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in
London am 20. April 2007
Ort
der Tagung: London, Portland Place 41, Sitz der Novartis Foundation
Bericht
und Bilder von Regina Clos
Die
Melvin Ramsay Society ist ein Zusammenschluss von Ärzten und Wissenschaftlern,
die sich der Erforschung und Behandlung des ME/CFS widmen. Sie geht zurück auf
ihren Namensgeber Melvin Ramsay, der1955 als Pathologe am Royal Free Hospital in
London tätig war, als es dort einen Ausbruch einer Krankheit gab, die einen
Großteil des Personals niederstreckte und zur monatelangen Schließung des
Krankenhauses führte. Melvin Ramsay widmete sich fortan der Erforschung und
Beschreibung dieser Erkrankung, die er in einem Artikel in "The Lancet"
aus dem Jahr 1956 als Myalgic Encephalomyelitis - kurz: ME - bezeichnete. Er
sollte auf die offensichtliche Beteiligung pathologischer Prozesse in den
Muskeln und im Gehirn der Patienten verweisen, die unter entsprechenden
Symptomen litten.
Dieser
Name für das Chronic Fatigue Syndrom ist noch heute in Großbritannien
verbreitet. Einige Patientenvertreter wehren sich jedoch gegen die Gleichsetzung
von ME und CFS, weil sie der Meinung sind, dass die Definition des CFS durch
Fukuda et al. zu viele Patienten mit unspezifischer Erschöpfung einschließt,
während ME eine schwere neurologische Erkrankung sei.Man geht jedoch mehr und
mehr dazu über, den kombinierten Begriff ME/CFS zu verwenden. (Ausführliche
Informationen zur Royal Free Disease, Melvin Ramsay und der Entwicklung in
Großbritannien finden Sie hier.)
Die
Melvin Ramsay Society dient dem Austausch von Ärzten und Wissenschaftlern und
tagt einmal jährlich in London. Ihr Vorsitzender Charles Shepherd ist
langjähriger medizinischer Berater der ME Association, einer bereits im Jahr
1976 noch unter Beteiligung von Melvin Ramsay gegründeten
Patientenorganisation. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu CFS/ME,
beispielsweise des jetzt in dritter, überarbeiteter Auflage erschienenen
Leitfadens zu Forschung, Diagnose und Behandlung des CFS/ME (hier
in deutscher Sprache als pdf-Datei zum Herunterladen).
Melvin
Ramsays Buch Myalgic Encephalomyelitis and Post Viral Fatigue States: the
saga of Royal Free Disease kann hier
bei der ME Association in einem
Nachdruck für 6 £ bestellt werden.
Das
diesjährige Programm der Tagung umfasste die folgenden Vorträge:
Abhjit
Chaudhuri: Cytokines and Fatigue
Abhjit
Chaudhuri sprach über die verschiedenen Arten von Zytokinen,
Zytokinrezeptoren, die molekularen Effekte von Zytokinen, von
Erschöpfung, die durch Zytokine hervorgerufen wird und die möglichen
Implikationen für ME/CFS sowie den therapeutischen Möglichkeiten und
über Behandlungsstudien. Zytokine
sind lösliche Proteine, die von einem breiten Spektrum an Zellen
produziert werden. Sie sind beteiligt an der Regulation des
Zellwachstums und der Entwicklung der Zelle. Sie spielen eine
entscheidende Rolle im Immunsystem und bei der systemischen,
inflammatorischen Reaktion. Sie
bilden ein funktionelles Zytokin-Netzwerk. Chaudhuri
sprach dann über eine einfache Einteilungsmöglichkeit der Zytokine in
drei Gruppen: 1.
pro-inflammatorische Zytokine, die vorwiegend von Makrophagen als
Reaktion auf eine Infektion produziert werden: IL-1, IL-6, TNF-alpha,
IL-8, MCP, MIP 2.
