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    Artikel des Monats Februar 2013 Teil 2

    Henningsens Pressemitteilung zur PACE-Studie und ihre Folgen

    Sie lesen auf dieser Seite:

    Die Pressemitteilung von Peter Henningsen zur PACE-Studie - eine Analyse

    Kürzlich erschien eine "neue" Auswertung der PACE-Studie (1) über die vorgeblichen "Genesungs"-Raten von "CFS"-Patienten durch die Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) und ansteigendem körperlichen Training (GET). Eine entsprechende Pressemitteilung wurde am 31. Januar 2013 in Großbritannien veröffentlicht - mit dem vielversprechenden Titel "Rehabilitation therapies can lead to recovery from chronic fatigue syndrome" ("Rehabilitationstherapien können zu einer Heilung des Chronic Fatigue Syndromes führen"). Die wichtigsten Passagen dieser britischen Presseerklärung finden Sie unten auf deutsch.

    Nun hat Prof. Peter Henningsen, Professor an der TU München, der mit den Autoren der PACE-Studie zusammenarbeitet und den gleichen "biopsychosozialen" Ansatz verfolgt, auch in Deutschland eine entsprechende Presseerklärung herausgegeben: "Chronisch erschöpft - wenn auch Ruhe keine Erholung bringt" (2).

     

    Von welcher Störung ist die Rede?

    Schon der Titel verdeutlicht, dass Henningsen sich nicht festlegt, wovon er überhaupt spricht: von chronisch Erschöpften? Vom Chronischen Erschöpfungssyndrom? Oder gar von ME/CFS - Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome?

    Gleich zu Beginn seiner Presseerklärung gibt er in etwa die Krankheitsdefinition für das Chronic Fatigue Syndrom von 1994 wider, die sogenannten Fukuda-Kriterien. Deshalb könnte man annehmen, auch der Rest seines Artikels beziehe sich auf dieses so definierte "CFS". In der Presseerklärung lesen wir:

    "Professor Henningsen schätzt, dass höchstens 0,5 Prozent der Allgemeinbevölkerung an einem chronischen Erschöpfungssyndrom leiden."

    Da große Prävalenzstudien auf der Basis dieser Fukuda-Kriterien in den USA eine Prävalenz zwischen 24 und 0,42 Prozent der Bevölkerung ergeben haben, bezieht sich Henningsen wahrscheinlich auf dieses durch die Fukuda-Kriterien definierte "CFS".

    Abgesehen davon, dass Henningsen in dieser Presseerklärung (ebenso wie in seinen anderen Schriften  (z.B. 3, 4, 5)) die inzwischen in der ME/CFS-Forschung international gebräuchliche Kanadische Konsensdefinition ignoriert, spricht er im weiteren Verlauf seiner Presseerklärung offensichtlich von einem ganz anderen "Syndrom" bzw. von psychischen Störungen, die mit "Erschöpfung" verknüpft sind.

    Schaut man sich nämlich die Studien einmal genauer an, auf die er sich dort bezieht - und auf die er auch die Behauptung stützt, kognitive Verhaltenstherapie und ansteigendes körperliches Training würden bei 30% der "CFS"-Patienten zu einer Genesung führen -, dann wird klar: er bezieht sich auf keine der gebräuchlichen Krankheitsdefinitionen des ME/CFS, sondern auf die sogenannte Reeves-Definition, nach der 2,5% der Bevölkerung an "chronischer Erschöpfung" leiden, die die unterschiedlichsten Ursachen hat. Das sind 10 mal so viele Patienten wie ME/CFS-Patienten gemäß der Fukuda-Kriterien, d.h. 90% der Patienten nach Reeves haben etwas anderes als ME/CFS, darunter viele mit psychiatrischen Störungen, die ebenfalls mit "Erschöpfung" einhergehen.

    Auch die anderen Studie, auf die er seine Hypothesen stützt, benutzen andere als die gebräuchlichen Krankheitsdefinitionen:

     

    Zur 1. Studie, auf die er sich mit folgendem Text bezieht:

    "Der Psychosomatik-Experte Professor Henningsen vermutet, dass sexuelle, körperliche oder emotionale Traumatisierungen in der frühen Kindheit ein Auslöser sein können. Er bezieht sich dabei auf eine größere Fall-Kontroll-Studie, in der derartige tiefgehende psychische Verletzungen mit einem 6-fach erhöhten Risiko einhergingen, später an einem chronischen Erschöpfungssyndrom zu erkranken."

    Diese Hypothese, dass die Ursache des "CFS" häufig in sexuellem und anderweitigen Missbrauch und vergleichbaren Kindheitstraumata läge, wurde in einer Studie von Urs Nater, Marburg, et al. geäußert. Da es keine andere Studie mit einem solchen Ergebnis gibt, liegt der Schluss nahe, dass er von dieser Studie spricht. Der Titel:

    Childhood Trauma and Risk for Chronic Fatigue Syndrome: Association With Neuroendocrine Dysfunction, Christine Heim, PhD; Urs M. Nater, PhD; Elizabeth Maloney, MS, DrPH; Roumiana Boneva, MD, PhD; James F. Jones, MD; William C. Reeves, MD, MSc

    Arch Gen Psychiatry. 2009;66(1):72-80. doi:10.1001/archgenpsychiatry.2008.508

    http://archpsyc.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=482949

    Diese Studie sowie eine derzeit laufende Nachfolgestudie von Nater und Kollegen ("How Stress gets in the Body - A Psychobiological Approach to the Pathophysiology of Chronic Fatigue") beruhen beide auf der "Reeves-Definition" des "CFS", auch bekannt als "operationalisierte" CFS-Definition:

     Chronic Fatigue Syndrome – A clinically empirical approach to its definition and study

     William C Reeves,corresponding author1 Dieter Wagner,1 Rosane Nisenbaum,1,2 James F Jones,1 Brian Gurbaxani,1 Laura Solomon,1,3 Dimitris A Papanicolaou,4,5 Elizabeth R Unger,1 Suzanne D Vernon,1 and Christine Heim6

    BMC Med. 2005; 3: 19. Published online 2005 December 15. doi:  10.1186/1741-7015-3-19

    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1334212/

    Sowohl die Nater-Studie als auch die Reeves-Definition sind von ME/CFS-Experten und Patientenvertretern heftig kritisiert worden.

