Kommentar und
Aufruf: Wehren Sie sich, wenn Ihnen Vergleichbares widerfährt!
Ist es tatsächlich
„Vergesslichkeit“, an der Dr. W. H. zu leiden scheint, oder leidet
er womöglich auch an Wahrnehmungsstörungen?
Denn wenn man sich den „Dialog“
ansieht, ist augenfällig, dass Dr. W. H. überhaupt nicht zuhört,
bzw. gar nicht wahrnimmt, was der Patient sagt. Dr. W. H. hat
offenbar eine vorgefasste Meinung und ignoriert sämtliche Aussagen des
Patienten, die dieser widersprechen würden. Die mitgebrachten
Unterlagen schaut er sich nicht an. Er erhebt also keinerlei
Krankengeschichte
– und dennoch verordnet er am Ende ein
verschreibungspflichtiges Psychopharmakon und eine „Reha“, bei der
Sport als „Therapie“ durchgeführt wird.
Er scheint ein vorgefertigtes
Muster im Kopf zu haben, das da lautet: Patienten, die erschöpft
sind, haben eine Depression, und da muss man ein Antidepressivum und
überwachten Sport verordnen, und dann sind die Patienten wieder
gesund.
Es scheint überhaupt nicht
wahrzunehmen, dass alles, was der Patient sagt und durch sein
Verhalten vermittelt, diesem Muster widerspricht. Es scheint völlig
egal zu sein, was dieser sagt. Er interpretiert sein vorgefertigtes
Muster „Menschen, die angeben, an CFS zu leiden, haben eine Depression“
geradezu gewaltsam in die Aussagen des Patienten hinein, obwohl es
weder in seinem Auftreten noch in seiner Krankengeschichte
Anhaltspunkte für eine Depression oder eine andere psychische
Erkrankung gibt. Er erklärt einen vor einer Woche geträumten Traum
als Indiz für eine seelische Störung, die die bereits zwei Jahrzehnte
andauernde, schwere Erkrankung des Patienten verursache. Eine solche
Schlussfolgerung ist allein unter dem Aspekt der zeitlichen Abfolge
vollkommen abwegig.
Wahrnehmungsstörung? Ignoranz? Unfähigkeit oder schlicht eine
Unverschämtheit?
Wenn in einer normalen
Alltagsbegegnungen durch das Gegenüber eine solche Schlussfolgerung
gezogen wird, würde man sagen, das ist irgendetwas zwischen absurd
und unverschämt. Wenn einem so etwas in einem Arzt-Patient-„Dialog“
passiert – bei einem Arzt, bei dem man in verzweifelter Lage Hilfe
sucht und der sich selbst als Spezialist für „CFS“ hält und
diesbezüglich bundesweit als Gutachter tätig ist –, so ist das im besten Falle eine fahrlässige Fehldiagnose,
im schlimmsten Falle grenzt sie an Körperverletzung, und zwar durch
„Therapieempfehlungen“ wie Sport, die nachgewiesenermaßen bei ME/CFS
die Krankheitsmechanismen anheizen und sowohl den akuten Zustand als
auch die Prognose der Patienten dramatisch verschlechtern können.
(Siehe die zahlreichen Artikel von Maes/Twisk und VanNess, von
Martin Pall und anderen Autoren auf dieser Website,
z.B.
hier, hier,
hier,
hier,
hier,
hier,
hier,
hier,
hier,
hier,
hier,
hier und
hier. (2011 und
2012 hinzugekommen:
hier und
hier.) Ein gerade
erschienener Überblicksartikel zur
sogenannten post-exertional malaise, der Zustandsverschlechterung
nach Belastung, findet sich
hier, ein früherer dazu
hier.
Auch das unten
wiedergegebene Schaubild macht die Anomalien von ME/CFS-Patienten
nach körperlicher Belastung augenfällig, auch ohne dass man
versteht, was die einzelnen Werte bedeuten.)