immunregulatorische Zytokine, die eine Rolle im Zellwachstum spielen,
der Aktivierung und Differenzierung von Immunzellen (Lymphozyten und
Monozyten): IL-2, IL-4, TGF 3.
zytoregulatorische Zytokine, die das Wachstum der unreifen Leukozyten
und ihrer Differenzierung regulieren: IL-3, IL-7, GM-CSF Chaudhuris
Ausführungen über die Zytokinrezeptoren bezog sich auf die Einteilung
der Zytokine in fünf Gruppen, die intrazellulären Effekte der Zytokine
(JAK-STAT-Signalweg)
und verschiedene komplexe Wirkungsmechanismen, z.B. die Rolle der STATs
als Transkriptionsfaktoren bei der Regulierung der Genexpression.
Pro-inflammatorische Zytokine (TNF-alpha) verändern die Membranfunktion
der Zielzellen, beeinflussen die hyphothalamischen Funktionen und
fördern den Muskelabbau. Der
Zusammenhang von Zytokinen und Erschöpfung sei bekannt, so Chaudhuri,
z.B. bei der Behandlung mit bestimmten Medikamenten (Interferonen),
bei akuten Infektionen, bei Impfungen, bei systemischen Entzündungen,
bei Krebs und auch im Rahmen experimenteller Modelle. Die Orte, an denen
die Zytokine vermutlich ihre Wirkung entfalten, sind die Basalganglien,
der Hypothalamus,
die Muskeln und das Lymphgewebe. Chaudhuri
bezog sich dann auf verschiedene Studien, z.B. von Bautmans I, et al,
2007 (Handgrip performance in relation to
self-perceived fatigue, physical functioning, and circulating IL-6 in
elderly persons without inflammation)
und Capuron
L, et al, 2007 (Basal Ganglia Hypermetabolism
and Symptoms of Fatigue during Interferon-alpha Therapy). Die
Beobachtungen seien widersprüchlich, jedoch erlebten viele Patienten zu
Beginn ihrer Erkrankung eine Phase des "Sickness Behaviour",
das für die Auswirkungen von Zytokinen typisch sei. [Als "Sickness
Behaviour" bezeichnet man das charakteristische
Krankheitsverhalten, das z.B. durch das Krankheitsgefühl bei
Infektionen hervorgerufen wird, R.C.] Er bezog sich auf weitere neuere
Veröffentlichungen von Janicki-Deverts
D, et al, 2006 (Infection-induced
proinflammatory cytokines are associated with decreases in positive
affect, but not increases in negative affect)
und Jarefors
S. et al, 2007 (Decreased up-regulation of the
interleukin-12Rbeta2-chain and interferon-gamma secretion and increased
number of forkhead box P3-expressing cells in patients with a history of
chronic Lyme borreliosis compared with asymptomatic Borrelia-exposed
individuals). Bekannt
seien post-infektiöse Fatigue-Syndrome z.B. nach Q-Fieber, nach
Rickettsiose [Fleckfiebererkrankung] und nach Lyme-Borreliose [durch
Zecken übertragen, R.C.]. Chaudhuri
schilderte dann die Krankengeschichte von Sophia Mirza, die im November
2005 an den Folgen des ME/CFS im Alter von 32 Jahren starb. Er war an deren
Obduktion beteiligt und konnte entzündliche Veränderungen in den
Basalganglien nachweisen, die mit dem Krankheitsverlauf im Zusammenhang
stehen. Zum
Schluss ging er auf die Frage ein, ob sich aus dem Zusammenhang von
Zytokinen und Erschöpfung eine therapeutische Option ergebe? Dazu
müsste geklärt werden, welche Patienten mit welchem Therapieansatz zu
behandeln seien. Interferon käme wohl nicht in Frage, da es die
Symptomatik mit großer Wahrscheinlichkeit verschlimmert.