    Eine ausführliche Darstellung und kritische Würdigung der früheren und derzeit laufenden Studie von Urs Nater und Kollegen zum Zusammenhang von "CFS" nach Reeves und frühkindlichen Missbrauchserfahrungen und Traumata finden Sie im Artikel des Monats September 2012 Teil 5.

    Wenn eine Studie wie die von Nater den Zusammenhang von „CFS“, neuroendokriner Dysfunktion und Kindheitstraumata bei einer Gruppe von Menschen mit vorwiegend psychiatrischen Krankheiten untersucht, dann ist es nicht verwunderlich, dass in dieser 2,5%-Gruppe ein hoher Anteil von Menschen mit traumatischen Kindheitserfahrungen wie sexuellem Missbrauch und Misshandlung zu finden sind. ABER: rein statistisch ist es möglich, dass unter den hier gefunden Traumatisierten kein einziger ME/CFS-Patient war, denn die haben ja – rein statistisch gesehen – allenfalls 10% der Untersuchten ausgemacht.

    Dennoch schließen Urs Nater, Christine Heim et al. und „Experten“ wie Prof. Peter Henningens daraus, „dass sexuelle, körperliche oder emotionale Traumatisierungen in der frühen Kindheit ein Auslöser [für CFS] sein können.“

    Diese Schlussfolgerung entbehrt jeglicher Zahlengrundlage und jeglicher Logik.

     

    Zur Studie 2: der sogenannten "empirischen" CDC- oder auch Reeves-Definition:

    Die sogenannten "empirischen" CDC-Kriterien, d.h. die Reeves-Definition, sind so weit gefasst, dass sie sogar Menschen einschließen, die körperlich in der Lage sind, einen Marathon zu laufen. Und sie schließen jeden aus, der neurologische Zeichen oder Symptome hat. Obwohl ME/CFS von der WHO als neurologische Krankheit klassifiziert ist, ignoriert die CDC-Definition von William Reeves die neurologischen Symptome, die Kardinalsymptome des ME/CFS.

    Tatsächlich ist die "empirische" oder "operationalisierte" Definition des "CFS" von Reeves/CDC eine vollkommene Neudefinition und erfasst nicht Menschen mit ME/CFS, sondern Menschen mit unspezifischen Erschöpfungssymptomen, darunter zahlreiche Menschen mit psychischen Erkrankungen.

    Eine ausführliche Darstellung und kritische Würdigung der sogeannten "empirischen" Definition des "CFS" nach Reeves finden Sie im Artikel des Monats September 2012 Teil 6.

    Diese Studien von Nater und Kollegen bzw. die Reeves-Definition auf ME/CFS-Patienten zu beziehen, ist zumindest in hohem Maße unwissenschaftlich, wenn nicht gar als gezieltes Manöver zu bezeichnen, mit dem die schwere neuroimmunologische Erkrankung des ME/CFS verharmlost werden soll.

    Angesichts der Tatsache, dass Autoren wie Henningsen auch an Seminaren und Forschungsberichten für Versicherungsgutachter und Ärzte mitwirken, mit denen diese lernen sollen, Simulanten auszusondern und Menschen mit "harmlosen" psychische Störungen vom Anspruch auf Versicherungsleistungen auszuschließen, weil diese keine hinreichende Arbeitsunfähigkeit begründen würden, sind Spekulationen über die Motive eines solchen Vorgehens erlaubt. (7)

    Und es erscheint wie Hohn, dass Urs Nater für seine Verdienste in der Erforschung des Zusammenhangs von frühkindlichen Traumata und Krankheiten wie "CFS" kürzlich mit dem Charlotte- und Karl-Bühler-Preis 2012 der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ausgezeichnet wurde.

     

    Zur 3. Studie, der PACE-Trial

    Peter Henningsen beruft sich auch hinsichtlich seiner Therapieempfehlungen auf eine äußerst umstrittene Studie, die sogenannte PACE-Studie:

    "Auch wenn die Ärzte die Ursache der Erkrankung noch nicht genau kennen, können sie seit kurzem doch zwei Therapien anbieten. Beide haben sich in einer britischen Studie (PACE-Trial) an 641 Patienten als wirksam erwiesen: Die kognitive Verhaltenstherapie gehört zu den Psychotherapien."

    Auch dies ist eine Studie, in der es äußert fraglich war, ob überhaupt und wenn ja, welcher Prozentsatz an ME/CFS-Patienten teilgenommen haben und ob die Ergebnisse deshalb auf ME/CFS-Patienten bezogen werden können. Denn:

    In der PACE-Studie wurden die sogenannten Oxford-Kriterien zugrundegelegt. Diese hat überhaupt keinen Eingang in die internationale ME/CFS-Forschung gefunden, weil sie ganz klar Menschen mit ME/CFS, d.h. Menschen mit neurologischen Symptomen ausschließt. Mit ihr kann also gar keine Forschung an ME/CFS-Patienten durchgeführt werden, dennoch erhebt die PACE-Studie den Anspruch, etwas über "CFS" auszusagen.

