamik bestimmt wird, die sich zwischen Arzt und Patient entfaltet. Diese Beziehungsdynamik, die sich, ohne dass die Beteiligten dies bemerken oder gar mit böser Absicht tun, schlägt sich vielleicht viel stärker in den therapeutischen Ratschlägen des Arztes nieder als die Ergebnisse objektiv-wissenschaftlicher Studien. Warum sollten Menschen, die zum Teil unbeschreibliches Leid erfahren und denen Familie, Freunde und professionelle Helfer häufig mit Spott und Verachtung begegnen, die also alles andere als den ihnen gelegentlich unterstellten "sekundären Krankheitsgewinn" erleben, nicht alles tun, um wieder gesund zu werden? Sie alle wären doch froh und dankbar, wenn so einfache Maßnahmen wie körperliche Aktivierung und ein bisschen Verhaltenstherapie helfen würden! Es gäbe nicht schätzungsweise 300.000 CFS/ME-Kranke allein in Deutschland, wenn diese Maßnahmen einen Ausweg darstellen würden. Für diese Menschen ist es eine subjektive Katastrophe, wenn man sie undifferenziert mit jenen in einen Topf wirft, die eine Erwerbsunfähigkeitsrente ohne entsprechende Berechtigung erreichen wollen - auch solche Menschen gibt es selbstverständlich. Es wäre jedoch Aufgabe des Arztes, hier mit geeigneten diagnostischen Instrumentarien eine Differenzierung vorzunehmen. Und solche Instrumentarien gibt es bereits, sogar in deutscher Sprache: etwa in der australischen Broschüre, die auf der neuen Kanadischen Klinischen Definition beruht. In beiden Dokumenten finden sich Fragebögen und Diagnosealgorithmen, die eine Unterscheidung zwischen CFS/ME-Patienten, Menschen mit majorer Depression oder Simulanten und Hypochondern eindeutig und leicht möglich machen. Es wäre nur nötig, dass die behandelnden Ärzte sich mit diesen Dokumenten vertraut machen würden. Stattdessen gerät der Patient oft in die absurde Situation, dass er dem Arzt „beweisen“ muss, dass er krank ist. In dieser Position hat er von vorneherein nicht die geringste Chance. Die aktuellen, heftigen Debatten um die "NICE-Guidelines", die in Großbritannien von offizieller Seite erstellt wurden bzw. werden, um den Ärzten eine Richtlinie zur Behandlung des CFS/ME an die Hand zu geben, sind ein weiterer Beleg hierfür. Die darin enthaltene Empfehlung von kognitiver Verhaltenstherapie und "Graded-Exercise" als Behandlung von CFS/ME wird von den Patientenorganisationen einhellig abgelehnt. Patientenorganisationen vertreten in der Regel die Interessen der in ihnen organisierten Patienten - und zwar in dem Sinne, dass diese gesünder werden. Es ist schwer vorstellbar, dass die Zehntausende, die allein in Großbritannien in diesen Organisationen Mitglied sind, einschließlich der Eltern betroffener Kinder und Jugendlicher und einschließlich nicht betroffener Kliniker und Forscher, allesamt an einer "dysfunktionalen Kognition" leiden und Maßnahmen, die erfolgversprechend sind, so einhellig ablehnen. In Großbritannien gibt es eine äußerst mächtige Psychiaterfraktion um Simon Wessely, Peter White, Trudy Chalder, Michael Sharpe u.a., deren Einfluss dazu geführt hat, dass von offizieller Seite (dem MRC) ausschließlich psychiatrische Interventionen bei CFS/ME "erforscht" und von vorneherein als "erfolgversprechend" begutachtet werden, während biomedizinische Projekte wie etwa die Genexpressionsforschung von John Gow und Jonathan Kerr auf andere, weniger üppig sprudelnde Geldquellen angewiesen sind (teilweise auf die Finanzierung durch Patientenorganisationen). Der Widerstand der Patientenorganisationen gegen den Einfluss dieser Psychiaterfraktion ist massiv, aber ihre Stimme wird bislang bei offiziellen Stellen wenig gehört. Gerade ist das britische Medical Research Council mit einer von der 25%-ME-Group verbreiteten Presseerklärung aufgefordert worden, die Geldverschwendung zu stoppen, die die Finanzierung von Forschungsprojekten zur angeblichen Effektivität von "Graded-Exercise-Programmen" und kognitiver Verhaltenstherapie bei CFS/ME darstellen würde. Diese Petition wurde von 28 Patientengruppen und namhaften Einzelpersonen, unter ihnen zwei britische Parlamentsabgeordnete, unterzeichnet. Diese seit Jahrzehnten andauernden Auseinandersetzungen in Großbritannien sind ein weiterer Beleg für die hier dargelegten Thesen. 