TNF-alpha-Blocker oder Curcumin wären z.B. zu diskutieren. Zu letzterem
verwies er auf eine neue Veröffentlichung von Davis
JM et al, 2007 (Curcumin effects on
inflammation and performance recovery following eccentric
exercise-induced muscle damage). |
Derek
Pheby:
Vortrag
Teil 1: Epidemiological Research and the ME
Observatory
Vortrag
Teil 2: Report on
a study into the factors involved in the development of severe ME
Derek
Pheby ist
Epidemiologe, war Mitglied der Arbeitsgruppe des Chief Medical Officers,
die den CMO-Report erstellt hat und war Vorstandsmitglied der Action for
M.E. Innerhalb des Forschungsprojekts wird er an der University
of East Anglia angesiedelt sein. Über
das Projekt sagte er: "Die
Erstellung dieses ME/CFS-Observatoriums birgt für die Menschen mit ME
neue Hoffnung. Es wird entscheidende Lücken in unserem gegenwärtigen
Verständnis einer Erkrankung füllen, die schätzungsweise 240.000
Menschen in Großbritannien betrifft. Es wird darüber hinaus
Erkenntnisse liefern, die sicherstellen können, dass die
Versorgungsangebote, die jetzt für die Menschen mit ME aufgebaut
werden, auf den besten und wirksamsten Therapiemethoden beruhen." (Quelle)
Vortrag
1: Epidemiological Research and the ME
Observatory Derek
Pheby sprach über das National Disease Register for CFS/ME, das unter
seiner Leitung erstellt werden soll. Das umfangreiche Forschungsprojekt
wurde jetzt im April 2007 gestartet. Möglich
wurde das Projekt, weil die Patientenorganisation Action for ME 2006 vom
Big Lottery Fund eine halbe Million britische Pfund hierfür
zugesprochen bekam. Zum ersten Mal wird es damit möglich sein, ein
zusammenhängendes Forschungsprogramm über die Ursachen und die
Verbreitung des CFS/ME durchzuführen. Drei
renommierte Institutionen werden hierbei zusammenarbeiten: die Hull-York
Medical School (HYMS), die University of East Anglia und die London
School of Hygiene and Tropical Medicine.
Dr.
Luis Nacul von der London School of Hygiene and Tropical
Medicine kommentierte das Projekt so:
"Das
wird uns die einzigartige Chance bieten, unser Verständnis der
Epidemiologie und der sozialen Auswirkungen auf das Leben der
Menschen mit CFS/ME zu vertiefen. Die Ergebnisse des
Forschungsprojekts werden die Wissensgrundlage für Maßnahmen
im öffentlichen Gesundheitswesen bilden, die nicht nur auf dem
speziellen Wissen und den Ansichten der Menschen mit CFS/ME
beruht, sondern auch auf wissenschaftlichen Belegen, die
sich speziell auf Großbritannien beziehen." (Quelle) |
Dr. Luis Nacul |
Entsprechende
Pressemeldung der University of East Anglia hier
und der Hull York Medical School (HYMS) hier.
Vortrag
Teil 2: Report on
a study into the factors involved in the development of severe ME
von
Derek Pheby und Lisa Saffron
Bei dieser Studie ging
es um die Ermittlung von Risikofaktoren, eine schwere Verlaufsform des
ME/CFS zu entwickeln. Es handelt sich hier um eine Beobachtungsstudie,
bei der mit Hilfe von Fragebögen Faktoren wie Persönlichkeit,
Behandlung zu Beginn der Erkrankung und Umweltfaktoren ermittelt werden
sollten. Es gab
bereits eine Pilotstudie,
in der ermittelt wurde, dass bei den untersuchten schweren Fällen
Komorbiditäten (d.h. zusätzliche, andere Erkrankungen), eine
schädliche Behandlung zu Beginn der Erkrankung und eine berufliche
Exposition gegenüber Chemikalien vorlag. Diese Ergebnisse waren aber
statistisch noch nicht signifikant, so dass eine Validierung der
Ergebnisse durch eine größere Studie notwendig war. |
Richard
Sykes:
Conceptual Issues in the Classification of ME/CFS
|
Richard
Sykes ist Koordinator des interdisziplinären und internationalen
CISSD-Projekts (Conceptual Issues in Somatoform and Similar Disorders).