    Dies wird von Henningsen in keiner Weise problematisiert. Im Gegenteil, er bezieht sich offensichtlich auf das hypothetische Krankheitsmodell, das auch die Grundlage dieser PACE-Studie war, nach dem die "CFS"-Patienten nur falsche Krankheitsüberzeugungen hätten, eine Bewegungsphobie, und ihre Symptome, die "wie bei einer Grippe" (wohlgemerkt: nicht nach einer Grippe, die bei etwa 80% der ME/CFS-Patienten der unmittelbare Auslöser war) aufgetreten seien, würden durch eine übermäßige Schonhaltung perpetuiert und die Schwäche ("Erschöpfung") werde durch die folgende Dekonditionierung hervorgerufen. Demzufolge hat die Behandlung mit CBT/GET das Ziel,

    "...den Patienten die Angst vor der chronischen Erschöpfung zu nehmen und ihre zunehmende Passivität zu überwinden. Bei der gestuften Aktivierungstherapie („graded excercise therapy", GET) trainieren Physiotherapeuten mit den Patienten, um sie für den Alltag körperlich wieder fit zu machen.

    Mit dieser Formulierung unterstellt er erstens, dass die Patienten "Angst vor der chronischen Erschöpfung" hätten, so als ob das Problem in der "Angst" und nicht in der Erschöpfung läge. Die Patienten haben nach allen ernstzunehmenden Studien und Erfahrungen jedoch allenfalls Angst vor den gravierenden Folgen ihres massiven Krankheitszustandes, der mit dem Wort "Erschöpfung" in keiner Weise erfasst wird. Sie haben allenfalls Angst, weil es im Medizinsystem keine Hilfe, keinerlei Versorgungsangebote gibt und sie im Gegenteil häufig als Drückeberger, Faulenzer, Hypochonder und Simulanten gebranntmarkt werden und durch alle sozialen Netze fallen. DAS macht den Patienten Angst, und diese missliche Lage ist in weiten Teilen Folge der unbewiesenen Hypothesen, wie sie von Reeves, Nater, Henningsen, Wessely, White, Sharpe und anderen Anhängern der "biopsychosozialen" Schule verbreitet werden.

    Und zweitens behauptet er, dass mit CBT/GET die Patienten "körperlich wieder fit" gemacht werden könnten:

    "Unter der aktiven Psycho- und Physiotherapie erreichten etwa 30 Prozent der Patienten Normalwerte, ungefähr doppelt so viele wie unter einer alternativen Therapie oder normalen Betreuung."

    Dass diese Zahlen sich in keiner Weise aus der PACE-Studie ergeben und kein einziger Patient auch nur annähernd einen Gesundheitszustand erreicht hat, den man mit dem Begriff "Normalwert" beschreiben könnte, wurde bereits an anderer Stelle (im Artikel des Monats Februar 2013 Teil 1 und Teil 3) dargestellt. Was hier unter "Normalwert" definiert wurde - nämlich ein Punktewert von 60 im Gesundheitsfragebogen SF-36), ist der Zustand von Menschen mit schwerer rheumatoider Arthritis oder koronaren Herzerkrankungen und anderen behindernden Erkrankungen.

    Selbst wenn es stimmen würde, dass 30% der Behandelten wieder "fit" geworden wären - was nicht der Fall ist -, würde ein Medikament, das lediglich 30% der Behandelten einen Benefit bringt, 70% aber nichts oder sogar eine Verschlechterung bringt, auf dem Markt zugelassen werden? Zudem ist in der PACE-Studie an keiner Stelle erfasst worden, ob und wieviele Patienten durch CBT/GET "Nebenwirkungen" erlitten haben, d.h. die für ME/CFS charakteristische Zustandsverschlechterung nach Belastung.

    Es ist deshalb nahezu eine Aufforderung zur Schädigung von ME/CFS-Patienten, wenn Henningsen schreibt:

    "Auch wenn die Therapieeffekte insgesamt „moderat“ seien, rät Professor Henningsen den Patienten zu einem Behandlungsversuch mit kognitiver Verhaltenstherapie und einer gestuften Aktivierung. Der Experte gesteht aber ein, dass dadurch einem Teil der am chronischen Erschöpfungssyndrom erkrankten Menschen derzeit noch nicht zu voller Funktionsfähigkeit verholfen werden könne."

     

    Fazit:

    Das heißt: Henningsens Pressemitteilung - und auch seine anderen Schriften - beruhen auf der Vermengung oder Verwechslung - vielleicht auch gezielten Vermischung - des ME/CFS (ICD-10 G93.3) mit unspezifischen Erschöpfungssyndromen, die er unter ICD-10 F 48.0 im Abschnitt Psychische und Verhaltensstörungen fasst. Die Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens und die im Wortsinne fatalen Folgen für die Patienten wurden bereits im Artikel des Monats Januar 13 Teil 2 ausführlich dargelegt.

    Er behauptet einerseits, etwas über CFS nach Fukuda auszusagen, andererseits beruft er sich auf Studien, die sich nicht einmal auf das 1994er-Fukuda-CFS beziehen, geschweige denn auf die aktuelle, international gebräuchliche Kanadische Konsensdefinition von 2003 oder deren Revision, die Internationale Konsensdefinition, sondern auf die "operationalisierte" CDC (= Reeves)-Definition und auf die Oxford-Kriterien.

    Eine solche Vorgehensweise ist entweder als unwissenschaftlich zu werten oder als ein grober Fehler, der einem Professor und Leiter der Abteilung für Psychosomatische Medizin der TU München eigentlich nicht unterlaufen dürfte. Oder man muss ein gezieltes Manöver dahinter vermuten, mit dem genau das befördert wird, was Henningsen mit scheinbarem Verständnis für die missliche Lage der ME/CFS-Patienten zu Beginn seiner Presseerklärung sagt:

    "Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom stoßen bei Mitmenschen immer wieder auf Misstrauen und Unverständnis."

    Es sind genau Henningsen und viele andere deutsche Vertreter des biopsychosozialen Modells hinsichtlich des "CFS", die entsprechende Leitlinien (5) verfassen, die dieses Misstrauen und Unverständnis massiv fördern, wenn nicht gar ursächlich hervorrufen.

