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    Artikel des Monats Oktober 2012 Teil 1

    Lipkin-Studie: kein Zusammenhang zwischen XMRV/pMLV und ME/CFS

     

    Sie lesen auf dieser Seite:

    Eine verschlüsselte Multicenter-Analyse ergibt keinen Zusammenhang zwischen Chronic Fatigue Syndrome/Myalgische Enzephalomyelitis und Xenotropic Murine Leukemia Virus-Related Virus oder Polytropic Murine Leukemia Virus

    A Multicenter Blinded Analysis Indicates No Association between Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalomyelitis and either Xenotropic Murine Leukemia Virus-Related Virus or Polytropic Murine Leukemia Virus

    Harvey J. Alter, Judy A. Mikovits, William M. Switzer, Francis W. Ruscetti, Shyh-Ching Lo, Nancy Klimas, Anthony L. Komaroff, Jose G. Montoya, Lucinda Bateman, Susan Levine, Daniel Peterson, Bruce Levin, Maureen R. Hanson, Afia Genfi, Meera Bhat, HaoQiang Zheng, Richard Wang, Bingjie Li, Guo-Chiuan Hung, Li Ling Lee, Stephen Sameroff, Walid Heneine, John Coffin, Mady Hornig, and W. Ian Lipkin

    Volltext: http://mbio.asm.org/content/3/5/e00266-12.full

    Zusammenfassung:

    Die lähmende Erkrankung, die unter dem Namen Chronic Fatigue Syndrome bzw. Myalgische Enzephalomyelitis (CFS/ME) bekannt ist, wurde in zwei unabhängigen Studien mit einer Infektion mit dem Retrovirus XMRV (xenotropic murine leukemia virus-related virus) und pMLV (polytropic murine leukemia virus) in Verbindung gebracht. Obwohl diese Zusammenhänge in darauf folgenden Studien anderer Forscher nicht bestätigt wurden, stellen die Patienten weiterhin den Konsens der Gemeinde der Wissenschaftler im Hinblick auf die Zurückweisung der Stichhaltigkeit dieses Zusammenhangs infrage. Wir berichten hier von einer verschlüsselten Analyse des peripheren Blutes einer streng charakterisierten, aus verschiedenen geographischen Regionen stammenden Population von 147 Patienten mit CFS/ME und 146 gesunden Personen durch die Forscher, die ursprünglich den Zusammenhang beschrieben hatten. Diese Analyse hat keinen Beleg für eine Infektion – weder mit XMRV noch mit pMLV – aufgedeckt.

    Auszüge aus der Diskussion der Ergebnisse:

    Unsere Ergebnisse lassen definitive darauf schließen, dass es keinen Zusammenhang zwischen CFS/ME und einer Infektion mit XMRV oder pMLV gibt. Wir haben in der Tat keinerlei Beweise für eine Humaninfektion mit XMRV oder pMLV im peripheren Blut unserer Stichprobe von 293 Personen gefunden. (…)

    Es ist deshalb extrem unwahrscheinlich, dass die Erfolglosigkeit, in dieser Studie irgendwelche PCR-positiven Proben zu finden, auf falsch-negative Ergebnisse zurückzuführen ist. Die Ergebnisse der Serologietests (Antikörpertests) sind schwieriger zu erklären angesichts der Tatsache, dass die Testassays nicht am Plasma von Menschen geeicht werden konnten, die eine bestätigte XMRV- oder MLV-Infektion haben. Wir postulieren, dass die positiven Ergebnisse entweder eine unspezifische oder eine kreuzreaktive Bindung darstellen und stellen fest, dass ungeachtet einer Erklärung für ein solches positives Signal dieses nicht dem Status des jeweiligen Falles entspricht.  (…)

    Empfindliche molekulare Methoden zur mikrobiellen Entdeckung und Überwachung haben einzigartige Einsichten in die Biologie und die Medizin ermöglicht. Jedoch hat die erhöhte Empfindlichkeit für im guten Glauben erhaltene Anzeichen [von DNA-Spuren eines Erregers, d.Ü.] das Risiko erhöht, dass möglicherweise auch geringfügige Kontaminationen amplifiziert (vermehrt) werden. (…)

    Im Falle des CFS/ME scheint eine Kontamination mit Mäuse-DNA bei den Funden von XMRV und MLV eine Rolle zu spielen. Tatsächlich hat man in kommerziellen Reagentien für die reverse Transkriptions-PCR (RT-PCR) Mäuse-DNA und Sequenzen von Mäuseleukämieviren gefunden. Es ist deshalb zwingend notwendig, standardisierte Strategien einzuführen, um die Gültigkeit molekularer Entdeckungen streng zu überprüfen. Wir werden uns weiterhin in der Erforschung der Pathogenese des CFS/ME engagieren, um sicherzustellen, dass die Konzentration auf dieses komplexe Syndrome aufrechterhalten wird. Zu den bereits laufenden Studien gehören auch die Suche nach bekannten und neuen Erregern und Biomarkern mit Hilfe von Sequenzierungsverfahren der neuen Generation (deep sequencing) und der Proteomik [der Erforschung der Gesamtheit der Proteine in einer Zelle oder einem Organismus, d.Ü.].