Hier handelt es sich um eine interdisziplinäre Gruppe von
Wissenschaftlern unter dem Vorsitz von Prof. Kurt Kroenke, Indianapolis.
Bislang wurden drei Workshops abgehalten, eines in den USA und zwei in
Großbritannien. Hervorgegangen sind daraus der Leit- und 6 weitere
Artikel in der Ausgabe des Journal of Psychosomatic Research vom April
2006. |
Sykes
selbst hat einen Aufsatz mit dem Titel "Somatoform Disorders:
Mental or Physical Disorders?" geschrieben, der 2006 erschienen ist
(Journal of Psychosomatic Research, Vol 60 341-344). Richard
Sykes sprach über verschiedene konzeptionelle Fragen:
-
Ist
die "psychogene Schlussfolgerung" gerechtfertigt?
-
Wie
soll man medizinisch ungeklärte Syndrome ("MUPS-disorders -
medically unexplained physical symptoms") einordnen? [MUPS-Disorders
werden im deutschen Sprachraum auch als funktionelle Beschwerden
bezeichnet, die durch rein psychologische Effekte hervorgerufen
würden, R.C.]
-
Ist
CFS eine somatoforme Störung
-
Wie
kann man psychische von physischen Störungen unterscheiden?
-
Sollten
wir vielleicht lieber von einer "Störung des Gehirns"
sprechen als von einer psychischen Störung?
Zusammenfassend
stellte er die zentralen Punkte heraus:
-
CFS
ist durch die WHO noch nicht klassifiziert worden.
-
Die
Klassifikation des CFS ist eine äußerst wichtige und entscheidende
Frage.
-
Die
"psychogene Schlussfolgerung" entbehrt der Rechtfertigung.
-
Medizinisch
ungeklärte somatische Symptome (MUPS-disorders) sollten als
physische Störungen klassifiziert werden. Wenn eine psychische
Störung vorhanden ist, dann sollte eine zusätzliche Diagnose
gegeben werden.
Mein
Kommentar:
Richard
Sykes erscheint mir mit der Meinung, die er vertritt, in der Gruppe
dieser Wissenschaftler im CISSD eher ein Außenseiter zu sein. Soweit
mir die Aussagen der anderen Wissenschaftler in dieser Gruppe bekannt
sind, ist er der einsame Rufer in der Wüste, der weitgehend das
Gegenteil dessen vertritt, was hier proklamiert wird. Denn hier finden
sich z.B. Psychiater/Psychosomatiker wieder wie Wolfgang Herzog
(Heidelberg), Peter Henningsen (München) , Stephan Zipfel (Tübingen),
Rainer Schäfer (Heidelberg), Winfried Rief (Marburg), Michael Sharpe,
Simon Wessely, Trudy Chalder, Peter White etc. (letztere alle
Großbritannien).
So
wird etwa in einem Trainingsvideo
für Ärzte im Umgang mit ME/CFS-Patienten von Andre Tylee und Trudy
Chalder der Zusammenhang von ME/CFS mit viralen/bakteriellen Infektionen
bestritten. Diese träten allenfalls am Anfang auf, aber das CFS
(worunter sie auch Fälle unspezifischer Erschöpfung fassen, die nicht
den Fukuda-Kriterien entsprechen) würde dann lediglich durch
psychologische Faktoren aufrechterhalten wie Angst, Vermeidungsverhalten
gegenüber Aktivität und daraus folgender Dekonditionierung. Weitere
Tests seien deshalb überflüssig bzw. kontraindiziert, weil sie den
Patienten nur in seiner irrigen Meinung bestätigen würden, dass er
eine organische Erkrankung habe und ihn von der "richtigen"
Therapie ablenken würde. Die "richtige" Therapie würde in
einer körperlichen Aktivierung (Graded Exercise Therapy - GET)
bestehen, die absolut sicher sei und keine Risiken oder Nebenwirkungen
berge, sowie in kognitiver Verhaltenstherapie (CBT).