Man könnte meinen, der Ablauf
dieses „Gesprächs“ sei eine Ausnahme – aber nach allem, was
ME/CFS-Patienten in Foren und in persönlichen Gesprächen berichten,
kommt so etwas sehr häufig vor, vor allem bei
medizinischen Gutachtern, die sie aufsuchen müssen im Rahmen von
Rentenanträgen, Ansprüchen an eine private
Berufsunfähigkeitsversicherung und Anträgen bei Versorgungsämtern.
Dr. W. H. setzt Maßstäbe für Gutachter
Dieser Herr Dr. W. H. hat daran
einen ganz wesentlichen Anteil. Als Neurologe und Psychiater und bei
der Versicherungsindustrie beliebter Gutachter für „CFS“-Patienten
und Verfasser mehrerer „Standard“-Werke und Artikel zur Begutachtung
und Behandlung von „CFS“-Patienten setzt er Maßstäbe für andere
Ärzte. Er wird von der Deutschen Rentenversicherung immer wieder als
Fortbilder für Ärzte zum Thema „Somatoforme Störungen“ herangezogen
(zu denen er ME/CFS zählt),
und da er als „Spezialist“ gilt, werden andere Ärzte seine Ansichten
und sein Vorgehen erst einmal nicht infrage stellen. Er bezeichnet
Krankheiten wie ME/CFS, Fibromyalgie, Sick-Building-Syndrom und
Multiple Chemikaliensensitivität abfällig als „moderne Leiden“ und
„neue Krankheiten“ und hält Fibromyalgie für einen „entbehrlichen
Krankheitsbegriff“.
Deshalb begutachtet er laut einer
von ihm verfassten Powerpoint-Präsentation diese „modernen Leiden“ als wahlweise Neurasthenie (F48.0), Somatisierungsstörung
(F45.0), somatoforme, autonome Funktionsstörung (F45.3), anhaltende
somatoforme Schmerzstörung (F45.4), hypochondrische Störung
(F45.2)oder Depression mit Vitalstörungen. (F-Diagnosen sind in der
Internationalen Klassifikation der Krankheiten der WHO, den ICD-10,
als psychiatrische Diagnosen klassifiziert, während ME/CFS eindeutig
als neurologische Krankheit unter G.93.3 klassifiziert ist. Eine
gleichzeitige Klassifikation ein und derselben Krankheit unter zwei
verschiedenen Kategorien ist laut Schreiben der WHO nicht gestattet, - aber
das kümmert Gutachter wie Herrn Dr. W. H. offenbar wenig.)
Das englische
Original dieses Textes finden Sie z.B.
hier oder
hier.
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ME/CFS oder Depression? Eigentlich leicht zu unterscheiden...
Dieser Gutachter – den man
angesichts seiner Missachtung der ihm anbefohlenen hilfsbedürftigen
Menschen eher als Missachter bezeichnen sollte – hat nicht einmal
das kleine Einmaleins der Unterscheidung von Depressionen von
anderen Erkrankungen gelernt. Im Falle des ME/CFS ist eine solche
Unterscheidung schon durch zwei sehr einfache Fragen zu klären, die
da lauten:
-
„Geht es Ihnen nach dem Genuss
von Alkohol besser oder schlechter?“
-
„Geht es Ihnen nach körperlicher
Belastung, also etwa einem Spaziergang, besser oder schlechter?“
Menschen mit einer Depression
werden mit hoher Wahrscheinlichkeit bei beiden Fragen sagen, es
ginge ihnen dann besser, während Menschen mit ME/CFS bei beiden
sagen werden, dass es ihnen dadurch massiv schlechter geht.
Eine weitere einfache
Unterscheidungsmöglichkeit, die Prof. Leonard Jason immer wieder
empfiehlt, ist den Patienten zu fragen, was er denn tun würde, wenn
er morgen wieder gesund wäre? Menschen mit einer Depression wissen
darauf nichts zu antworten, während ME/CFS-Patienten mit einer
ganzen Liste an Aktivitäten aufwarten können, die sie sofort tun
würden, wenn sie nur könnten.