     

    Leserbriefe

    Die traurige Realität der Patienten spiegelt sich wider in diesen Leserbriefen zu einem Artikel bei rp-online mit dem Titel "Wenn Ausruhen keine Erholung bringt", einem Artikel, der sich auf Henningsens Presserklärung bezieht und diese wortwörtlich zitiert:

    Autor: wir-können-bald-nicht-mehr | Datum: 04.02.2013 11:44

    Wenn Ausruhen keine Erholung bringt

    Mit Befremden und Abscheu lese ich, was deutsche Psychosomatiker wie Prof. Henningsen (u. viele andere Psychiater und Psychologen) immer wieder öffentlich verbreiten: "CFS", wie sie es nennen, sei auf Kindheitstraumata zurückzuführen. Es ist dabei interessant, zu sehen, dass diese "Wissenschaftler" konsequent die neuere Forschung zur ME/CFS unerwähnt lassen, vor allem die Rituximab-Studien, die unzweifelhaft belegen, dass ME/CFS eine organische und KEINE psychiatrische Erkrankung ist. (Ein Krebsmedikament kann nur organisch Kranken helfen, nicht aber psychisch Kranken!) Es fehlt diesen "Wissenschaftlern" offenbar an jener Selbstreflexivität, die für wissenschaftliches Arbeiten unabdingbar ist und welche vor allem auch darin besteht, konträre Meinungen und andere Studienergebnisse zur Kenntnis zu nehmen, einzubeziehen und im Kontext zu bewerten und eben NICHT einfach zu verleugnen.

    Ich bin im Übrigen eine jener Mütter, selbst erkrankt an ME, mit zwei kranken Kindern, eins davon schwer, das andere schwersterkrankt, der, weil ihre Kinder nicht die Schule aufgrund ihrer Erkrankung besuchen können, von amtsärztlicher Seite sexueller Missbrauch UND zur "Vertuschung" des sexuellen Missbrauchs das Münchhausen-by-Proxy-Syndrom unterstellt wird. Und zwar ohne jeden Anhaltspunkt, ohne jede Begründung, von Beweisen ganz zu schweigen. Alles reinweg der ungesunden Phantasie einer übereifrigen Amtsärztin entsprungen, die sich offenbar für besonders gewieft hält und sich offenbar auf genau jene "Untersuchungen" bezieht, die auch Herr Henningsen zitiert.

    d.h. wir haben nicht nur die tragische und kaum aushaltbare Situation zu bewältigen, zwei schwerkranke Kinder mit gänzlich ungewisser bzw. sehr schlechter Prognose versorgen zu müssen (und das bei eigener Erkrankung und ohne jegliche Hilfen von außen, ohne jegliche finanzielle Unterstützung durch die Krankenkasse etc.), sondern wir müssen uns auch noch gegen massive Anschuldigungen zur Wehr setzen, die jeder Grundlage entbehren.

    Meine beiden Kinder waren übrigens vor Erkrankungsbeginn aktiv, fröhlich, sozial bestens integriert, erfolgreich in der Schule, sportlich und hatten keine nennenswerten Probleme.

    Diese Kinder aufgrund von völlig schiefen Studien, die überwiegend "Chronisch Erschöpfte", nicht aber am "Chronischen ErschöpfungsSYNDROM" (oder Besser ME) Erkrankte untersucht haben, zu Missbrauchsopfern und ihre Eltern zu Missbrauchern zu diskreditieren, kommt einer Hexenjagd gleich, wie sie im Mittelalter nicht brutaler hätte vonstatten gehen können.

    Von Psychosomatikern wie Henningsen und Co wird Psychologie ganz offensichtlich als Waffe gegen den Patienten eingesetzt. Das hat mit dem, was GUTE Psychotherapie oder GUTE Psychoanalyse bewirken kann, nichts mehr zu tun. Hier ist Psychologie aus dem Ruder gelaufen - und diese Tendenz, ALLES zu psychopathologisieren, nimmt mittlerweile gefährliche Dimensionen an, wie das neue DSM-V offenbart.

    Doch die naturwissenschaftliche, die biomedizinische Forschung wird die Thesen solcher "Psychologen" auf Dauer als das entlarven, was sie sind: Ein verzweifelter aggressiver Versuch, Patientenkohorten unter die Fittiche zu bekommen, um der eigenen Profession Bedeutung und Gewicht zu verleihen und Pfründe zu sichern.

    Autor: Lost Voices Stiftung | Datum: 03.02.2013 22:00

    Die Evidenzlüge beim Chronischen Erschöpfungssyndrom CFS

    CFS (Patientenorganisationen weltweit bevorzugen die Bezeichnung Myalgische Enzephalomyelitis ME, die bereits seit 1969 in den Klassifikationsrichtlinien der WHO Anwendung finden) ist eine sehr belastende chronische Erkrankung, die mit oft dauerhaften Beeinträchtigungen und einer verringerten gesundheitsbezogenen Lebensqualität einhergeht. Weltweit sind ungefähr 17 Millionen Menschen von ME/CFS betroffen. Zusätzlich zu den großen krankheitsbedingten Belastungen für die Betroffenen und ihren Angehörigen, entsteht ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden durch Arbeitsausfällen, Fehlbehandlungen und Mangelversorgung. Eine von der amerikanische Gesundheitsbehörde CDC durchgeführte Umfrage schätzte die jährlichen Gesamtkosten für die USA durch Produktivitätsverluste durch diese Krankheit auf 9,1 Milliarden Dollar jährlich, Behandlungskosten nicht eingeschlossen.

    Dies verdeutlicht, dass die altersunabhängige Erkrankung eine der größten medizinischen und sozialen Herausforderungen unserer Gesellschaft darstellt.

    Derzeit existieren weltweit große Unterschiede und eine starke Heterogenität zwischen der Gesundheitsversorgung der Erkrankten mit ME/CFS in den einzelnen Ländern, sowie unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten zu den jeweiligen Pflege- und Unterstützungseinrichtungen.