Beide
Verfahren werden von CFS-Patienten, die im Rahmen einer großangelegten
Umfrage der Action for ME über die
Ergebnisse verschiedener Behandlungsansätze befragt wurden,
überwiegend als nicht hilfreich bezeichnet, bzw. als Verfahren, die
ihren Zustand sogar verschlechtert hätten. (Diese Umfrage findet sich
im CMO-Report.)
Methode |
Anzahl der Antworten |
Hilfreich |
keine Veränderung |
Verschlechterung |
Kognitive Verhaltenstherapie |
285 |
7% |
67% |
26% |
Graded Exercise Therapie |
1214 |
34% |
15% |
50% |
Pacing |
2180 |
89% |
9% |
1% |
Ruhe, einschl. Bettruhe |
2162 |
91% |
8% |
1% |
Die
Hauptthese, die von den deutschen Autoren dieser Schule zuletzt z.B. in einem
Übersichts-Artikel in The Lancet (Management of functional somatic
syndromes, The Lancet, 6. Feb. 2007) vertreten wird ist, dass CFS
eine der wichtigen somatoformen Störungen sei. Dieser Artikel enthält
aus meiner Sicht eine Menge widersprüchlicher und zudem unbewiesener
Thesen. Die medizinische Literatur zu CFS und anderen verwandten
Erkrankungen wird darin komplett ignoriert. Als Empfehlung werden
generell körperliche Aktivierung und Psychotherapie empfohlen, anstelle
einer Medikation, die auf die Wiederherstellung peripherer
physiologischer (Dys-)funktionen abziele:
"Non-pharmacological
treatments involving active participation of patients, such as exercise
and psychotherapy, seem to be more effective than those that involve
passive physical measures, including injections and operations.
Pharmacological agents with CNS action seem to be more consistently
effective than drugs aiming at restoration of peripheral physiological
dysfunction. A balance between biomedical, organ-oriented, and cognitive
interpersonal approaches is most appropriate at this truly psychosomatic
interface. In view of the iatrogenic component in the maintenance of FSS,
doctor-centred interventions and close observation of the doctor–patient
relationship are of particular importance." (a.a.O,
Abstract)
Regina
Clos |
|
Gerrie
de Vries & Leslie J. Findley:
The Effects of the Lightning Process
in the Management of Chronic Fatigue Syndrome - a start.
Gerrie
de Vries und Leslie J. Findley diskutierten anhand einer Falldarstellung
den zur Zeit in Großbritannien viel diskutierten Ansatz des "Lightning
Process". Sie
beschrieben eine schwer kranke CFS-Patientin, die bereits viereinhalb
Jahre ans Bett gefesselt war und trotz 10-monatiger Behandlung in
Findleys Klinik kaum einen Fortschritt gemacht hatte. Nach Einsatz des
Lightning Processes war sie in der Lage, 2 Stunden zu sitzen, fing
wieder an zu laufen (im Meterbereich) und fühlte sich dadurch nicht
schlechter. 7 Wochen nach Abschluss ginge es ihr "gut" und sie
mache weitere Fortschritte. de
Vries betonte, der Lightning Process sei keine Therapie sondern ein
Trainingsprogramm, mit dem alte Denkmuster aufgebrochen und verändert
werden sollten, die wiederum die Gesundheit und das seelische
Wohlbefinden beeinflussten. Der Erfolg hinge von der kontinuierlichen
Anwendung der Prinzipien ab. Auch seien nicht alle Menschen für dieses
Trainingsprogramm geeignet. Findley
betonte, dass es sich bei dieser Erfolgsgeschichte lediglich um eine
Beobachtung handele, die noch auf wissenschaftliche Grundlage gestellt
werden müsse. Man wisse bislang lediglich, dass auf irgendeine Weise
das Nervensystem beeinflusst würde, aber nicht wie. Was
man nicht wisse, sei, bei welchen Patienten dieses Programm angebracht
sei, wie lange der Erfolg andaure, welcher Prozentsatz an CFS-Patienten
darauf anspreche und wer weitere Sitzungen benötigen würden. Man wisse
auch nicht, ob der Lightning Process einen Rückfall auslösen könne,
direkt oder indirekt. Deshalb benötige man Kontrollstudien, die den
Erfolg mit der von kognitiver Verhaltenstherapie vergleichen.