Und sie sind in ihrer gesamten
Krankengeschichte immer wieder über ihre Belastungsgrenze
hinausgegangen und tun das auch jetzt häufig noch, eben weil sie
jede noch so kleine vorhandene Energiemenge nutzen, um aktiv zu
sein. Sie wollen etwas tun, aber sie können es nicht.
Selbst diese einfachen Fragen hat
der Herr Obergutachter nicht gestellt, geschweige denn, dass er vor
der Verordnung so invasiver und im Falle von ME/CFS potentiell
schädlicher „Therapie“-Empfehlungen wie Psychopharmaka und Sport
einmal im Labor hätte untersuchen lassen, wie etwa der
Serotoninspiegel ist, wie die zahlreichen anderen biologischen
Parameter aussehen, mit denen man auf der Ebene von Laborergebnissen
bereits unterscheiden kann, ob man einen Menschen mit ME/CFS (und
vielleicht sekundärer depressiver Verstimmung) oder einen Menschen
mit primärer, majorer Depression vor sich hat. (Charles Lapp hat vor
Jahren bereits einen schönen Artikel zur Unterscheidung von ME/CFS
und Depression geschrieben - Sie finden ihn
hier.)
Eine Ausnahme oder ein exemplarischer Fall?
Ein Vorgehen, wie es anhand
dieses Protokolls sichtbar wird, empfiehlt Dr. W. H. auch in seinen
Schriften, die zahlreiche Gutachter als Vorlage für ihre Arbeit
nutzen. Es ist also zu befürchten, dass dies dadurch eine weitverbreitete
Praxis geworden ist – eine Praxis, die nichts weiter als ein Verbrechen an
oft schwer kranken, verzweifelten Patienten ist. Denn die
Konsequenzen einer solchen Falschbegutachtung gehen weit über
körperliche Schäden hinaus – oft werden die Menschen von den
Rentenbehörden gezwungen, sich in eine psychosomatische Klinik zu
begeben, und wenn sie dort bei Frühsport und strammem „Therapie“-Programm nicht mithalten können, werden sie als
Therapieverweigerer klassifiziert – mit der Folge, dass Arbeitsamt
bzw. Rentenversicherung mit dem Entzug der mageren Sozialleistungen
drohen.
Das gleiche gilt, wenn sie eine
solche „Reha-Maßnahme“ oder „Wiedereingliederungsmaßnahme“ des
Arbeitsamtes aufgrund ihres erbärmlichen Gesundheitszustands
überhaupt gar nicht erst antreten können. Selbstverständlich wird
die Unfähigkeit, an dergleichen teilzunehmen, als mangelnde
Kooperationsbereitschaft gewertet und mit noch weiteren
psychiatrischen „Diagnosen“ geahndet. Und dass es hier nicht um
Diagnosen im Sinne der Einleitung einer hilfreichen Therapie geht,
sondern um regelrechte Verurteilungen oder gar Bestrafungen, die die
Betroffenen weiter stigmatisieren und ins soziale und finanzielle
Aus stellen, ergibt sich von selbst. Dem Patienten wird letztlich bescheinigt,
dass er selbst schuld sei an seinem Zustand, sich im sekundären
Krankheitsgewinn aale und durch Entzug der Sozialleistungen zum
erwünschten Verhalten zu zwingen sei.
Beispiele dafür, was
Patienten sich von Ärzten und Psychologen immer wieder
anhören müssen, selbst wenn sie schwere organische
Begleiterkrankungen haben, können Sie in diesem Blog
nachlesen:
http://leben-mit-cfs.blogspot.com/
Klicken Sie dort die
„Alltäglichen Zitate“ an. Sie finden hier nur einige der
Aussagen, die sich die Patientin über Jahre immer wieder
anhören musste. Man fragt sich, wie stark ein Mensch
sein muss, um so etwas ohne psychischen Schaden zu
überstehen. Und lesen Sie auch
„Meine Geschichte“ - dann
wird Ihnen klar, welchen extremen körperlichen
Leidensdruck Menschen mit ME/CFS haben - und dass sie
sich nichts sehnlicher wünschen würden, als dass ihr
Elend mit ein bisschen Sport und Verhaltenstherapie zu
verscheuchen sei. Leider bringt dieser Voodoo-Zauber bei
ME/CFS nichts!