8. Ausweg I: Wahrnehmung der neuen Forschungsergebnisse zu Diagnose und BehandlungWeltweit wird von CFS/ME-Patienten und ihren Vertretern gefordert, dass das "medizinische Establishment" und die Politiker endlich die Tragweite und Schwere der Erkrankung realisieren und ausreichend Forschungsgelder in Projekte zur Erforschung der Krankheitsmechanismen stecken. Es wäre aus ihrer Sicht schon ein Fortschritt, wenn man in Kreisen der Medizin und Politik die bereits vorhanden Studien zu immunologischen, neurologischen und endokrinen Anomalien wahrnehmen würde. Von daher bieten solche Studien wie die im Artikel des Monats Juli 07 I zitierten vielleicht einen Ausweg aus so manchem Missverständnis, das sich zwischen Ärzten und Patienten entwickelt. Vielleicht geben sie verunsicherten Helfern ein Instrumentarium in die Hand, das den Dialog mit den Patienten erleichtert oder wiederherstellt und hilft, die eigenen Ängste und Verunsicherungen anzugehen. Das Internet macht den Zugang zu den mittlerweile auf Tausende zählenden medizinischen Fachartikeln zur Pathophysiologie und zu erfolgversprechenden Behandlungsansätzen bei CFS/ME selbst für Laien einfach. Für Ärzte, die sich in der hier gepflegten Fachsprache leicht orientieren können, dürfte es deshalb kein Problem sein, sich auf dem Stand der Wissenschaft zu halten. Einen Einstieg in die wesentlichen Aspekte der Pathophysiologie bieten vielleicht die Zusammenfassungen von Anthony Komaroff, einem Medizinprofessor der Harvard Medical School (siehe Artikel des Monats April 07 I und Kasten unten (13)). In der Mai-Ausgabe seines Magazins ACP Observer beschäftigt sich die renommierte Ärztevereinigung der USA, das American College of Physicians, mit den neuesten Ergebnissen zu Forschung und Diagnose des CFS. Unter dem Titel "Putting chronic fatigue syndrome's myths to bed" werden gegenüber der amerikanischen Ärzteschaft die Mythen, die das CFS bislang umgaben, endgültig zu Grabe getragen. Auf wenigen Seiten bietet der Artikel von Jessica Berthold einen Einblick in die Grundlagen und vermittelt eine Vorstellung von der Schwere der Symptomatik. Die wichtigsten diagnostischen Schritte werden ebenso aufgezählt wie die entscheidenden Forschungsergebnisse zur Pathogenese der Erkrankung und zu den bislang vorhandenen Möglichkeiten der Behandlung des CFS. Zeitgemäß wäre demnach die Abkehr von der überholten, aber immer noch weit verbreiteten Vorstellung, dass alle Erkrankungen, für die der Arzt kein physiologisches Korrelat finden kann, automatisch psychologischer Natur seien. Eine hervorragende sachliche Begründung für diese Notwendigkeit liefert die Ärztin für Innere Medizin und Psychotherapie A.D. Höck (Köln). Die Lektüre ihres Aufsatzes mit dem Titel Diagnostik und Therapie der Fibromyalgie und des Chronic-Fatigue-Syndroms ist jedem anzuempfehlen, der sich mit diesem Thema auf qualifizierte Weise beschäftigen möchte. Offenbar scheint sich inzwischen sogar in offiziellen Ärztegremien wie z.B. dem CISSD-Projekt (Conceptual Issues in Somatoform and Similar Disorders) Widerstand gegen die Gleichsetzung von "medizinisch ungeklärt" (MUPS-Disorders) und "somatoform" zu regen. Richard Sykes, der Koordinator des CISSD-Projekts vertritt die These, dass die "psychogene Schlussfolgerung" nicht gerechtfertigt sei. Diese psychogene Schlussfolgerung folge der Logik:
ABER, so Sykes bei einem Vortrag am 20. April 2007 in London, die Schlussfolgerung von Punkt 1 nach Punkt 2 sei nicht zulässig. Denn es könne durchaus eine körperliche Ursache da sein: die Symptome könnten entweder ein früher Indikator für eine sich erst später herausschälende Erkrankung sein oder es könnte sein, dass nicht alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt worden seien oder dass man an die Grenzen der derzeitigen Wissenschaft stoße. Die Medizingeschichte sei voll von Beispielen für Krankheiten, deren Ursache man zunächst nicht kannte. Die moderne Ansicht sei, dass alle Symptome auch eine physische Grundlage hätten. Sykes betonte, dass die "psychogene Schlussfolgerung" Schäden verursache, indem z.B.