|
Charles
Shepherd: Update on NICE Guidelines on ME/CFS
Charles
Shepherd gab einen kurzen Überblick über den gegenwärtigen Stand der
Entwicklung der NICE-Guidelines, die vom National Institute of Clinical
Excellence (NICE) Ende 2006 in einer Entwurfsfassung herausgegeben und
den sogenannten "Stakeholders" (Interessenvertretern) zur
Kommentierung vorgelegt wurden. Zum
Hintergrund: nach der Veröffentlichung des CMO-Reports im Jahr 2002
beauftragte die britische Regierung das National Institute of Clinical
Excellence, Richtlinien zur Untersuchung, Diagnose und Behandlung von
Patienten mit ME/CFS zu entwickeln, die dann fortan für die innerhalb
des Nationalen Gesundheitsdienstes in Großbritannien arbeitenden
Ärzte, dem National Health Service NHS, mehr oder weniger verbindlich
sein sollten. Das ursprüngliche Datum zur endgültigen Herausgabe war
April 2007, das aber nun aufgrund der Masse und der Heftigkeit des
Widerspruchs der Patientenvertreter nicht eingehalten werden kann und
auf August oder gar November 2007 verschoben wurde. Trotz
der gelegentlichen Meinungsunterschiede zwischen den zahlreichen
Patientenorganisationen in Großbritannien war die Ablehnung dieses
Entwurfs einhellig und durchgängig. 8 Organisationen unterzeichneten
ein Memorandum, das am 19. Dezember 2006 veröffentlicht wurde und
dessen wesentliche Punkte sind:
-
Die
Definition des CFS/ME, wie sie hier verwendet wird, ist so
verwässert, dass sie beinahe alle Fälle von ungeklärter
Erschöpfung miteinschließt. Somit sind die getroffenen Aussagen im
Hinblick auf Menschen mit CFS/ME nach den Fukuda-Kriterien oder den
kanadischen Kriterien etwa schlicht nicht anwendbar.
-
Die
Richtlinien berücksichtigen nicht, dass CFS/ME eine heterogene
Erkrankung ist, für die keine einheitlichen Behandlungsrichtlinien
gegeben werden können.
-
Als
einzige Form der "Behandlung" wird Graded Exercise
Therapie (GET) und kognitive Verhaltenstherapie (CBT) empfohlen. Die
wissenschaftlichen Belege und vielfachen Erfahrungen der
Betroffenen, dass ansteigende körperliche Belastung (GET) gerade in
den frühen Phasen er Erkrankung zu Rückfällen und einer
Verschlimmerung der Symptomatik führen können und vollkommen
unangebracht sind, werden ignoriert.