     

    Aus der  Presseerklärung:

    Eine Aussage von Dr. Mikovits, der Autorin des Artikels in Science von 2009, in dem zuerst ein Zusammenhang zwischen XMRV und CFS gefunden wurde:

    "Ich begrüße es sehr, die Gelegenheit gehabt zu haben, an dieser einmaligen Studie in vollem Umfang teilzunehmen. Diese Studie ist einmalig aufgrund des Niveaus der Zusammenarbeit, der Integrität der Forscher und der Bereitschaft der National Institutes of Health der CFS-Gemeinde beträchtliche finanzielle Mittel für diese wichtige Studie bereitzustellen. Obwohl ich enttäuscht bin, dass wir keinen Zusammenhang zwischen XMRV/pMLV und CFS gefunden haben, ist der Silberstreif am Horizont, dass unsere 2009 veröffentlichte Studie in Science dazu geführt hat, dass man sich auf der ganzen Welt dieser lähmenden Krankheit bewusst wurde ein neues Interesse an der CFS-Forschung geweckt wurde. Ich bin entschlossen, weiterhin mit den führenden Forschern auf dem Gebiet der Entdeckung von Erregern zusammenzuarbeiten in dem Bemühen, das ätiologische Agens des CFS zu finden."

    "Obwohl die einst vielversprechenden XMRV- und pMLV-Hypothesen ausgeschieden wurden, haben die ursprünglichen Berichte, die diese Viren mit Krankheiten in Verbindung brachten, zur Folge gehabt, dass neue Mittel und Forscher gewonnen werden konnten, um sich der Herausforderung des CFS/ME zu stellen," sagte W. Ian Lipkin, MD, Leiter der Multicenter-Studie und John Snow Professor für Epidemiologie an der Mailman School of Public Health der Columbia University. "Wir sind zuversichtlich, dass diese Investitionen Erkenntnisse über die Ursachen, die Prävention und die Behandlung des CFS/ME ergeben werden."

    Pressekonferenz und Interviews

    Eine entsprechende Pressekonferenz vom 18. September 2012 wurde online übertragen. Sie kann weiterhin abgerufen werden unter diesen beiden Webadressen:

    http://cii.columbia.edu/blog.htm?cid=tM5E7V

    http://www.youtube.com/playlist?list=PLm8X_9pQvTbVCBWor35cXIOJpsjGfCnKm

    Hier auf der Website des Schweizer Vereins ME/CFS finden Sie die Übersetzung wichtiger Zitate von der Pressekonferenz und dem „This Week in Virology“-Podcast mit Prof. Vincent Racaniello und Dr. Lipkin.

    In der Zeitschrift Nature findet sich ein Interview mit Ian Lipkin: "The scientist who put the nail in XMRV's coffin".

     

    Presseberichte:

    Zu der Berichterstattung über die Lipkin-Studie und generell über ME/CFS hat Sonia Poulton einen Artikel geschrieben - hier auf deutsch.

     

    Kritische Stimmen

    Trotz dieser überwältigenden Aussagen in der Studie und den Interviews mit den an ihr beteiligten Forschern gibt es kritische Stimmen, die die Aussagekraft der Lipkin-Studie infrage stellen.

    Insbesondere sind bei der Kritik an der Lipkin-Studie im Focus die Auswahl der Probanden, von denen angenommen wird, es seien leicht erkrankte Fälle von Chronischer Erschöpfung, aber keine klassischen ME/CFS-Patienten, wie sie etwa der Kanadischen oder der Internationalen Konsensdefinition entsprechen. Eine Gruppe dieser Kritiker schreibt unter dem Titel "Lipkin study review: The collapsing criteria and the positive PCR/serology results":

    "Die Kanadischen Kriterien erfordern, dass die Erschöpfung die Aktivität eines Menschen um etwa 50% herabsetzen. Bei die 'Lipkin'-Studie jedoch wurden Menschen in die Studienkohorte aufgenommen, die lediglich eine 30%ige Reduzierung ihrer funktionellen Fähigkeiten hatten - gemessen mit dem Fragebogen der Karnofsky-Skala. Von daher sind die in der 'Lipkin'-Studie verwendeten Kriterien nicht die Kanadischen Kriterien."

    Außerdem seien die Testverfahren nicht in der Lage gewesen, diese humanen Gammaretroviren zu finden. Ein Problem sei hier

    "...der Einsatz von EDTA-Röhrchen zur Blutentnahme, von denen man weiß, dass sie den Test von Dr. Mikovits um bis zu 90% hemmen."

    Zudem wird hier diskutiert, ob es nicht andere Retroviren sein könnten, nach denen in dieser Studie nicht gesucht wurde.