    „Deutschland gilt europaweit als Schlusslicht in der Betreuung und Versorgungen von Menschen mit ME/CFS. Dabei haben sich die Erkenntnisse zu der Erkrankung in den letzten Jahren grafierend geändert.

    Insbesondere Ärzten und Therapeuten fehlt es, an den angebrachten Kenntnissen zu ME/CFS. Die Hauptverantwortlichen für dieses Desaster sind Prof. Henningsen und Kollegen, die alle internationale Forschung zu ME/CFS ignorieren und unbeirrt an Ihrem Pycholabel festhalten und dabei das gesamte medizinische Mainstream in Deutschland zu ME/CFS dominieren.

    Die angeblich "beste Wirkung" von Verhaltenstherapie und körperlicher Aktivierung kann mit keiner Studie insbesondere auch nicht mit der Pace-Studie nachgewiesen werden. Es gibt dagegen eine Vielzahl an Studien, die das genaue Gegenteil beweisen. Diese belegen insbesondere auch die Gefährlichkeit des Therapieansatzes ME/CFS-Patienten mit GET zu behandelt. Henningsens Empfehlungen stellen damit eine schwere Körperverletzung durch Fehlbehandlungen dar.

    Das „Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta, USA vergleichen die Störung in ihrer Schwere mit Multipler Sklerose, COPD und rheumatoider Arthritis.

    Im Internationalen Konsensdokument wird das Hauptmerkmal wie folgt beschrieben: Neuroimmunologische Entkräftung nach Belastung -Bei diesem Hauptmerkmal handelt es sich um die pathologische Unfähigkeit, bei Bedarf genügend Energie zu produzieren, verbunden mit hervorstechenden Symptomen vorwiegend in neuroimmunologischen Bereichen.

    Die Charakteristika sind:

    1. Deutliche, schnelle körperliche und/oder kognitive Erschöpfbarkeit als Reaktion auf Belastung; auch minimale Belastungen wie Aktivitäten im Alltagsleben oder einfache mentale Aufgaben können entkräftend sein und einen Rückfall verursachen.

    2. Symptomverstärkung nach Belastung: Das heißt, akute, grippe-ähnliche Symptome, Schmerzen und eine Verschlimmerung anderer Symptome.

    3. Die Entkräftung nach Belastung kann sofort nach der Aktivität auftreten oder verzögert erst nach Stunden oder Tagen.

    4. Die Erholungszeit ist verlängert und bedarf üblicherweise 24 Stunden oder länger.
    5. Die niedrige Schwelle körperlicher und mentaler Erschöpfbarkeit (mangelndes Durchhaltevermögen) führt zu einer erheblichen Verminderung des vor Beginn der Erkrankung vorhandenen Aktivitätsniveaus.

    Im international anerkannten kanadischen Konsensdokument wird der Beginn wie folgt beschrieben:

    Ätiologie - Die Mehrzahl der Patienten konnte sich vor Ausbruch des ME/CFS eines Lebens voller Gesundheit und Aktivität erfreuen. Die Bedeutung einer viralen Beteiligung wird durch die häufige Auslösung durch Infekte unterstrichen.

    Erhöhte Werte für eine Vielzahl intrazellulärer Erreger lassen darauf schließen, dass eine Dysfunktion der Reaktion des Körpers auf Infektionen eine bedeutende Rolle spielt. Das Vorliegen aktivierter Immunkomplexe wird gestützt durch die Aktivierung erhöhter Werte von T-Lymphozyten; der erniedrigte Zytotoxizitätsgrad der natürlichen Killerzellen lässt auf eine gestörte Zellfunktion schließen. Es gibt bestätigte Forschungsergebnisse über eine biochemische Dysregulation des 25A Synthetase/Ribonuclease L (RNase L) antiviralen Abwehrpfades in den Monozyten, die man bei vielen der Betroffenen findet.

    Die zitierte Studie, die sexuelle, körperliche oder emotionale Traumatisierungen in der frühen Kindheit als Auslöser vermutet, entbehrt jeglicher Grundlage. Für diese Studie wurden die weltweit unbedeutenden Oxfordkriterien zugrunde gelegt, die Menschen mit neurologischen Symptomen ausschließen. Die Definition des ME/CFS, wie sie hier verwendet wird, ist so verwässert, dass sie beinahe alle Fälle von ungeklärter Erschöpfung mit einschließt. Somit sind die getroffenen Aussagen im Hinblick auf Menschen, die tatsächlich an einem ME/CFS leiden, wie es den Fukuda-Kriterien oder den kanadischen Kriterien entspricht, schlicht nicht zutreffend. Neben der Problematik, dass viele Probanden berücksichtigt wurden, die an einer Depression litten, wurden Menschen mit neurologischen Symptomen ausgeschlossen, was bei einer neurologischen Erkrankung wie ME/CFS mehr als fragwürdig erscheint. Menschen die tatsächlich an ME/CFS erkrankt sind, blieben dadurch ohne Berücksichtigung.

    Henningsen selbst schreibt in seinem Buch “Medically Unexplained Symptoms, Somatisation and Bodily Distress“ (Francis Creed, Peter Henningsen, Per Fink,, Cambridge 2011, S. 81) „Angesichts dessen, dass kognitive Verhaltenstherapie eine abgestufte Rückkehr zur Aktivität beinhaltet, ist es verblüffend, dass gesteigerte Aktivität keine Besserung zustande zu bringen scheint. Genauso haben zwei Studien ergeben, dass gesteigerte Fitness keine Besserung aufgrund von Graded Exercise zustande brachte. Das ist besonders überraschend, da Graded Exercise Therapie auf einem Modell der Dekonditionierung und Aktivitätsvermeidung beruht.“ Doch diese Erkenntnisse führt bei Henningsen nicht zu einer Reflektion dieses Ergebnisses.