Und wenn Sie entsprechende
Patientenforen aufsuchen und die zahlreichen,
erschütternden Berichte kranker Menschen über ihre
Erfahrungen im Medizinbetrieb lesen, dann können Sie den
Glauben an die Menschheit verlieren. |
Was passiert hier mit schwer kranken, hilflosen und abhängigen
Menschen?
Bei dem hier zitierten Patienten handelt es sich um
einen gebildeten Menschen im mittleren Alter, der als erfolgreicher
Selbständiger und alleinerziehender Vater bereits einiges im Leben
zustande gebracht und durchgemacht hat und der sich aufgrund dessen
auch abzugrenzen und zu wehren weiß, wenn man ihn auf diese Weise
misshandelt. Aber was ist mit Patienten, die dem Arzt vertrauen, die
abhängig sind von seinem Urteil, die sich nicht in dieser Weise
wehren können? Sind sind solchen Misshandlungen weitgehend hilflos
ausgeliefert und müssen nur allzu oft noch die Erfahrung machen,
dass man ihnen nicht glaubt, wenn sie solches berichten und dass
Angehörige und Freunde eher dem Arzt glauben, als dem Patienten.
Dieser Mann, der uns das
Gedächtnisprotokoll zur Verfügung gestellt hat, ist immerhin noch
„freiwillig“ zu Dr. W. H. gegangen, aufgrund einer Empfehlung seines
Hausarztes, der es mit Sicherheit „gut“ mit ihm gemeint hatte. Aber
wie viele Patienten werden von Rentenbehörden, Krankenkassen und
Arbeitsämtern gezwungen, zu diesem oder ähnlichen Gutachtern zu
gehen, und zwar unter der Drohung, ihnen jeglichen Lebensunterhalt
zu entziehen? Diese Menschen werden einfach nur zu Opfern von
unfähigen, vorurteilsbeladenen, nicht informierten Ärzten, denen das
Schicksal ihrer Patienten völlig egal zu sein scheint.
Wenn Ihnen so etwas widerfährt – stecken Sie es nicht ein!
Trauen Sie Ihrer eigenen
Wahrnehmung, trauen Sie dem, was Ihnen Ihr Körper mitteilt – die
Natur hat es über Jahrmillionen der Evolution schon so eingerichtet,
dass der Mensch genau fühlt, was für ihn gut ist und was ihm
schadet. Und wenn Sie fühlen, dass Ihnen „Sport“ schadet und Sie
Medikamente noch kränker machen als zuvor, dann hören Sie auf Ihr
Gefühl – und nicht auf das Urteil oder die Empfehlung eines Arztes,
der Ihnen offensichtlich nicht zuhört!
Verstecken Sie sich nicht mit
ihrer Verletztheit und Scham, dass Ihnen so etwas passiert ist!
Wehren Sie sich bereits in der Situation, wenn Sie können. Schreiben
Sie nach einem solchen Termin ein Gedächtnisprotokoll – das reinigt
nicht nur die Seele, sondern kann in späteren Widerspruchsverfahren
sehr nützlich sein. Und denken Sie immer daran: Auch ein
Arzt hat sich an die Regeln des menschlichen Umgangs zu halten,
gerade weil er mit Menschen zu tun hat, die sich in einer Situation
von Hilflosigkeit und Abhängigkeit befinden.
Fragen Sie den Arzt ganz
freundlich und ohne Vorwurf, was er denn
als letztes an biomedizinischer Forschung über ME/CFS gelesen hat,
ob er informiert ist über charakteristische Zytokinprofile bei
ME/CFS, über die pathologischen Mechanismen in der Energieproduktion
(Stichwort: mitochondriale Dysfunktion), über Nitrostress und
oxidative Schäden, über die Schädlichkeit von „Sport“, über die
zahlreichen Viren und bakteriellen Infektionen, die man bei
ME/CFS-Patienten findet. Fragen Sie ihn, ob er schon mal was vom
dritten humanen Retrovirus, dem XMRV, gehört habe und ob er wisse,
dass man dieses ansteckende Retrovirus bei der überwiegenden
Mehrheit der ME/CFS-Patienten gefunden hat? Ob er wüsste, was ein
Retrovirus anrichtet? Und auf welcher Basis er meinen würde, dass
Antidepressiva und Sport diese Anomalien beseitigen könnten?