Aus diesem Grunde sollte die "psychogene Schlussfolgerung" aufgegeben werden und der Vergangenheit angehören. Sie sei eine der Hauptursachen für die "Psychologisierung" des CFS. Es bleibt zu hoffen, dass man sich in der Medizin in Zukunft an den Gedanken dieses seriösen Professors orientiert. Hätte sich die Medizin von Anbeginn der Medizingeschichte immer auf den Standpunkt gestellt, dass alle Krankheitsbilder, für die sie kein organisches Korrelat finden kann, automatisch das Resultat eines "psychologischen Problems" oder falschen Verhaltens des Erkrankten seien, so hätte es niemals einen Fortschritt in der Medizin gegeben. Dann wären wir noch immer der Meinung, die bis vor 100 Jahren in Medizinerkreisen noch weit verbreitet war, dass die Tuberkulose eine Folge exzessiver Onanie sei. Oder dass, wie es in manchen afrikanischen Dörfern wohl noch immer praktiziert wird, das Schlachten einer Kuh als Opfergabe einen im Endstadium an AIDS erkrankten Menschen retten könne. 9. Ausweg II: Symptomatische Behandlung und Pacing statt ÜberlastungVielleicht eröffnet die Wahrnehmung des bereits vorhandenen Wissens um die Pathophysiologie des CFS/ME und die Möglichkeiten eines effektiven und unschädlichen Krankheitsmanagements den Zugang zu Maßnahmen, die besser geeignet sind, den Patienten zu helfen, mit der Krankheit fertig zu werden. Charles Shepherd hat in seiner Broschüre hierzu einen umfassenden Überblick gegeben. Darin finden sich auch Aussagen zu dem von vielen Patientenorganisationen und Forschern empfohlenen Pacing. Auch dieses Verfahren ist selbstverständlich keine Therapie, die an den Ursachen der Erkrankung ansetzen würde, sondern lediglich eine Hilfsmaßnahme im Rahmen der Alltagsbewältigung, die eine medizinische Behandlung der Symptome nicht ersetzen, sondern allenfalls begleiten kann. Aber da diese Methode im Unterschied zu Graded-Exercise-Programmen den meisten Patienten hilft und nicht schadet, bietet sie auch für Patienten einen Ausweg aus dem ewigen Kreislauf von Überlastung und Symptomverstärkung. Und sie bietet einen Ausweg aus dem Teufelskreis von Missverständnissen, die sich zwischen Ärzten und CFS/ME-Patienten so leicht einschleichen. Pacing und eine symptomatische Behandlung bedeuten für den Patienten nicht nur eine Besserung der Symptome, sondern vermitteln ihm auch den Respekt, den er im Angesicht der verheerenden Auswirkungen seiner Krankheit erwartet. Und sie geben dem Arzt ein wirksames, wenn auch auf lange Sicht angelegtes therapeutisches Instrumentarium, das ihn von den beschriebenen Irritationen befreien kann und in seiner Rolle als Arzt bestätigt. Hinzu kommen muss selbstverständlich eine Unterstützung der Patienten im sozialen Bereich, die ihnen ein solches Vorgehen auch ermöglicht. Werden sie, wie es etwa die AWMF-Richtlinien empfehlen, immer nur für kurze Zeit krankgeschrieben und dann wieder in den Arbeitsprozess zurückgetrieben, sind eine Anwendung solcher Programme zum Krankheitsmanagement und eine Erholung nicht möglich. 