    Die PACE-Studie zeigt, dass durchschnittlich nur 13% der CFS/ME-Patienten auf eine Behandlung mit CBT oder GET ansprechen. Das bedeutet, dass etwa 87% der Patienten keinen Nutzen aus CBT oder GET gezogen haben - den beiden einzigen Behandlungsansätzen für ME, die in der NICE-Leitlinie empfohlen werden. Die Probandenauswahl muss dabei zusätzlich kritisch hinterfragt werden (s.o.), da Patienten mir neurologischen Beschwerden und Schwerstkranke nicht berücksichtigt wurden.

    Die behauptete Rate an Heilung/Erholung von 30% der so behandelten Patienten lässt sich aus den Daten der Studie in keiner Weise ableiten. Was Prof. Peter Henningsen in seiner Pressemitteilung behauptet - "Unter der aktiven Psycho- und Physiotherapie erreichten etwa 30 Prozent der Patienten Normalwerte..." - entbehrt jeglicher Grundlage.

    Mehr auf http://www.lost-voices-stiftung.org/stellungnahmen-lvs/

    Mit freundlichen Grüßen

    Nicole Krüger

    Lost Voices Stiftung
    Groß-Buchholzer Str. 36B
    30655 Hannover
    Tel. +49(0)511|2706751
    E-Mail nicole.krueger@lost-voices-stiftung.org
    www.lost-voices-stiftung.org

    Autor: Regina-Elisabeth | Datum: 03.02.2013 20:23

    Halb oder ganz blinde Psychiater – kein Ersatz für medizinische Forschung

    Die Aussage, dass 30% der Patienten, die man mit Verhaltenstherapie und ansteigendem körperlichen Training behandelt hat, wieder „fit“ würden, ist schlicht falsch. Diese angeblichen Erfolgszahlen beruhen auf einer dreisten Manipulation und einer noch dreisteren Falschdarstellung der Ergebnisse der PACE-Studie, auf die sich der Psychiater Prof. Henningsen mit seinen Therapieempfehlungen bezieht. Durch die Behandlungen ist in der PACE-Studie kein einziger Patient wieder „fit“ oder gesund oder arbeitsfähig geworden. Selbst diesem „Experten“ scheint dies nicht aufgefallen zu sein. Wer sich in leicht verständlicher Form über die Manipulationen in der 5 Millionen Pfund teuren Studie informieren will, dem empfehle ich diese kurzen Videos:

    Video 1 http://youtu.be/oL8EbOzfgLk

    Video 2 http://youtu.be/lmrE3sXwmAQ

    Video 3 http://youtu.be/DOvxDOIvWM4

    Video 4 http://youtu.be/ivkXkPsD-6A

    Der „Experte“ Prof. Henningsen ist einer weiteren manipulierten „CFS“-Studie aufgesessen, wenn er „vermutet, dass sexuelle, körperliche oder emotionale Traumatisierungen in der frühen Kindheit ein Auslöser sein können.“ In der von ihm zitierten Studie wurden aufgrund der Verwendung einer international nicht anerkannten Krankheitsdefinition, der Reeves-Definition, vorrangig Menschen mit psychiatrischen Krankheitsbildern und unspezifischen Erschöpfungszuständen untersucht, nicht aber Menschen mit ME/CFS (nach WHO-Klassifikation im ICD-10 G93.3).

    Es verwundert deshalb nicht, dass man bei vorwiegend psychisch kranken Menschen auch frühkindliche Traumata findet. Die Ergebnisse dieser Studie nun aber auf Menschen mit ME/CFS zu beziehen, die allenfalls vereinzelt in der untersuchten Studienkohorte waren, ist wissenschaftlich unlauter und grenzt an Betrug. Wissenschaftliche Studien, die solide arbeiten, haben in der Population der ME/CFS-Patienten eine genauso hohe oder niedrige Rate an psychiatrischen Erkrankungen gefunden wie im Bevölkerungsdurchschnitt.

    Die weltweit geschätzten 17 Millionen Betroffenen wünschen sich nichts sehnlicher, als dass man endlich Forschungsgelder in die biomedizinische Erforschung ihrer neuroimmunologischen Krankheit steckt, statt sie mit unwirksamen und in vielen Fällen sogar schädlichen „Therapien“ abzuspeisen, die sie zudem als Drückeberger, Faulenzer und Simulanten stigmatisiert. Das sind nicht nur halbblinde, sondern ganz blinde Therapieversuche, die bei der Mehrzahl der so „behandelten“ Menschen sogar zu einer Verschlechterung ihres Zustandes führt – soweit sie denn überhaupt in der Lage wären, solche „Therapien“ mitzumachen.

    Und die Betroffenen wünschen sich keine halb oder ganz blinden Psychiater, die systematisch die Augen vor den in 5000 medizinischen Fachartikeln nachgewiesenen charakteristischen Anomalien verschließen, sondern Ärzte und Forscher, die sich mit den ungeheuer komplexen biochemischen Prozessen beschäftigen, die bei diesen Patienten durch Viren, Bakterien genetische Abberationen und Umweltschädigungen aus dem Gleichgewicht geraten sind und sie meist für den Rest ihres Lebens in einem erbärmlichen Zustand hinterlassen.

    Gott sei Dank gibt es auch in Deutschland erste Ansätze für eine solide, biomedizinische Erforschung dieses schweren Krankheitsbildes, die die Vertreter psychogener Verursachungshypothesen und psychologischer „Therapien“ bald dem Abfalleimer der Geschichte anheimfallen lassen werden: http://www.marketwatch.com/story/jpt-peptide-technologies-and-the-institute-for-medical-immunology-at-the-charite-in-berlin-announce-collaboration-on-chronic-fatigue-syndrome-2013-01-30

    Die Medizingeschichte ist voll von tragischen Irrtümern und Falschbehandlungen der Art, wie sie heutzutage ME/CFS-Patienten widerfährt. Noch vor 50 Jahren hielt man Multiple Sklerose für eine hysterische Lähmung und vor gut 100 Jahren glaubten noch viele Ärzte, die Tuberkulose käme von exzessiver Onanie. Dass sich der Experte Henningsen mit seiner Meinung, ME/CFS sei das gleiche wie Neurasthenie auf das Buch eines Robert Miller Beard von 1869 bezieht, der hier behauptet, die amerikanische Rasse sei in Gefahr, wenn man Mädchen eine naturwissenschaftliche Bildung zukommen ließe, denn dadurch würde ihr Uterus schrumpfen und ihre Gebärfähigkeit beeinträchtigt, wird irgendwann – und hoffentlich bald – nurmehr einen Lacherfolg nach sich ziehen, aber nicht mehr in Lehrbüchern und Fortbildungstexten des 21. Jahrhunderts verbreitet werden.