Das
Dokument beschäftige sich nicht mit den Schwererkrankten und ignoriere
vollkommen die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten. Es würde
behauptet, es gäbe keine Belege für die Wirksamkeit von
pharmakologischen oder komplementären Behandlungsansätzen, und das
entspräche nicht den Tatsachen. Charles
Shepherd beendete seinen Vortrag mit der Aufzählung der zahlreichen
weiteren geplanten Aktionen und Petitionen - u.a. an das House of
Commons (britisches Unterhaus). Sogar juristische Schritte zur
Verhinderung der Veröffentlichung dieses Dokuments sind im Gespräch. Im
Anschluss an Charles Shepherds Vortrag entspann sich eine lebhafte und
kontroverse Diskussion, in der einerseits gesagt wurde, es sei
vollkommen unmöglich, dass der einzige Neurologe, der an dem Entwurf
beteiligt sei, nicht daran glauben würde, dass ME/CFS überhaupt
existiere. Prof. Findley stellte heraus, dass dieses
Dokument nicht ME/CFS, sondern einfach allgemeine Erschöpfung zum
Gegenstand habe, während auf der anderen Seite Peter White, ein
Psychiater und Vertreter der Wessely-Schule, behauptete, das Dokument
erfülle die Kriterien evidenzbasierter Medizin. Eine
mit den NICE-Entwicklungsverfahren vertraute Teilnehmerin sagte, es würden jedoch trotz der Masse der Einsprüche
wahrscheinlich keine wesentlichen Veränderungen mehr vorgenommen,
sondern nur noch Korrekturen in der Formulierung. Sie sagte, noch nie in
der Geschichte des National Institutes of Clinical Excellence habe ein
Dokument ein solches Ausmaß an Widerspruch und Ablehnung erfahren. Den
vollständigen Entwurf des NICE-Dokuments können Sie hier
herunterladen. Die
gemeinsame Stellungnahme der 8
CFS/ME-Organisationen* gegen den Entwurf der NICE Richtlinien finden
Sie hier.
Er ist ebenfalls in der Ausgabe Nr. 102 des Magazins der ME Association
"ME Essential" vom April 2007 erschienen. Darüber
hinaus gibt es eine Reihe weiterer, ausführlicherer Stellungnahmen
verschiedener Patienten- und Forschungsorganisationen, z.B.:
-
Die
ME Association hat ein Memorandum an das Health Select Committee
verfasst, das Sie hier
einsehen können.
-
Die
Stellungnahme von Invest-in-ME findet sich hier.
Außerdem hat die Gruppe ein über 100-seitiges Dokument zur Kritik
an diesen Richtlinien herausgegeben, das Sie hier
als pdf-Datei herunterladen können.
-
Die
Stellungnahme von Dr Neil C. Abbot, dem Geschäftsführer der Gruppe
ME Research UK, finden Sie hier.
*
Die acht
Unterzeichnerorganisationen sind:
-
Action
for ME
-
The
ME Association
-
The
Young ME Sufferers Trust
-
The
25% Group representing the severely affected
-
Case
History for Research into ME (CHROME)
-
Blue
Ribbon Awareness for ME (BRAME)
-
The
National ME Centre
-
The
Association of Young People with ME (AYME)
|
John
Gow:
An
Overview on Chronic Fatigue Syndrome from a Molecular Virologist's
Perspective
John Gow
gab einen Abriss der Geschichte der Myalgischen Enzephalomyelitis:
1934
wurde sie zum ersten Mal in der medizinischen Literatur dokumentiert,
dann mehrmals in den 1950er und 60er Jahren. Bereits 1969 hat die
Weltgesundheitsorganisation WHO in den International Classification of
Diseases (ICD) ME als neurologische Krankheit klassifiziert. Die erste
Falldefinition stammt von Melvin Ramsay aus dem Jahr 1981. Danach
folgten die Holmes-Kriterien (1988 durch die CDC), die sehr umstrittenen
Oxford Kriterien (1991 in Großbritannien) und die überarbeitete
Version der Holmes-Kriterien, die bis heute in der Forschung
dominierenden Fukuda-Kriterien. Die Centers for Disease Control
beschreiben ME/CFS als eine schwerwiegende Diagnose mit der Prioritätsstufe
1 im Sinne der Bedeutung für die Volksgesundheit.