10. Ausweg III: Gemeinsame "Trauerarbeit" ist nötigEntscheidend ist nach meiner Erfahrung, dass beide Partner des Dialogs, Arzt und Patient gleichermaßen, ihre weitgehende Hilflosigkeit im Angesichts einer solchen schweren, massiv entkräftenden Erkrankung anerkennen und zunächst einmal ertragen lernen. Statt die auf beiden Seiten entstehenden Wut- und Hilflosigkeitsgefühle durch unangemessene Schuldzuschreibungen gegeneinander zu wenden, wäre es für beide hilfreicher, eine Art gemeinsamer "Trauerarbeit" darüber zu leisten, dass diese Erkrankung bislang nicht ursächlich, sondern nur symptomatisch behandelt werden kann und dass Jahre vergehen können, bevor der Patient eine Besserung erlebt. Eine solche Trauerarbeit erfordert sowohl von den Patienten als auch von Ärzten ein hohes Maß an persönlicher Reife und, auf Seiten der Ärzte, auch ein gutes Stück psychologischer Schulung. Auch hier gibt es bereits hervorragende Literatur, auf die sich Ärzte wie Patienten stützen können - etwa zum Vier-Phasen-Modell der Verarbeitung der Krankheitserfahrung bei CFS/ME von Patricia Fennell (siehe (9)). Auch die Anmerkungen, die sich im gerade veröffentlichten Research Review der CFIDS Association finden, können bereits hilfreich sein (14). Patienten, die auf solchermaßen psychologisch geschulte Ärzte stoßen, die auch ihre eigenen Reaktionen konstruktiv zu reflektieren in der Lage sind, sind zu beglückwünschen - aber sicher in der Minderheit. Das wäre in der Tat ein psychosomatisches Vorgehen, das Patienten (wie Ärzten) helfen könnte, alle Aspekte einer so schweren Erkrankung anzugehen und körperliche wie seelische Folgen gleichermaßen zu behandeln. Ärzte, die so etwas können, und denen das Kunststück gelingt, das auch noch in einem Arbeitsumfeld umsetzen, wie es ihnen im Rahmen der ständigen Einsparungen und Verschlechterungen im Gesundheitswesen zugemutet wird, kann man mit Fug und Recht als die "wahren Psychosomatiker" bezeichnen. Sie missbrauchen die Psychosomatik (oder das, was aus dieser geworden ist (7)) nicht im Sinne einer institutionellen Abwehr, sondern nutzen sie als das, was sie ursprünglich gedacht war: als ein Instrument im Sinne der Herstellung einer humanen Medizin, die den Menschen als Ganzes betrachtet und nicht als Maschine. Und zwar Ärzte, Psychiater, Psychologen und Patienten gleichermaßen. AnmerkungenZum Erfolg des Einsatzes von kognitiver Verhaltenstherapie und Graded-Exercise-Programmen haben große Patientenorganisationen in Großbritannien eine Umfrage unter CFS/ME-Patienten durchgeführt. Hier einige Zitate über die Ergebnisse aus dem CMO-Report: S.61, über "Graded-Exercise" " – Sowohl die Patientenorganisationen als auch die Ergebnisse der Patiententagungen weisen darauf hin, dass „graded exercise” bei manchen Patienten hilfreich sein kann, dass aber erhebliche Bedenken im Hinblick auf einen potentiellen Schaden bestehen, insbesondere dann, wenn die Behandlung nicht flexibel oder ohne das Einverständnis des Patienten durchgeführt wird. Die nicht-randomisierte Umfrage unter sehr schwer erkrankten Patienten kam zu dem Schluss, dass von den 1214 teilnehmenden Patienten, die „graded exercise” ausprobiert hatten, 417 glaubten, sie sei „hilfreich” gewesen, 187 berichteten „keine Veränderungen“ und 610 glaubten, dass sie ihre Erkrankung „verschlimmert“ habe (siehe auch Anhang 3, Abschnitt 3). Ähnlich negative Stellungnahmen wurden aus einer Patientenumfrage unter weniger schwer erkrankten Patienten berichtet, und keine andere Behandlungsform, ob pharmakologischer oder nicht-pharmakologischer Art – erhielt bei den Patientenumfragen derart negative Rückmeldungen." S. 64, über kognitive Verhaltenstherapie: "In einer Umfrage unter Patienten betrachteten nur 7% der Befragten die Therapie als "hilfreich", verglichen mit 26%, die der Meinung waren, dass sie sich dadurch