Machen Sie sich einen Ausdruck
dieser Ärztebroschüre mit einem Überblick
zum Krankheitsbild ME/CFS und geben Sie sie allen Beteiligten.
Empfehlen Sie ihm, sich den
hervorragenden zusammenfassenden
Vortrag über ME/CFS von Professor Anthony Komaroff
anzusehen. Dort finden Sie u.a. dieses Schaubild von Alan Light, das
mehr als alle Worte zeigt, wie unterschiedlich Gesunde und
ME/CFS-Patienten auf körperliche Belastung reagieren:
Siehe auch:
http://www.jpain.org/article/PIIS1526590009005744/abstract?rss=yes
Sagen Sie ihm: „Sie müssen mir
das erklären, wie Sie darauf kommen, dass all meine organischen
Symptome Ausdruck einer Depression sein können und Ihre
Therapieempfehlungen helfen sollen - Sie sind schließlich der
Fachmann, und ich bin nur ein Patient. Erklären Sie mir, wie durch
Antidepressiva und Sport diese Anomalien hier weggehen sollen.
Welche Studie beweist das?“
Sagen Sie ihm: „Ich habe volles
Verständnis dafür, wenn Sie mit so einer komplexen Krankheit, wie
ich sie habe, nichts anfangen können. Das geht den meisten Ihrer
Kollegen nicht anders. Und ich bin mir auch vollkommen darüber im
Klaren, dass es schwer ist, mir zu helfen, und dass man ME/CFS nicht
heilen kann. Aber ich möchte dafür nicht die Schuld in die Schuhe
geschoben bekommen, und ich möchte trotzdem auf menschenwürdige Art
und Weise behandelt werden und hoffe darauf, von Ihnen in meiner
verzweifelten Lage Unterstützung zu erfahren.“
Vielleicht bieten Sie dem Arzt
oder Gutachter mit einem Verhalten, wie es
Frank Neuendorff empfiehlt, noch einen Ausweg aus der absurden
Situation, die schon dadurch entsteht, dass Sie wahrscheinlich Sie viel besser
informiert sind, als der Mensch auf der anderen Seite des Schreibtisches.
Vertreten Sie Ihre Interessen mit freundlicher Bestimmtheit
– denn dieser urteilt über Sie und entscheidet über Ihre Zukunft,
über Ihre finanzielle Absicherung, über Ihr Ansehen, über Ihre
Möglichkeit, in Zukunft eine angemessene Behandlung zu finden!
Dieser Mensch hat große Macht, und Sie müssen ihn zur Not sanft zwingen, mit
dieser Macht verantwortungsvoll umzugehen!
Vielleicht können Sie das Blatt
noch wenden und eine Verständigung herstellen. Aggressiv werden und
allzuviel argumentieren nutzt irgendwann nichts mehr. Wenn Sie
jemanden vor sich haben, der nicht zuhören will und so
offensichtlich eine vorgefasste Meinung hat wie Dr. W. H., dann ist
jeder Versuch Ihrerseits wahrscheinlich vergebens. Um mit den Worten
Frank Neuendorffs zu sprechen: Reiten Sie kein totes Pferd – dann
steigen Sie besser ab.
Wenn Sie an jemanden wie Dr. W.
H. geraten, der so eindeutig kommunikationsunfähig ist, dann kann
man nur noch gehen und versuchen, sich jemanden anderes zu suchen,
einen Gutachter für befangen zu erklären oder sich bei der
Ärztekammer, beim Menschenrechtsbeauftragten
Ihrer Ärztekammer, bei den Krankenkassen und Rentenversicherungen zu
beschweren. Lassen Sie sich das nicht gefallen. Wenden Sie
sich an die Medien, wenden Sie sich an Patientenorganisationen,
machen Sie das Unrecht öffentlich.