Auch in
Großbritannien hat der oberste Gesundheitsbeauftragte der Regierung
Professor Sir Liam Donaldson im Januar 2002 nach der Veröffentlichung
des CMO-Reports festgestellt, dass „CFS/ME eine entkräftende und
erschreckende Erkrankung ist, von der viele Menschen betroffen
sind" und dass "CFS/ME Seite an Seite mit anderen Erkrankungen
wie Multipler Sklerose und Motoneuronerkrankung eingeordnet werden
sollte.“
In der
Geschichte der Erforschung des CFS/ME hat man verschiedene Erreger als
Verursacher in Betracht gezogen, u.a. Retroviren, Enteroviren,
Herpesviren, das Parvovirus, das Bornavirus, Grippeviren oder Borrelien,
Chlamydien, Mycoplasmen etc. Jedoch
waren die Studien, die hierzu erschienen, widersprüchlich und nicht
schlüssig, so dass man mit der Zeit davon abkam, ein bestimmtes Virus
als alleinigen Verursacher des CFS/ME anzusehen bzw. danach zu forschen.
Man kam zu dem Schluss, dass CFS/ME eine neurologische Erkrankung ist,
die zwar mit viralen Infektionen in Verbindung gebracht werden kann,
dass hier aber zahlreiche Viren in Frage kommen, denn man hat kein Virus
gefunden, das in der Mehrzahl der Fälle nachzuweisen gewesen wäre. Deshalb
hat man sich die Frage gestellt, ob die Befunde über das Vorhandensein
von Viren eher auf das Vorliegen einer Immundysfunktion hinweisen, die
dazu führt, das der Körper die Viren (verschiedenster Art) nicht
ausreichend bekämpfen kann. Ein
wichtiger Forschungsansatz war der von Suhadolnik et al. sowie De
Meirleir, die anormale Proteine in den antiviralen Pfaden entdeckten
(Stichwort: 2’-5’ A synthetase/RNaseL und PKR-Pfad). Andere
Forschungsarbeiten konnten diese Ergebnisse jedoch nicht bestätigen, so
dass die Hoffnung, hier einen biologischen Marker zu finden, sich nicht
erfüllte.
Verschiedene
Forschergruppen versuchten, biologische Marker über bildgebende
Verfahren des Gehirns (SPECT, MRT etc.) zu finden, aber auch diese
Arbeiten ergaben keine eindeutigen Ergebnisse.
Die
wichtigsten Schlussfolgerungen:
Einig ist
man sich heute darüber, dass eine immunologische Dysfunktion vorliegt.
Weiterhin wurden charakteristische Genexpressionsprofile und andere
neuartige Biomarker identifiziert. Die abnorme Genexpression betrifft
drei Bereiche - die immunologische Reaktion, oxidativen Stress und die
Apoptose - so dass man heute davon ausgeht, dass diese auch das Ziel für
therapeutische Interventionen sein könnten. |
Weitere
Bilder von der Tagung:
v.l.n.r.:
Charles Shepherd, John Gow, Leslie J. Findley.
John
Gow erhielt die diesjährige Melvin Ramsay Medal für seine Verdienste zur
Erforschung der Genexpressionsprofile bei Menschen mit CFS/ME. Zur Arbeit von
John Gow siehe auch Artikel des Monats Februar 06 Teil
II.
v.l.n.r.:
Ruud Vermeulen, William Weir, Leslie J. Findley, Richard Sykes
Leslie
J. Findley (vorne links) im Gespräch mit Charles Shepherd (Mitte) und John Gow
(vorne rechts)
Auditorium
Teilnehmer
in der Kaffeepause - rechts vorne Peter White
v.l.n.r.:
Ruud Vermeulen, Charles Shepherd, John Gow
Im
Hintergrund links: Richard Pearson (Allgemeinmediziner, Barts), rechts: William
Weir (Facharzt für Infektionskrankheiten, Harley Street)
v.l.n.r.:
Peter White, Gerrie de Vries, Luis Nucal (London School of Hygiene and Tropical
Health), Derek Pheby
Fotos
und Texte © Regina Clos |