    Autor: Nichtmüdesondernkrank | Datum: 03.02.2013 16:55

    Hinter den Kulissen...

    Die Tragik ihres Artikel ist nicht, dass man einen Psychiater als "Experten" eine physischen Erkrankung zu Wort kommen lässt, untermauert durch ein Ergebnis einer fragwürdigen Studie (ich empfehle allen unabhängigen Journalisten sich mal näher damit zu befassen). Die Tragik ist, dass den Patienten durch diese Behauptungen, Psychotherapien würden ihnen helfen, massiv geschadet wird!

    ME/CFS ist eine neuro-immunologische Erkrankung, die so schwer verlaufen kann, dass Patienten das Bett nicht mehr verlassen können. Manche müssen beatmet und künstlich ernährt werden. Kinder können nicht mehr die Schule besuchen, junge Erwachsene müssen wieder bei ihren Eltern einziehen, weil sie sich allein nicht mehr versorgen können.

    Zusätzlich müssen sich die Betroffenen psychiatrisieren lassen, obwohl schon lagen bekannt und durch mehr als 5000 (!) Studien belegt ist, dass es sich bei ME/CFS um eine neuro-immunologische Erkrankung handelt. Untermauert wird dieses durch die Erfolge des Krebsmedikaments Rituximab in Norwegen. Der norwegische Gesundheitsminister entschuldigte sich darauf bei den Patienten für die Diskriminierungen, die sie durch Psychiatrisierung erfahren mussten.

    Ungeachtet dessen gehen bei uns die Diskriminierungen weiter... mittlerweile untersucht eine neue Studie, in wie weit sexueller Mißbrauch in der Kindheit Verursacher von ME/CFS ist. Man könnte darüber lachen, wenn nicht jeder Cent, der durch diese Art von Studien unnütz ausgegeben wird, in der Forschung für die Entwicklung von Medikamenten für ME/CFS fehlen würde.

    Die schwer kranken Patienten warten weiterhin in ihren Betten, gepflegt von Angehörigen. Manche haben das Glück und finden einen Arzt, der sich einliest in das komplexe Thema. Viele Patienten werden durch diese Art von unreflektierter Berichterstattung als Hypochonder abgestempelt. Bei Kindern wird durch diese Art von einseitiger Berichterstattung ein sexueller Mißbrauch vermutet, Müttern wird ein Münchhausen by Proxy Syndrom unterstellt... Wichtige Medikamente werden von den Kassen nicht übernommen, stattdessen verweist man uns an Psychiater (hat man aus der Geschichte der multiplen Sklerose oder des Helicobacter tatsächlich NICHTS gelernt?)! All das im 20. Jahrhundert in unserem "fortschrittlichen" Land!

    So wie Psychiater keine Spezialisten für Multiple Sklerose oder Aids sind, so sind es auch keine Spezialisten für ME/CFS, auch, wenn sie sich selbst so benennen.

    Was wir dringend brauchen sind Forschungen in immunologischen und infektiologischen Bereichen!

    Was wir ferner dringend brauchen, sind Journalisten, die sich objektiv mit dem Krankheitsbild befassen. Es gibt sehr viele Hinweise darüber, welcher Skandal sich bei der Behandlung (oder eher Nichtbehandlung) von ME/CFS Patienten abspielt.

    Autor: CarolineD | Datum: 03.02.2013 16:25
    PS: Erfahrung eines CFS-Patienten bei Henningsen
    Ein aufschlussreicher Bericht eines CFS-Patienten über seine Erfahrung mit Hr. Henningsen http://www.cfs-aktuell.de/januar13_2.htm#Bericht_eines_Patienten

    Autor: CarolineD | Datum: 03.02.2013 15:43
    CFS nicht psychiatrisch, sondern neuro-immunologisch

    Sehr geehrte Redaktion,

    bezugnehmend auf Ihren Artikel vom 2.2.13 zum Chronischen Erschöpfungssyndrom / Myalgische Encephalomyelitis möchte ich mich mit einem Leserbrief an Sie wenden.

    Die Erkrankung trifft meistens Menschen in jungen Jahren zwischen 20 und 40. Sie beginnt richtig beschrieben meist plötzlich mit einem Infekt. Die Krankheit verläuft fast immer so schwer, dass für diese noch jungen Menschen ein Berufsalltag unmöglich wird. Es gibt kaum Ärzte, die die Krankheit kennen oder Behandlungsversuche unternehmen. Die Lage und medizinische Versorgung der Patienten ist daher verheerend schlecht. Psychiatrische Behandlungen, wie von Herrn Henningsen propagiert gehen völlig an der Realität der Patienten und an der neuro-immunologischen Natur dieser Krankheit vorbei.