noch schlechter fühlten. Die verbleibenden 67% der Patienten berichteten "keine Veränderung" (siehe auch Anhang 3, Abschnitt 3). Der Bericht ließ darauf schließen, dass es zu schädlichen Auswirkungen kam, wenn der Aktivitätsplan zu rigide war, wenn der Therapeut Skepsis gegenüber den Ansichten und Erfahrungen des Patienten an den Tag legte oder wenn die Therapeuten zu verstehen gaben, dass die Krankheit "rein psychologisch bedingt" sei." S. 66, über "Pacing" " – Beachtliche Unterstützung findet das „pacing” sowohl bei den Patienten als auch bei den Patienten- und Hilfsorganisationen. Es wird auch bei den sehr schwer Erkrankten als sinnvolle Maßnahme angesehen. Eine Umfrage unter mehr als 2000 Mitgliedern einer Patientenorganisation, denen es sehr schlecht ging oder sehr schlecht gegangen war, ergab, dass 89% der Befragten das „pacing“ als hilfreich erlebten (siehe Anhang 3, Abschnitt 3). Ähnliche Ergebnisse werden aus Umfragen unter weniger schwer betroffenen Patienten berichtet. Die Patientenorganisationen sind überzeugt, dass ausreichende Ruheperioden hilfreich sind, insbesondere in den frühen Stadien der Erkrankung." Aus: Anhang 3 zum CMO-Report: "Steigerung der körperlichen Tätigkeit (“Graded exercise”): Befragte: 1214
Kognitive Verhaltenstherapie Befragte: 285
Leitlinie Somatoforme Störungen 8: Neurasthenie (ICD-10 F48.0) / Chronic Fatigue Syndrome) Leitlinien Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik, Gemeinsame
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin,
Deutschen Gesellschaft für Psychonanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und
Tiefenpsychologie (DGPT), des Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin
(DKPM) und Verabschiedet von den Fachgesellschaften DGPM, DKPM, AÄGP und DGPT am 18. 05. 1999, Überarbeitung vom 21. November 2001 Zitate aus den AWMF-Leitlinien:
(3) Fortbildung für Ärzte zum Thema CFS/ME: Martin Sack Martin Sack: Verhaltenstherapie und behutsame Aktivierung helfen. Der Neurologe und Psychiater, 6/05, S. 16-20 (Sie finden den Text hier als pdf-Datei.) PD Dr. Martin Sack, Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover, veröffentlichte erst 2005 unter dem Titel "Aktivierung und behutsame Aktivierung helfen" einen Artikel, in dem die in Deutschland gängige Lehrmeinung zum Umgang mit CFS/ME-Patienten dargelegt wird. Da die Lektüre dieses Artikels als zertifizierte Fortbildung gilt, bekommen Ärzte, die ihn lesen und einen darauf bezogenen Fragebogen "richtig" beantworten, Zertifizierungspunkte im Rahmen der Continued Medical Education (CME). Insofern können die folgenden Zitate aus diesem Text den medizinischen Standard wiedergeben, mit dem CFS/ME-Patienten hierzulande konfrontiert werden. Martin Sack teilt hier die Meinung anderer führender Psychiater, Psychologen und Psychosomatiker in Deutschland und gibt im wesentlichen das wieder, was sich auch in den AWMF-Leitlinien über CFS/ME findet. Zitate aus diesem Artikel:
(4) Fortbildung für Ärzte zum Thema CFS/ME: Sauer, Eich Nina Sauer, Wolfgang Eich: Somatoforme Störungen und Funktionsstörungen. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 104, Heft 1-2, 8. Januar 2007 (Sie finden den Gesamttext hier.) Ein ganz aktueller Artikel vom Januar 2007 wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert. Ärzte, die ihn lesen und einen entsprechenden Fragebogen "richtig" beantworten, bekommen dafür 3 CME-Punkte. Wohlgemerkt: CFS/ME gilt hierzulande, wie in oben zitiertem Artikel zu sehen, als "Neurasthenie" und "Somatisierungsstörung". Dass die WHO in den ICD-10 CFS/ME als neurologische Erkrankung unter G. 93.3 klassifiziert, wird an keiner Stelle erwähnt. Zitate aus diesem Artikel:
Die Autoren zitieren Henningsen et al., die in einer Tabelle 2002 über spezifische und unspezifische Ätiologiefaktoren für somatoforme Störungen als spezifischen soziokulturellen Faktor die "Medien" angeben, die durch die "Verbreitung von Erklärungsmodellen für unspezifische Körperbeschwerden" verantwortlich seien. In diesem Sinne ist die Lektüre dieser Website möglicherweise auch ein ätiologischer, d.h. verursachender oder perpetuierender Faktor für CFS/ME. Es bleibt dem geneigten Leser und seiner Verantwortung überlassen, ob er sich diesem Risiko weiterhin aussetzen will ... (5) "Arzt beschimpft Patienten" titelt die Frankfurter Rundschau auf Seite R21 am 27. Juni 2007. Auch wenn dies als Entgleisung und bedauerlicher Einzelfall gelten kann, geben die Äußerungen des Vorsitzenden des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen in Hessen Zafirios Giogios die Atmosphäre wieder, die mittlerweile im deutschen Gesundheitswesen zu herrschen scheint. Dass es ein "Ärztehasserbuch" gibt, mag man noch als Entgleisung eines Arztes abtun, der mit seinem Beruf nicht zurechtgekommen ist, aber dass führende Ärztevertreter sich im Internet in einer Weise über Patienten äußern, wirft kein gutes Licht auf unser Medizinsystem. Irgendetwas scheint hier ganz grundsätzlich schiefzulaufen, und "schwierige" Patienten, die den Ärzten Zeit kosten und ihr Budget belasten, haben wahrscheinlich erst recht keine guten Karten. Hier die Zitate des Herrn Dr. Giogios:
(6) Original des Zitats von Marcia Harmon "The disbelief and skepticism that chronic fatigue syndrome (CFS) patients experience from family, friends and colleagues can be disheartening, But when that skepticism comes from the health care professionals whom patients seek out, desperately hoping for validation and treatment options, it can be devastating. And even when patients do manage to find a medical professional who believes CFS is real and who wants to help, the providers often don't know how to treat this complex illness." (Aus: Marcia Harmon: Educating the Medical Community, The CFIDS Chronicle, Spring 2007, S. 26) (7) Psychosomatik Einführende Informationen über die verschiedenen Richtungen, Arbeitsgebiete und die Geschichte der Psychosomatik sind bei Wikipedia zu finden (hier). (8) Management of functional somatic syndromes. Von Peter Henningsen (Universität München), Stephan Zipfel (Universität Tübingen, Wolfgang Herzog (Universität Heidelberg). Erschienen in: The Lancet. Published Online February 6, 2007, DOI:10.1016/S0140-6736(07)60159-7 Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden (kostenlos). Auf S. 6 liest man dort unter der Unterüberschrift "Chronic Fatigue Syndrome" erstaunlicherweise: "Few studies have been added to the therapy research literature on chronic fatigue syndrome since 2001. The two treatments with best evidence for efficacy since the 1990s are graded exercise and cognitive behavioural therapy, whereas there is little evidence to support the use of antidepressants and different immunological and steroidal drugs." ["Nur wenige Studien sind seit 2001 zur Forschungsliteratur über die Therapie des Chronic Fatigue