    Außerdem, so sagen sie, das Team Mikovits/Ruscetti habe ja durchaus positive Proben entdeckt, und zwar mit den Antikörpertests (Serologietests).

    "Es sollte jetzt den meisten offensichtlich geworden sein, dass Dr. Mikovits und Dr. Ruscetti in dieser zweifelhaften Studienkohorte eine gleiche Anzahl von Serologie-positiven Proben entdeckt haben. 9 der 147 Patienten und 9 der 146 Kontrollpersonen, also etwa 6%. Das ist eine Zahl, die man erwarten kann, wenn wenige oder überhaupt keine ME-Patienten in der Studienkohorte enthalten waren und wenn die Menschen in der Allgemeinbevölkerung ebenfalls mit MRVs infiziert sein können. Zudem sind diese Viren dafür bekannt, dass sie die Fähigkeit des Immunsystems ausschalten, eine Immunantwort aufzubauen, und von daher würde man auch bei den Infizierten nur wenige Serologie-positive Proben finden."

    Es seien weder die positiven Serologietests noch die positiven PCR-Tests erwähnt worden, weder in der Pressemitteilung noch in der Presseerklärung.

    "Was in den Pressemitteilungen und in der Pressekonferenz nicht berichtet wurde, war, dass Dr. Mikovits, Dr. Ruscetti und Dr. Hanson die Retroviren auch mit der PCR entdeckt haben.

    'Alle gag-positiven cDNA-Proben waren negativ auf Mäuse-IAP-Sequenzen.' (Multilab-Studie, Alter et al. 2012)

    Das bedeutet, dass sie in der Lage waren, zu zeigen, dass es Personen gab, die mit MRVs infiziert waren, und zwar mit zwei unterschiedlichen Testmethoden.

    Es ist bekannt, dass MLVs eine so niedrigschwellige Infektion produzieren, dass eine Blutprobe nicht immer das Virus enthält. Deshalb ist es sehr beunruhigend, dass die Koordinatoren der Studie sich entschieden, ein Ergebnis von Dr. Mikovits, Dr. Ruscetti und Dr. Hanson nur dann als positiv zu akzeptieren, wenn alle Teilproben einer einzelnen Person positiv waren."

    Die abschließende Forderung der Autoren ist deshalb die Fortsetzung der Forschung mit tatsächlichen ME-Patienten und geeigneten Testverfahren, die in der Lage sind, MLVs zu bestimmen:

    "Um exakt zu bestimmen, wer positiv und wer negativ auf MRVs ist, müssen jetzt Studien mit ME-Patienten [nicht mit Fatige-Patienten, d.Ü.] und unter Einsatz von Sequenzierung der nächsten Generation (NGS) durchgeführt werden, einem Verfahren, das die MLVs auch unterhalb des Schwellenwerts der Entdeckung der PCR aufspüren kann. Das nicht zu tun wäre eine mutwillige Weigerung, der wissenschaftlichen Methode der Erforschung nachzugehen. Man sagt uns, wir sollen der Wissenschaft vertrauen und nicht den Wissenschaftlern. Das ist in der Tat ein guter Rat, da es unmöglich ist, Wissenschaftlern (oder Ärzten) zu trauen, die nicht den wissenschaftlichen Methoden nachgehen."

    Sie finden den Gesamttext dieser kritischen Analyse der Lipkin-Studie hier: http://me-advocacy.com/Lipkin_study_review.html

    Einen weiteren Text dieser Gruppe mit dem Titel "The Magical Retroviruses: Now you see them, now you don’t", der eine kurze und gut verständliche Beschreibung von MLVs enthält, finden Sie im Oktober-12-2-Artikel in deutscher Fassung.

    Eine weitere kritische Stimme findet sich in einem Blog von Jamie Deckoff Jones  "Now you see it, now you don't" , den Sie im Oktober-12-2-Artikel auf deutsch finden.

    Und lesen Sie auch Michael Snydermans Kommentar zu dieser Studie, ebenfalls im Artikel des Monats Oktober 12-2.

    Auch wenn die Original-Science-Studie und auch die Prostatakrebs-Studie zurückgezogen wurden, bleibt das Faktum bestehen, dass XMRV/MLV ein Retrovirus ist, das Mäuse und zwei Arten von Primaten befallen kann. Und diese Gammaretroviren haben interessante biologische Eigenschaften, die beispielsweise für die Krebsforschung von Bedeutung sind.

     

    Für Fachleute hier noch zwei interessante Studien:

    >    NF-kappaB activation stimulates transcription and replication of retrovirus XMRV in human B-lineage and prostate carcinoma cells. Sakakibara S, et al., J Virol. 2011 Apr;85(7):3179-86. Epub 2011 Jan 26. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/21270144/

     >        A human B-lymphoblastoid cell line constitutively producing Epstein-Barr herpesvirus and JHK retrovirus. Grossberg SE, Kushnaryov VM, Cashdollar LW, Raisch KP, Miller G, Sun HY.  Res Virol. 1997 May-Jun;148(3):191-206. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9201810