    Bereits in den 1960er Jahren hat die WHO CFS - verbindlich auch für Deutschland - als neurologische Erkrankung eingestuft, basierend auf Studien. Die von Psychiatern angeführte und leider auch in Ihrem Artikel kritiklos übernommene PACE-Studie liefert bei genauen Hinsehen äußerst magere Ergebnisse, was eine Behandlung der neuro-immunologischen Krankheit mit Verhaltenstherapie angeht. Zum einen wurden dort die sogenannten Oxford-Kriterien angewendet, die nicht den aktuellen Diagnosekriterien entsprechen und die nicht trennscharf zwischen psychiatrisch bedingter "Müdigkeit" (etwa bei Depressionen) und der neurologischen Erkrankung CFS unterscheiden. Zum anderen geben die Studienautoren in einer kürzlichen Veröffentlichung zu, dass gerade einmal ein Fünftel der Patienten sich besserte bzw. wieder gesund wurde. Und nun kommt noch ein weiterer Haken der Studie: "Gesund" bedeutet hier nicht das, was wir alle uns unter Gesundheit vorstellen, nämlich frei von jeglichen Beschwerden zu sein. Es bedeutet vielmehr ein gewisses Funktionieren, die Studienautoren prüften noch nicht einmal, ob die Probanden wieder arbeitsfähig waren. Darum sollte es doch eigentlich gehen.

    Und noch eine Anmerkung zu Ihrer Wortwahl, die ich mir nicht verkneifen kann. ME/CFS-Patienten sind nicht "ewig müde". Sie sind vielmehr so krank, dass sie z.T. Wohnung oder Bett über Jahre nicht mehr verlassen können. Sie als "ewig müde" zu bezeichnen ist als würde man Magenkrebs als chronisches Bauchweh bezeichnen. Der Alltag von CFS-Patienten ist über Jahre oft kaum zu ertragen. Bitte verharmlosen Sie die Krankheit durch eine solche Wortwahl nicht.

    Übrigens gibt es auch in Deutschland Ärzte an Universitätskliniken, die sich ernsthaft mit der Krankheit beschäftigen, so etwa die Immunologie der Charité, und sich bei ihrer Arbeit im Gegensatz zu Psychiatern wie Henningsen, über deren Motive man nur spekulieren kann, an der WHO-Einordnung als neuro-immunologische Erkrankung orientieren. Erkrankten kann man nur raten, dort Hilfe zu suchen, anstatt sich in die Hände der Psychiater zu geben, die fachlich nicht qualifiziert sind, eine neuro-immunologische Erkrankung zu diagnostizieren oder zu behandeln.

    ME/CFS - eine schwere chronische, organische Krankheit

    ME/CFS ist eine Krankheit des Immunsystems, die sich neurologisch auswirkt, ähnlich wie bei Multipler Sklerose.

    Die WHO listet ME/CFS in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) als organische, neurologische Krankheit und nicht wie in diesem Artikel suggeriert wird als psychosomatische Krankheit.

    ME/CFS ist keine chronische Erschöpfung, die Bezeichnung Chronic Fatigue Syndrom verharmlost die Erkrankung. Fatigue ist lediglich eins von vielen Symptomen und oft nicht das Schlimmste.

    Im Moment gibt es keine wirksame Therapie, die im Artikel erwähnte Verhaltenstherapie hat sich als unwirksam erwiesen, ein gesteigertes Aktivitätstraining sogar vielfach als schädlich. http://www.iacfsme.org/BULLETINFALL2011/Fall2011KindlonHarmsPaperABSTRACT/tabid/501/Default.aspx

    In der Forschung befindet sich derzeit ein vielversprechender Therapieansatz mit dem Medikament Rituximab, das bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird. Eine randomisierte kontrollierte Studie mit ME/CFS-Patienten verlief äußerst erfolgreich. http://www.helse-bergen.no/aktuelt/tema/kronisk-utmattelsessyndrom-me/Sider/krebsmedizin-zeigt-wirkung-bei-cfsme-patienten.aspx

    Weitere Informationen zum Thema ME/CFS finden Sie z.B. auf der Seite der Lost Voices Stiftung. http://www.lost-voices-stiftung.org/

    Literatur:

    1. Recovery from chronic fatigue syndrome after treatments given in the PACE trial
      P. D. White, K. Goldsmith, A. L. Johnson, T. Chalder and M. Sharpe
      Psychological Medicine January 2013, pp 1 9

      http://journals.cambridge.org/images/fileUpload/documents/White_PSM_Paper_Jan13.pdf

    2. Presseerklärung von Peter Henningsen zum o.g. Artikel zur PACE-Studie: "Chronisch erschöpft - wenn auch Ruhe keine Erholung bringt"

    3. Chronisches Erschöpfungssyndrom: Wenn gar nichts mehr geht http://www.medizinauskunft.de/artikel/diagnose/krankheiten/Weitere/chronisches-erschoepfungssyndrom-29-01-13.php

    4. P. Henningsen, A. Martin: Das chronische Erschöpfungssyndrom. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2013: 138 (1/2): S. 33-38

    5. Informationen zur neuen Leitlinie über "Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Körperbeschwerden"

      Dtsch Arztebl Int 2012; 109(47): 803-13; DOI: 10.3238/arztebl.2012.0803

      Schaefert, Rainer; Hausteiner-Wiehle, Constanze; Häuser, Winfried; Ronel, Joram; Herrmann, Markus; Henningsen, Peter

      http://www.aerzteblatt.de/archiv/132847/Nicht-spezifische-funktionelle-und-somatoforme-Koerperbeschwerden?s=Prof.+Henningsen+TU+M%FCnchen

    6. Informationen zur PACE-Studie: http://en.wikipedia.org/wiki/Chronic_fatigue_syndrome_treatment#PACE_trial

    7. Forschungsabschlussbericht zum Projekt zur Erarbeitung eines Leitfadens zur Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Privaten Berufsunfähigkeitsrente/ zur Stiftung: Die Dr.-Karl-Wilder-Stiftung wurde 1958 von der deutschen Lebensversicherungswirtschaft gegründet und unterstützt medizinische Forschungsprojekte aus dem Bereich der Versicherungsmedizin.

      http://www.gdv.de/wp-content/uploads/2012/05/GDV_Karl_Wilder_Stiftung_Forschungsabschlussbericht_n.pdf