Syndromes hinzugekommen. Die zwei Behandlungsformen mit dem besten Wirksamkeitsnachweis seit 1990 sind Graded Exercise und Kognitive Verhaltenstherapie, während es kaum Belege gibt, die den Einsatz von Antidepressiva und verschiedener immunologischer und steroidaler Medikamente unterstützen würden."] Obwohl dieser Artikel den Anspruch erhebt, ein Überblicksartikel zu sein, sind in ihm die zahlreichen Artikel, die in den Jahren seit 2001 auch zu therapeutischen Interventionen veröffentlicht wurden, schlicht nicht enthalten. Sie finden sich zum Beispiel in der umfassenden Literaturdatenbank der schottischen Gruppe ME Research UK. Patricia Fennell hat ein vielbeachtetes Buch mit dem Titel "The Chronic Illness Workbook" geschrieben und ist Autorin zahlreicher Fachartikel speziell zu CFS/ME. Sie beschreibt in ihrem vier-Phasen-Modell eindrucksvoll, dass CFS/ME-Patienten vier Stadien im Verlauf ihrer Erkrankung durchmachen:
Nach diesem Modell müssen in jeder dieser Phasen drei Bereiche angegangen werden: der körperliche, der psychologische und der sozial-interaktive. Das Erleben chronischer Krankheit, so Fennell, verändere sich im Laufe der Zeit, und die körperlichen, emotionalen und sozialen Anforderung, die ein Patient im Anfangsstadium seiner Krankheit hat, können sich beträchtlich von denen unterscheiden, die ein Patient hat, der bereits mehrere Jahre krank ist. Diese unterschiedlichen Phasen mit ihren unterschiedlichen Erfordernissen zu beachten sei Aufgabe des geschulten professionellen Helfers. (10) Öffentlichkeitskampagne der Centers for Disease Control (CDC) Unter dem Titel "Get informed. Get diagnosed. Get help." versucht man in Zusammenarbeit mit der größten Patientenorganisation, der CFIDS Association, Ärzte, Patienten und die allgemeine Öffentlichkeit auf diese Krankheit und ihre verheerenden Auswirkungen aufmerksam zu machen. Man hat in den USA, anders als in Deutschland, begriffen, wie wichtig eine frühzeitige Diagnose und eine angemessene Behandlung gerade in der Anfangsphase ist, um die langfristigen Schäden so gering wie möglich zu halten (siehe auch Artikel des Monats Januar 07). Zu diesen Schäden zählen nicht nur die individuellen gesundheitlichen und finanziellen Folgen, sondern auch ein wirtschaftlicher Schaden, der sich nach seriösen Schätzungen auf bis zu 25 Milliarden Dollar jährlich beläuft. Julie Gerberding, die Direktorin der CDC, kommentiert diese Kampagne so:
(11) Graded Exercise - und die Studien, die ihre Wirksamkeit "beweisen"
(12) Gutachter für "moderne Krankheiten"
Dr. med. Wolfgang Hausotter, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen, spezielle Schmerztherapie, Martin-Luther-Straße 8 87527 Sonthofen/Allgäu W. Hausotter ist ein bei der Versicherungsindustrie beliebter und bekannter Gutachter bei "modernen Leiden" wie CFS/ME, Fibromyalgie, Sick-Building-Syndrom, Multiple Chemikalienunverträglichkeit. Dass die "Fibromyalgie - ein entbehrlicher Krankheitsbegriff" sei, darüber hat er in der Zeitschrift "Versicherungsmedizin" bereits im Jahr 2002 geschrieben. Was er sich über die Begutachtung dieser "modernen Leiden" denkt, geht aus dieser PowerPoint-Darbietung hervor. Sein Menschen- und Wissenschaftsbild wird auch in Artikeln wie diesem sehr deutlich:
(13) Zehn Entdeckungen zur Biologie des CFS
(14) Der Kreislauf der Frustrationen - Anmerkungen von Marica Harmon
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