Wenn Sie eine
Rechtsschutzversicherung haben, suchen Sie sich einen Anwalt, der
sich mit der Problematik von ME/CFS-Patienten auskennt und der Ihnen
bei einer Falschbegutachtung beisteht. Suchen Sie sich Helfer, denn
wahrscheinlich sind Sie selbst zu schwach, um diese Kämpfe alleine
durchzustehen!
Der
Fatigatio e.V. hat
sich bereits in einem Schreiben Ende 2008 über diesen
Herrn Dr. W. H. bei der Deutschen Rentenversicherung und
beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales
beschwert, als dieser mal wieder eine seiner
Fortbildungen zur
„Begutachtung somatoformer Störungen“
hielt, zu denen er
–
fälschlicherweise
–
auch ME/CFS
zählt.
Das
„Anliegen“ des Fatigatio e.V., die neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ME/CFS als einer
biomedizinischen Erkrankung zu berücksichtigen und die
veraltete und falsche Gleichsetzung mit psychischen
Erkrankungen aufzugeben, wurde vom Bundesministerium für
Arbeit und Soziales zur
„Prüfung“ an das Bundesversicherungsamt weitergeleitet.
Dieses
bestätigte in einem Antwortschreiben an den Fatigatio
jedoch nur, dass es sich weiterhin nach den alten
–
falschen
– Einordnungen als psychiatrische/somatoforme
Störungen richtet und eine Reha-Maßnahme in einer
psychosomatischen Klinik mit körperlicher Aktivierung
und Verhaltenstherapie für die am meisten
erfolgversprechende Therapie hielte. Und dass sie
selbstverständlich immer den neuesten Stand der
Wissenschaften berücksichtigen und in ihre Fortbildungen
und Leistungsbescheide mit einfließen lassen würden. Und
dass die ihnen vorliegenden Ausführungen
„plausibel
und widerspruchsfrei“
seien.
Offensichtlich besteht bei dieser Behörde noch
dringender Aufklärungsbedarf über den tatsächlichen
Stand der Wissenschaft! Aus den Literaturlisten in Veröffentlichungen der
entsprechenden
„Fachleute“
wird ersichtlich, dass sie die biomedizinische Forschung
zu ME/CFS komplett ignorieren, d.h. etwa 5000
Veröffentlichungen in medizinischen Fachzeitschriften,
die eindeutig die biologischen Anomalien bei ME/CFS
beschreiben, die sich von
„somatoformen Störungen“
und Depressionen in der
Regel stark unterscheiden.
Diese
Beschwerde war also in etwa so wirkungsvoll, als hätte
man einen Ochsen ins Horn gepetzt. So kommen wir nicht
weiter, wir müssen uns andere Formen des Protests
überlegen! |
Nur wenn wir als Patienten das
Unrecht anprangern, was uns geschieht, wird sich etwas ändern. Mit
guter Information alleine tut sich nichts – denn diese gibt es zu
Hauf, aber sie wird nicht beachtet. Die Herren und Damen Ärzte
weigern sich viel zu oft, sich auf dem Stand der Wissenschaft zu
halten und die vorhandenen Informationen wahrzunehmen – und welche
Mittel haben wir sonst, sie dazu zu zwingen, uns zumindest nicht
mehr zu misshandeln??? Nur das Anprangern des Skandals kann uns
helfen – das ist meine Meinung nach fast fünf Jahren Arbeit an
cfs-aktuell und fast 10 Jahren Arbeit im Rahmen der
Patientenorganisationen.
Wenn wir nicht aufstehen und laut
werden – auch wenn unsere Stimmen schwach sind – wird sich nichts
ändern. Deshalb: wehren Sie sich! Sie sind nicht allein!
Regina Clos
PS. Und verlieren Sie trotz allem niemals Ihren
Humor!
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